Das Hautorgan und seine Pflege und allgemeine Baderegeln

3. Das Hautorgan und seine Pflege. — Über Bäder und ihren Gebrauch.— Allgemeine Beobachtungen über Frühlingskuren.

Der Wunsch ewiger Jugend ist der schönste, den ich kenne. Das Baden kann, wenn gleich nicht ewige, aber doch eine lange Jugend geben; denn es hält alle festen Teile weich und geschmeidig, und die Gelenke biegsam, und arbeitet jener schleichenden Krankheit, die wir Alter nennen, kräftig entgegen.


Hufeland.


§. 74.

Die Natur hat uns die Haut nicht nur als Kleid verliehen, um uns einen zusagenden Grad von Wärme zu erteilen, und als ein Schirm gegen tausend äußere Feinde dienen zu können; nein, sie verband mit diesem weisen Geschenke noch viele andere Zwecke.

§. 75.

Die Haut ist der Sitz des allgemeinen Gefühles; durch sie treten wir in unmittelbare Berührung mit der ganzen Natur, die uns umgibt; durch sie empfinden wir die Wirkungen der Luft und ihrer Veränderungen in Beziehung auf Temperatur und Feuchtigkeit.

Die Haut ist bestimmt, durch die Poren, vermittelst des Schweißes, alle für die tierische Ökonomie des Körpers unbrauchbar gewordenen Stoffe fortzuschaffen, und neue, kräftig belebende Teile aus der Luft zum Gedeihen des physischen Wohlseins unseres Körpers aufzunehmen. Dieser Vorgang ist aber so wichtig wie das Atmen, mit dem er am meisten Analogie hat; er ist eben so bedeutend wie die natürlichen Stuhlausleerungen, durch deren Hemmung nicht geringe Übel entstehen.

Aus diesen wenigen Andeutungen dürfte es leicht begreiflich werden, wie die Haut, wenn sie zu verstopft, schlaff, zu empfindlich oder reizbar ist, wenn sie untätig oder nicht gehörig gereinigt wird, die Quelle vieler Krankheiten werden kann.

§. 76.

Noch zu wenig herrscht der Glaube unter den Gebildeten, daß die Lebendigkeit und Tätigkeit der Haut für alle Verrichtungen des Körpers sehr wichtig sei; daß die gesunde Beschaffenheit der Haut einer Zauberquelle gleicht, aus der sich das ganze tierische Leben auf bewunderungswürdige Weise verjüngt. Wenn wir unsere Empfindungen betrachten, wenn wir uns nur am Morgen, mit kaltem oder kühlem Wasser reinigen, welche bedeutende Frische unsern ganzen Körper durchströmet, wie wohl sich unsere Seele fühlet, wie rein und heiter sie denkt und empfindet? — so dürfte, uns der wohltätige Einfluß, den die neubelebte Haut auf unsere Gesundheit äußert, einleuchten.

Betrachten wir ganze Nationen: wenn ihnen der Sinn für Reinlichkeit mangelt, stehen sie auch auf einer niedern Stufe der Geisteskultur, und auch ihr moralisches Seyn verdient keine Lobeserhebungen. — So wie in einer ganzen Nation, haben wir in einzelnen Menschen die sprechendsten Belege für diese Behauptung, auch ihnen fehlt der Sinn für das Große, Schöne und Erhabene der Weltschöpfung, wenn sie der Reinlichkeit nicht huldigen.

§. 77.

Durch zu warmes Verhalten wird die Haut am ersten verweichlicht, entkräftet und sehr geneigt zu Schweißen; daher solche Individuen dann eine große Empfindlichkeit für alle Veränderungen der Atmosphäre besitzen, ewig von Katarrhen, Rheumatismen, Gicht, Durchfällen, und wie alle die modernen Übel heißen, gefoltert werden; während die Menschen aus dem Mittelstande, wenn sie sich nicht einer sehr bedeutenden Schädlichkeit preis geben (z. B. mit vom Schweiß durchnässtem Körper aus einem heißen Zimmer sich an die kalte Luft begeben, wie gewisse Klassen von Arbeitern zu tun pflegen), äußerst selten von Katarrhen und Rheumatismen gequält werden. Ihre Haut ist in einer immerwährenden Tätigkeit begriffen, sie besitzt Kraft und Energie, um den wechselnden atmosphärischen Einflüssen entgegen zu wirken. Nervenschwäche und Hypochondrie, Gichtleiden und Indigestionsbeschwerden, die so häufig Gebildete im Genusse ihres sonst so beneidenswerten Lebens stören und beeinträchtigen, sie selbst aber vor der Zeit von dem Besitze ihrer Glücksgüter entfernen, oder jugendlichen Mut, körperliche Energie und den unschätzbaren Frohsinn rauben, und ihnen so des Lebens Freuden nächtlich überschütten, finden nicht einzig und allein in einer regelwidrigen Diät, im Missbrauche geistiger Getränke, in vernachlässigter Bewegung ihre Entstehungsmomente, sondern vielleicht in der allzu geringen Sorgfalt, die man auf das Wohlsein der Haut verwendet, das nicht durch feine und moderne Kleider erreicht wird. — Unter den Bedürfnissen der Menschen nimmt also mit vollem Rechte und tiefer Bedeutung die Haut und ihre Pflege, die Reiche durch den Gebrauch von Bädern so leicht bewerkstelligen können, einen oberen Rang ein.

§. 78.

Die Haut ist eine Hauptquelle der Modekrankheiten. Um sie zu stärken, bedarf es keiner außerordentlichen Mittel. Tägliches Waschen mit mäßig kaltem oder lauem Wasser, je nachdem man von früheren Jahren daran gewöhnt ist, fleißiges Wechseln der Wäsche und Kleidungsstücke, so wie erquickende Reinlichkeit der Betten, lauter Umstände, wovon Gebildete große Verehrer sind: das sind die einfachen, aber sicher wirkenden Mittel zur Erreichung einer gesunden, schönen, starken und nichts weniger als empfindlichen Haut. Nicht bloß einzelne Teile des Körpers, sondern alle müssen, täglich, wenn keine Anlage zu Krankheiten oder Kränklichkeit dagegen streitet, mit reinem Wasser, dem einfachsten und kräftig stärkenden, natürlichen Mittel, gereinigt werden. Gebildete gehen in diesem Punkte etwas weiter. Ihnen genügt nicht das klare Wasser allein, besonders das andere Geschlecht verbindet gern mit dem Reinigungsmittel ein Arkanum für Jugend und Schönheit.

§. 79.

Schönheit der Haut ist der Inbegriff von Zartheit, Weichheit und Reinlichkeit derselben; und diese Eigenschaften sind Reflex der allgemeinen Gesundheit, die sich vorzüglich im Gesichte abspiegelt. Diejenigen also, die das Gesicht mit fremden Farben schön machen wollen, betrachten die Haut, als eine Larve, und sie selbst stellen die Gesundheit als Maske dar.

