VI. Kurze Übersicht der wichtigsten und schwersten Sturmfluten, welche die Nordseeküste heimgesucht haben

Von den in die vor christliche Zeit fallenden Sturmfluten wird nur eine von verschiedenen Schriftstellern *) erwähnt; es ist dies die in allen alten Chroniken und Schriften eine große Rolle spielende, mythische, sogenannte „zimbrische Flut“, durch welche die Zimbern und Teutonen aus ihren Wohnsitzen auf der nach ihnen benannten zimbrischen Halbinsel vertrieben sein sollen. Vielleicht haben etwa 300 v. Ch. arge Verwüstungen durch Seeüberflutungen an der Nordseeküste Statt gefunden; Gewisses lässt sich darüber nicht feststellen.

Nur höchst dürftige Nachrichten geben die alten Chroniken über die Sturmfluten, welche in den ersten zwölf Jahrhunderten unserer Zeitrechnung die Nordseeküsten heimgesucht haben. Die Mittheilungen sind außerdem höchst unbestimmt, die Angaben über das Datum, über die Richtung der Stürme, fehlen fast immer, bei manchen selbst die geographischen Angaben, ja bei vielen lässt sich nicht einmal entscheiden, ob es wirkliche Seefluten, oder Flussüberschwemmungen gewesen sind. Outhoff führt bis zum Jahre 1200 n. Ch. im Ganzen 33 Fluten an, welche durch die See entweder verursacht sind, oder doch wenigstens verursacht sein können, Arends zählt nicht ganz 50 solcher Fluten auf. Unter diesen ist nur bei 6 das Datum angegeben, nur bei 2 die Windrichtung hinzugefügt.


In den Berichten wird gewöhnlich nur der Schaden erwähnt, welchen die Sturmfluten angerichtet haben. Dass dieser Schaden ein großer gewesen ist, wird man begreiflich finden, wenn man bedenkt, dass damals entweder keine, oder nur mangelhafte, schwache Deiche die Küsten vor der wilderregten See schützten. Eine besonders schwere Flut wird um das Jahr 860 erwähnt **), durch welche namentlich die Gegenden um die jetzigen Rheinmündungen hart mitgenommen und der Rhein in den Leck abgeleitet wurde. - In Friesland allein sollen nach einer genauen (?) Aufnahme 2437 Häuser weggespült, viele Menschen und eine große Menge Vieh umgekommen sein. Jedenfalls müssen um diese Zeit großartige Veränderungen im Küstengebiet Statt gefunden haben, welche sich leider nicht mehr mit Sicherheit feststellen lassen.

*) Vergleiche Strabo, Geogr. VII. 2, Florus III. 3, Ammianus MarcellinuS XV.
**) Arends, Nordseeküste I. 281. Out hof, Verhaal S. 245.


Durch die Sturmflut von 1066 ist vielleicht zugleich mit dem Untergang der Burg Mellum der erste Grund zu der Bildung des Jahdebusens gelegt worden (vgl. die Sturmfluten von 1218 und 1511). 1135 wurde ein Teil der flandrischen Küste vom Meere verschlungen. 1164 zerstörte eine furchtbare Überschwemmung – nach Emmius die schwerste bis dahin bekannte – einen Teil der Küste von Friesland. Durch diese sogenannte Julianasflut hatte ein großer Teil der Nordseeküste von Holland bis zur Elbe schwer zu leiden. Eine ungeheure (jedenfalls übertrieben große) Anzahl Menschen soll durch dieselbe umgekommen sein. Über ein sehr weites Verbreitungsgebiet erstreckte sich die Allerheiligenflut des Jahres 1170. Die Niederlande empfanden sie am schlimmsten. Außer dem Schaden, welchen sie an Menschen, Vieh und Gebäuden anrichtete, soll sie ganze Länderstriche verschlungen haben. Wenn wir gewissen Überlieferungen glauben dürfen, so gehört sie zu den 5 schwersten Fluten, welche in der Nordsee gewütet haben. Durch sie sind zuerst die Inseln Texel und Wieringen vom Festland getrennt worden, auch wurde die jetzige Zuider-See bedeutend erweitert. Nach alten Chroniken soll sogar in früheren Zeiten Enkhuizen mit dem gegenüberliegenden Stavoren durch festes Land (den vielerwähnten Busch Kreil) zusammengehangen haben, sodass damals die Zuidersee ein Binnenmeer gewesen wäre. Ob die Trennung erst durch diese Flut oder schon früher bewerkstelligt sei, lässt sich schwer entscheiden.

