Die Rolle der Judenkarikatur

Die Frage, die wir jetzt zu stellen und zu beantworten haben, lautet: In welcher Rolle gefiel sich die Karikatur gegenüber den Juden? War sie ihnen gegenüber in jeder der im vorigen Kapitel geschilderten Formen tätig, oder nur in einer?

Die Antwort auf diese Frage ist schon mit den früheren Ausführungen über ,,die Welt von Hass“ gegeben, mit der beladen die Juden durch die ganze Geschichte schreiten. Sie kann bei einer solchen historischen Situation nur lauten: Die Karikatur tritt gegenüber den Juden fast immer nur als Ankläger auf. Jede Karikatur auf die Juden ist tatsächlich letzten Endes stets eine Anklage gegen die Juden. Dieser Grundton des Anklägerischen ist derart dominierend, dass die lachende Form, in die die Karikatur die Dinge und Personen kleidet, hier viel seltener und weniger als sonstwo versöhnend wirkt.


Diese Erscheinung, dass die Judenkarikatur vorwiegend als Ankläger auftritt, ist nun freilich gar nicht verwunderlich. Sie ist nach jeder Richtung natürlich. Man muss sich über eins klar sein: wenn einzelne geniale Karikaturisten auch zu allen Zeiten die Fähigkeit besaßen, den Menschen und Dingen sozusagen auf den Grund zu sehen, — die Einsicht selbst dieser genialen Seher, geschweige denn die der größeren Zahl der Minderbegabten, fand stets in der jeweiligen Zeiterkenntnis ihre Grenze. Und darum schaut auch der genialste Karikaturist nur mit den Augen seiner Zeit. Oder mit anderen Worten: In der zeitgenössischen Karikatur kann sich immer nur der jeweilige Grad der Einsicht in die Zusammenhänge der Dinge spiegeln. Die Einsicht in die ungeheure Bedeutung des Judentums für den Gesamtkomplex unserer kapitalistischen Kultur ist, wie ich bereits bei Beginn des Buches ausführte, aber erst ein ganz modernes Resultat der wissenschaftlichen Forschung, und sie ist darum auch jetzt noch lange kein Allgemeingut der Erkenntnis, sondern sie ist im Gegenteil erst auf dem Wege, dies vielleicht in absehbarer Zeit zu werden.

Weil es aber so ist, darum vermochte der Karikaturist der vergangenen Jahrhunderte so wenig wie seine jeweiligen Zeitgenossen den weltaufbauenden Charakter des Judenvolkes als „Gründer“ einer neuen epochalen Wirtschaftskultur zu ahnen, geschweige denn zu sehen. Es kommt immer darauf an, wie die Personen und Dinge auf der Weltbühne in Erscheinung treten. Der Jude trat vielleicht zu jeder Zeit in einzelnen Exemplaren imponierend auf; aber die Juden in ihrer Masse wirkten fast immer unbedeutend, und keineswegs wie ein Heer von Weltbaumeistern. „Die Juden sind wie ein Haufen Gewürm“, sagt ein Schriftsteller des 16. Jahrhunderts. Dieser Vergleich ist natürlich verächtlich gemeint. Aber er ist zum mindesten nach einer anderen als der gewollten Richtung ganz zutreffend. In ihrer steten, alles unterwühlenden Manier besteht ihre umwälzende geschichtliche Rolle. Weil aber das Schöpferische solchen Tuns tragischerweise im Unerkennbaren ruhte, so erging es den Juden in der allgemeinen öffentlichen Beurteilung ungefähr so, wie dem Regenwurm im Vergleich zu dem Löwen. Über den Regenwurm hat man niemals ein verklärendes Heldenepos geschrieben, wohl aber dutzendfach über den Löwen, obgleich der Löwe an der menschlichen Kultur gerade keinerlei imponierende Verdienste hat, um so größere aber der Regenwurm, der, wie man seit Darwin weiß, der stete Regenerator der fruchttragenden Ackererde ist. Der Regenwurm hat aber keine Mähne und brüllt nicht. Nun, der kleine Schacherjude brüllt auch nicht, er mauschelt nur „und ohrt wie er macht sein Geschäft.“ Durch diese Umstände ist es vollauf erklärt, dass in früherer Zeit keine die historische Rolle der Juden verklärenden Karikaturen entstanden, keine, wodurch die Juden in den Augen der Mitwelt mit besonderer menschlicher oder gar mit historischer Größe bekleidet worden waren. Weil man das Umformende in der wirtschaftlichen Tätigkeit der Juden früher absolut niemals als solches erkannte, so erklärt es sich hieraus auch, dass von den vielen Funktionen, die der Jude bei der Herausbildung der modernen kapitalistischen Wirtschaftsweise ausübte, und von welchen ich im III. Kapitel die wichtigsten dargestellt habe, sich nur wenige in der Karikatur klar wiederspiegeln. Auf all dieses Negative deutlich aufmerksam zu machen, ist deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil sich auch darin die einseitig das allgemeine Urteil beeinflussende Tätigkeit der Karikatur gegenüber den Juden offenbart.