§. 80.

Eine feine und blendende Haut, die die Rosen der Jugend und Schönheit, der Gesundheit und Heiterkeit schmücken, ist ein freundliches Geschenk der Natur, die man auch auf eine natürliche Weise pflegen und bewahren, und ja nicht durch sogenannte Schönheitsmittel aus Ängstlichkeit und Eitelkeit zu beschirmen trachten soll. Alle Schönheitsmittel, besonders die Hautschminken, bestehen aus Metallen, entweder aus Zink, Wissmut, Quecksilber, Bleiweiß, Kobalt, Zinnober, Mennige, oder die nicht aus diesen Stoffen bestehen, werden aus Perlen, Talksteinen, Karmin, Cochenille usw. verfertigt.

§. 81.

Nun leuchtet es jedem Unparteilichen von selbst ein, daß man diese fremdartigen Stoffe nicht ohne einen entschieden nachtheiligen Einfluß auf die Teile, mit denen sie zunächst in innige Berührung kommen, und auf den ganzen Organismus, wie die Erfahrung durch Krankheiten, aus dieser Quelle entsprungen, lehrt, in Gebrauch ziehen könne.— Betrachten wir die Wirkung der Schminkmittel im Allgemeinen. Sie reizen die Haut, berauben sie nach und nach der Kräfte zu ihren wichtigen Funktionen, die Haut verliert die Energie zum Transpirationsakte, sie schrumpft zusammen, und statt in Jugend und Schönheit, kleidet sich das Gesicht in Runzeln und Falten, die Mahner des Alters. Die Haut wird aber nicht nur runzlich und faltig, sondern das Austragen und Einreiben der Schminke verwandelt ihre ebene Fläche in eine raue und unebene; sie wird, wenn sie früher weich und leicht war, hart und etwas schwielig, und wenn die Farbe des Schönheitsmittels erbleicht, so sieht das Gesicht gelblich oder weißlichgrau aus, und erzeugt alle Spuren eines frühen Verwelkens.

§. 82.

Mit diesen äußeren sichtbaren Erscheinungen, die nichts weniger als das Bild der Gesundheit beurkunden, gehen im Innern des Organismus in das Wohlsein der tierischen Maschine tief eingreifende Veränderungen vor sich. Die einsaugenden Gefäße füllen sich gierig mit diesen fremdartigen Stoffen, und es entstehen Krankheiten, deren Zahl nicht gering ist, und die in ihren Folgen für das Leben oft sehr gefährlich werden. Aus dem Gebrauche der Schminkmittel sah man Augenleiden, Ohrenkrankheiten, Hemikräne Ausfallen der Kopfhaare, Zittern, Schwindel, Nervenschwäche, Krämpfe, ferner Brustkrankheiten, als: Husten, Engbrüstigkeit, Blutspeien, Zahnreißen und Ausfallen der Zähne entstehen.

§. 83.

So straft die Natur jene, die ihre Gesetze eigensinnig, von Leidenschaften geblendet, übertreten. Die Natur, die liebevoll anfangs durch kleine Übelstände mütterlich warnt, aber, wenn ihre Ermahnungen spur- und klanglos verhallen, mit der sichern Strafe nicht zurückhält. Möchten sich also die Schönen, um es zu bleiben, im Falle der Gesundheit des einfachen Schminkmittels der Natur bedienen, das sie ihnen im klaren, hell spiegelnden Wasser reicht. Nur gebrauche man die Vorsicht, am Morgen zuerst sein Gesicht mit einem weichen Handtuche abzutrocknen, dann reinige man sich! Gesicht, Haare, Zähne, Nacken, Hals, Brust und Hände mit frischem, reinem Wasser. Sie werden auf eine höchst einfache Weise als Freundinnen der edlen Reinlichkeit die genannten Teile schön, gesund und stark erhalten; denn Reinlichkeit ist die beglückende Tugend, zu der uns Alle ein geheimer Instinkt zieht, die so nahe mit Wahrheit und Reinheit des Charakters verbunden ist, und ihren Verehrern das unverkennbare Gepräge der Anmut und Liebenswürdigkeit aufdrückt. — Sie ist es, die ich mich freue hier auch als ein vorzügliches Beförderungsmittel körperlicher Schönheit empfehlen zu können. Vielleicht wird sie dadurch Vielen reizender, als sie es bis jetzt schien.

Über Bäder und ihren Gebrauch.

§. 84.

Im grauen Altertume müssen wir den Ursprung der Bäder suchen; Homer preist das Baden als ein übliches und höchst notwendiges Lebensbedürfnis, das man wie Schlaf, Nahrung und Kleidung in Ehren hielt. Kam ein Fremdling an, so bereitete man ihm zur Reinigung seines Körpers vor allen Dingen ein Bad.

§. 85.

Die Griechen hatten in ihren Gebäuden, wo die Jugend unterrichtet wurde, eigene Badezimmer. Nach den Spielen und Kampfübungen begaben sich die Jünglinge ins Bad. Die Römer, wie in andern, so auch in diesem hoch, wichtigen Gegenstande eifrigst besorgt für das menschliche Wohlsein, errichteten öffentliche und Privatanstalten, um so das Baden recht allgemein zu machen. Von ihrer zweckmäßigen Einrichtung mag folgende Beschreibung meine geehrten Leser belehren.

§. 86.

„Das Badehaus hatte bei den Römern und Griechen eine längliche Form, und bestand aus zwei Hauptabteilungen, deren eine für Frauen, die andere für Männer eingerichtet war. In jeder Abteilung war die Vorrichtung eingeleitet, daß man warm oder kalt baden konnte. Die Zimmer für warme Bäder waren in wechselseitiger Verbindung, um sie gemeinschaftlich zu heizen. Das Wasser zum Baden wurde geheizt durch das Heizzimmer, welches sich im Kellergeschoss befand. Oberhalb dieses Heizzimmers war ein eigenes Gemach, wo drei kupferne Kessel über einander gemauert waren, die in einem solchen Verhältnisse zum Feuer sich befanden, daß der unterste das kochende, der zweite laues und der dritte kaltes Wasser enthielt. Mit diesen Kesseln waren Röhren in Verbindung gebracht, die das Wasser in das Badezimmer leiteten. Die Bodenstuben waren mit gemauerten Becken versehen; in diesen befanden sich Sessel; das Becken selbst hatte eine Galerie, da verweilte der Badende, ehe er in das Bad selbst stieg. Besondere Gemächer fanden sich vor zum Auskleiden und zum Salben nach dem Bad. In allen diesen Zimmern zeigte sich Bequemlichkeit im Bunde mit Annehmlichkeit, Zweckmäßigkeit gepaart mit Eleganz.“

§. 87.

