Von dem nachteiligen Einflusse des verkürzten Schlafes zur Nachtzeit
4. Von dem nachtheiligen Einflusse des verkürzten Schlafes zur Nachtzeit auf das geistige und körperliche Wohlsein.
Somne levis, quamquam certissima mortis imago,
Consortem cupis te tamen esse tori;
Alma quies optata veni, nam sic sine vita
Vivere, quam dulce est, sic sine morte mori.
§. 142.
Der Schlaf, zur Nachtzeit genossen, ist das erste Verjüngungs- und Verlängerungsmittel des kurzen, von mannigfaltigen äußeren und inneren, moralischen und physischen Feinden bedrohten Lebens. Wer den Schlaf nach Mitternacht genießen will, den flieht das süße, erquickende und wohltätige Gefühl, das die allweise Natur mit dem Schlafe vor Mitternacht verbindet.
§. 143.
Dann muß man hier zugleich einer scharfen Beobachtung unterziehen, daß Reiche, die spät schlafen gehen, den Abend entweder im Theater verleben, oder sie haben in den Salons bei Spiel und Tanz Zerstreuung und Erholung für die vielen leeren Stunden, die sie am Tage dahin lebten, sich zu verschaffen bemüht; oder sie haben bei fröhlichen Gelagen, wo sie viele und besonders reizende Speisen genossen, geistige Getränke zu sich genommen, den Abend und einen Teil der Nacht durchlebt.
§. 144.
Sie besteigen also schon mit Kopfschmerz, Schwindel, übler Laune, oft mit Überladung des Magens das Bett. Jetzt soll der Schlaf sie von diesen Qualen erlösen, er kann nicht anfangen zu wirken, die weichen Flaumenbetten vermehren die Hitze. Kein Wunder, daß sie spät einschlafen, und dann erst einen traumvollen Schlaf genießen, oder die halbe Nacht in Schlaflosigkeit dahin bringen.
Dabei muß man noch berücksichtigen, daß der Schlaf nur den von körperlichen Anstrengungen Müden mit seinem Balsam erquickt, daß also Vornehme und Gebildete, die gewöhnlich wenig ihre Muskeltätigkeiten anstrengen, sondern mehr ihre Phantasie beschäftigen, keinen gültigen Anspruch darauf haben; daher herrschen in dieser Klasse eine vorwaltende Empfindlichkeit, Magenschwäche, Magenkrämpfe, schlechte Verdauung, Blässe im Gesichte; daher die üblen Launen der Damen in der großen Welt, daher die Gicht und ihre Konsorten.
§. 145.
Die Natur ist gerecht; Ordnung, heilige Ordnung und Mäßigkeit sind ihre ersten und obersten Gesetze. Ungestraft verletzt kein Sterblicher diese. Wer sich täuscht, daß sein Körper eine bestimmte Zahl von Stunden braucht, um sich auszuruhen, daß nur eine angemessene Tätigkeit des Körpers und des Geistes einen ruhigen und erquickenden Schlaf verschafft; wer sich einredet, daß fünf Stunden am hellen Tage im Bette der Faulheit dahin gebracht, besser seien, als sieben in der Nacht geschlafen, — wer sich täuscht, um seinen Neigungen zu frönen, und des Abends, oder, um richtiger zu sprechen, um Mitternacht bei einer Tafel unersetzliche Stunden verlebt, oder im Spiele oder im Tanze verschwelgt, und dann ruhig schlafen will, der lernt bald einsehen, daß durch eine solche verkehrte Lebensweise die physische und moralische Existenz der Menschen ganz gewiß, anstatt bekräftiget und verjüngt zu werden, zu Grunde gehe, — daß der Mensch, der so lebt, anstatt die Glückseligkeit zu genießen, — täglich neu geboren zu werden, — an jedem Morgen um einige Jahre älter erwache, daß ein solcher Mensch, anstatt in ein helles und starkes, frisches und blühendes Leben, in ein schales und freudenloses Asyl zurückkehre.
„Heiliger Schlaf! in einer Minute gießest du mehr Lethe über die Gedächtnistafel der Menschen, als das Wachen eines ganzen Tages, und dann kühlest du die auftobend entbrannte Brust, und der Mensch steht auf, wieder der Morgensonne würdig.“ — Wo sollte der Mensch seinem Körper Erholung geben, seinem denkenden Geiste, seinem fühlenden Gemüt Stärkung und Ruhe gewähren können, hätte ihm die wohltätige Natur den Balsam des Schlafes vorenthalten! Es gäbe keine Freuden für uns.
Die Trauer und die Wehmut, die sich so oft durch trübe und ernste Verhältnisse unserer bemeistern, würden die Blumen unserer Gesundheit gar bald pflücken, wenn wir nicht in den weichen Armen des Schlafes Trost und Linderung fänden.
§. 146.
Aus den Erscheinungen, die sich am Menschen darstellen, der keinen gesundheitsgemäßen Schlaf genießt, und die in Mattigkeit, Abgeschlagenheit, Kälte des ganzen Körpers, Zittern einzelner Teile, in Mangel an Appetit, Magenkrampf, Verdrüsslichkeit, Kopfschmerz und in noch andern krankhaften Zufällen bestehen, ist die Notwendigkeit dieser täglichen Krise am einleuchtendsten.
§. 147.