Wenn die zeitgenössischen Karikaturisten keine Spur von bewundernswerter Größe an ihren jüdischen Nebenmenschen wahrnehmen konnten, so mussten auch sie, wie gesagt, um so deutlicher deren menschliche Kleinheit sehen, d. h. das, was der Zeit nicht nur kleinlich, sondern, mehr noch als das, verwerflich und verabscheuungswürdig vorkam. Und das war eben die Tatsache, dass der Jude immer als der häufigste individuelle Urheber der zahlreichen schweren wirtschaftlichen Bedrängnisse sich darstellte, in denen so viele untergingen. Also sah der Karikaturist immer nur Gründe zu gehässigen, die Juden verhöhnenden Spottbildern. Und diesen ewigen Anreizen folgte er mehr oder minder willig, entsprechend der allgemeinen Stimmung der Zeit. Weil der Karikaturist aus denselben Gründen in der Pariastellung der Juden kein unverschuldetes, sondern im Gegenteil ein reichlich verdientes Schicksal erblickte, darum war er auch nicht ihr Verteidiger, wenn sie verfolgt und gepeinigt wurden. Wieder aus den gleichen Gründen war die Karikatur auch niemals ihr Tröster im Unglück.

Die Karikatur tritt also, wie ich oben sagte, gegenüber den Juden fast immer in der Rolle des Anklägers auf. Darum offenbaren die meisten anti-jüdischen Karikaturen je nach den Umständen einen mehr oder minder großen Hass und zugleich eine Verachtung, die alle Grade in sich birgt, und nicht selten bis zur letzten Grenze geht. Gerade durch diese Maßlosigkeit im Hass und in der Verachtung verraten die anti-jüdischen Karikaturen aber noch ein Drittes, was nicht übersehen werden darf, und das ist: sie verraten nämlich zugleich eine ganz außerordentliche Furcht vor den Juden. Nur wenn man jemand sehr fürchtet, klagt man ihn dermaßen heftig an, wie man die Juden anklagt, nur dann wird man nicht müde, immer erneute Anklagen zu erheben oder die alten Anklagen immer wieder in erneuter Form vorzubringen. Andernfalls ignoriert man die betreffende Person oder Sache sehr bald. Man muss sogar jemand schon wie das Feuer fürchten, wenn man ihm durch Jahrzehnte hindurch täglich sagt: „Ich verachte dich!“ und wenn einem der Atem dabei doch nicht ausgeht. Gerade durch ihre große Zahl sind die Judenkarikaturen deutliche Zeugnisse für eine zwar nur sehr selten offen zugestandene, aber darum doch heimlich vorhandene Angst vor den Juden. Aus manchen Judenkarikaturen spricht sogar in nicht misszuverkennender Weise eine sich ohnmächtig fühlende Wut gegen den angeblichen Todfeind der christlichen Gesellschaft, den man hasst, verachtet, fürchtet, und dem man dabei doch nicht so an den Kragen gehen kann, wie man in seinen heimlichen Wünschen gerne möchte.