Die Römer arteten bei den Einrichtungen ihrer Badeanstalten in einen unbeschreiblichen Luxus aus. So sah man in den Privatbädern der Reichen silberne Wannen für die Damen. Wenn man in ein Badezimmer kam, dufteten einem alle Wohlgerüche Indiens entgegen, und der Fußboden, den man betrat, funkelte von schimmernden Edelsteinen.

§. 88.

Die Reichen unter den Römern, die durch ein schwelgendes und höchst üppiges Leben ihre Körper- und Geisteskräfte verschwendeten, suchten durch den häufigen Gebrauch der Bäder ihrer schwankenden Gesundheit in etwas zu Hilfe zu kommen. Und wirklich gibt es kein größeres Mittel für Nervenschwache und Jene überhaupt, deren Gesundheit vielen Gefahren preisgegeben ist, als den fleißigen Gebrauch der Bäder unter zusagenden Umstanden, die ich in der Folge weitläufiger erörtern werde.

§. 89.

Der fleißige Gebrauch der Bäder, besonders im Frühling und Sommer, ist in Verbindung mit dem zweckmäßigen Landaufenthalt ein großes und sicheres Verlängerungsmittel des kurzen menschlichen Lebens.

§. 90.

Wenn man die vielen Feinde betrachtet, die von außen und innen das Leben der gebildeten Stände, besonders in den Wintertagen, verkürzen, so dürften sich diejenigen unter ihnen, die kränklich sind, die eine bedeutende Krankheit überstanden haben, oder die nicht ohne Grund besorgt sind, es möchte ein Übel sie überfallen, mit Zustimmung eines Arztes einer Frühlingskur unterziehen, sie bestehe nun im Genusse der Landluft, oder im Trinken irgend eines Mineralwassers, oder in diesen beiden und im Gebrauche von Bädern.

§. 91.

In diesem Betracht besitzen die Reichen die Mittel, sich den Landaufenthalt, der zur Frühlingskur unumgänglich notwendig ist, so angenehm wie möglich zu machen; aber auch hier beherrscht die Mode die Gesetze der Gesundheit, und man dürfte mehr Tanzsäle auf den Landgütern der Reichen finden, als entsprechende Badegemächer.

§. 92.

Kaum beginnt der Frühling mit seinem Rosenszepter die Erde zu regieren, da stellen sich bei den reichen Stadtbewohnern alle üblen Folgen der verlebten Wintertage ein. Und das ist ganz natürlich, bedenkt man bloß, daß die gebildeten Stände fast immerwährend sitzen am Spiel- und am Speisetische, im Wagen und in den Logen. Die einzige Art von Bewegung, der sie häufiger huldigen, ist der Tanz; da treten nun auch Umstände ein, die seine allzu großen Verehrer zu bedenklichen und gefährlichen Lungenleiden vorbereiten.

§. 93.

Diejenigen unter den Gebildeten, die an Jahren vorgerückt sind, machen gar keine zuträgliche, der Gesundheit förderliche Bewegung, und diese leiden dann bald an Milzschmerz, Gicht, krankhafter Fettleibigkeit, Leber- und Goldaderbeschwerden usw. Diese sind die vorzüglichsten Kandidaten für Frühlingskuren, die warten mit Sehnsucht, daß die Zeit heranrücke, wo sie aus dem Glase oder Bade neues Leben, neue Kräfte, Jugend, Schönheit und weiß der Himmel, was sie noch alles begehren, schöpfen können.

Diese Frühlingskuren waren schon im Altertum bekannt; sie waren zu der Zeit, da man die Quelle hartnäckiger Krankheiten in einer krankhaften Schärfe und Verdorbenheit der Säfte suchte und zu finden glaubte, in großem Schwunge, und erhielten aus jener Periode den Namen blutreinigende Kuren.

§. 94.

Die Frühlingskuren bestehen aus mehreren diätetischen und arzneilichen Mitteln, durch deren Vereinigung die Gesundheit wieder hergestellt und für ihre Erhaltung zweckmäßige Sorge getragen wird. Diese Kuren sind also zusammengesetzt. Die vorzüglichsten Momente, die ihre glücklichen Folgen, die sie bezwecken, herbeiführen, sind:

a) die günstige Jahreszeit;
b) der Aufenthalt und die Bewegung auf dem Lande;
c) der Gebrauch des Bades oder einer Mineralquelle;
d) die geregelte Diät und vernünftige Lebensweise;
e) ein mit diesen Momenten harmonierender Zustand des Gemütes.

§. 95.

Diese genannten Umstände in ihrer zweckmäßigsten Verbindung und unter der Leitung eines erfahrenen Arztes vermögen viel zu leisten, was man durch eine Reihe der auserlesensten, oft Jahre lang angewandten Heilmittel vergebens versuchte und hoffte.

§. 96.

Von den genannten Umstanden, die das Ganze der Frühlingskuren ausmachen, werde ich die Jahreszeit, wann man eine Frühlingskur unternehmen soll, und den Einfluß der freien reinen Landluft auf die Gesundheit genauer betrachten.

Was die vernünftige Lebensweise und den Frieden des Gemütes anbelangt, die als zwei wesentliche Punkte anzusehen sind, ist ihr Einfluß ohnedies jedem Gebildeten genügend bekannt und einleuchtend.

Von der günstigsten Jahreszeit für Frühlingskuren.

§. 97.

Die zweckmäßigsten Monate des Jahres, eine Frühlingskur auf Anraten und im Einverständnisse eines Arztes zu unternehmen, sind der Mai, Juni und Juli.

§. 98.

Am zahlreichsten sind Bäder und Gesundbrunnen besucht im Juli und August. Wer also in Bäder reist, um sich durch ein heiteres geselliges Treiben und durch glänzende Gesellschaften manche traurige Erinnerungen mit dem Pinsel der Freude zu übertünchen, oder um sich bloß zu unterhalten, der dürfte in dieser Zeit, die als die Glanzperiode der Bäder und Gesundheitsbrunnen zu bezeichnen ist, seine Wünsche in Erfüllung gehen sehen.

Kränklichen Menschen aber, die ein stilles, geräuschloses Seyn verehren, die Promptheit in der Bedienung, freie Wahl der Zimmer wünschen, die sie bewohnen werden, wären die oben bezeichneten Monate Mai, Juni und Juli anzuempfehlen.

§. 99.

In diesen Wonnemonaten atmet die ganze Natur ein neues, erquickendes und heiteres Leben, das alle Wesen ihrer großen Reiche verjüngt und mit frischen Kräften stärkt. Sie selbst, die Hohe, deren Pulse durch die Gewalt des Eises zu stocken schienen, hat das Sterbegewand abgelegt und feiert im schmuckvollen Brautkleide das Wiegenfest der Freude, die die Erde neu beglückt. Kräuter, Blumen und Bäume atmen heilsame Düfte und übergeben ihren Balsam den heiteren Frühlingslüften, damit sie ihn durch das weite All der Schöpfung tragen.

