Die deutsche Einwanderung begann schon im XII. Jahrhundert

Der mächtige Zug der deutschen Einwanderung begann schon im XII. Jahrhundert, zunächst durch die Weltgeistlichkeit angeregt, die Anfangs fast rein deutscher Bildung und Abstammung den Connex mit ihrer Heimat nicht aufgab und manchen Verwandten nach sich zog*). Ihnen schlossen sich die Klöster an, seit 1153 in rascher Folge gegründet und mit der ausdrücklichen Erlaubnis privilegiert, ihre meist noch wüst liegenden Güter mit Angehörigen jeder Nation zu besiedeln. Die immer enger werdenden politischen Beziehungen Pommerns zum deutschen Reiche, die angeknüpften Familienverbindungen zwischen dem Pommerschen Fürstenhause und deutschen Dynastengeschlechtern, die dringende Notwendigkeit, das namentlich durch die dänischen Raubkriege grausam verödete Land wieder zum Anbau zu bringen, bewogen auch die Herzoge, Deutsche jeden Standes zur Bevölkerung der wüst gewordenen Stätten ins Land zu ziehen. Schon 1174 finden wir einen Deutschen Hermann, wahrscheinlich ritterlichen Standes, unter lauter wendischen Burgbeamten als Urkundenzeugen aufgeführt. 1187 besaß ein anderer Edler deutschen Stammes, Walter, das Gut Brode bei Kolbatz als lebenslängliches Lehn, und in demselben Jahr baute ein aus Bamberg eingewanderter Vornehmer Beringer von dem stattlichen Lehn, das er von Bogislaw I. besaß, die Jacobikirche in Stettins. Aber einen der gewichtigsten Faktoren für die deutsche Einwanderung bildete der nie unterbrochene Handelsverkehr der Pommerschen Städte mit der westlichen Ostseeküste sowohl, als mit dem deutschen Binnenlande, der ihnen unaufhörlich neue Gäste zuführte, die sich teils nur vorübergehend in Handelsgeschäften dort aufhielten, teils in der Mehrzahl dauernd niederließen. Als die Herzogin Anastasia 1187 den 18. März am

*) Das Kloster Kolbatz erhielt bereits bei seiner Gründung 1173 ein deutsches Dorf (villa Teutunicorum), dss später unter dem Namen Crogh hervortritt, also wohl nur in einer Kruganlage nach deutscher Sitte bestanden haben wird.


Sterbebette ihres Gemahls, Bogislaws I., in Gegenwart und unter Zustimmung fast aller Edlen des Landes zu Saßnitz (Altwarp) bei Neuwarp dem Kloster Grobe eine Schenkung machte, war auch ein Kaufmann aus Lübeck, Berner, zugegen und wurde mit den Vornehmsten des versammelten Adels zur Zeugenschaft hinzugezogen. Ebenso übertrug in diesem Jahre Beringer die von ihm erbaute Jacobikirche in Stettin dem Kloster Michelsberg bei Bamberg im Beisein einer zahlreichen Menge Deutscher und Wenden, und schon nach wenigen Jahren (c. 1203) bestimmte der Bischof Sigwin sie zum ausschließlichen Gebrauche der Deutschen, ein Zeichen, wie stark schon das deutsche Element in Stettin angewachsen war.

Diese immer wachsende und stetig von Westen nach Osten vorschreitende deutsche Einwanderung zersprengte allmählich die ganze Kastellaneiverfassung. Waren schon die zahlreichen Güter der Geistlichkeit vom Burgdienste und sonstigen Lasten befreit, so musste man allen Einwanderern niederen Standes eine gleiche Gunst zugestehen, wahrend die sich ansiedelnden deutschen Ritter die Belehnung nach deutscher Sitte einführten, und dadurch den bisher nur mit der Burg zusammenhängenden Rossdienst des Adels zu einer persönlichen Kriegspflicht gegen den Lehnsherrn umwandelten. Wo diese Zersetzung der wendischen Einrichtungen weit genug vorgeschritten war, da konnte auch die Burg selbst nicht mehr in alter Weise bestehen. Hatte sich der Provinzialverband von ihr losgelöst, musste sie hinfort auf sich selbst gestellt werden. Sie wurde daher in deutscher Weise einigen Rittern anvertraut, die, dafür mit einem Burglehn ausgestattet, auf eigene Kosten und mit eigenen Kräften für ihre Unterhaltung und Verteidigung zu sorgen hatten, mochten sie dies Amt nur zeitweise, erblich oder im Pfandbesitz erhalten. Diese neuen Burgmannen werden in lateinischen Urkunden ebenfalls castellani genannt, dürfen aber mit den obersten Burgbeamten dieses Namens in der Wendenzeit nicht verwechselt werden. In Stettin gehörte der deutsche Ritter und Marschall Conrad Kleist, der aber mit der wendischen Familie von Kleist in keinem Zusammenhange steht, zu den neuen Burgmannen. Die Burg Pyritz wurde dem Ritter Anselm von Blankenburg, Gerhard und Heinrich von Granzow, Dietrich von Köthen und seinen Brüdern, und denen von Riden übergeben. Das Amt des wendischen Kastellans hörte damit auf und an seine Stelle trat ein deutscher Vogt (advocatus), dem unter den veränderten Verhältnissen ähnliche Befugnisse zustanden, die Einziehung der landesherrlichen Gefälle*), die Handhabung der fürstlichen Gerichtsbarkeit und das Aufgebot der Lehndienste, sowie auch die Instandhaltung und Verteidigung der Burgen in seiner Vogtei, soweit sie nicht an Burgmannen ausgegeben und verliehen waren. Obwohl nun die Vogteien aus den Kastellaneien hervorgingen, so decken sich beide doch nicht. Manche Kastellanei zerfiel in mehrere Vogteien. So entstanden aus der Kastellanei Barth die Vogteien Barth und Prohn, und aus der Kastellanei Tribsees die Vogteien Tribsees und Grimmen, während wiederum andere Kastellaneien zu einer Vogtei vereinigt wurden, wie z. B. die Kastellaneien Wollin, Cammin und Treptow a. R. zu der Landvogtei Greifenberg.