Eine vollkommene Gesundheit und ein zuträglicher Schlaf sind so eng mit einander verkettet, daß sich die eine ohne den andern nicht denken läßt. Wer keinen erquickenden Schlaf genießt, befindet sich in einem Zustand, wo es zu befürchten ist, daß er bald von einer Krankheit überfallen wird. Betrachtet man die Erscheinungen, die, während der Mensch schläft, in der tierischen Maschine seines Körpers vor sich gehen, so sieht man bald ein, daß der Schlaf von großer physiologischer Bedeutung ist. Das vegetative Leben, das zeugende und schaffende, ist am tätigsten; daher das Atemholen, der Blutumlauf, die Verdauungsoperationen und die davon abhängige Ernährung in ihrem ungestörten Gange zum Gesamtwohle des Körpers fortgehen. Das Nervensystem, das durch das Tagesleben im Denken, Fühlen und Empfinden nur zu sehr in Anspruch genommen wird, ist im Schlafe in einen mehr passiven Zustand versetzt; denn die ersten und wichtigsten Bedürfnisse seiner Tätigkeiten, die Reize der Außenwelt, die moralischen und intellektuellen Motive sind ferne gehalten und ganz zurückgedrängt.
§. 148.
Der Mensch führt im Schlafe mehr ein Pflanzenleben. Allein wie beneidenswert ist sein Los in der Reihe der Naturwesen. Der Traum spinnt seine goldenen Zauberfäden um das schlaftrunkene Auge seiner Seele. Auf eine wunderbare Weise versetzt uns der Gott des Traumes auf die Zauberinseln der lachenden Kindheit, in die Zaubergärten der Jugend, auf die steilen Höhen des Mannesalters und in die anmutigen, friedeatmenden Täler des Greisenalters.
§.149.
Gebildete Menschen, deren Einbildungskraft während des Tages sehr tätig ist, werden am meisten von Träumen beglückt. Jeder trauervolle Schlaf verkürzt die Erholung und Stärkung. Reiche und Gebildete, die ohnedies alle Merkmale einer gesteigerten Empfindlichkeit und krankhaften Reizbarkeit aufweisen können, bedürfen aber nicht nur eines mäßig langen, erquickenden und stärkenden, sondern auch eines traumlosen Schlafes. Sonst wird auch im Schlafe ihr Nervensystem, das durch diese hochwichtige Operation ausruhen sollte, gereizt und geschwächt. Die Sinnesorgane müssen, in ihren Kräften erschöpft, in eine Art von Stumpfheit versinken, und Körper und Geist finden keine Momente, wo sie ihre verloren gegangenen Kräfte wieder sammeln können. Für Reiche ist also der Schlaf ein doppeltes Bedürfnis; und würden sie dieses unerreichbare Verlängerungsmittel des Lebens seiner ganzen Würde und seinem ganzen Werte nach zu schätzen wissen, so würde gewiß auch unter ihnen die Zahl der Nervenleiden sich täglich vermindern, anstatt vermehren.
§. 150.
In Bezug auf die Dauer des Schlafes, dürfte einem vollkommen Gesunden ein sechsstündiger genügen; allein Menschen, die ein sehr bewegliches Nervensystem haben, die sehr reizbar sind, die mehr mit dem Geiste und weniger mit dem Körper arbeiten, dürfte auch ein sieben- oder achtstündiger Schlaf wohlbekommen. Doch finde ich gleich hier die wichtige Bemerkung beizufügen, daß der Glaube der Reichen, daß der Schlaf, den man um ein Uhr nach Mitternacht oder noch später beginnt, und der bis zehn oder elf Uhr am nächsten Tage dauert, denselben Nutzen für ihre Gesundheit gewähre, ein Aberglaube ist, ein eitler Wahn, der wohl schon mehr als ein teures Leben verkürzt hat.
§. 151.
Man glaube ja nicht, daß das eine gleichgültige Sache sei; der Schlaf vor Mitternacht ist der erquickendste, ihn ersetzt kein anderer. Die gütige Natur hat diese Zeit zur Erholung und Stärkung durch die Operation des Schlafes für die Menschen bestimmt. Ihre Gesetze sind unwandelbar, ihre Werke gehen im ewigen Gange einer weisen Ordnung vor sich, und töricht und verwegen greift der Mensch in das heilige Getriebe ein, dessen Zauberkräfte er nur zu ahnen, aber nie zu begreifen fähig sein wird. Es ist erklärbar, warum nervenschwache Menschen, die während des ganzen Tages träge und mürrisch waren, erst am Abend oder um Mitternacht so zu sagen aufzuleben beginnen. Der Abend ist das dritte Viertel des ganzen Tages. Allmählich beginnt die Sonne uns ein ernstes Lebewohl zu sagen, ihre Strahlen erblassen immer mehr und mehr, endlich ist sie unseren Augen unsichtbar geworden, und beglückt die Bewohner der andern Erdhälfte. Nun ist die Luft feuchter, kälter und unangenehmer; sie hat ihre belebenden Kräfte auf uns verloren, und diese Eigenschaften äußert die Atmosphäre umso auffallender, je mehr wir uns der Mitternacht nähern. Die Atmosphäre wird immer kälter, rauer und unangenehmer, weil die Sonne sie nicht erwärmt. Auch aus den andern Naturwesen saugt sie keine belebenden Stoffe ein, denn die Pflanzen hauchen während der Nacht Wasserstoffgas und Stickgas aus. Beide Luftarten sind aber dem menschlichen und tierischen Leben feindlich; beide sind zum Atmen untauglich. Anstatt mit reicher Fülle von Lebensluft versehen zu sein, entwickelt die Atmosphäre schädliche Dünste, die während des Tages dem Luftstrome beigemengt waren, nun aber ihre ätzenden Tropfen auf die Pflanzen niederfallen lassen; daher schlummern auch die Insekten ein, gleichsam in eine Art von Betäubung versunken, die die feuchte Nachtluft erzeugte. Die Erscheinungen, unter denen der Schlaf seine Rechte allmählich geltend zu machen behauptet, stellen sich unter der Form eines Fiebers ein. „Dieser aufgeregte Zustand, meint der berühmte Klose, sei die Ursache, warum empfindsame und reizbare Menschen sich munter und gesund fühlen, und vorzüglich geneigt sind zu geistigen Tätigkeiten. Aber in eben dieser unzeitigen Tätigkeit liegt auch schon der Beweis ihrer Kränklichkeit. Sie hindert gewöhnlich solche Individuen, sich frühe zur Ruhe zu begeben, und so finden wir sie denn noch am Schreibpulte oder Spieltische, oder auf der Reise in dem Zeitpunkte, wo jener gereizte Zustand gerade den höchsten Grad erreicht hat, und wo also dem Körper und Geiste die Ruhe am nötigsten wäre. Da dieser Zeitpunkt nun kein anderer ist, als die Mitternacht: so folgt daraus ganz einfach, daß die Zeit des Eintrittes jenes fieberartigen Zustandes uns am sichersten die Stunde bedeutet, in der wir uns der Ruhe überlassen sollten.“
§ 152.