Im dreizehnten Jahrhundert (1200–1300) werden von Outhoff 31 Sturmfluten erwähnt. Unter diesen ist zunächst die Flut vom 17. November 1218 hervorzuheben. Durch sie wurde, wenn dies nicht schon durch die Flut vom Jahre 1066 geschehen ist, der Grund zu dem jetzigen Jahdebusen gelegt. Das Schloss Jahdelehe, mehrere Dörfer und das ganze Land beim Hoben gingen in den Fluten unter (cf 1511).

1219 wütete am 16. Januar die schwere Marcellusflut in Friesland, durch welche fast alle Deiche zerrissen wurden, und eine ungeheure Anzahl Menschen (100.000 angeblich?) umkamen. In Folge dieser Flut zogen viele Küstenbewohner landeinwärts.

Durch die Januarflut 1222 wurde der Zuiderseebusen abermals erweitert, große Strecken Landes zwischen Friesland und Nordholland sind von der See verschlungen worden.

Die Flut von 1230 (17. Februar) soll zur Bildung der Lauwersee beigetragen haben. Nach den Chroniken hätte Friesland von 1219–35 über 400000 Menschen durch Seefluten verloren, was jedenfalls übertrieben ist, da die Bevölkerung des ganzen Landes schwerlich damals soviel kann betragen haben.

1248 und 1249 wurde fast die ganze Küste von Flandern bis zur Elbe von schweren Sturmfluten wiederholt heimgesucht. 1273 soll eine Flut höher als mancher Kirchturm gestiegen sein. (Dies ist jedenfalls übertrieben und unmöglich.)

Die für uns wichtigsten Fluten dieses Jahrhunderts sind die vom 13. Januar und 25. Dezember 1277. Durch dieselben wurden Groningen, vor allem Ostfriesland schwer heimgesucht. Sie bewirkten vielleicht schon den Anfang der Dollartbildung. Durch die Januarflut wurden die Deiche vielfach durchbrochen, sodann die Überbleibsel derselben durch die Dezemberflut fast ganz weggespült. Die Ems, welche damals unweit Emden einen nördlichen Bogen machte und unmittelbar bei der Stadt vorbeifloss, durchbrach an zwei Stellen bei Jansum und Wilgum die Deiche, der nördliche Teil des Rheiderlandes wurde überschwemmt; – was diese beiden Fluten begonnen, das setzten die Fluten der folgenden Jahre fort, das Rheiderland mit vielen herrlichen Dörfern und Klöstern ging unter. Auch die ostfriesischen Inseln litten schwer durch diese Fluten.

Die große Flut von 1287 hat ebenfalls zur Bildung des Dollart beigetragen. Vor allem wütete sie in dem während dieses Jahrhunderts so viel von Sturmfluten heimgesuchten Friesland. Dort hat den Chroniken nach diese Flut 30–50000(?) Menschenleben vernichtet, ganze Länderstrecken sind vom Meere verwüstet oder verschlungen worden, so auch eine durch die früheren Fluten noch übrig gebliebene Insel in der Zuidersee.

Im folgenden Jahrhundert (1300–1400) finden wir im Ganzen 21 Sturmfluten erwähnt.

Die schleswigsche Küste wurde besonders heimgesucht durch die Fluten der Jahre 1300, 1354 und 1362. Durch die letztere sollen 30 Kirchspiele auf der Insel Nordstrand ihren Untergang gefunden haben.

Die Fluten von 1370 und 1373 brachten besonders der Gegend um Norden grossen Schaden. Die Klosterkirche zu Norden wurde vom Sturm heruntergeworfen, das schöne reiche Dorf Westdeel ging zu Grunde.

Eine der schwersten Fluten war die des Jahres 1377, welche sich über die ganze holländisch-ostfriesische Küste verbreitete. Durch sie ist vielleicht am meisten zur ersten Bildung des Dollart beigetragen. Durch sie entstand auch der Dullert bei Biervliet. *)

Durch die Fluten von 1395 und 1400 ward die Zuider see erweitert, auch litten die holländischen Inseln und Küsten durch dieselben sehr empfindlichen Schaden.

