c. Wind- und Wasserkraft: 30–32.


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Wir sind bereits in Vorstehendem auf die Hilfsmittel hingewiesen worden, welche die Natur dem Menschen zum Betriebe solcher Anlagen darbietet, bei denen es vorzugsweise auf Anwendung von mechanischer Kraft ankommt. Darunter wollen wir zuförderst
die Wind- und Wasserkraft berühren. Das fließende Wasser setzt bekanntlich durch den Stoß (in den unterschlächtigen) oder durch sein Gewicht, indem es von einer gewissen Höhe herabfällt (in den oberschlächtigen Rädern) oder durch beide vereint, Mühlen zu verschiedenen Zwecken, namentlich zum Mahlen des Getreides und Pochen der Erze in Bewegung. Es kann hierzu das Wasser der kleinern Bäche und größern Flüsse benutzt werden, ebenso wie der Strom, den die Ebbe und Fluth an den Meeresküsten in engen Canälen erzeugt, und die in Seen und Teichen bis zu einer gewissen Höhe angestauten Wassermassen. Die praktische Mechanik lehrt diese verschiedenen Räder, Mühlen und Werke zweckmäßig erbauen, auch wie viel Arbeit eine bestimmte in einer Secunde ausfließende Wassermasse, bei einer gewissen Geschwindigkeit oder Höhe des Wassergefälles, zu liefern vermag. In ähnlicher Art wirkt der Wind durch den Stoß in den Windmühlen und sogenannten Windkünsten (z. B. zum Heben der Sohle in den Gradierwerken). Es bedarf keiner weitern Erörterung, wie auf diese Weise die Wind- und Wasserkraft dem Menschen zu seinen verschiedenen gewerblichen Zwecken von großem Nutzen und wie er dadurch veranlaßt worden ist, immer mehr Mühlengefälle und Anlage von Windmühlen günstige Plätze in Beschlag zu nehmen und zu seinem Eigenthum zu machen.


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Man hat schon verschiedene, allerdings nur sehr gemächliche Berechnungen angestellt, (namentlich ist dieß von Düpin für Frankreich und England geschehen,) wie viel Arbeit auf diese Weise in verschiedenen Ländern von den Mühlen geleistet werde. Nach Egen wird von den Wassermühlen so viel Arbeit geleistet
in Preußen, als l00,000 starke Pferde,
in Frankreich, als 150,000 „ „
in England, als 400,000 „ „
leisten würden, wenn dieselben Tag und Nacht anstrengend arbeiteten, (so, daß dazu etwa die dreifache Pferdezahl gehalten werden müßte, indem ein wirkliches Pferd durchschnittlich nur etwa 8 Stunden täglich arbeitet.) Die Kraft des Windes berechnet derselbe ebenso
in Preußen gleich 16,500 Pferden,
in Frankreich gleich 22,000 „
in England gleich 11,500 „
die Tag und Nacht arbeiteten.
Außerdem wird aber auch noch das Wasser zum Forttreiben der Flußfahrzeuge, Holzflöße und des Floßholzes, und der Wind zum Treiben der Segelschiffe benützt, in welchem Falle diese Kraft jedoch nicht Eigenthum Einzelner ist, sondern von Jedermann benutzt werden kann.
Es ist indessen unzweifelhaft, daß von diesen Kräften eine noch viel ausgedehntere Anwendung gemacht werden könnte und gemacht werden wird, sobald das Bedürfniß hierzu eintritt. Schon Holland besitzt zu verschiedenen Zwecken eine Menge Windmühlen mehr, als andere Länder, namentlich auch zum Trockenlegen der Niederungen, und manche Städte in den flachen polnischen Gegenden, wo es keine Wassergefälle gibt, sind mit einer Anzahl Windmühlen umgeben. Nach Egen befinden sich ebenso bereits in der Grafschaft Mark ohne die Sonster Börde, so viel Wasserwerke, daß ihre Kraft auf die ? Meile 140 Tag und Nacht arbeitenden starken Pferden gleichkommt; und derselbe Gelehrte berechnet, daß auf jeder ? Meile eines Landes, welches nicht gar zu viel Ebenen hat, durchschnittlich wohl eine Wasserkraft benutzt werden kann, welche der Kraft von 160 starken, Tag und Nacht arbeitenden Arbeits-Pferden gleichkommt. In den Gegenden, wo eine große Nachfrage nach Wasserkraft ist, wie in einigen Fabrikgegenden Englands und Schottlands, hat man auch bereits anfangen, das Wasser in großen Teichen mitten ungeheurer Dämme anzustauen, und ähnliche Projecte zur Benutzung der Wasserkraft, sind auch in andern Ländern gemacht worden. In Gegenden und Orten aber, man keine genügende Wasserkraft findet, oder zu Arbeiten, wozu andere Kräfte nicht geeignet sind (namentlich ist die Kraft des Windes bekanntlich sehr veränderlich), muß man andere Kräfte benützen, wie die Zugthiere, von denen alsbald die Rede seyn soll, und die Dampfmaschinen, deren schon bei Gelegenheit der Steinkohlen-Gewinnung Erwähnung geschehen ist.


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Bei dem Ueberfluß an Wasser- und Windkraft, der an vielen Orten und zu gewissen Zeiten noch vorhanden ist und ungenutzt verloren geht, würde es eine wesentliche Verbesserung der practischen Mechanik seyn, wenn man diese nutzlos verloren gehende Kraft ansammeln und an andern Puncten oder zu andern Zeiten wirksam machen könnte. In ähnlicher Art wird z. B. in den Uhren durch das Aufziehen derselben und in den Windbüchsen durch das Zusammenpressen der Luft, eine mechanische Kraft erzeugt, welche in den Uhren regelmäßig 24 Stunden hindurch, oder auch (wenn man sie stehen läßt), noch in späterer Zeit, in den Windbüchsen an dem Ort und in dem Augenblick des Abschießens wirksam wird. Auf kurze Strecken geschieht diese Uebertragung von Triebkraft auf andere Puncte, auch bei Wassergefällen durch Feldgestänge und Ableitungscanäle. Allein im Großen hat diese Ansammlung oder Anreicherung von mechanischer Kraft, so wie die Uebertragung derselben auf entfernte Puncte noch nicht gelingen wollen, und es ist dieses große Problem noch zu lösen. Am ersten scheint es noch ausführbar, daß man mit solcher überflüssigen mechanischen Kraft, höher gelegene Bassins mit Wasser fülle, und dieses alsdann in Canälen zum Betriebe von Mühlwerken an die geeigneten Puncte führe. Die Kosten von dergleichen Anlagen sind indessen für unsere jetzigen Verhältnisse wohl noch überall zu hoch.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kunst reich zu werden