„Und die Natur in ihrer schönen
Begeisterung weckt des Haines Chor;
Und das Entzücken fliegt in Tönen
Vom Nachtigallgebüsch empor.
Der Lenz belebt die Felsenmauer
Zur schönen blühenden Gestalt,
Und haucht geheimnisvolle Schauer
Von Götterahnung in den Wald.
Wie trunken taumeln Laub und Halme,
Durch die ein geistig Säuseln fuhr;
Und voller rauschet schon die Palme
Die großen Hymnen der Natur.“


Tiedge.

Und die Quelle dieser zauberhaften Metamorphose ist die majestätische Sonne, die ihre goldenen Strahlen wieder in senkrechter Richtung auf die Erde und ihre Bewohner fallen läßt; Blumen, Tiere und Menschen richten sich, von den Wohltaten dieser großen Meisterin durchglüht, in freudigen Regungen empor. Wir fühlen erst, daß unsere Gesundheit, Jugend, Schönheit und Heiterkeit von dem allbelebenden Einflusse des Sonnenlichtes abhängt.

§. 100.

Wenn wir das Sonnenlicht entbehren müßten, wenn Finsternis auf dem ganzen Erdboden herrschte, da würden bald die lebenden Geschöpfe trauern, und die ganze Natur in eine unwirtbare Einöde verwandelt werden. Beobachten wir nicht selbst an den Pflanzen, die zur Nachtzeit ihre Blätter zusammenhalten und ihre Blüten zurückdrängen, welchen Zustand der große Linnée den Schlaf nennt, daß sie in eben denselben Zustand geraten, wenn man sie auch zu einer anderen Zeit in einem finsteren Gemache verschließt, und zeigt dieß nicht hinlänglich, welchen Einfluß das Sonnenlicht auf das Leben derselben haben müsse.

§. 101.

Der Mensch begrüßt den Mai als das Bild seiner Jugend mit freudigen Gefühlen. Er erblickt alles außer sich im rosigen Lichte, und der Reflex heiterer Anschauungen wird die Quelle wonniger Empfindungen. Sein Geist, beseelt von neuen schöpferischen Kräften, erhebt sich auf den Fittigen der Begeisterung, und sein Busen schwillt von Empfindungen innigen Dankes und tiefer Verehrung für die unsichtbare Hand, die diese sichtbaren Prachtwerke um ihn zaubert; diesem seelenvollen, heitern und beseligenden Gemütszustande entspricht eine ähnliche Beschaffenheit seines Körpers, die der Ausdruck einer beneidenswerten Gesundheit ist. Freilich bei Vielen nur ein flüchtiger Moment, den nur allzu schnell das Grab der Zeit verschlingt.

§. 102.

Diese Erscheinungen in den psychischen und organischen Zuständen des Menschen verdanken ihren Ursprung der wiederkehrenden, wohltuenden Wärme und dem heitern, länger bei uns verweilenden Sonnenlichte, die beide ihre sichtbaren Einflüsse auf das Nervensystem, und durch dessen Allgemeinheit auf alle übrigen Systeme und Organenreihen der tierischen Maschine äußern. Daher befinden sich Nervenschwache, Hypochondristen und Hysterische, Gichtkranke und Lungenleidende in der zweiten Hälfte des Sommers, wo die heitere Witterung beständiger zu werden beginnt, um vieles besser, als im Beginne des Frühjahres, oder in dessen ersten Hälfte, um welche Zeit der rasche Witterungswechsel, der geringe Grad von Wärme, die feuchte Luft und plötzlich veränderte Lebensweise der Menschen die zahlreichen und bedeutenden Frühlingskrankheiten erzeugen, die größtenteils rheumatischer und katarrhalischer Natur sind, mit Wechselfiebern, Brustleiden und krankhaften Nervenzuständen abwechseln und die Totenlisten füllen.

Daß aber auch falsche Maximen in der Lebensordnung in dieser Jahreszeit zahlreiche und oft gefährliche Krankheiten erzeugen, darüber waltet kein Zweifel.

§. 103.

Unsere Lebensordnung entspricht nicht der Jahreszeit, genannt Frühling; denn die Idee Vieler: weil der Lenz so viele Annehmlichkeiten mit sich bringt, so dürfen wir mit einem Schlage andere Speisen und Getränke genießen, leichtere Kleider anziehen, einen kürzeren Schlaf genießen usw., bestraft leider nur zu schnell durch üble Folgen. Wir richten unsere Lebensordnung nur nach dem Namen der Jahreszeit ein, kehren uns nicht an alle die Zufälligkeiten und Veränderungen äußerer und innerer Verhältnisse, von denen die Bedeutung, der Wert und die Wirkungsweise der Jahreszeit selbst abhängt, von denen sie bestimmt wird und ihre wichtigen Metamorphosen erleidet, die dann nicht ohne sichtbare Folgen für das menschliche Wohlsein sind.

§. 104.

Ist es denkbar, daß, wenn man in der veränderlichen Jahreszeit, weil ihr schöner Name Genuß und Freude verbürgt, leicht gekleidet des Morgens oder Abends Promenaden unternimmt, man gesund bleiben könne?

Durch unterdrückte Hautausdünstung entstehen nun die oben erwähnten rheumatischen und krampfhaften Leiden. Die Wechselfieber aber und die vielen Indigestionsleiden, die in Frühlingsmonaten so häufig vorkommen, finden ihren Ursprung in den Festen und Schmausereien, womit Viele, die Gartenlust zu grüßen, beginnen.

§. 105.

Warum will sich ein so unschuldiges Vergnügen nicht mit der Gesundheit vertragen? Liegt es an der Natur oder vielmehr an unserer eigenen Unbehutsamkeit! Oft können wir es nicht erwarten, um uns dem neuen Vergnügen in die Arme zu werfen. Diese Übereilung macht, daß der April, wie die Listen ausweisen, an Erzeugung der Krankheiten sehr fruchtbar ist, und daß die vergnügtesten Menschen im Frühjahre am leichtesten krank werden, weil sie den Witterungen zu viel trauen, ihre Winterkleider zu bald ablegen, und die Belustigungen des Frühlings eher genießen wollen, als sie vorhanden sind. (Unzer.)

§. 106.

Wir sollten also, um Gesundheit, Schönheit und Geisteskräfte, die unversiegbaren Quellen unserer irdischen Glückseligkeit, uns zu wahren, nicht durch ein planloses, die Grenzen der Mäßigkeit und unserer Körperbeschaffenheit nicht beachtendes Verleben unserer karg gemessenen Tage jene unschätzbaren Erdengüter untergraben, anstatt sie durch eine vernünftige Lebensordnung, die die herrschende Jahreszeit, ihre veränderliche Temperatur, ihre wechselnde Witterungsbeschaffenheit einerseits, so wie unsere Individualität anderseits wohl berücksichtigt, immer mehr und mehr zu befestigen, daß sie nicht dem schwachen Rohre gleich jedem Windstoße preisgegeben, ein Opfer seiner Launen werden.