Für das fünfzehnte Jahrhundert (1400–1500) finden sich in den von mir benutzten Quellen 30 Sturmfluten verzeichnet, von denen die von 1421, 1470 und 1477 große Verwüstungen, besonders an der holländischen Küste anrichteten. Von den beiden ersten wurde Rotterdam schwer heimgesucht. Eine große Anzahl Menschen sollen durch sie umgekommen sein, schwere Deichbrüche erfolgten. Durch die erste allein wurden in Südholland 21 Dörfer und Plätze vom Meere verschlungen.

Im sechzehnten Jahrhundert werden 54 Sturmfluten erwähnt, von denen folgende als besonders schwere hervorzuheben sind.

Durch die Cosmas- und Damianusflut des Jahres 1509 erlitt die ganze südliche Küste großen Schaden. Als Merkwürdigkeit erzählen die Schriftsteller, dass eine ganze Strecke Landes mit 10 Stück Vieh vom Wasser aufgehoben und über den Dollart getrieben sei. (Ähnliches wird indessen bei vielen Sturmfluten erzählt. So soll bei der Flut von 1717 ein Haus mit 5 Menschen weggetrieben sein, wie von uns (oben Seite 6) bei der Beschreibung dieser Flut bereits erwähnt worden ist. Bei unserem zum Teil moorig-torfigen, sogenannten schwimmenden Boden sind solche Erscheinungen durchaus nicht unwahrscheinlich.)

Die Marcellusflut vom 16. Januar 1511 hat bedeutend zur Erweiterung des Jahdebusens beigetragen. Die damalige Herrschaft Jever und die Grafschaft Oldenburg sollen vorher noch durch festes Land verbunden gewesen sein.

*) Arends, Nordseeküste I. 250.

Die Fluten von 1514 und 1516 haben besonders großen Schaden an der holländischen Küste verursacht, durch erstere wurden 2 Seen, die große und kleine Waal, gebildet, bei letzterer ist das Wasser 1 Elle hoch über die Deiche hinweggegangen. Nicht minder verderblich für die holländische Küste waren die Fluten von 1524, 1530 und 1532.

Die schwerste Flut dieses Jahrhunderts ist die Allerheiligenflut des Jahres 1570. Wir haben sie bereits unter den fünf schwersten Fluten aufgezählt, sie ist neben der von 1170 vielleicht die verheerendste, welche, soweit unsere geschichtlichen Kenntnisse reichen, bis dahin an der Nordseeküste gewütet haben. Dieselbe ist bei Outhoff und Arends ausführlich beschrieben, sie zerstörte zahlreiche Dörfer, kostete einer großen Zahl Menschen das Leben, und richtete einen unermesslichen Schaden an Deichen und Gebäuden an.

In Holland wurde auf diese Flut ein Gedächtnisspfennig geschlagen. Über ihre Höhe findet sich ein Merkzeichen an der Kirche zu Suiderhusen bei Emden.

Auch die Jahre 1587 und 88 weisen schwere Fluten auf, sie erstreckten sich ebenfalls über das ganze südliche Küstengebiet, suchten aber hauptsächlich Holland heim; ebenso die Flut vom 15. August 1597, welche sogar an einigen Stellen noch 1’ höher gewesen sein soll, als die Flut von 1570.

Im siebzehnten Jahrhundert (1600–1700) werden von unsern Quellen 51 Sturmfluten angeführt. Unter diesen sind als besonders hohe und weit verbreitete die von 1625, 1634, 1643, 1651, 1675, 1682 und 1686 hervorzuheben.

Die Fastnachtsflut 1625 erstreckte sich von der Maas bis Jütland, trat bei Neumond verbunden mit einer Sonnenfinsternis ein und verursachte der ganzen Küste großen Schaden. Überall brachen die Deiche. Ostfriesland traf diese Flut doppelt hart, weil die durch die Mansfeldische Invasion verarmten Bewohner nicht im Stande waren, die Deiche sofort wieder herzustellen. Einzelne Deiche blieben sogar 7 Jahre lang offen, und das dahinterliegende Land wurde durch die Gezeiten beständig überschwemmt. Diese Flut soll in einzelnen Distrikten noch schlimmer gewesen sein, als die von 1570. Die Herrschaften Jever, Kniphausen und die damalige Grafschaft Oldenburg haben nach den speziellen Verzeichnissen allein einen Schaden von über 1/2 Million Thalern erlitten.

Die Sturmflut vom 11. Oktober 1634 traf zwar hauptsächlich die Ostküste. Durch dieselbe wurde aber ein ganzer Landstrich, der Nordstrand, *) zu Grunde gerichtet, die Herzogtümer Schleswig, Holstein erlitten einen unermesslichen Schaden an Menschen, Vieh, Gebäuden und Deichen. Es sollen nach einer Zusammenstellung 11.000 Menschen umgekommen sein. Entsetzlich für eine so kleine Küstenstrecke.