Ich glaube also, daß meine Leser von der wichtigen Überzeugung durchdrungen sind, wie notwendig der Schlaf vor Mitternacht allen Menschenklassen, ganz vorzüglich aber den kultivierten sei, die die meisten empfindsamen und reizbaren Individuen aufzuweisen haben.
§. 153.
Die Abendmahlzeit soll nie die Gestalt einer Tafel haben, und stets in Gesellschaft der Mäßigkeit statt finden. Schmausereien und Nachtgelage verkürzen das Leben umso gewisser, je öfter man sie feiert, und je schwächer die Leibesbeschaffenheit ihrer Verehrer ist.
§. 154.
Die Abendmahlzeit geht dem Schlafe voran; soll dieser Erquickung und Stärkung gewähren, soll er traumlos sein und sich zu einem unschätzbaren Verjüngungsmittel unserer physischen und geistigen Kräfte gestalten: so darf man
a) Nicht gleich nach dem Abendmahl in das Bett sich begeben, sondern vorher Bewegung auf seinem Zimmer machen.
b) Die Abendmahlzeit soll nicht in dem Genusse fettet Fleischspeisen oder Hülsengerichte bestehen.
c) Suppe, Braten von jungem Kalbfleische oder jungen Hühnern, ein Stückchen weich gesottener Fisch, Weißbrot, Kirschen, Erdbeeren, je nachdem die Jahreszeit eine Obstart spendet, wären jene zuträglichen Gerichte, die sich nach Umständen zum Abendmahle eignen würden.
d) Das einfache Getränk, aus Wasser bestehend, würde ich allen Jenen anraten, die vollblütig sind und an Verschleimungen leiden, oder die durch den übermäßigen Genuß geistiger Getränke über eine peinigende Schlaflosigkeit Klage führen. Wer Wein zu trinken gewohnt ist, und Maß und Ziel zu halten weiß, der ändere seine Lebensweise nicht. Geistige Getränke aber, wie Punsch, Liköre usw., erzeugen bei Ungewohnten ängstliche Träume, Alpdrücken, Schlaflosigkeit und Gefahr des Schlagflusses usw.; bei jenen aber, die im Genusse geistiger Getränke geübter sind, Blutwallungen gegen den Kopf, und verzögern das Einschlafen selbst; schlafen sie endlich ein, so währt dieser Schlaf nicht lange, und sie löschen gewöhnlich die freiwillig angefachten Gluten durch eine bedeutende Menge kalten Wassers, das sie zu sich nehmen, oder dadurch, daß sie sich unvorsichtig einer kalten Temperatur aussetzen, um die tausend ängstlichen Qualen zu verscheuchen. Endlich sinken sie ermattet wieder auf das verlassene Lager, und sind genötigt, entweder durch Spätaufstehen die versäumten Stunden des Schlafes einzuholen, oder zum Nachteile ihrer Gesundheit am frühen Morgen verdrießlich, mürrisch und körperschwach an ihre Berufsgeschäfte zu eilen.
§. 155.
Personen, die an Verdauungsbeschwerden ohnedies leiden, müssen mit Berücksichtigung ihrer schwachen Seite, die jedem Sterblichen zu Teil wurde, des Abends sehr wenig genießen, und selbst nach dem Genusse eines kargen Abendmahles 2—3 Stunden Bewegung auf ihrem Zimmer machen; versäumen sie diese diätetische Maßregel, so können sie wenig Hoffnung von dem Gebrauche der Arzneimittel hegen, die sie gegen ihre Leiden in Gebrauch ziehen. — Die Römer und Griechen hielten abends die Hauptmahlzeit; sie begann nach unserer Stundenrechnung um 6 Uhr. Mittags aßen sie sehr wenig, und mehr Speise nahmen sie zum Frühstück ein. Auf eine ähnliche Weise frühstücken, mittagmahlen und essen zur Nachtzeit die Reichen. In mittlern Ständen gestatten die Berufsgeschäfte diese Lebensweise nicht.
§. 156.
Reiche pflegen auch in der Nachtkleidung Mode und Etiquette zu bewahren, die nun hier am unrechten Orte ist. Man entferne alle Binden, alle fest zusammenschnürenden Nachtjäckchen, Schlafhauben, wenn man daran nicht gewöhnt war, sondern bediene sich nur derselben, wenn man sie leicht umhüllend und gewissermaßen nachlässig am Körper lassen kann. Im Bette sei Niemand, wenn er es auch sonst zu seinem Wohlbehagen für gut findet, ein Sklave seiner Kleider. Wenn man aber auch keiner übermäßigen Erwärmung, sowohl durch unzweckmäßige Nachtkleidung als auch durch Flaumenbetten huldigen soll, so muß man doch darauf bedacht sein, daß man im Schlafe einem wohltätigen Schweiße ausgesetzt ist, der durch keine Verkühlung oder gar Erkältung gestört weiden darf. Aus dieser Quelle mag vielleicht die Empfindlichkeit der Haut, ihre Neigung zu Rheumatismen und andern Hautübeln, von denen Gebildete so häufig geplagt werden, am leichtesten entstehen.