§. 107.

Alle diese Leiden vermindern sich in demselben Grade, je mehr die balsamischen Sonnenlüfte die schlummernden Krankheitskeime besiegen, und je mehr der menschliche Organismus selbst an Kräften und Gedeihlichkeit gewinnt. Und diese Zeit ist es, wo man Frühlingskuren unternehmen soll unter ärztlicher Fürsorge, um seiner schwankenden Gesundheit zu Hilfe zu kommen, sich neue Kräfte zu sammeln, und um den Leiden, die im beginnenden Herbste und vorzüglich im strengen Winter die Tage der gebildeten Stände verkümmern, einen kühnen Damm entgegen zu setzen.

Der Genuss der Landluft, sein Einfluß auf die Gesundheit.

§. 108.

Der Genuß einer reinen, trockenen Luft auf dem Lande, für sich allein betrachtet, im Vergleich mit dem Stadtleben und dessen schädlichen Einflüsse, hat für den kränkelnden Städter schon den Wert einer Frühlingskur; denn es ist falsch, daß die Reichen, weil geräumige, hohe, prunkende Gemächer ihnen als Wohnungen bereit stehen, auch deswegen schon die gesündeste Luft in denselben einatmen.

§. 109.

Man überdenke, daß die Landleute und eine gewisse Klasse von Arbeitern die reine, freie Luft immerwährend genießen, indes die Reichen in ihren Gemächern nur Stadtluft atmen, die in keinen Vergleich mit der gesundheitsförderlichen Landluft zu setzen ist. Daß die Luft in den Salons der Gebildeten sehr oft mit reizenden und betäubenden Blumengerüchen geschwängert ist, die für ihre nervenschwachen Konstitutionen nichts weniger als zuträglich sind, daß die Luft selbst, wenn sie in Städten der Gesundheit zuträglich ist, von Gebildeten zu der günstigen Zeit nicht eingeatmet wird; indes der Landbewohner mit dem heitern Morgengruße der Sonne sein rüstiges Tagewerk beginnt, und zu einer Zeit das Freie vermeidet, wo die kühle Abend- oder die schädliche Nachtluft den Menschen zu Krankheiten geneigter macht. Der gebildete Städter aber verschläft den halben Morgen, und dehnt die Grenzen seines Taglebens bis in die späte Nacht aus.

§. 110.

Wer dieses alles überdenkt und zugleich überlegt, daß die Luft aus dem Lande in steter Bewegung begriffen ist, ein Umstand, der die Wohlfahrt der atmosphärischen Luft befördert und alles Schädliche aus ihrem Kreise entfernet, wodurch sie um so zuträglicher für das geistige und physische Wohlsein des Menschen wird: der wird finden, daß die Reichen den Genuß einer gesundheitszuträglichen Luft in ihren hohen Gemächern, in den Salons, wo sie ihre Unterhaltungen feiern, im Theater usw., fast immer entbehren, und daß für Niemand der Genuß einer heitern und gesundheitsförderlichen Luft notwendiger sei, als für die gebildeten Stände.

§. 111.

Man kann sich daher nicht wundern über die Menge nervenschwacher und kränkelnder Menschen, welche man in Städten unter Gebildeten findet. Es gibt wohl wenige Krankheiten, welche der Genuß verdorbener Luft nicht hervorbringen könnte, denn durch diese verliert das ganze Leben seinen kräftigen Einfluß auf die gesamte Organisation. Am meisten aber leiden dadurch jene Organe, auf welche die Luft unmittelbar einwirkt, wie die Lungen, die Haut und alle Organe, die mit dieser in nächster Verbindung stehen. Daher die zahlreichen Lungenleiden und die rheumatischen und katarrhalischen Krankheiten der Stadtbewohner. Dies ist Grund genug für jene, die die Mittel besitzen, die Stadtlust, sobald es die beständige günstige Jahreszeit erlaubt, mit der Landluft zu vertauschen. Das Landleben und der damit verbundene Genuß einer reinen Luft ist das erste Arkanum, das ich den Reichen als geheimnisvolles Präservativ für Krankheiten, als erstes Verjüngungsmittel ihrer Jugend, Kraft und Schönheit, und als ein zauberhaftes Verlängerungsmittel ihres, von vielen äußern und innern, offenen und geheim lauernden Feinden bedrohten Erdenlebens anzuempfehlen aus warmer Menschenliebe mich berufen fühle.

§. 112.

Wir wollen also im Folgenden den Einfluß der reinen freien Luft etwas genauer beleuchten, um seiner Anpreisung als Erhaltungs- und Stärkungsmittel der Gesundheit bei unsern Lesern vollen Glauben zu verschaffen.

Was eine zuträgliche Auswahl der Speisen und Getränke für den Körper in Bezug seiner Nahrung leistet, erfüllt in nicht geringerem Grade der Genuß einer reinen heiteren Luft.

§. 113.

Die Luft umgibt den Erdball und die Geschöpfe, die er trägt; sie ist ein elastischer Körper, und entspricht demnach allen physikalischen Eigenschaften als solcher. Sie läßt sich zusammendrücken, und nimmt, wenn der Druck weicht, ihren frühern Raum ein. Die Wärme dehnt sie aus, die Kälte verdichtet sie, und sie behauptet jeden leeren Raum. Sie ist das erste und notwendigste Bedürfnis zur Erhaltung der Lebensflamme organischer Wesen; ihre Unentbehrlichkeit beweist der Prozess des Ein- und Ausatmens. Die Luft umgibt uns nicht nur von außen, sondern sie befindet sich auch in den innern Höhlungen der Organe usw.

§. 114.

Die atmosphärische Luft, die wir beständig einatmen, dieses farbenlose, durchsichtige, elastische Medium, besteht aus zwei verschiedenen Gasarten, und zwar in verschiedenem Verhältnisse aus:

79 Teilen Stickgas und
21 Sauerstoffgas
.

§. 115.

Die Heilsamkeit oder Schädlichkeit der Luft hängt nicht nur von diesen Hauptbestandteilen ab, sondern auch von ihrem erhöhten oder verminderten Temperaturgrade, von der größeren oder geringeren Elastizität, von ihrer absoluten und spezifischen Schwere, von ihrer trockenen oder feuchten Beschaffenheit, von fremdartigen Beimischungen, von den Winden und Witterungszuständen.

§. 116.