*) Arends, Nordseeküste II. 25. Outhoff, Verhaal S. 144.

Die Flut vom 23./24. Januar 1643 wütete besonders in Friesland, Groningen, vor allem in Ostfriesland. Überall waren die Deiche zerrissen, tiefe Kolke gespült. In Emden wurde die Hafenbrücke (lange Brücke) mit dem darauf stehenden Wachthause weggerissen. Das Emder Amt allein erlitt einen Schaden von 91.000 Thalern. Die Insel Nesserland wurde besonders schwer bedrängt. Menschen kamen verhältnismäßig nur wenige um.

Ähnliche Verwüstungen richtete die Februarflut des Jahres 1651 an, besonders wieder in Holland und Ostfriesland. Die Zuidersee sowie der Dollart wurden erweitert. In Emden war die ganze Stadt unter Wasser, die Schleuse am Herrentor war gesprengt, sodass am folgenden Tag (Sonntag) in keiner der drei Kirchen Gottesdienst gehalten werden konnte.

Die Flut vom 4./7. November 1675 traf besonders Holland, ebenso die vom 26. Januar 1682.

Die St. Martinsflut vom 12./13. November 1686 erstreckte sich zwar über die ganze südliche Küste, wütete indessen am schlimmsten in der Provinz Groningen. Dort verloren 1500 Menschen durch dieselbe ihr Leben, während in Ostfriesland nur von großen Schäden an Deichen und Gebäuden berichtet wird.

Im vorigen Jahrhundert (1700–1800) suchten im Ganzen 53 Sturmfluten das Nordseegebiet heim. Besonders schwere unter diesen trafen die Jahre 1717, 1720, 1751, 1756, 1775, 1776, 1791.

Die schwerste von allen, überhaupt eine der 5 schwersten Fluten, welche seit historischen Zeiten im Nordseegebiet aufgetreten sind, ist die Weihnachtsflut des Jahres 1717. Es ist, wie der Leser sich erinnert, von uns zu Anfang der Abhandlung Seite 3 ff. geschildert, welch grenzenloses Elend sie an unsern Küsten angerichtet hat.

Die Fluten vom 11. September 1751 und vom 7. Oktober 1756 brachten von Neuem großes Unglück über das ganze Küstengebiet. Bei letzterer soll das Wasser noch höher gestanden haben, als 1717 (vgl. Wiarda, Ostfr. Gesch.).

Bei der Sturmflut vom 21. November 1776 hielten sich die Deiche; sie litten zwar dadurch bedeutend, dass das Wasser an vielen Stellen über sie hinwegging, indessen es entstanden keine eigentlichen Deichbrüche. Die hohe Flut trat bei Tage ein, sodass die Strandbewohner die bedrohten Stellen rechtzeitig schützen konnten. Nur in Emden brach der Deich hinter der Kaserne, die ganze Stadt kam unter Wasser. Der Schaden, den die Stadt damals erlitt, wird auf 100.000 Thaler geschätzt.

Um diese Zeit wurde auf den Deichbau größere Sorgfalt verwendet, das ganze Deichwesen organisiert. Etwa um die Mitte des Jahrhunderts fing man an, auch für die Konservierung der Inseln, dieser wichtigen Schutzmittel unserer Küsten, Sorge zu tragen. Trotzdem wurde die Stadt Emden noch häufig unter Wasser gesetzt, so im Dezember 1792 allein viermal, während orkanartige Stürme die Wellen hochtrieben.

Von den in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts (1800–1850) vorgekommenen 32 Sturmfluten sind folgende die bedeutendsten.

Die durch einen heftigen Orkan hervorgerufene Flut in der Nacht vom 2./3. November 1801 riss den Deich bei Nesserland fort, richtete überhaupt an den Niederemsischen Deichen großen Schaden an und setzte die Stadt Emden größtenteils unter Wasser.

Eine nicht minder heftige Sturmflut vom 15. Januar 1808 zerstörte namentlich viele Deiche in Flandern und Südholland. Auch die englische Ostküste erlitt fürchterliche Verheerungen. Zu Margate stieg das Wasser zu einer Höhe, wovon man bis dahin nie ein Beispiel erlebt hatte, selbst die höchsten Straßen wurden überströmt, viele Häuser durch die wütenden Wogen wie weggewischt, viele Schiffe auf der Reede und im Hafen wurden zertrümmert. Nicht minder große Verwüstungen wurden an der Themsemündung zu Sheerness, Ramsgate und Whitstable angerichtet. Eine große Menge Vieh fand in den Wellen seinen Tod.