§. 157.
Die Betten und das Bettzeug müssen fleißig gewechselt werden, und nebst ihren bekannten gesundheitszuträglichen Eigenschaften sich auch durch eine elegante Reinlichkeit auszeichnen. Die Lüftung der Betten ist eine löbliche Gewohnheit, die bei jenen, die stark schwitzen, sich zu einer ernsten Pflicht gestaltet. Diese diätetische, höchst anempfehlenwerte Vorschrift befolgen Gebildete ohnedies.
§. 158.
Die Lage im Bette ist keine gleichgültige Sache. Der Schlaf wird am meisten seinem Zwecke entsprechen, wenn der Ruhende die Rückenlage mit etwas erhobenem Kopfe einnimmt, der übrige Körper aber eine horizontale Stellung behauptet.
§. 159.
Die Bettstelle muß die gehörige Länge haben, damit der Schlafende alle Teile seines Körpers in möglichster Freiheit ausstrecken, und jede zufällige Lage, die er während des Schlafes oft unbewusst verändert, ohne sich zu beschädigen, einnehmen könne.
§. 160.
Das Schlafzimmer sei hoch, trocken, luftig, geräumig, nicht zu heiß, mäßig kühl und ferne von einer unruhigen Straße, wo man durch Fahren und Schreien, oder durch die Arbeiten der Handwerker allzu früh aus seinem Schlafe gestört wird. Die Reichen haben oft eigene Launen, ihr Schlafgemach zu einem kleinen Lustgärtchen zu verwandeln. Diese Gewohnheit hat manchem Verehrer oder mancher Liebhaberin von Blumen das Leben gekostet. Folgende glaubwürdige Fakta mögen meine geehrten Leser von der bedauernswerten Wahrheit dieser traurigen Erfahrung belehren.
§. 161.
Cremon erwähnt eines Bischofs von Breslau, der von den Ausdünstungen der Rosen erstickt wurde. Triller berichtet, daß ein junges Mädchen an einer Erstickung von Violenduft starb, und daß eine Gräfin von Salm durch einen gleichen Zufall ihr Leben verlor.
§. 162.
Im Jahre 1764 erwachte eine junge Dame, die mit ihrem Mädchen in einem mit Blumen angefüllten Zimmer schlief, mit einer schrecklichen Angst, und hatte kaum noch so viel Kraft, ihre Gesellschafterin zu rufen, die sich noch nicht so ermattet fand. Diese stand auf, öffnete das Fenster; aber beide konnten sich nicht eher erholen, als bis sie die Blumen aus dem Fenster geworfen hatten.
§. 163.
Eine junge Dame zu Toulouse, die ihr Gemach mit Blumen zu schmücken gewohnt war, wäre im Frühling 1780 bald ein Opfer ihres Lieblingsgeschmacks geworden. Ihre Schlafkammer war voll Hollunder; dieser hatte die Luft so sehr angesteckt, daß sie kaum noch Kraft gewinnen konnte, zu klingeln; so betäubt fand sie sich, bis ihre Kammerfrau, die zu ihrer Hilfe herbeigeeilt war, die Fenster geöffnet und die Blumen hinaus geworfen hatte.
§. 164.
Forster erwähnt eines Mannes, der auf das Land reiste, unter Weges den Wagen halten und sich von seinem Bedienten eine Menge von einem stark riechenden Geißblatte aus den Hecken pflücken ließ. Er ward bei seiner Ankunft auf seinen Befehl im Schlafzimmer ins Wasser gesetzt. In der Nacht erwachte der Mann, und war fast im Ersticken, konnte kaum sprechen, und hatte Mund und Nase vom Geschmacke und Geruch des Geißblattes voll. Er würgte sich und rief einige Male: Kaprifolium! Seine Frau öffnete Tür und Fenster, und warf die Blumen auf die Straße. Die frische Luft gab dem Manne Linderung; allein er fühlte eine Mattigkeit und eine Art von Lähmung der Zunge, die zwei Tage lang anhielt, ehe er völlig genesen war.
§. 165.
Zwei junge Leute schliefen in einem dichten, nicht gar zu großen Zimmer, worin ein Pomeranzenbaum stand. Mitten in der Nacht gingen zwei von den Blüten völlig auf. Die beiden Schlafenden erwachten unter einer heftigen Angst, wollten sich aber einander nicht stören, und hielten alles Mögliche aus, bis die Betäubung so überhand nahm, daß einer den andern wecken wollte, und nun riefen sie um Hilfe. Mit der geöffneten Tür, in deren Nähe das Bett stand, merkte der eine Linderung, springt taumelnd aus dem Bette, macht alle Türen auf, und fällt, bei dem nun bemerkten Geruche der Orangeblüte, auf die Ursache. Der Baum wird also, nachdem man die aufgegangenen Blüten bemerkt, aus dem Zimmer gebracht, frische Luft gegeben, und so vergingen in kurzer Zeit alle die Beängstigungen und der Schwindel.
§. 166.
Wer die hier gegebenen Winke benützt, wer die wohlmeinenden Rathschläge nicht gering achtet, der wird durch den Schlaf sich auffallend gestärkt fühlen; er wird, wenn er erwacht, mit freudigen Empfindungen die Welt, die ihm aufs neue ihre Reize bietet, begrüßen, in ihr die Pflichten seines Berufes menschenwürdig erfüllen, und wird den ewig wahren Ausspruch Hufeland's: „Der Schlaf ist eine der weisesten Veranstaltungen der Natur, den beständig reißenden Strom der Lebensfunktion zu bestimmten Zeiten aufzuhalten und zu mäßigen. Wir werden dadurch gleichsam von neuem geboren“ — in allen seinen Teilen bekräftiget fühlen.
