Ritterschaft und Verfassung.

Die Verfassungsfrage kann durch nichts besser beleuchtet werden als durch die beiden Erklärungen des Schweriner und des Strelitzer Großherzogs vom 29. Oktober 1913, welche als Antwort auf die Ablehnung der Verfassungsvorlage am 28. Oktober 1913 abgegeben wurden. In derjenigen des Schweriner Großherzogs heißt es (Vergl. Vitense S. 547); „Wir haben erkennen müssen daß wir uns in unserem Vertrauen auf die von den Ständen in kritischer Lage ihrem Landesherrn sonst nicht vorenthaltene treue Hilfe getäuscht haben . . Die volle Verantwortung, für die Mißstände und Schäden, welche dem Lande und Volke auf politischem, wirtschaftlichem und finanziellem Gebiete aus diesem einstweiligen Scheitern des Reformwerkes entstehen, müssen wir denjenigen Ständemitgliedern zuweisen, welche durch ihre Stellungnahme das Zustandekommen einer Einigung verhindert haben.“
Noch schärfer und treffender äußerte sich der Strelitzer Großherzog (Vitense S. 548): „Wir selber haben in dem Bestreben unseren getreuen Ständen ein Beispiel zu geben, und um den verbitterten Kämpfen ein Ende zu machen, uns zu den weitgehendsten Zugeständnissen bezüglich der einzelnen Bestimmungen unserer Vorlagen und zu erheblichen Opfern, materieller Art bereit erklärt. Trotzdem ist eine Einigung nicht zu erreichen gewesen, weil, wie wir offen aussprechen wollen, Unsere getreuen Stände sich nicht haben entschließen können, ihre Sonderwünsche und Sonderinteressen dem Gesamtwohl unterzuordnen, welches, wie von ihnen, wiederholt anerkannt ist, eine Änderung der bestehenden Verfassung dringend erfordert. Wir überlassen den Ständen die Verantwortung, wenn wir nunmehr gezwungen sind, unsere auf die Reform der Landesverfassung gerichteten Bestrebungen einstweilen aufzugeben und davon Abstand zu nehmen, weiteren Kreisen der Bevölkerung eine ihren staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten entsprechende Mitwirkung an den Geschäften, der Landesverwaltung zu verschaffen, und auf diese Weise die Intelligenz und Erfahrung weiterer Bevölkerungskreise für die Lösung der vielfachen und mannigfaltigen Aufgaben der Staatsverwaltung nutzbar zu machen.“

Von beiden Großherzögen wird also bezeugt, daß die Verfassung, welche von den Rittern selbst immer als eine „glückliche und für das Volt segensvolle“ bezeichnet ist, Missstände und Schäden auf politischem, wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet zur Folge gehabt hat, und daß die Sonderwünsche und Sonderinteressen der Stände dem Gesamtwohl des Volkes vorangegangen sind. Es bleibt nur übrig, diese beiden Zeugnisse im einzelnen aus der Geschichte zu erhärten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sünden der mecklenburgischen Ritterschaft.