Die Wanderung nach Ägypten und die Rückkehr nach Palästina. (Okkupation Kanaans um 1150 v. Chr.).

Als ein Kulturvolk erscheinen die Israeliten in der Geschichte erst seit ihrer Niederlassung im Lande Kanaan. Die hebräischen Berichte erzählen, dass sie vorher in Ägypten, in der Provinz Gosen, ansässig gewesen, wohin sie wegen der Missernten und Hungersnöte ausgewandert waren.

Diese Wanderung nach Ägypten ist vielfach in Zweifel gezogen. Welche historischen Elemente die biblische Sage enthält, lässt sich nicht mehr feststellen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Hebräer sich lange Zeit hindurch in Ägypten aufhielten. Frühzeitig herrschte ein reger und wohlgeordneter Verkehr zwischen Ägypten und Syrien. ,,Von demselben legt auch das berühmte Wandgemälde im Grabe des Chnumhotep Zeugnis ab, welches darstellt, wie im 6. Jahre des Usertesen I. 37 Amu (d. h. Kanaanäer) mit reichen Geschenken, vor allem mit kostbarer Augensalbe, in den antaeopolitischen Gau einwandern und Chnumhoteps Schutz aufsuchen. In noch viel höherem Maße sind die asiatischen Fremden jedenfalls in Unterägypten eingewandert" (10) . Es ist nun anzunehmen, dass unter diesen „Amu" auch Hebräer gewesen sind. Sie konnten sich in Ägypten wirtschaftlich entweder als Händler oder Handwerker betätigen. Ägypten stellte damals einen Feudalstaat mit Naturalwirtschaft dar; die Handwerksberufe blieben jedoch vollständig frei; die gesamte Kultur war hoch entwickelt. Die Israeliten aber stellten ein kulturell tiefer stehendes Volk dar und wurden gewiss auch als ein solches angesehen; sie nahmen in dem fest organisierten Staat jedenfalls eine besondere Stellung ein.


Der Auszug aus Ägypten unter Mose ist in tiefes Dunkel gehüllt; es fehlt hier vollständig an irgend welchen Anhaltspunkten. Desto zahlreicher sind freilich alle möglichen und unmöglichen Hypothesen. Die Hypothese Kautskys (11), dass die Hebräer in Ägypten eine Niederlassung fremder Händler bildeten und je nach den Situationen im Lande verschieden behandelt wurden, um schließlich als , „lästige Ausländer" verjagt zu werden, ist eben nur eine Hypothese.

Jedenfalls war die Okkupation Kanaans kein einheitlicher Akt; sie dauerte sicher ziemlich lange. So sind einzelne Stämme, bevor sie sich nach und nach im Lande niederließen, noch einige Zeit hindurch in der Wüste herumgewandert.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Wanderbewegungen der Juden