Somne levis, quamquam certissima mortis imago,
Consortem cupis te tamen esse tori;
Alma quies optata veni, nam sic sine vita
Vivere, quam dulce est, sic sine morte mori.
§. 142.
Der Schlaf, zur Nachtzeit genossen, ist das erste Verjüngungs- und Verlängerungsmittel des kurzen, von mannigfaltigen äußeren und inneren, moralischen und physischen Feinden bedrohten Lebens. Wer den Schlaf nach Mitternacht genießen will, den flieht das süße, erquickende und wohltätige Gefühl, das die allweise Natur mit dem Schlafe vor Mitternacht verbindet.
§. 143.
Dann muß man hier zugleich einer scharfen Beobachtung unterziehen, daß Reiche, die spät schlafen gehen, den Abend entweder im Theater verleben, oder sie haben in den Salons bei Spiel und Tanz Zerstreuung und Erholung für die vielen leeren Stunden, die sie am Tage dahin lebten, sich zu verschaffen bemüht; oder sie haben bei fröhlichen Gelagen, wo sie viele und besonders reizende Speisen genossen, geistige Getränke zu sich genommen, den Abend und einen Teil der Nacht durchlebt.
§. 144.
Sie besteigen also schon mit Kopfschmerz, Schwindel, übler Laune, oft mit Überladung des Magens das Bett. Jetzt soll der Schlaf sie von diesen Qualen erlösen, er kann nicht anfangen zu wirken, die weichen Flaumenbetten vermehren die Hitze. Kein Wunder, daß sie spät einschlafen, und dann erst einen traumvollen Schlaf genießen, oder die halbe Nacht in Schlaflosigkeit dahin bringen.
Dabei muß man noch berücksichtigen, daß der Schlaf nur den von körperlichen Anstrengungen Müden mit seinem Balsam erquickt, daß also Vornehme und Gebildete, die gewöhnlich wenig ihre Muskeltätigkeiten anstrengen, sondern mehr ihre Phantasie beschäftigen, keinen gültigen Anspruch darauf haben; daher herrschen in dieser Klasse eine vorwaltende Empfindlichkeit, Magenschwäche, Magenkrämpfe, schlechte Verdauung, Blässe im Gesichte; daher die üblen Launen der Damen in der großen Welt, daher die Gicht und ihre Konsorten.
§. 145.
Die Natur ist gerecht; Ordnung, heilige Ordnung und Mäßigkeit sind ihre ersten und obersten Gesetze. Ungestraft verletzt kein Sterblicher diese. Wer sich täuscht, daß sein Körper eine bestimmte Zahl von Stunden braucht, um sich auszuruhen, daß nur eine angemessene Tätigkeit des Körpers und des Geistes einen ruhigen und erquickenden Schlaf verschafft; wer sich einredet, daß fünf Stunden am hellen Tage im Bette der Faulheit dahin gebracht, besser seien, als sieben in der Nacht geschlafen, — wer sich täuscht, um seinen Neigungen zu frönen, und des Abends, oder, um richtiger zu sprechen, um Mitternacht bei einer Tafel unersetzliche Stunden verlebt, oder im Spiele oder im Tanze verschwelgt, und dann ruhig schlafen will, der lernt bald einsehen, daß durch eine solche verkehrte Lebensweise die physische und moralische Existenz der Menschen ganz gewiß, anstatt bekräftiget und verjüngt zu werden, zu Grunde gehe, — daß der Mensch, der so lebt, anstatt die Glückseligkeit zu genießen, — täglich neu geboren zu werden, — an jedem Morgen um einige Jahre älter erwache, daß ein solcher Mensch, anstatt in ein helles und starkes, frisches und blühendes Leben, in ein schales und freudenloses Asyl zurückkehre.
„Heiliger Schlaf! in einer Minute gießest du mehr Lethe über die Gedächtnistafel der Menschen, als das Wachen eines ganzen Tages, und dann kühlest du die auftobend entbrannte Brust, und der Mensch steht auf, wieder der Morgensonne würdig.“ — Wo sollte der Mensch seinem Körper Erholung geben, seinem denkenden Geiste, seinem fühlenden Gemüt Stärkung und Ruhe gewähren können, hätte ihm die wohltätige Natur den Balsam des Schlafes vorenthalten! Es gäbe keine Freuden für uns.
Die Trauer und die Wehmut, die sich so oft durch trübe und ernste Verhältnisse unserer bemeistern, würden die Blumen unserer Gesundheit gar bald pflücken, wenn wir nicht in den weichen Armen des Schlafes Trost und Linderung fänden.
§. 146.
Aus den Erscheinungen, die sich am Menschen darstellen, der keinen gesundheitsgemäßen Schlaf genießt, und die in Mattigkeit, Abgeschlagenheit, Kälte des ganzen Körpers, Zittern einzelner Teile, in Mangel an Appetit, Magenkrampf, Verdrüsslichkeit, Kopfschmerz und in noch andern krankhaften Zufällen bestehen, ist die Notwendigkeit dieser täglichen Krise am einleuchtendsten.
§. 147.
Eine vollkommene Gesundheit und ein zuträglicher Schlaf sind so eng mit einander verkettet, daß sich die eine ohne den andern nicht denken läßt. Wer keinen erquickenden Schlaf genießt, befindet sich in einem Zustand, wo es zu befürchten ist, daß er bald von einer Krankheit überfallen wird. Betrachtet man die Erscheinungen, die, während der Mensch schläft, in der tierischen Maschine seines Körpers vor sich gehen, so sieht man bald ein, daß der Schlaf von großer physiologischer Bedeutung ist. Das vegetative Leben, das zeugende und schaffende, ist am tätigsten; daher das Atemholen, der Blutumlauf, die Verdauungsoperationen und die davon abhängige Ernährung in ihrem ungestörten Gange zum Gesamtwohle des Körpers fortgehen. Das Nervensystem, das durch das Tagesleben im Denken, Fühlen und Empfinden nur zu sehr in Anspruch genommen wird, ist im Schlafe in einen mehr passiven Zustand versetzt; denn die ersten und wichtigsten Bedürfnisse seiner Tätigkeiten, die Reize der Außenwelt, die moralischen und intellektuellen Motive sind ferne gehalten und ganz zurückgedrängt.