Die Luft atmen wir beständig ein, da wir sie in keinem Momente unsers Lebens entbehren können. Die Atmungswerkzeuge, der Schlund und der Darmkanal und die ganze Oberfläche der Haut sind die Wege, die uns in unmittelbare Berührung und Wechselwirkung mit der atmosphärischen Luft setzen. Alle Tätigkeiten und Verrichtungen des menschlichen Organismus, ihre gedeihlichen Fortschritte zu seiner Ernährung und zu seinem Wachstume hängen vorzüglich von der zuträglichen Beschaffenheit der Atmosphäre ab, die ihn umgibt, und aus der er gleich wie aus einer Zauberquelle Leben, Gesundheit, Schönheit und Körperstärke, geistige Energie und Gemütsruhe schöpft. Wie wenig Sorgfalt aber verwendet man, um sich diese ewige Verjüngungsquelle ungetrübt zu erhalten!

§. 117.

Wenn uns dieses oder jenes Nahrungsmittel, das oder jenes Getränke nicht behagt, so steht es in unserer Macht, seinem Genusse zu entsagen; Ekel oder Launen bestimmen uns oft sehr schnell dazu. Warum können wir nichts Gleiches von dem Genusse dieses wichtigen Mediums behaupten?

§. 118.

Warum sind wir da so unverzeihlich sorglos, und schlürfen bei dem Genusse einer schmackhaften Speise oder eines feurigen Getränkes, womit wir unseren geschwächten Kräften zu Hilfe zu kommen wähnen, eine schädliche, gesundheitsstörende Luft ein? Freilich dient hier als Entschuldigung, daß es nicht immer in unserer Macht steht, der Luft, die wir einatmen, eine Beschaffenheit zu erteilen, die wir für zweckdienlich finden; allein warum verderben wir oft durch Blumengerüche, durch Tabakqualm, durch Haus- und Schoßtiere diese nicht genug anzupreisende Quelle menschlicher Gesundheit und irdischer Glückseligkeit?

§.119.

Je mehr die Lust sich durch ihre natürlichen Eigenschaften, die ich oben berührte, auszeichnet, je reiner sie sich von fremdartigen Stoffen zu verwahren weiß, desto gesundheitsförderlicher muß sie sein.

§. 120.

Die Modifikationen des Temperaturgrades der Luft haben auf das Wohlsein der menschlichen Gesundheit einen vorzüglichen Einfluß, der umso bedeutender wird, wenn sich der warmen oder kalten Lust Trockenheit oder Feuchtigkeit beigesellt.

§. 121.

Die feuchtkalte oder nasskalte Luft ist der Gesundheit sehr nachteilig, sie erzeugt Schlaffheit, bewirkt Trägheit, und beschränkt die wohltätige Ausdünstung des Körpers; daher herrschen unter ihrem Szepter katarrhalische und rheumatische Krankheiten und kalte Fieber; sie ist dem Nervenleben feind, dessen Tätigkeiten sie beschränkt. Daher die Bewohner feuchter Gegenden phlegmatischen Temperaments, blaß und schwach sind, und fast immer von den oben bezeichneten Leiden gequält werden.

§. 122.

Ist die Luft feuchtwarm, so ist sie der menschlichen Gesundheit noch schädlicher als die feuchtkalte Luft. Sie erschlafft die Haut, entkräftet den Körper, und macht die Säfte, deren Umlauf sie beschränkt, zur Auflösung geneigt. Am meisten wirkt sie nachteilig auf das Leben, auf das ganze Gallensystem, auf die Verdauungsorgane, daher gastrische Fieber, Gallenfieber, Faulfieber, Ruhren und Nervenleiden zur Zeit einer solchen herrschenden Witterungsbeschaffenheit sehr gewöhnliche Leiden sind, die oft einen epidemischen Charakter annehmen und die Sterblichkeit bedeutend vermehren.

§. 123.

Am zuträglichsten für die menschliche Gesundheit ist eine freie, mäßig trockene, durch Winde gereinigte und oft bewegte Luft, die einen bedeutenden Temperaturgrad mit dieser lobenswerten Eigenschaft vereint, der die goldene Mitte zwischen exzessiver Kälte und ermattender Hitze hält. Eine Luft, mit diesen Eigenschaften begabt, ist erquickend und stärkend.

§. 124.

Eine Luft dieser Beschaffenheit ist die reine, mäßig warme und trockene Landluft zur Sommerzeit; ein wahrer Lebensbalsam für die Menschen, ganz vorzüglich aber für den kränklichen und empfindlichen Stadtbewohner. Sie stärket, erfrischt, erheitert und ermuntert den Geist, den Körper und das Gemüt; daher färben Rosen die früher bleichen Wangen, das Auge funkelt Glanz und Freude, die Falten verlassen die Stirne; der Kopf denkt freier, heiterer, das Atemholen geht leicht von statten, die Haut transpiriert unter dem Einflusse einer solchen Luft; die Wärme wird gleichmäßig erzeugt, erquickt, stärkt und muntert alle Organe und Systeme zur harmonischen Tätigkeit in ihren Verrichtungen auf Appetit, Schlaf, Frohsinn und Heiterkeit; Resultate eines behaglichen Wohlseins sind beneidenswerte Gaben, die die wohltätige Landluft über den Menschen aus ihrem segenreichen Füllhorn schüttet. Darum ist der Landmann beneidenswert, deswegen blühen auf seinen Wangen die Rosen der lachenden Gesundheit, die nur das Alter bleicht.

§. 125.

Die Erfahrung spricht auch hinlänglich dafür, daß die Menschen, die im Schoße der reinen Natur ihre Tage verleben, Krankheiten oft nur dem Namen nach kennen.

Mit diesem Wegwenden von den Gesetzen der liebevollen Natur haben wir das Heil unserer Seele und unsers Körpers einem Heer von Feinden preisgegeben, gegen das wir überall, nur nicht im Hause der Natur, Hilfe suchen wollen. Hier sind die einfachsten Mittel zu finden, die zu rechter Zeit und unter zusagenden Umständen dem Leidenden gereicht, mit gehöriger Berücksichtigung der notwendigen Ausnahmen die ewige Liebe der Natur laut verkündigen.

§. 126.

Es ist hier nicht der Ort, eine spezielle Beschreibung und wissenschaftliche Darstellung der verschiedenen Mineral-Wässer und -Bäder zu liefern; ich wünsche hier nur von den einfachsten Frühlingskuren, von dem Gebrauche der Bäder in ihrer Beziehung zur Pflege der Haut und zum Wohlsein des ganzen Körpers einige diätetische Ansichten mitzuteilen.

§. 127.

Bevor ich aber zu der Erörterung über Bäder übergehe, wünsche ich eine zeitgemäße Frage zu berühren: warum bei so Wenigen die Frühlingskuren einen günstigen Erfolg hervorbringen? Die dann gewöhnlich den Kurort, die Heilmethode eines Arztes, der ihn anempfohlen hat, bekritteln, in Zweifel ziehen und oft mit herben Worten und einseitigen Ideen anfeinden.

§. 128.

