Die Frage, ob die Juden zum Kriegshandwerk geeignet seien

Von der Beteiligung der Juden an den Kriegen der Vorzeit sind wenig Zeugnisse übrig geblieben. Daß unter den ,,langen Kerlen“ Friedrich Wilhelms I. etwa ein Jude gewesen, ist schwerlich anzunehmen; bei den Landsknechten und Söldnern früherer Zeit fragte man weniger nach Konfession, als nach Draufgängertum und Verwegenheit. Und mancher Abenteurer konnte wohl einen Tropfen jüdischen Blutes in sich haben. Hat man doch in neuerer Zeit ernsthaft behauptet, daß in der Räuberschar, die Schiller in seinen Räubern gewiß zum Teil nach historischen Modellen modelte, Spiegelberg ein Jude gewesen sei und dies nicht nur aus den zahlreichen biblischen Anklängen seiner Sprechweise, sondern auch aus einzelnen Anspielungen in seinen Reden (die Erwähnung des Jordan, des Josephus, den Hinweis auf die Beschneidung, die mit ihm vorgenommen worden sei) schließen wollen, so daß nach den ernsten Darlegungen mancher Forscher einzelne Schauspieler den Spiegelberg als jüdischen Typus in Maske, Gebärden und Sprechweise (Mauscheln) gaben. Diese Meinung und der dadurch veranlaßte Vorgang einzelner Künstler ist gewiß wie ich an anderm Orte nachgewiesen habe, falsch. Immerhin mag es vorgekommen sein, daß auch jüdische Muttersöhnchen ihren Eltern entliefen, um ein freies Leben zuführen und gescheiterte Existenzen das Räuber- oder das Kriegshandwerk ergriffen.

Die Frage, ob die Juden zum Kriegshandwerk geeignet seien oder nicht, wurde theoretisch wohl zum ersten Mal in den Tagen Friedrich des Großen aufgeworfen. Der große König war kein Judenfreund und hegte trotz aller Aufklärung nicht den erleuchteten Gedanken, statt des Söldner- und Konskriptionswesens die allgemeine Wehrpflicht einzuführen, aber immerhin wurde der Aufklärungsgedanke auch für die Juden erwogen, so schwere gesetzliche Vorschriften auch auf ihnen lasteten. Und eine stärkere Beteiligung der Volksgenossen an der Verteidigung des Landes stand immerhin auf der Tagesordnung.


Als daher Christian Wilhelm Dohm sein epochemachendes Buch ,,Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden“ Berlin 1781 schrieb, konnte er nicht umhin, auch auf den Vorwurf einzugehen, den die Gegner der Judenemanzipation gern im Munde führten, daß die Juden schon deshalb zu Kriegsdiensten unfähig seien, weil ihnen durch ihr Religionsgesetz das Kämpfen am Sabbath untersagt wäre.

Seine Darlegungen sind um so wichtiger, als er auf diesem ihm fremden Gebiete nicht seine unmaßgebliche Meinung abgab, sondern die Mitteilungen wiederholte, die der ihm befreundete auf diesem Gebiete sachkundige Moses Mendelssohn ihm hatte zukommen lassen. Dohm führt gegen die Bemerkungen von J. D. Michaelis aus, daß in den Gesetzen Mosis sich von diesem Gebote, am Sabbathe den Kampf zu unterlassen, keine Spur fände. Später hätten allerdings ängstliche Gemüter die Sabbathheiligung so weit getrieben, daß sie an jenem Tage nur die Verteidigung, nicht den Angriff für erlaubt hielten, aber der Umstand, daß sowohl in den Heeren Alexander des Großen, der Ptolemäer, als der Römer Juden dienten, ferner das entschiedene Lob, das die jüdischen Soldaten durch Caesar und Pompejus erhielten, beweise, daß sie gute und tapfere Soldaten waren und ihre Pflichten genau so wie die andern taten. Daraus schließt Dohm: ,,Was also ein so ehrwürdiges Beispiel ihrer Vorfahren entschieden hat, was das älteste Gesetz verstattet, was die gesunde Vernunft und die Pflicht der Selbsterhaltung befiehlt, - dies müssen und werden auch die heutigen Juden sich nicht untersagt halten. Wie in griechischen und römischen Armeen werden sie auch in den unsern kämpfen und die Beobachtung ihres Sabbaths und übrigen gottesdienstlichen Gebräuche wieder so gut wie ehemals mit dem Kriegsdienste zu vereinigen lernen.“ Er begründet dies besonders durch eine Stelle des Maimonides (den er fälschlich Majamonides schreibt). ,,Es sei die Pflicht eines jeden Juden, eine vom Feinde belagerte Stadt insofern auch nur eines Menschen Leben dabei in Gefahr ist, am Sabbath zu verteidigen und nicht erlaubt solches aufzuschieben. So ist es eines jeden Juden Pflicht, am Sabbath alle Arten von Arbeit, ohne Unterschied zu verrichten, wenn eines Menschen Leben dadurch gerettet werden kann“. Er gibt ferner als Meinung Moses Mendelssohns, dem er auch die vorstehende Stelle verdankt, an, daß ,,kein Bedenken vorhanden sei, den Kriegsdienst so wie ehemals auch jetzt seinen Glaubensgenossen am Sabbath für erlaubt zu halten.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die deutschen Juden und der Krieg