Diese mit Hass und Verachtung gepaarte Furcht vor den Juden wird aber nicht nur durch die große Zahl und die teilweise Heftigkeit der erschienen Judenkarikaturen offenbar, sondern auch durch den nicht abzuleugnenden großen Stil, zu dem sich die anti-jüdische Karikatur zu Zeiten erhob. Diesem großen Stil in der anti-jüdischen Karikatur begegnen wir, wie wir weiter unten sehen werden, gleich in ihren ersten Manifestationen, und zwar in der grotesk-kühnen Symbolisierung des jüdischen Wesens und Treibens in dem Bilde von der sogenannten Judensau. Man begegnet diesem großen Stil weiter im 19. Jahrhundert als die weltbeherrschende Macht des jüdischen Kapitals, verkörpert in der Person des Frankfurter Bankiers Amsel Rothschild, aller Welt in ihrer ungeheuren Rolle zum staunenden Bewusstsein kam. Da symbolisierte die internationale Karikatur diese Macht in einer Reihe von Karikaturen, die durch ihren großen Stil in der Geschichte der Karikatur immer auffallen werden. Ich verweise hier nur auf die beiden Beilagen ,,Wie Rothschild durch die Welt kutschiert“, und ,,die Generalpumpe“ (neben den S. 112 und 120).

Weil die Karikatur niemals etwas anderes als der Angreifer gegenüber den Juden war und ist, darum hat man in den anti-jüdischen Karikaturen einer Zeit schließlich nichts anderes vor sich, als eine der Formen der jeweiligen allgemeinen Judenverfolgungen; es sind die Bild gewordenen Klassenkämpfe, die sich im Hass gegen die Juden auswirken. Weil man außerdem den Judenkarikaturen allmählich in ganz Europa begegnet, so muss man sagen: Sie sind das Widerspiel eines ungeheuren, über die ganze europäische Welt verbreiteten Klassenkampfes. Freilich eines Klassenkampfes, den man immer erst seines ideologischen Gewandes, in dem er in Erscheinung tritt, entkleiden muss, um ihn in seiner wahren Gestalt zu erkennen; denn wo er auch aktiv wird, immer tritt er in dem den Blick verwirrenden Gewande des Rassenkampfes auf. Alle anti-jüdischen Karikaturen sind geformt vom Rassenkampfstandpunkt; denn sie charakterisieren den Juden in erster Linie als den Menschen einer anderen Rasse. Das was ihn im Physischen als andere Rasse erscheinen lässt, wird am stärksten unterstrichen. Am Intensivsten wurde diese Methode freilich erst im 19. Jahrhundert angewendet, weil erst von da ab das Rassenproblem eine größere Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt. — Die Judenkarikaturen gingen den allgemeinen physischen Gewaltakten gegen die Juden teils voran, indem sie dabei das übliche Zeitziel unterstützten, die Juden dem allgemeinen „Volkszorn“ auszuliefern, und dadurch eine stets erwünschte Progromstimmung schufen; teils bildeten sie die satirische Begleitmusik, wenn es wirklich zu physischen Gewaltakten kam. Sie repräsentierten in solchen Fällen sozusagen das aufstachelnde und immer mehr vorwärtstreibende Triumphgeheul. In den Zwischenpausen zwischen den einzelnen Judenschlachten, in welchen man also nur den guten Willen hatte, aber nicht die nötige Kraft dazu besaß, den jüdischen Mitbürgern radikal an Kopf und Portemonnaie zu gehen, bildeten die Karikaturen gewissermaßen die Form, in der man den anders nicht realisierbaren Hass gegen die Juden abreagierte; in diesen letzteren Manifestationen herrscht natürlich der relativ ungefährliche Spott vor. Da diese Zwischenpausen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts immer länger wurden, so überwiegt die Zahl solcher Karikaturen naturgemäß in der Gesamtzahl, die im Lauf der ungefähr fünf Jahrhunderte erschienen sind, seitdem es eine anti-jüdische Karikatur in der Geschichte gibt. Neben den eben genannten Anreizen und Auslosungen fanden die Massen in den antijüdischen Karikaturen einer Zeit schließlich dann noch die erwünschte, weil für den Einzelnen wie für die Gesamtheit unentbehrliche sittliche Rechtfertigung für ihr auch in den friedlichen Zeiten sehr häufiges feindliches Vorgehen gegen die Juden. In der Bildersprache der Judenkarikaturen, die selbst der einfachste Mann verstand, und die durch das Mittel des zum Lachen reizenden Spottes fast allen ohne Ausnahme besonders sympathisch war, sah die Öffentlichkeit den überzeugendsten Beweis für die besondere Schlechtigkeit der Juden. Diese verschiedenen Tendenzen ergeben zusammen, die, wie man sieht, gar nicht komplizierte Rolle der anti-jüdischen Karikatur in der Geschichte. Diese Rolle ist besonders augenfällig in den vergangenen Jahrhunderten; denn Karikaturen, die auch für die Juden Partei ergreifen, ohne dass diese von Juden selbst ausgehen, gibt es tatsächlich erst, seitdem in Deutschland eine sozialdemokratische Witzblattpresse existiert. Übrigens begegnet man auch den aus der Liebe geborenen Judenkarikaturen, die von der Hand von Juden herrühren, erst in den beiden letzten Jahrzehnten. Ich meine damit Karikaturen von der Hand von Volljuden, die also nicht nur Juden infolge ihrer Abstammung sind, sondern die mit allen Fasern ihres Seins Juden geblieben sind und ihr Volk mit Liebe umfassen. Um solche Karikaturen zu zeitigen, musste natürlich eine gewisse Entwicklung zur allgemeinen Selbstbefreiung innerhalb des Judentums vorangegangen sein; denn zur Selbstgeißelung der eigenen Volksgenossen vor der gesamten Öffentlichkeit gehörte für den Juden ein überaus großer Mut. Noch vor einem Menschenalter wäre eine solche Tat einem Juden niemals von seinen Stammesgenossen verziehen worden, man hatte ihn als einen verächtlichen Autosadisten allgemein verachtet und verfemt. Ich werde auf diese Erzeugnisse in dem Kapitel über die jüdische Selbstironie zu sprechen kommen.

