Wustrow (Fischland)
In Wustrow hat die Überschwemmung schrecklich gewütet und furchtbaren Schaden angerichtet. Schon am 12. Abends hatte das Wasser der Ostsee und ebenso das der Binnensee eine bedenkliche Höhe erreicht, und am 13. Morgen sah man bereits die Wiesenniederung der Gegend unter Wasser. Die Düne ragte wie ein schmaler Saum aus der bewegten Wassermasse hervor. Aber bald, zwischen 6 und 7 Uhr Morgens, brach die Düne auf mehreren Stellen und die schäumende See strömte über den sandigen Dünenstreifen mit gewaltiger Kraft fort, dass in kurzer Zeit von Dändorf bis hier nur ein Meer zu sehen war. Eine der auf der Düne stehenden Fischerbuden brach zusammen und war im Umsehen verschwunden. Der Rettungsschuppen mit dem Rettungsapparat leistete lange Widerstand, doch gegen 9 Uhr sank auch dieser zusammen und ward zum Teil in das wogende Meer vertrieben. Schiffe mit gekappten Masten und zerfetzten Segeln kamen in Sicht und konnten sich kaum vor Anker halten. Von der pommerschen Küste trieben Jachten und Boote auf den Strand. Inzwischen war auch für diejenigen Bewohner des Orts die Not gekommen, welche unten im Dorfe am Wasser wohnten. Das Wasser drang in die Häuser, riss Wände und Öfen nieder, stürzte Schornsteine um, während der Orkan an den Dächern seine Zerstörung anrichtete. Am 14. erst ließ sich Umschau halten. In den Ortschaften Neuenhagen, Althagen und Ahrenshoop war die Verwüstung noch bei Weitem größer als in Wustrow. Viele Wohnungen in Althagen und Ahrenshoop waren gänzlich zerstört; die ganze Feldmark; soweit die Überschwemmung reichte, übersäet mit Mobilien, Betten, Heu, Stroh und totem Vieh. Klagende Menschen liefen bei den Trümmern umher und suchten das Ihre. Zwischen Althagen und Ahrenshoop lief ein rasender Strom, so dass die Kommunikation, selbst zu Boot mit größter Schwierigkeit verknüpft war.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sturmflut vom 12. bis 13. November 1872 an der deutschen Ostseeküste