b. Unternehmer. Unternehmungen des Staats: 58–60.


058
Unternehmer. Wir haben schon oben kurz angegeben, was man im allgemeinsten Sinne unter einem Unternehmer versteht. Hiernach gibt es deren in allen Fächern der menschlichen Tätigkeit. Ein Gutsbesitzer ist ein landwirtschaftlicher Unternehmer. Einen Arzt kann man als einen Unternehmer von Curen ansehen, besonders wenn er, wie in einigen Ländern, mit Apothekern und Chirurgen sich zu diesem Geschäfte verbindet. Ein Advocat studirt die Gesetze und hält sich Schreiber, um Anderer Prozesse zu führen. In Paris gibt es entrepreneurs des succès dramatiques, welche Jungen halten, um in den neuen Theaterstücken Beifall zu klatschen. Jeder Handwerker ist zugleich mehr oder weniger Unternehmer etc.
Der Unternehmer muß zuvörderst, wenn sein Unternehmen gelingen soll, zu beurtheilen vermögen, ob das von ihm geschaffene materielle oder immaterielle Product (seine Waaren oder Leistungen) von Andern in hinreichendem Maaße werde gebraucht werden. Bei vielen, häufig vorkommenden Unternehmungen, z. B. beim Ackerbau, hat dieß keine Schwierigkeit, wohl aber bei ganz neuen Unternehmungen; und wir sehen täglich sehr viele davon scheitern, weil der Unternehmer die Bedürfnisse des Publikums in Bezug auf das von ihm zu liefernde Product oder Leistung, unrichtig beurtheilt hat.
Demnächst muß der Unternehmer genau mit den Mitteln bekannt seyn, um auf dem möglich besten und wohlfeilsten Wege die Producte oder Leistungen zu Wege zu bringen, welche seine Unternehmung zum Zweck hat; je complicirter diese Mittel sind, je schwieriger wird das Unternehmen und je mehr Kenntnisse und practische Fertigten erfordert es von Seiten des Unternehmers.


059
Im Allgemeinen sind die Personen selten, welche die Eigenschaften in sich vereinigen, die einen guten Unternehmer ausmachen. Ja! es gibt Nationen, wie namentlich die Nordamerikaner, Engländer und Schweitzer, die sich durch lange und vielfache Uebung darin auszeichnen, und bei denen der Unternehmungsgeist im allgemeinen viel mehr ausgebildet ist, als in andern Ländern, namentlich in solchen, wo eine fehlerhafte Regierung oder Gesetzgebung dem Unternehmungsgeiste eine Menge unnützer Fesseln auflegt, wie es leider noch mehr oder weniger in den meisten unserer europäischen Staaten der Fall ist. Auch ist es nicht zu verkennen, daß bei uns, in Folge der frühern Stellung des Adels, in den höhern oder gebildeten Klassen, noch ein großes Vorurtheil gegen Handels- und Gewerbe Unternehmungen aller Art herrscht. Selbst die Landwirthschaft wird von recht Vielen nur dann für anständig gehalten, wenn sich der Besitz eigener Guter damit verbindet. Die meisten Söhne auch gebildeten Familien wählen den Beamten-, Gelehrten- und Militairstand, welche alle auch bei uns darum so überfüllt sind. Was Wunder, wenn sich unter diesen Umständen der Unternehmungsgeist nicht recht ausbilden will? Zugleich ist es eine allgemeine Erfahrung, daß wissenschaftliche und gelehrte Kenntnisse sich in einem Lande viel leichter verbreiten, als die Eigenschaften, die zu einem guten Unternehmer gehören. Jedoch darf darum keine Nation an sich verzweifeln. Die Engländer waren vor 300 Jahren noch ein sehr wenig industriöses und unternehmendes Volk, und Italiener, Spanier, Portugiesen, Holländer und die freien deutschen Reichsstädte ihnen darin weit voraus.
Da überdem, wie wir später noch ausführlicher sehen werden, zu allen irgend bedeutenden Unternehmungen, immer mehr oder weniger Capital gehört: so entsteht daraus eine neue Beschränkung für die Zahl der Unternehmer, obgleich, wie wir sehen werden, auch mittelst fremder Capitalien von Unbemittelten Unternehmungen aller Art ausgeführt werden können.
Im Allgemeinen kann man annehmen, daß ein richtiges und gesundes Urtheil, Ueberblick, praktische Kenntnisse und namentlich Menschenkenntniß, Thätigkeit und Ordnungsliebe, wichtiger für die Unternehmer sind, als eigene Kunstfertigkeit und gelehrte Kenntnisse. Er braucht diese weniger selbst zu besitzen, als er verstehen muß, sie bei Andern zu benutzen.


060
Es gibt eine Menge Unternehmungen, für welche die Kräfte und Capitalien des Einzelnen nicht ausreichen, oder deren Durchführung mehr als ein Menschenleben erfordert. Auch ist es vortheilhaft, seine Capitalien nicht bloß auf eine einzige, sondern auf mehrere Unternehmungen zu verwenden, um an der einen zu gewinnen, was man vielleicht an der andern verliert. In dieser Hinsicht sind gemeinschaftliche Unternehmungen Mehrerer, (meistens in der Form von Aktiengesellschaften) von großem Nutzen und eins der mächtigsten Mittel, den Wohlstand eines Landes zu vermehren. Es kommen auf diese Weise die außerordentlichsten Unternehmungen zu Stande, welche dem einzelnen Unternehmer, theils wegen Mangel an genügenden Fähigkeiten, theils wegen Mangel an Capital, auch nicht zum kleinsten Theil würden möglich gewesen seyn. Die größte Gesellschaft der Art ist wohl die ostindische Compagnie in England, über deren Leistungen in vielen Werken genügende Auskunft zu finden ist. Außer den gesellschaftlichen Unternehmungen werden aber auch noch oft Unternehmungen für Rechnung der Staatsverwaltung begonnen und betrieben, wie z. B. der Bau von Festungen, Häfen und Canälen; die Beförderung der Briefe und Reisenden; die Verwaltung der Domänen und Forsten etc.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kunst reich zu werden