Wenn man die Karikatur der früheren Jahrhunderte, also des 15. bis 18. Jahrhunderts, ganz verstehen will, muss man sich immer erst den Standpunkt vergegenwärtigen, den jene Zeiten gegenüber den Juden einnahmen. So kompliziert uns heute Lebenden das jüdische Problem erscheint, so einfach erschien es den früheren Zeiten. Die Juden sind eben, so sagte man sich, ein in Europa fremdes Volk, das wegen seiner besonderen Sünden und, wie so oft heißt, wegen seinem Mangel an staatenbildender Kraft aus seiner Heimat Palästina vertrieben ist. Dieses aus seiner Heimat vertriebene Volk führt nun kurzerhand sein die sämtlichen Nebenmenschen schädigendes Treiben im Abendland fort und ruiniert dies förmlich. Was gibt es dieser Tatsache gegenüber Einfacheres, als dieses Volk zum Teufel zu jagen? Wenn fortgejagt, scheint das ganze Judenproblem für die europäische Christenheit gelöst. In dieser wirklich sehr einfachen Form erschien das Judenproblem in der Vergangenheit aller Welt; heute erscheint es dermaßen einfach nur den rabiat gewordenen Spießbürgern.

Weil der anklägerische Charakter unter den Judenkarikaturen der Vergangenheit der vorherrschende ist, d. h. weil fast nur diese Tendenz sie provoziert hat, darum sind die Judenkarikaturen auch die stete Begleiterscheinung der im dritten Kapitel geschilderten geldwirtschaftlichen Umwälzungen. Weil die Juden, wie ich dort nachgewiesen habe, an jeder dieser Umwälzungen stark und vor allem augenfällig beteiligt waren, darum begegnet man den anti-jüdischen Karikaturen auch besonders oft in den Zeiten wirtschaftlicher Krisen, und zwar vornehmlich, wenn es sich um direkte Geldkrisen gehandelt hat. Sie kommen mit diesen, und — was als höchst wichtig hervorzuheben ist! — sie verschwinden auch langsam wieder mit diesen. Die anti-jüdischen Karikaturen sind die Sturmzeichen des wirtschaftlichen Wandlungsprozesses, der sich im Schoße der Gesellschaft vollzieht. Aus dieser Tatsache leitet sich der folgende, sehr wichtige geschichtsaufhellende Charakter der anti-jüdischen Karikaturen her. Wenn man nämlich in einer Epoche und in einem Land häufiger Karikaturen auf die Juden findet, so darf man aus diesem Umstand ohne weiteres folgern, dass in diesem Land und zu jener Zeit tiefgehende wirtschaftliche Umwälzungen sich vollzogen haben oder sich noch vollziehen. Und zwar Umwälzungen, bei denen breite Massen der Bevölkerung in einer ihre Existenz gefährdende Mitleidenschaft gezogen waren oder sind. Die gleiche Schlussfolgerung gilt selbstverständlich auch noch für heute, und darum schwellen auch, besonders in Deutschland, gegenwärtig die anti-jüdischen Karikaturen so sehr an, indem eben die Liquidation des Weltkrieges zu den grundstürzendsten wirtschaftlichen Umwälzungen geführt hat, die sich jemals in der Geschichte ausgewirkt haben. In Deutschland wurden diese Umwälzungen naturgemäß