§. 148.
Der Mensch führt im Schlafe mehr ein Pflanzenleben. Allein wie beneidenswert ist sein Los in der Reihe der Naturwesen. Der Traum spinnt seine goldenen Zauberfäden um das schlaftrunkene Auge seiner Seele. Auf eine wunderbare Weise versetzt uns der Gott des Traumes auf die Zauberinseln der lachenden Kindheit, in die Zaubergärten der Jugend, auf die steilen Höhen des Mannesalters und in die anmutigen, friedeatmenden Täler des Greisenalters.
§.149.
Gebildete Menschen, deren Einbildungskraft während des Tages sehr tätig ist, werden am meisten von Träumen beglückt. Jeder trauervolle Schlaf verkürzt die Erholung und Stärkung. Reiche und Gebildete, die ohnedies alle Merkmale einer gesteigerten Empfindlichkeit und krankhaften Reizbarkeit aufweisen können, bedürfen aber nicht nur eines mäßig langen, erquickenden und stärkenden, sondern auch eines traumlosen Schlafes. Sonst wird auch im Schlafe ihr Nervensystem, das durch diese hochwichtige Operation ausruhen sollte, gereizt und geschwächt. Die Sinnesorgane müssen, in ihren Kräften erschöpft, in eine Art von Stumpfheit versinken, und Körper und Geist finden keine Momente, wo sie ihre verloren gegangenen Kräfte wieder sammeln können. Für Reiche ist also der Schlaf ein doppeltes Bedürfnis; und würden sie dieses unerreichbare Verlängerungsmittel des Lebens seiner ganzen Würde und seinem ganzen Werte nach zu schätzen wissen, so würde gewiß auch unter ihnen die Zahl der Nervenleiden sich täglich vermindern, anstatt vermehren.
§. 150.
In Bezug auf die Dauer des Schlafes, dürfte einem vollkommen Gesunden ein sechsstündiger genügen; allein Menschen, die ein sehr bewegliches Nervensystem haben, die sehr reizbar sind, die mehr mit dem Geiste und weniger mit dem Körper arbeiten, dürfte auch ein sieben- oder achtstündiger Schlaf wohlbekommen. Doch finde ich gleich hier die wichtige Bemerkung beizufügen, daß der Glaube der Reichen, daß der Schlaf, den man um ein Uhr nach Mitternacht oder noch später beginnt, und der bis zehn oder elf Uhr am nächsten Tage dauert, denselben Nutzen für ihre Gesundheit gewähre, ein Aberglaube ist, ein eitler Wahn, der wohl schon mehr als ein teures Leben verkürzt hat.
§. 151.
Man glaube ja nicht, daß das eine gleichgültige Sache sei; der Schlaf vor Mitternacht ist der erquickendste, ihn ersetzt kein anderer. Die gütige Natur hat diese Zeit zur Erholung und Stärkung durch die Operation des Schlafes für die Menschen bestimmt. Ihre Gesetze sind unwandelbar, ihre Werke gehen im ewigen Gange einer weisen Ordnung vor sich, und töricht und verwegen greift der Mensch in das heilige Getriebe ein, dessen Zauberkräfte er nur zu ahnen, aber nie zu begreifen fähig sein wird. Es ist erklärbar, warum nervenschwache Menschen, die während des ganzen Tages träge und mürrisch waren, erst am Abend oder um Mitternacht so zu sagen aufzuleben beginnen. Der Abend ist das dritte Viertel des ganzen Tages. Allmählich beginnt die Sonne uns ein ernstes Lebewohl zu sagen, ihre Strahlen erblassen immer mehr und mehr, endlich ist sie unseren Augen unsichtbar geworden, und beglückt die Bewohner der andern Erdhälfte. Nun ist die Luft feuchter, kälter und unangenehmer; sie hat ihre belebenden Kräfte auf uns verloren, und diese Eigenschaften äußert die Atmosphäre umso auffallender, je mehr wir uns der Mitternacht nähern. Die Atmosphäre wird immer kälter, rauer und unangenehmer, weil die Sonne sie nicht erwärmt. Auch aus den andern Naturwesen saugt sie keine belebenden Stoffe ein, denn die Pflanzen hauchen während der Nacht Wasserstoffgas und Stickgas aus. Beide Luftarten sind aber dem menschlichen und tierischen Leben feindlich; beide sind zum Atmen untauglich. Anstatt mit reicher Fülle von Lebensluft versehen zu sein, entwickelt die Atmosphäre schädliche Dünste, die während des Tages dem Luftstrome beigemengt waren, nun aber ihre ätzenden Tropfen auf die Pflanzen niederfallen lassen; daher schlummern auch die Insekten ein, gleichsam in eine Art von Betäubung versunken, die die feuchte Nachtluft erzeugte. Die Erscheinungen, unter denen der Schlaf seine Rechte allmählich geltend zu machen behauptet, stellen sich unter der Form eines Fiebers ein. „Dieser aufgeregte Zustand, meint der berühmte Klose, sei die Ursache, warum empfindsame und reizbare Menschen sich munter und gesund fühlen, und vorzüglich geneigt sind zu geistigen Tätigkeiten. Aber in eben dieser unzeitigen Tätigkeit liegt auch schon der Beweis ihrer Kränklichkeit. Sie hindert gewöhnlich solche Individuen, sich frühe zur Ruhe zu begeben, und so finden wir sie denn noch am Schreibpulte oder Spieltische, oder auf der Reise in dem Zeitpunkte, wo jener gereizte Zustand gerade den höchsten Grad erreicht hat, und wo also dem Körper und Geiste die Ruhe am nötigsten wäre. Da dieser Zeitpunkt nun kein anderer ist, als die Mitternacht: so folgt daraus ganz einfach, daß die Zeit des Eintrittes jenes fieberartigen Zustandes uns am sichersten die Stunde bedeutet, in der wir uns der Ruhe überlassen sollten.“
§ 152.