Die Beantwortung dieser Frage liegt in den Umständen, unter denen viele Menschen eine Frühlingskur gebrauchen; ohne Rat eines Arztes, oder wenn ihnen auch ein solcher geworden, so missbrauchen sie ihn, setzen sich selbst eigenmächtig ungewisse Grenzen, überschreiten die ihnen angezeigten, — und in noch vielen andern Dingen, die ich hier nicht berühren kann. Das Bild eines systematischen Brunnentrinkers oder eines Menschen, der ein Bad als Frühlingskur gebraucht, dürfte in folgenden Umrissen sich also gestalten.

§. 129.

Der Brunnentrinker, ob er sich wohl befinde oder nicht, um die kostspielige Zeit nicht zu verschwenden, oder auch nicht so viel Ausgaben vergeblich gemacht zu haben, eilt mit dem Schlage 6 Uhr, wo es früher Sitte ist, noch zeitlicher mit dem Becher zur Trinkquelle; beliebt es ihm auf seinem Zimmer länger zu verweilen, so bleibt er sogar im Bette, und trinkt in der Hoffnung, von allen seinen eingebildeten und wirklichen Leiden befreit zu werden, einige Gläser Molken oder Mineralwasser, kalt oder warm, mit oder ohne Milch, mehr oder weniger vor oder nach genommenem Frühstück, das gilt ihm gleich; er trinkt, weil es ihm befohlen ist, und weil die Quelle schon viele Schwerkranke heilte.

§. 130.

Aber die Natur, die sich durchaus keine Fesseln anlegen läßt, und die selbstsüchtig geschmiedeten Bande zu zerreißen strebt, belehrt ihn bald, er habe des Guten zu viel getan; denn schon fängt es in seinem Magen und seinen Gedärmen zu kollern an, ein heftiges Grimmen, ein schmerzhaftes Kneipen zieht die Eingeweide krampfhaft zusammen, und ein Missbehagen und eine Unruhe ergreift den ganzen Körper; der Trinker muß seine Zuflucht zu besänftigenden Mitteln nehmen, und was ist leichter und bequemer und schneller bei der Hand als eine Schale Tee, eine Tasse Kaffee, Schokolade usw., und sieh, für heute und oft auch für längere Zeit ist er von diesen Übelständen befreit. — Allein durch diese unverzeihliche verkehrte Sorgfalt und durch diesen regellosen Fleiß für seine Gesundheit wird der Kurgast für viele Tage dahin gehalten, die Kur fortzusetzen; oftmals ist die Kur damit geendet, denn entweder tritt eine Zaghaftigkeit ein, oder ein Widerwille verhindert ihn, den Balsam des Brunnens zu genießen, oder das Bad ferner zu gebrauchen, wenn er durch dessen verkehrten Gebrauch leidend wurde.

§. 131.

So enden viele ihre Frühlingskuren, was Jedem bekannt ist, der solche Schauspiele oder Szenen an einem Kurorte selbst erlebte. Er sieht ein, warum und wie so viele Frühlingskuren oft gar keine oder höchst traurige Erfolge veranlassen. Mit solchem Missmute oder mit solcher Verstimmung, seinen Zweck nicht erreicht zu haben, kehren viele an den Ort ihres Verkehres zurück unter dem Einflusse vieler moralischer und physischer Umstände, die ihre Gesundheit, die ohnehin gefährdet ist, — allmählich untergraben.

Nun einige diätetische Betrachtungen über Bäder. Der Gebrauch der Bäder ist nicht nur unter den zivilisierten Nationen Europas allgemein geworden, sondern in dieser Hinsicht eifert mit dem Europäer der Orientale, der Inder, der Peruaner, der Ägypter. Diese Nationen sind eben so tätig im Gebrauche der Bäder, wie der Russe und der Finne, wo das Baden unter die Nationalsitten gehört.

§. 132.

Das Baden und das Badereisen ganz vorzüglich wechselt leider wie die Kleidermoden, wie ein medizinisches oder philosophisches System, und dennoch stünde es besser um das Wohl der Menschheit, wenn man den Bädern ihre ernste Würde und ihre große Bedeutung unter den diätetischen Heil- und Präservativmitteln gesichert hätte, und wenn unter Gebildeten reellere Ansichten darüber herrschten.

§ 133.

Die Reichen und Gebildeten unserer Tage können nicht besser Meister werden der erhöhten Empfindlichkeit und der gesteigerten Reizbarkeit, die unter ihnen herrscht, und wodurch sie oft Sklaven übler Launen sind, oder wohl gar als Opfer der peinvollen Hypochondrie anheim fallen, als wenn sie dieses Arkanum vorsätzlich und unter Zuziehung eines vorurteilfreien Arztes gebrauchen. Nicht das Baden allein, sondern die Reise in das Bad, oder der Spaziergang in eine nahe Gegend dahin, die Vorbereitungskur, ehe man die Bäder gebraucht, die zuträgliche Wahl der Nahrungsmittel und Getränke, die Ordnung, die dann im Schlafen und Wachen beobachtet wird, der unschätzbare Genuß der reinen balsamischen Frühlings- und Sommerluft, die geregelte Lebensweise überhaupt, und die vielen Arten der Geselligkeit, die mit Bade-Brunnenkuren in notwendige Verbindung treten müssen, bringen die höchst wohltätigen Wirkungen der Bäder hervor, die die Gesundheit der Gebildeten, welche leider ihre gewöhnlichen Lebensverhältnisse nur zu oft stören, für Jahre hinaus bekräftigen und erhalten.

§. 134.

Möchten doch Gebildete diese reichhaltige Quelle physischen und geistigen Wohlseins nicht so gering halten, denn:

Nur Eins ist mir bewußt, was König und Bettler sich wünschen,
Dessen Verlust den ersten entgöttert im Purpurgewande,
Dessen Besitz den Mann im Kittel erhöhet zum Halbgott!
Holde Gesundheit! du bist das Eine! dich missen,
Heißt aufhören zu leben und doch nicht sterben; dich haben,
Heißt auf goldener Leiter zum Sitz der Olympier steigen.
Sieh die weite Natur, reich ausgesteuert mit Gaben
Aus der schaffenden Hand des Allvaters, spendet die Fülle
Köstlicher Güter zum weisen Genuß den Erdebewohnern,
Ohne dich sind sie nie da. Dem Erkrankten scheint die Natur selbst
Siech und leer; ihr größeres gestirntes Tempelgewölbe
Eine Verwesungsgruft; der Mond, die düstere Lampe,
Die dem Elenden dämmert, der über Verwesungen wandelt;
Nah’t euch ohne Verzug! Ihr Heilung Suchenden, nah’t euch
Meinem Gebiet. Hier wird in der Kühle des duftenden Haines
Euch unsichtbar begegnen die lebensfrohe Genesung,
Mit dem Lebensodem umweht, auf einsamen Pfaden
Euch erquicken in süßem balsamischem Schlummer, und huldvoll
Nach vollendeter Heilung in die Heimat geleiten
.

