VII. Übersicht sämtlicher nach den benutzten Quellen im Nordseegebiet aufgetretenen Sturmfluten und zwar nach dem einzelnen Jahrhunderten, nach den einzelnen Monaten und nach den einzelnen Windrichtungen verteilt

Der Verfasser hat sich die Mühe genommen, nach verschiedenen ihm zugänglichen Werken, namentlich nach Outhoff und Arends, die seit den ältesten Zeiten erwähnten Sturmfluten aus verschiedenen Gesichtspunkten zusammen zu stellen. *) Bei dieser Zusammenstellung sind alle älteren zweifelhaften weggelassen. Es sind außerdem nur diejenigen gerechnet, welche beträchtliche Strecken des südlichen Küstengebiets mit Meerwasser bedeckt haben. Die Gesamtzahl derselben bis zum Jahre 1850 beträgt 323.

*) Außer den bereits angegebenen Werken von Arends und Outhoff sind bei diesen Zusammenstellungen, sowie an manchen andern Stellen der Abhandlung benutzt: Emmius' historische und geographische Schriften, Wiarda's Geschichte Ostfrieslands, Perizonius' Gesch. Ostfr., Chronik der Provinz Ostfriesland nebst Kalender auf das Jahr 1865 (Emden, Woortmann), sowie die in den Anmerkungen angegebenen Schriften.


Nach den einzelnen Jahrhunderten verteilt ist die Zahl der Sturmfluten

Tab. I. bis 1100 n. Chr. 34
von 1100–1200 n. Chr. 17
von 1200–1300 n. Chr. 31
von 1300–1400 n. Chr. 21
von 1400–1500 n. Chr. 30
von 1500–1600 n. Chr. 54
von 1600–1700 n. Chr. 51
von 1700–1800 n. Chr. 53
von 1800–1850 n. Chr. 32

Die Nachrichten bis 1100 unserer Zeitrechnung sind höchst dürftig und vielfach ganz unzuverlässig; bei fast allen fehlen die Angaben über das Datum des Ereignisses, nur in den allerwenigsten Fällen ist die Richtung des Sturmes angegeben. Dieselben Angaben fehlen noch bei vielen Sturmfluten, welche im 12., 13., 14. und 15. Jahrhundert erwähnt und beschrieben werden.

Gestützt auf die mehr Zutrauen verdienenden Zahlen von 1500–1800 nehme ich an, dass unsere Küsten durchschnittlich von 50 schweren Sturmfluten in jedem Jahrhundert heimgesucht worden sind. Dass in vorstehender Übersicht von 1800–1850 etwas mehr, wie dieser Durchschnittsbetrag aufgeführt ist, hat darin seinen Grund, dass seit Anfang des Jahrhunderts die Schriftsteller auch die leichteren Sturmfluten erwähnen. Auf die einzelnen Monate verteilen sich die erwähnten 323 Fluten in folgender Weise:

Tab. II. In den Januar fallen 41 Sturmfluten
In den Februar fallen 17 Sturmfluten
In den März fallen 21 Sturmfluten
In den April fallen 8 Sturmfluten
In den Mai fallen 5 Sturmfluten
In den Juni fallen 3 Sturmfluten
In den Juli fallen 4 Sturmfluten
In den August fallen 6 Sturmfluten
In den September fallen 14 Sturmfluten
In den Oktober fallen 27 Sturmfluten
In den November fallen 53 Sturmfluten
In den Dezember fallen 34 Sturmfluten
ohne Datum werden erwähnt 90 Sturmfluten

Letztere fallen hauptsächlich in die Zeit bis 1200 unserer Zeitrechnung.

Aus vorstehender Tabelle geht hervor, dass das Maximum der Sturmfluten in den November fällt. Nimmt er doch fast ein Viertel derselben für sich in Anspruch. Ihm kommen am nächsten Januar, Dezember und Oktober. Weit über die Hälfte aller mit Datum erwähnten Sturmfluten fällt in die 3 Monate: November, Dezember, Januar. Im Oktober wird die Durchschnittszahl der bei gleichmäßiger Verteilung auf jeden Monat kommenden Sturmfluten – reichlich 19 – noch bedeutend überschritten, es ist bemerkenswert, dass sich die Zahl derselben in diesem Monat namentlich gegen das Ende drängt, – der März zeigt etwas über die Durchschnittszahl. Die geringste Zahl zeigen Juni und Juli. Auf die 6 Wintermonate, Oktober–März, kommt eine fünfmal größere Zahl schwerer Fluten als auf die 6 Sommermonate.

Leider fehlen in den Angaben der früheren Jahrhunderte bei den meisten Sturmfluten die Windrichtungen. Sie sind von 323 Fluten nur bei 76 sicher angegeben. Von diesen wurden
Tab. III. durch Stürme aus SW. hervorgerufen 6 Sturmfluten
durch Stürme aus WSW. hervorgerufen 3 Sturmfluten
durch Stürme aus W. hervorgerufen 1 Sturmfluten
durch Stürme aus WNW. hervorgerufen 11 Sturmfluten
durch Stürme aus NW. hervorgerufen 52 Sturmfluten
durch Stürme aus NNW. hervorgerufen 2 Sturmfluten
durch Stürme aus N. hervorgerufen 1 Sturmfluten

Hieraus ergibt sich die unsern Küstenbewohnern allbekannte Tatsache, dass der weitaus größte Teil der Sturmfluten durch NW-stürme veranlasst wird.
In der hier folgenden Windrose sind die auf die einzelnen Windrichtungen kommenden Zahlen angegeben.

                              Windrose

Ein Blick auf dieselbe belehrt uns sogleich, dass, 3 ausgenommen, sämtliche 76 Sturmfluten durch Stürme erzeugt sind, welche aus dem Quadranten SW.–NW. wehten. Bei sehr vielen wurden diese Windrichtungen nach einander durchlaufen, bei 10 besonders schweren Katastrophen wird ausdrücklich hervorgehoben, dass dem NW-winde längere Zeit südwestliche und westliche Winde vorangingen. – Stürmt der Wind dagegen aus anderen Richtungen, so erfolgen – wie die Bewohner unserer Küsten aus der Erfahrung wissen – keine Überschwemmungen. Dasselbe sagen uns die geschichtlichen Überlieferungen. So werden wiederholt starke, auf dem Lande arge Verwüstungen anrichtende Stürme von orkanartiger Gewalt erwähnt, welche in östlicher und südlicher Richtung dahin brausten, ohne Überschwemmungen hervorzurufen. Die geographische Lage der Nordsee und ihrer Küsten erklärt dies von selbst. Auch bei reinen nördlichen und nordöstlichen Winden erfolgten wenige oder keine Überflutungen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sturmfluten in der Nordsee *)