Die ersten Wanderungen der Juden.

„Ein umherirrender Aramäer war mein Vater" (Dt. 26,5) lässt Mose die Juden sagen und drückt damit den Inhalt der jüdischen Geschichte aus. Zwar sind alle Völker ursprünglich Wandervölker gewesen, doch sind nicht alle sich dessen so bewusst geblieben wie die Söhne Israels. Hier kann man nur feststellen, dass die späteren Volkssagen sich mit den Wanderungen der Patriarchen ziemlich ausführlich beschäftigt haben; indessen es ist nicht sicher, dass diese Sagen auch historisch denkbare Tatsachen enthalten (09). Es lässt sich daher über die ersten Wanderungen, von denen die Genesis so viel erzählt (Ge. 12, 1-3, 10; 13, 1—4; 20; 26, l ff.; 31, 17 ff.) nichts Positives aussagen.

Man kann aber vermuten, dass der Charakter dieser Wanderungen derselbe war, wie aller anderen Völker, die Viehzüchter gewesen sind und mit ihren Herden umherschweiften. Dass die Hebräer schon damals auch noch den Handel neben der Hauptbeschäftigung als Viehzüchter betrieben hätten, ist nicht zu ermitteln. Zwar deutet die Benennung des Vaters der Israeliten ,,Aramäer" auf das Land Charran, wo die Hauptstation des Handelsweges von Babylonien nach Syrien lag, doch ist dies wohl den Zuständen späterer Zeiten entlehnt. Dass die Kulturvölker der damaligen Zeit — hauptsächlich die Babylonier — einen sehr entwickelten Handelsverkehr hatten, kann hier nichts beweisen, da die Israeliten eben erst später aus primitiven Verhältnissen heraus in den Kreis der Kulturvölker eingetreten sind.


Die ersten Wanderungen der Juden gehören mithin der Zeit ihres Nomadentums an.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Wanderbewegungen der Juden