§. 135.

Der Sänger hat in diesen Worten die tiefe Bedeutung der Gesundheit, den hochwichtigen Einfluß der Brunnenkur, den Aufenthalt auf dem Lande wahr und gemütvoll bezeichnet. Möchten seine heiligen Wahrheiten in den Herzen der Gebildeten, die Mittel besitzen, sich dieses Lebensverlängerungsmittels zu bedienen, einen guten Wiederklang finden.

§.136.

Um sich von Gicht, Rheumatismen, woran empfindliche Individuen aus höheren Ständen so häufig leiden, um sich von den vielen Indigestionsbeschwerden zu befreien, um dem Körper Stärke, Frische, Ausdauer gegen die Feinde, die auf ihn losstürmen, zu geben, um dem Gemüte Heiterkeit und Frohsinn zu sichern, daß es nicht in der Kette der Hypochondrie schmachte, weiß ich für Reiche kein größeres, schnelleres und sicheres Mittel, als die Pflege der Haut, die ganz besonders durch Baden bezweckt und am schicklichsten erreicht wird.

Allgemeine Baderegeln.

§. 137.

a) Die beste Zeit zum Baden ist der Morgen, vor dem Frühstücke, oder zwei Stunden nach demselben, von 6—10. Wer den Morgen nicht dazu benützen will, und nicht zu Hause baden kann, dem empfehlen wir die Mittagszeit, ehe er das Mittagsmahl einnimmt.

b) Der Körper soll vom Schweiße gänzlich frei sein, wenn wir ein Bad nehmen, seine Temperatur sei welche sie wolle; schwitzt man und nimmt man ein kühles oder kaltes Bad, so geht man gefährlichen Krankheiten entgegen.

c) Bei trüber, rauer und kalter Witterung sollte man nicht baden, am wenigsten, wenn man das Bad nicht zu Hause nehmen kann.

d) Begibt man sich bei heiterer Witterung ins Bad, und ändert sich plötzlich die Temperatur, tritt Regen ein, oder erhebt sich ein kalter Wind, so muß man sich durch Kleidung wohl verwahren, worauf man vorgesehen sein muß.

e) Badet man im Freien, in reinem Flusswasser, das den erwärmenden Sonnenstrahlen ausgesetzt ist, oder im Wasser, welches überhaupt die Einflüsse der Sonnenwärme hinlänglich genoss, welches Reiche oft auf ihren Landhäusern, in ihren Gärten in kleinere oder größere Räume leiten und sich ein Bad anlegen, so ist es ebenfalls heilsam; doch muß man doppelte Sorgfalt tragen, daß man nicht erhitzt und schwitzend in das Bad gehe: man ruhe früher in einer schattenreichen Allee aus und entkleide sich langsam. Wer ein guter Schwimmer ist, für den ist es wohl ein Leichtes, gleich mit dem ganzen Körper unterzutauchen. Was man aber immer für ein Bad nimmt, so ist es für die Gesundheit zuträglicher, den ganzen Körper auf ein Mal mit dem nassen Elemente zu befreunden, weil Verkühlung um so leichter vermieden wird.

f) Im Bade sei man tätig, reibe den ganzen Körper mit dem Wasser; wer eine feste Hautorganisation hat, mehr, wer eine zarte und feine besitzt, bloß mit einem leichten Schwamme. Im kalten Bade ist es zuträglicher stärker zu reiben, als im warmen.

g) Was die Temperatur der Bäder betrifft, bemerke ich:

§. 138.

h) Ein laues Bad, dessen Temperatur 70°—86° Fahrenheit, oder 17°—24° Reaumur beträgt, sollten alle jene, die die Mittel dazu besitzen, wöchentlich wenigstens zwei Mal gebrauchen, wenn sie hierüber den Rat ihres Arztes einholten und er Bäder für ihre Gesundheit zuträglich fand. Trockenen und mageren Naturen bekommen die lauen Bäder sehr wohl; ein ähnliches Resultat läßt sich auch von den Empfindlichen und Nervenschwachen rühmen.

§. 139.

Ein kühles Bad, das 50° —70° Fahrenheit, oder 8°—17° Reaumur hat, ist nicht in jeder Jahreszeit unbedingt anzuempfehlen. Das Frühjahr und der Sommer sind die geeignetsten Zeiten zu dem Gebrauche kühler und kalter Bäder, die einen Temperaturgrad von 50° Fahrenheit oder 8° Reaumur haben.

Das kalte Bad dürfte Zärtlichen und Nervenschwachen neue Kräfte verleihen, und sie unter begünstigenden Umständen in energische Menschen umwandeln. Durch die kalten Bäder wird unsere Haut gestärkt und in gewisser Beziehung gesichert gegen viele äußere schädliche Einflüsse.

§. 140.

Vielleicht dürften Rheumatismen und Katarrhe unter den empfindlichen Reichen einstens seltener werden, wenn sie, wie es jetzt den Anschein hat, dem kalten Wasser sowohl in der Form des Bades oder dem Schwimmen ihre Neigung nicht versagen. Was den Gebrauch selbst anbelangt, so wie die Tageszeit, wann man kalt baden soll, die Wiederholung und die Dauer, wie lange man darin verweilen soll, — darüber müssen meine Leser den Rat ihres Arztes einholen.

Allgemeine Regeln hier zu erteilen, würde nichts nützen; die oben benannten Punkte erleiden in jedem Individuum ihre wohl zu berücksichtigenden Ausnahmen, die der Laie nicht zu beurteilen weiß, und die kein Gegenstand diätetischer, sondern rein medizinischer Schriften sind.

§. 141.

Die warmen Bäder haben 86°—97° Fahrenheit, oder 24°—27° Reaumur; sie sind mehr in der kälteren Jahreszeit zu gebrauchen.

Die Reichen besitzen nun die Mittel, nicht nur wöchentlich durch alle Jahreszeiten, wenn es sich mit ihren Gesundheitsumständen verträgt, einige Male zu baden, sondern sie können auch in Bäder reisen zur Wiederherstellung ihrer erschütterten, oder zur Befestigung ihrer schwankenden Gesundheit. Sie sind also im Besitz der drei größten Arkana, die ich kenne. Ihnen winkt der Genuß des Landlebens, der, wenn er den Gesetzen Hygieas entspricht, nur mit den zwei andern Arkanen, ich meine Bäder und Reisen, um die Palme streitet.

Diese drei großen Heroen unter den Präservativen können dem kurzen menschlichen Leben seine längste erfreuliche Dauer, dem Körper eine ewige Jugend und Stärke verleihen, und dem Gemüte jene beneidenswerte Stimmung des Frohsinnes gewähren, die man vergebens um alle Schätze Indiens sich zu verschaffen sucht.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Krankheit der Reichen