Einsetzen der Reaktion.

Mit dem Einsetzen der Reaktion in Preußen im Herbst 1848 revidierte auch die mecklenburgische Ritterschaft ihre Ansicht über die Verfassung. Sie vergaßen ihre Zustimmung vom 16. Mai und die Kundgebung in Güstrow vom 14. April, wo sie beschlossen hatten, „all und jede politischen Sonderrechte, welche ihnen bisher verfassungsmäßig zugestanden haben, freiwillig und gern, um das Wohl des Vaterlandes zu fördern, opfern zu wollen, um in den neuen Institutionen den Wünschen ihrer Mitbürger Genüge zu geben“ (Rostocker Zeitung 1848 Nr. 68 Beil.). Sie taten sich mit ihren Anhängern im „allgemeinen politischen Verein für Mecklenburg“ zusammen und suchten die neuen Bestrebungen zu durchkreuzen. In einer Adresse vom 21. März 1849 an den Großherzog ermunterten sie ihn zum Widerstand gegen die Demokratie und verhießen ihm ihren treuen Beistand (Julius Wiggers, Verfassungsrecht S. 19). Im Juli gründeten sie eine politische Zeitung, den „Norddeutschen Korrespondenten“, dessen Aufgabe es war, das Verfassungswerk zu bekämpfen. Das Blatt bediente sich der niedrigsten Mittel und suchte insbesondere die Personen der verfassungstreuen Mitglieder des Ministeriums zu diskreditieren. Es waren dies die Minister von Lützow, Stever, von Liebeherr und Meyer, von denen insbesondere der erstgenannte Staatsminister einen großen Einfluß auf den Großherzog besaß.
Als Probe der Zügellosigkeit der Angriffsweise diene eine Stelle aus der Nr. 110 vom 17. November, welche sich gegen den Staatsrat Meyer, Minister des Innern, richtete: „Fragt man nun, wie es gekommen, daß ein so konfuser, ideenloser, in allen Fragen der höheren Gesetzgebung notorisch unfähiger Kopf doch eine Art parlamentarischer Rolle in Mecklenburg hat spielen und zuletzt sogar zu dem wichtigen Posten eines Ministers des Innern hat ernannt Werden können, so ist für mich die Antwort sehr klar. Aus keinem andern Grunde, als weil er stärkere Knochen hat als die meisten andern Menschenkinder . . . Ohne seine tiefe Baßstimme, ohne sein stierartiges Auftreten würde schwerlich in der Politik an ihn gedacht sein . . . Meyer wäre ein tüchtiger Oekonomie-Inspektor, ein tüchtiger Zimmermeister geworden .... Der eigentliche Keim seines Verderbens wurde schon früh dadurch gelegt, daß er sich der Wissenschaft widmete. Wenn ein solcher sich selber überhebt, wenn er, der geistig Beschränkte, sich der frevelhaften Anmaßung hingibt, die Geschichte von Land und Volk leiten zu Wollen, dann ist es in der Ordnung, wenn man solchen Übermut in das rechte Licht stellt und die Nichtberechtigung dazu öffentlich nachweist.“ — Wer erkennt hier nicht die Schreibweise einer gewissen Presse von heute schon in voller Blüte stehend wieder? Minister sind nur dann fähig, wenn sie die Interessen der Ritterschaft vertreten, sonst sind sie Tröpfe, Futterkrippenjäger und dergleichen!
