Die Revolution von 1848.

Die Revolution von 1848 führte zur vorübergehenden Aufhebung der ständischen Verfassung. In welcher Weise und mit welchen Mitteln dann von den Rittern der Gegenschlag geführt wurde, ist uns insbesondere von den beiden Brüdern Julius und Moritz Wiggers überliefert worden. Es ist ein Schulbeispiel dafür, wie mit rücksichtsloser Gewalt das Recht gebeugt werden kann.
Unter dem 23. März 1848 erließ Friedrich Franz II. eine Proklamation „An meine Mecklenburger“, in der es u. a. hieß: „In unserm engeren Vaterlande wäre eine Reform der Lanbesvertretung, auch abgesehen von den Weltereignissen der neuesten Zeit, unvermeidlich gewesen. Sie ist jetzt das dringendste Erfordernis. Es liegt die Notwendigkeit vor, daß Mecklenburg in die Reihe der konstitutionellen Staaten eintrete, und weil Ich diese Notwendigkeit erkenne, so ist es Mein ernstlicher Vorsatz, daß der Schritt unverzüglich geschehe, damit die Ungewißheit, welche z. Zt. über die künftigen Verhältnisse des Landes schwebt, sobald als irgend möglich, gehoben werde.
Zum 26. April wurde ein außerordentlicher Landtag nach Schwerin einberufen mit dem Vorschlage:
1. Auflösung der bisherigen Landesvertretung.
2. Anbahnung einer neuen Stände-Einrichtung auf Grundlage von Wahlen im ganzen Lande.
3. Den unveränderten Fortbestand übriger staatsrechtlicher Verhältnisse des Landes bis dahin, daß durch Vereinbarung der Landesherren mit den neu zu erwählenden Ständen andere Einrichtungen getroffen sein werden.
In der landesherrlichen Proposition heißt es dann weiter: „Durch das Wahlgesetz wird eine Landesvertretung geschaffen, die vereinigt in einer Stände-Versammlung nur ein beratendes und beschließendes Ganzes bildet. In ihr werden alle Abgeordneten in ihren Rechten und Pflichten sich gleich stehen. Ein Jeder hat die verfassungsmäßigen Rechte und Interessen aller Landeseinwohner, nicht diejenigen des besonderen Bezirkes oder Standes, dem er angehört, zu wahren.“
Es war also ganz klar zum Ausdruck gebracht worden, daß eine Repräsentativ-Verfassung vorgeschlagen werden sollte, welche nur an bestehende ständische Einrichtungen anknüpfen sollte. Entsprechend ist die ständische Antwort auf diese Vorlage zu werten, welche unter dem 16. Mai gegeben wurde und in welcher die Bereitwilligkeit erklärt wurde, „ihre bisherigen grundgesetzlichen Landstandsschaftsrechte zu der Folge aufzugeben, daß künftig nur gewählte Repräsentanten die Stände-Versammlung bilden“.
Und so beginnt denn auch der Landtags-Abschied vom 17. Mai mit der Feststellung: „Wir nehmen die Erklärung, daß die Stände ihre bisherigen grundgesetzlichen Landstandsschaftsrechte zu der Folge aufgeben, daß künftig nur gewählte Repräsentanten die Ständeversammlung bilden, an.“ Der Schlußsatz lautet: „Indem wir nun in dem festen Vertrauen zu der Ausbildung Unseres neuen Verfassungswerkes schreiten, ist es Uns eine teure Pflicht, den Ständen Mecklenburgs, die durch Jahrhunderte in guten und bösen Tagen ihrem Landesherrn treu zur Seite standen, Unsern innigsten Dank für ihre Mitwirkung auszusprechen. Wir geben nunmehr diesem außerordentlichen Landtage hiedurch seine Endschaft, sowie der anwesenden Ritter- und Landschaft in Gnaden, womit wir derselben gewogen verbleiben, ihre Entlassung.“
Danach steht fest, daß die alte ständische Verfassung, wie sie durch Vertrag zwischen Landesherrn und Ständen entstanden war, durch ebensolchen Vertrag in völliger Übereinstimmung des beiderseitigen Willens wieder aufgehoben worden ist, und daß die Stände in ihrer alten Bedeutung aufgehört hatten, zu bestehen.
