Man erzählt über den verstorbenen Herrn Pompignan eine Anekdote, die die jähzornige Veranlagung vieler Frommen ...

Man erzählt über den verstorbenen Herrn Pompignan eine Anekdote, die die jähzornige Veranlagung vieler Frommen kennzeichnet.

Alle Welt weiß von der Feindseligkeit, die zwischen diesem heiligen Akademiker und seinem profanen Kollegen Voltaire herrschte. Als die Folgen eines schweren Schlaganfalls Herrn von Pompignan an den Rand des Grabes brachten, versuchen seine Freunde umsonst, ihn zum Bewußtsein zu bringen, damit man die Pflichten, die die Religion vorschreibt, ausüben könne. Vergeblich lässt man vor seinen Ohren die Worte Luzifer und Hölle erklingen. Der Sterbende ist von beunruhigender Unempfindlichkeit. Das, was die in schreckliche Drohungen entarteten Teufelsbeschwörungen nicht konnten, vermochte der Name Voltaires allein. Mme de Pompignan erscheint und sagt zu ihm, zitternd um sein ewiges Seelenheil: „Oh, mein Freund, bedenkt, daß, wenn Ihr unseren Bitten nicht nachgebt, Ihr ewig an der Seite dieses Schurken Voltaire brennen werdet.“


Bei diesen Worten erhebt Pompignan den Kopf und sammelt seine letzten Kräfte, um im Jenseits einen Platz zu erlangen, recht weit von dem, den gewisse Leute Voltaire zudiktiert haben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sitten des Rokoko.