Als das Staatsgrundgesetz am 31. Oktober verkündet wurde, besaß das Blatt die Dreistigkeit, mit Trauerrand zu erscheinen! So wurde in der Oeffentlichkeit Stimmung gemacht und die weitere Aktion planmäßig vorbereitet. Als der Großherzog trotz alledem zunächst an seinem feierlichen Versprechen und seinem am 23. August erklärten Eide festhielt, wandte sich der Adel auch gegen ihn. Sie zogen sich vom Großherzoglichen Hofe zurück und benutzten sogar ihr Blatt zu beleidigenden Kundgebungen gegen das Großh. Haus. „Vor den Hoffestlichkeiten, welche bei der Vermählung der Herzogin Luise am 20. Oktober und des Großherzogs selbst am 3. November 1849 in Aussicht standen, machten sie mit Namensunterschrift ihren Freunden die Anzeige, daß sie an jenen Festlichkeiten keinen Teil nehmen würden. An der fürstlichen Festtafel zählte man beide Male in der Tat kaum ein halbes Dutzend adeliger Rittergutsbesitzer. Ebenso fern hielt sich in dieser Zeit der Adel den fürstlichen Jagden.“ (Jul. Wiggers, Aus meinem Leben S. 142.)
Am 8. Oktober 1849 hatte auf Beschluß eines am 5. und 6. Oktober in Rostock zusammengetretenen ritterschaftlichen Konventes eine Abordnung desselben in einer Audienz beim Großherzog vorstellig werden wollen, der Empfang war aber abgelehnt worden. Am 9. Oktober protestierten sie in schriftlichem Vortrag und kündigten an, daß sie evtl. den Rechts-Weg beschreiten würden. Der Großherzog erwiderte am 12. Oktober, daß er einen Bescheid nicht erteilen könne, weil er die Antragsteller als „ritterschaftliche Deputierte“ nicht anerkennen könne. Die Ritterschaft tat in Zukunft, als ob die neue Staatsverfassung nicht bestünde. Durch V.-O. Vom 22. November 1849 mußten den Klosterverwaltungen sowie den ritterschaftlichen und Kloster-Rekrutierungsbehörden die Geschäfte wegen Sabotage der neuen Verfassung abgenommen Werden. Das ritterschaftliche Mitglied der dirigierenden Kommission des Landarbeitshauses von Plüskow-Kowalz mußte aus der Kommission ausgeschlossen werden, weil er erklärt hatte, der Verfassung keine Folge leisten zu wollen. Die ritterschaftlichen Mitglieder des engeren Ausschusses widersetzten sich der Auflösung desselben mit Gewalt, so daß militärische Machtmittel angewandt werden mußten.
Da die Regierung unerschütterlich fest blieb. Wandte sich die Ritterschaft an die Bundes-Zentral-Kommission in Frankfurt a. Main, obwohl nicht diese, sondern das Schiedsgericht in Erfurt zuständig war, da Mecklenburg damals nicht dem Bunde, sondern dem Dreikönigs-Bündnis (Preußen, Sachsen, Hannover) angehörte. Die Beschwerde der Ritterschaft führte zu Verhandlungen zwischen der Regierung und der Zentralkommission, aus welchen besonders das Schreiben des Mecklbg. Gesamt-Ministeriums vom 19. Januar 1850 interessiert, in welchem es u.a. heißt: „Es herrscht die größte Ruhe im hiesigen Land und mit Ausnahme der wenigen renitenten Mitglieder der ehemaligen Ritterschaft, welche das Aeußerste versuchen, um von den Zugeständnissen der früheren Landstände entbunden zu werden, ist die ganze Bevölkerung von der Überzeugung durchdrungen, daß die Vereinbarung des neuen Staatsgrundgesetzes und die erfolgte Auflösung der Ritter- und Landschaft auf völlig legalem Wege erfolgt sind,“ Es wird weiter geltend gemacht, daß die von der Ritterschaft eingereichten Vorträge „neben der größten Oberflächlichkeit die krassesten Unwahrheiten und Entstellungen enthalten“. (Jul. Wiggers S. 47.)
Noch in der Eröffnungsrede, mit welcher der Ministerpräsident von Lützow am 27. Februar die Abgeordnetenversammlung begrüßte, erklärte er den festen Willen des Großherzogs und des Ministeriums, an dem Staatsgrundgesetz festzuhalten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sünden der mecklenburgischen Ritterschaft.