Durch diese nicht überall gleichzeitig in Pommern eintretende, sondern allmählich von Westen nach Osten vordringende Umbildung der wendischen Kastellanei- in die deutsche Vogtei-Verfassung wurde auch erst Raum geschaffen für die Umwandelung der Burgflecken in deutsche Städte oder für deren völlige Neubegründung. Kastellane werden uns zum letzten Male genannt: 1225 von Barth (Petrus), 1231 von Tribsees (Guorizlaw), 1233 von Usedom (Sulislaw), 1234 von Gützkow (Prentza), von Groswin (Jacob6) und von Stettin (Johannes), 1235 von Demmin (Nizul), 1244 von Cammin (Stoislaw), 1253 von Kolberg (Borco und Kasimir), 1298 von Stolp (Laurentius), 1301 von Schlawe (Matheus). Dem entsprechend treten überall einige Jahre später die deutschen Vögte urkundlich hervor: 1239 ein Vogt Godekinus in der Ukermark, 1242 die Vögte Lutbert von Tribsees und Johannes von Prohn, 1243 der Vogt Hartmann von Anklam, 1245 der Vogt Gottfried von Demmin, 1249 die Vögte Heinrich von Loitz, Johannes von Greifswald und Wolgast, Stephan von Stettin, 1250 der Vogt zu Pyritz, Hermann von Mellentin, 1256 der Vogt von Usedom, Oldag von Schwerin, 1266 der Vogt Dietrich von Kolberg, dem aber schon ein anderer Dietrich in diesem Amte vorangegangen war. Die ostpommerschen Kastellaneien hörten erst auf, nachdem das Land vom Gollenberge bis zur Leba 1306 an Brandenburg gekommen war. Seitdem tritt auch hier die Vogteiverfassung hervor, obgleich schon Fürst Wizlaw II. von Rügen während seines kurzen Besitzes des Landes Schlawe 1270—1277 den Versuch einer deutschen Verwaltungsweise machte und in Detlef von Schlezen einen Vogt von Schlawe bestellte. Allein 1277 kehrte das Land Schlawe zu seiner alten Verfassung zurück, und auch die von Wizlaw begründete Stadt Rügenwalde verkümmerte unter diesen für deutsche Städte noch nicht passenden Verhältnissen, sodass sie 1312 wieder ganz von Neuem aufgelegt werden musste. Gleiche Verhältnisse walteten bei der Insel Rügen ob, die in dem Gebiet des Fürsten von Rügen am längsten dem deutschen Element verschlossen blieb, und erst gegen Ende des XIII. Jahrhunderts einzelnen deutschen Rittern den Zugang verstattete. Die damit eingeführte deutsche Verwaltungsweise erlaubte es dem Fürsten Wizlaw III., nunmehr auch hier an die Errichtung einer deutschen Stadt zu denken. So entstand Rügendal 1313, welche noch vor 1319 nach Garz verlegt wurde.

*) Als Hebestellen dienten nicht mehr die Krüge, sondern die fürstlichen Münzstätten (moneta). Solche werden gelegentlich genannt in Stettin, Usedom, Anklam, Pyritz und andern Orten.

Die Gründung der deutschen Städte in Pommern war demnach von dem Aufhören der Kastellaneiverfassung bedingt. Sobald sich dies in einer Kastellanei vollzog, gingen die Fürsten meistens auch sogleich daran, freie deutsche Städte zu errichten. Die ersten derselben waren Stralsund 1234 und Prenzlau 1235, jene durch den Fürsten Wizlaw I. von Rügen, diese durch Herzog Barnim I. von Stettin aufgelegt. Beide bieten uns zugleich ein Muster der Art dar, wie man dabei zu Werke ging. Entweder bildete die Beleihung der Stadt mit deutschem Stadtrechte nur den Schlussstein, der eine allmählich und von selbst entstandene deutsche Kolonie zu dem Range einer freien Stadt erhob, oder sie war eine wirkliche Neuschöpfung, bei welcher der Fürst die Feldmark für die neue Stadt hergab, und einem Unternehmer überließ, die Stadt zu erbauen und mit Deutschen zu besetzen. In der ersten Art sind alle alten Burgflecken, wo schon früher ein Handelsverkehr bestand, in deutsche Städte übergegangen, ebenso einige neuere Ansiedelungen, wie Stralsund, Anklam, Greifswald, die durch ihre besonders günstige Lage fremde Kaufleute und Handwerker zur Niederlassung einluden. Der zweiten Weise verdanken wohl die meisten kleineren Städte ihr Dasein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Städte der Provinz Pommern