Ich glaube also, daß meine Leser von der wichtigen Überzeugung durchdrungen sind, wie notwendig der Schlaf vor Mitternacht allen Menschenklassen, ganz vorzüglich aber den kultivierten sei, die die meisten empfindsamen und reizbaren Individuen aufzuweisen haben.
§. 153.
Die Abendmahlzeit soll nie die Gestalt einer Tafel haben, und stets in Gesellschaft der Mäßigkeit statt finden. Schmausereien und Nachtgelage verkürzen das Leben umso gewisser, je öfter man sie feiert, und je schwächer die Leibesbeschaffenheit ihrer Verehrer ist.
§. 154.
Die Abendmahlzeit geht dem Schlafe voran; soll dieser Erquickung und Stärkung gewähren, soll er traumlos sein und sich zu einem unschätzbaren Verjüngungsmittel unserer physischen und geistigen Kräfte gestalten: so darf man
a) Nicht gleich nach dem Abendmahl in das Bett sich begeben, sondern vorher Bewegung auf seinem Zimmer machen.
b) Die Abendmahlzeit soll nicht in dem Genusse fettet Fleischspeisen oder Hülsengerichte bestehen.
c) Suppe, Braten von jungem Kalbfleische oder jungen Hühnern, ein Stückchen weich gesottener Fisch, Weißbrot, Kirschen, Erdbeeren, je nachdem die Jahreszeit eine Obstart spendet, wären jene zuträglichen Gerichte, die sich nach Umständen zum Abendmahle eignen würden.
d) Das einfache Getränk, aus Wasser bestehend, würde ich allen Jenen anraten, die vollblütig sind und an Verschleimungen leiden, oder die durch den übermäßigen Genuß geistiger Getränke über eine peinigende Schlaflosigkeit Klage führen. Wer Wein zu trinken gewohnt ist, und Maß und Ziel zu halten weiß, der ändere seine Lebensweise nicht. Geistige Getränke aber, wie Punsch, Liköre usw., erzeugen bei Ungewohnten ängstliche Träume, Alpdrücken, Schlaflosigkeit und Gefahr des Schlagflusses usw.; bei jenen aber, die im Genusse geistiger Getränke geübter sind, Blutwallungen gegen den Kopf, und verzögern das Einschlafen selbst; schlafen sie endlich ein, so währt dieser Schlaf nicht lange, und sie löschen gewöhnlich die freiwillig angefachten Gluten durch eine bedeutende Menge kalten Wassers, das sie zu sich nehmen, oder dadurch, daß sie sich unvorsichtig einer kalten Temperatur aussetzen, um die tausend ängstlichen Qualen zu verscheuchen. Endlich sinken sie ermattet wieder auf das verlassene Lager, und sind genötigt, entweder durch Spätaufstehen die versäumten Stunden des Schlafes einzuholen, oder zum Nachteile ihrer Gesundheit am frühen Morgen verdrießlich, mürrisch und körperschwach an ihre Berufsgeschäfte zu eilen.
§. 155.
Personen, die an Verdauungsbeschwerden ohnedies leiden, müssen mit Berücksichtigung ihrer schwachen Seite, die jedem Sterblichen zu Teil wurde, des Abends sehr wenig genießen, und selbst nach dem Genusse eines kargen Abendmahles 2—3 Stunden Bewegung auf ihrem Zimmer machen; versäumen sie diese diätetische Maßregel, so können sie wenig Hoffnung von dem Gebrauche der Arzneimittel hegen, die sie gegen ihre Leiden in Gebrauch ziehen. — Die Römer und Griechen hielten abends die Hauptmahlzeit; sie begann nach unserer Stundenrechnung um 6 Uhr. Mittags aßen sie sehr wenig, und mehr Speise nahmen sie zum Frühstück ein. Auf eine ähnliche Weise frühstücken, mittagmahlen und essen zur Nachtzeit die Reichen. In mittlern Ständen gestatten die Berufsgeschäfte diese Lebensweise nicht.
§. 156.
Reiche pflegen auch in der Nachtkleidung Mode und Etiquette zu bewahren, die nun hier am unrechten Orte ist. Man entferne alle Binden, alle fest zusammenschnürenden Nachtjäckchen, Schlafhauben, wenn man daran nicht gewöhnt war, sondern bediene sich nur derselben, wenn man sie leicht umhüllend und gewissermaßen nachlässig am Körper lassen kann. Im Bette sei Niemand, wenn er es auch sonst zu seinem Wohlbehagen für gut findet, ein Sklave seiner Kleider. Wenn man aber auch keiner übermäßigen Erwärmung, sowohl durch unzweckmäßige Nachtkleidung als auch durch Flaumenbetten huldigen soll, so muß man doch darauf bedacht sein, daß man im Schlafe einem wohltätigen Schweiße ausgesetzt ist, der durch keine Verkühlung oder gar Erkältung gestört weiden darf. Aus dieser Quelle mag vielleicht die Empfindlichkeit der Haut, ihre Neigung zu Rheumatismen und andern Hautübeln, von denen Gebildete so häufig geplagt werden, am leichtesten entstehen.