Unter dem I3. Juli 1848 wurde das „provisorische Wahlgesetz zwecks Bildung einer neuen Stände-Versammlung“ erlassen (Reg.-Bl. 1848 Nr. 30), und am 31. Oktober wurde in der Domkirche in Schwerin die Versammlung der Abgeordneten beider Mecklenburg von dem Großherzog in Person mit großer Feierlichkeit eröffnet. Aus der Rede des Großherzogs sei folgendes entnommen: „M. H. Abgeordneten! Es ist die wichtige Stunde gekommen, wo Meckl. Fürsten und die Abgeordneten des Meckl. Volkes gemeinsam die neue Verfassung festzustellen haben . . . .“ „Zu Ihnen, meine Herren, trete ich hier mit demselben Vertrauen, welches Ihre Mitbürger Ihnen gezeigt haben, mit denselben Erwartungen, wie das Land sie von Ihnen hegt, um jetzt zu lösen, was ich dem Volke verheißen habe.“ „Ich stehe da, bereit, mit Ihnen eine volkstümliche Verfassung zu vereinbaren, die Mecklenburg in die Reihe der konstitutionellen. Staaten führt.“ Die Versammlung bestand aus 103 Abgeordneten (65 aus den Städten und 38 vom Lande), welche in indirekter Wahl gewählt worden waren.
Die Verfassungsgesetzgebung zog sich in die Länge, aber noch unter dem 9. März 1849 richtete der Großherzog eine Kundgebung „an hier städtischen und ländlichen Arbeiter“ (Reg.-Bl. 1849 Nr. 11), in der es u. a. heißt: „Die neuzuschaffenden staatlichen Einrichtungen werden auch auf Eure Lage ihren wohltätigen Einfluß äußern usw.“ „Die Zusicherungen, welche Ich allen Meinen Mecklenburgern wiederholt erteilt habe, durch zu treffende Veränderungen in den bisherigen inneren Verhältnissen Mecklenburgs das Wohl des Ganzen wie des Einzelnen zu beförderen, ergreifen Euch, wie Alle.“
Am 22. August 1849 nahm der Großherzog die neue Verfassung an und unter dem 24. August wurde die Vollziehung mit folgenden Worten im Gesetzesblatt (1849 Nr. 3,3) bekannt gegeben: „Nachdem die Verhandlungen mit der zur Vereinbarung der Verfassung erwählten und einberufenen Abgeordneten-Versammlung am 22. d. M. beendigt worden sind, haben Sr. Königl. Hoheit der Großherzog am gestrigen Tage, in Gegenwart des Staatsministers V. Lützow als Großh. Meckl.-Schw. Kommissarien für die Verhandlungen mit der Abgeordneten-Versammlung, sowie des Ober-Apellationsgerichtsrats Trotsche als der von der Abgeordneten-Versammlung dazu erwählten Urkundspersonen, das vereinbarte Staats-Grundgesetz für das Großherzogtum Meckl.-Schwerin nebst dessen Anlagen Allerhöchst eigenhändig vollzogen und hierauf gelobt, die Verfassung fest und unverbrüchlich zu halten.“
Am 10. Oktober 1819 wurde die landständische Verfassung unter Bezugnahme auf den Landtagsabschied vom 17. Mai 1848 aufgehoben (Reg.-Bl. 1849 Nr. 38). Artikel 1 lautete: „Die Landstände und ständischen; Korporationen sind aufgehoben.“
Unter demselben Datum wurde das Staats-Grundgesetz nebst Wahlgesetz publiziert. Der Art. 1 des Einführungsgesetzes lautete: „Das-Staats-Grundgesetz tritt für Unser Großherzogtum mit seiner Publikation sofort in Kraft.“
Im Februar 1850 fanden die Wahlen für den ersten ordentlichen Landtag statt, der auf den 27. Februar nach Schwerin einberufen wurde und bis zum 4. April 1850 in 20 Sitzungen tagte. Der Landtag bestand aus 60 Abgeordneten, von denen 40 durch direkte Wahl Seitens der gesamten Bevölkerung, 6 von sämtlichen Gewerbetreibenden, 6 von den städtischen Kaufleuten und Krämern und 8 von den größeren ländlichen Grundbesitzern bestimmt waren. Zum Präsidenten wurde der Advokat Moritz Wiggers aus Rostock gewählt. In der Sitzung vom 9. März wurden der Präsident und die Abgeordneten durch den Staatsminister von Lützow namens des Landesherrn auf die Staatsverfassung vereidigt. — Am 4. April wurde die Abgeordneten-Kammer zunächst auf drei Monate vertagt und dann später aufgelöst! Was war inzwischen geschehen?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sünden der mecklenburgischen Ritterschaft.