Durch die Flut vom 30./31. Januar 1809 wurden besonders die Niederlande hart mitgenommen.

Noch größeren Schaden richtete die Flut vom 3./4. März 1817 an. Sie soll für Ostfriesland die höchste gewesen sein seit 1776. Viele Deichbrüche erfolgten. In Emden wurde die lange Brücke weggerissen, die Stadt überströmt, in den Straßen spülten die Wogen an vielen Stellen das Pflaster fort. Norderney und Juist erlitten große Verluste an Dünen.

Ähnliches wiederholte sich für Emden in der Flut vom 29. März 1822, wo das Wasser in einzelnen Häusern 4–5’ hoch stand. Auch die Flut vom 4. Dezember 1823 richtete großen Schaden an den Deichen an, in Emden stand das Wasser in einigen Häusern 3' hoch, die Inseln Norderney und Baltrum wurden hart mitgenommen. Über das ganze südliche und östliche Küstengebiet von Holland bis nach Holstein erstreckte sich die Sturmflut vom 15. November 1824. Überall litten die Deiche. In Emden strömte das Wasser durch die Straßen höher als 1776. In Hamburg stand das Wasser 19 5“ über dem mittleren Stande, die ganze Altstadt wurde tief unter Wasser gesetzt, die Elbinseln und die holsteinsche Küste erlitten schweren Schaden.

Die höchste, ausgedehnteste und verderblichste von allen Sturmfluten, welche seit historischen Zeiten das Gebiet der Nordsee heimgesucht haben, ist wahrscheinlich die Flut vom 3. und 4. Februar 1825. *) Dieselbe ist von Arends in einem eigenen Werke ausführlich beschrieben. Sie erstreckte sich von der Maas bis nach Jütland. 789 Menschen, über 45.000 Stück Vieh kamen durch dieselbe um, 2.400 Häuser wurden zerstört, 8.700 beschädigt.

Kein Ort auf der ganzen fast 100 Meilen langen Überschwemmungslinie erlitt solchen Schaden wie Emden. Arends entwirft in seinem oben erwähnten Werke (Seite 47) eine interessante ins Einzelnste gehende Schilderung. Die Stadt wurde noch schwerer mitgenommen, als durch die Flut vom 21. November 1776. Das Wasser flutete durch alle Straßen, welche zum Teil tief ausgespült wurden. Der Mittelwall war durchbrochen, die Emsmauer sowie mehrere öffentliche Gebäude, Brücken etc. beschädigt. Der Gesamtschaden wird für die Stadt auf 140.000 Thaler veranschlagt.

Damals war nur ein kleiner Teil der Stadt im Südosten, die sog. Faldern, von einem Deich umgeben, der nordöstliche Teil nur durch seine etwas höhere Lage und durch Schutzbretter, die bei drohenden Fluten an zwei Stellen angebracht wurden, einiger Massen gesichert. Für die Altstadt ging bis dahin kaum ein Winter vorbei, dass nicht ein Teil derselben überströmt wurde. Diese Überströmungen richteten indessen in der Regel keinen erheblichen Schaden an. Die Einwohner waren darauf eingerichtet, sie suchten ihre Häuser durch Schutzbretter, welche sie in die Türpfosten setzten und mit Lehm in den Fugen dicht machten, gegen das Eindringen des Wassers zu schützen.

So blieb es in Emden bis zum Jahre 1848, von wo an die neuerbaute Nesserlander Schleuse und ausgedehnte Bedeichungen die Stadt vor neuen Überströmungen schützten.

Seit der Flut von 1825 sind überhaupt die Deiche auf allen Punkten des Überschwemmungsgebietes bedeutend verstärkt worden.

*) Das Inundationsgebiet der Sturmflut von 1825 ist auf der hinten beigegebenen Karte I. dargestellt.

Ob sie jetzt stark genug sind, um uns vor ähnlichen verheerenden Katastrophen zu sichern, muss die Erfahrung lehren. Inundationen von allgemeiner Ausdehnung sind soviel ich weiß seitdem in unserm Küstengebiet nicht mehr vorgekommen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sturmfluten in der Nordsee *)