§. 157.
Die Betten und das Bettzeug müssen fleißig gewechselt werden, und nebst ihren bekannten gesundheitszuträglichen Eigenschaften sich auch durch eine elegante Reinlichkeit auszeichnen. Die Lüftung der Betten ist eine löbliche Gewohnheit, die bei jenen, die stark schwitzen, sich zu einer ernsten Pflicht gestaltet. Diese diätetische, höchst anempfehlenwerte Vorschrift befolgen Gebildete ohnedies.
§. 158.
Die Lage im Bette ist keine gleichgültige Sache. Der Schlaf wird am meisten seinem Zwecke entsprechen, wenn der Ruhende die Rückenlage mit etwas erhobenem Kopfe einnimmt, der übrige Körper aber eine horizontale Stellung behauptet.
§. 159.
Die Bettstelle muß die gehörige Länge haben, damit der Schlafende alle Teile seines Körpers in möglichster Freiheit ausstrecken, und jede zufällige Lage, die er während des Schlafes oft unbewusst verändert, ohne sich zu beschädigen, einnehmen könne.
§. 160.
Das Schlafzimmer sei hoch, trocken, luftig, geräumig, nicht zu heiß, mäßig kühl und ferne von einer unruhigen Straße, wo man durch Fahren und Schreien, oder durch die Arbeiten der Handwerker allzu früh aus seinem Schlafe gestört wird. Die Reichen haben oft eigene Launen, ihr Schlafgemach zu einem kleinen Lustgärtchen zu verwandeln. Diese Gewohnheit hat manchem Verehrer oder mancher Liebhaberin von Blumen das Leben gekostet. Folgende glaubwürdige Fakta mögen meine geehrten Leser von der bedauernswerten Wahrheit dieser traurigen Erfahrung belehren.
§. 161.
Cremon erwähnt eines Bischofs von Breslau, der von den Ausdünstungen der Rosen erstickt wurde. Triller berichtet, daß ein junges Mädchen an einer Erstickung von Violenduft starb, und daß eine Gräfin von Salm durch einen gleichen Zufall ihr Leben verlor.
§. 162.
Im Jahre 1764 erwachte eine junge Dame, die mit ihrem Mädchen in einem mit Blumen angefüllten Zimmer schlief, mit einer schrecklichen Angst, und hatte kaum noch so viel Kraft, ihre Gesellschafterin zu rufen, die sich noch nicht so ermattet fand. Diese stand auf, öffnete das Fenster; aber beide konnten sich nicht eher erholen, als bis sie die Blumen aus dem Fenster geworfen hatten.
§. 163.
Eine junge Dame zu Toulouse, die ihr Gemach mit Blumen zu schmücken gewohnt war, wäre im Frühling 1780 bald ein Opfer ihres Lieblingsgeschmacks geworden. Ihre Schlafkammer war voll Hollunder; dieser hatte die Luft so sehr angesteckt, daß sie kaum noch Kraft gewinnen konnte, zu klingeln; so betäubt fand sie sich, bis ihre Kammerfrau, die zu ihrer Hilfe herbeigeeilt war, die Fenster geöffnet und die Blumen hinaus geworfen hatte.
§. 164.
Forster erwähnt eines Mannes, der auf das Land reiste, unter Weges den Wagen halten und sich von seinem Bedienten eine Menge von einem stark riechenden Geißblatte aus den Hecken pflücken ließ. Er ward bei seiner Ankunft auf seinen Befehl im Schlafzimmer ins Wasser gesetzt. In der Nacht erwachte der Mann, und war fast im Ersticken, konnte kaum sprechen, und hatte Mund und Nase vom Geschmacke und Geruch des Geißblattes voll. Er würgte sich und rief einige Male: Kaprifolium! Seine Frau öffnete Tür und Fenster, und warf die Blumen auf die Straße. Die frische Luft gab dem Manne Linderung; allein er fühlte eine Mattigkeit und eine Art von Lähmung der Zunge, die zwei Tage lang anhielt, ehe er völlig genesen war.
§. 165.
Zwei junge Leute schliefen in einem dichten, nicht gar zu großen Zimmer, worin ein Pomeranzenbaum stand. Mitten in der Nacht gingen zwei von den Blüten völlig auf. Die beiden Schlafenden erwachten unter einer heftigen Angst, wollten sich aber einander nicht stören, und hielten alles Mögliche aus, bis die Betäubung so überhand nahm, daß einer den andern wecken wollte, und nun riefen sie um Hilfe. Mit der geöffneten Tür, in deren Nähe das Bett stand, merkte der eine Linderung, springt taumelnd aus dem Bette, macht alle Türen auf, und fällt, bei dem nun bemerkten Geruche der Orangeblüte, auf die Ursache. Der Baum wird also, nachdem man die aufgegangenen Blüten bemerkt, aus dem Zimmer gebracht, frische Luft gegeben, und so vergingen in kurzer Zeit alle die Beängstigungen und der Schwindel.
§. 166.
Wer die hier gegebenen Winke benützt, wer die wohlmeinenden Rathschläge nicht gering achtet, der wird durch den Schlaf sich auffallend gestärkt fühlen; er wird, wenn er erwacht, mit freudigen Empfindungen die Welt, die ihm aufs neue ihre Reize bietet, begrüßen, in ihr die Pflichten seines Berufes menschenwürdig erfüllen, und wird den ewig wahren Ausspruch Hufeland's: „Der Schlaf ist eine der weisesten Veranstaltungen der Natur, den beständig reißenden Strom der Lebensfunktion zu bestimmten Zeiten aufzuhalten und zu mäßigen. Wir werden dadurch gleichsam von neuem geboren“ — in allen seinen Teilen bekräftiget fühlen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Krankheit der Reichen