früher sichtbar und auch unendlich fühlbarer als in den Siegerländern. Aus der größeren oder geringeren Gehässigkeit der in einer bestimmten Zeit erschienenen anti-jüdischen Karikaturen kann man außerdem den Grad ablesen, in dem die Existenz der breiten Massen von der betreffenden Umwälzung gefährdet war und ist. Man kann weiter aus diesen Karikaturen ablesen, welche Kreise der Bevölkerung besonders betroffen wurden. Wenn eine Wirtschaftskrise in der Geschichte eines Landes überwunden ist, verschwinden, wie gesagt, auch alsbald wieder die besonders gehässigen Judenkarikaturen; der Jude hat dann, weil er nicht mehr so oft als Exekutor der Zeit erscheint, aufgehört, der mitleidlos gehasste Todfeind zu sein. In solchen Zeiten wird die Karikatur den Juden gegenüber dann insofern versöhnlicher, als man sich damit begnügt, sie als dankbares Spottobjekt zu verwenden, genau so wie dies z. B. im 17. Jahrhundert gegenüber den Bauern geschah.

Wenn die Existenz von Judenkarikaturen erweist, dass in der betreffenden Zeit wirtschaftliche Umwälzungen vor sich gingen, und wenn diese Karikaturen durch ihre sich wandelnde Zahl und durch den wechselnden Grad ihrer Schärfe zu sehr beachtenswerten Geschichtsquellen werden, so ist das völlige Fehlen von Judenkarikaturen während einer langen Periode natürlich ebenso instruktiv. Und solche Perioden, in denen man in einem Land vergeblich nach Judenkarikaturen forscht, sind ebenfalls nicht selten. Dieses Fehlen erweist, dass in dem betreffenden Land in jener Epoche die wirtschaftliche Situation stationär geworden war, oder dass die Umformung dermaßen langsam vor sich ging, dass die katastrophalen Erscheinungen ausblieben. Die Richtigkeit dieser Behauptung ergibt sich daraus, dass jedes Land solche Perioden hatte, in denen die anti-jüdische Satire völlig schwieg, also auch solche Länder, in denen andere Zeiten geradezu eine Hochflut von anti-jüdischen Karikaturen hervorbrachten.

Und damit komme ich zuletzt noch zu einer anderen durch die Karikatur gelieferten Bestätigung: Der Umstand, dass es immer Länder gab und gibt, in denen zahlreiche Juden leben, ohne dass jahrzehntelang anti-jüdische Karikaturen dort erschienen, ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Judenfrage keine Rassenfrage, sondern vornehmlich eine Klassenfrage ist. Wäre die Judenfrage nur eine Rassenfrage, so musste man ständig auf Judenkarikaturen stoßen; denn der Rassenunterschied ist ein konstanter Unterschied. Weil sie aber vornehmlich eine Klassenfrage ist, darum begegnet man ihnen nur temporär, nämlich dann, wenn die Klassenfrage in den zu Konflikten sich steigernden Klassenkämpfen aktiv wird.

111. M. Maifisch. Düsseldorfer Monatshefte
— aß se gestudirt hat de scheene Rachel de
Blumensprache, muss de Empfindung Liebe sein.
Se kimmt!
112. Wiener Karikatur von Lanzedelli. Um 1835
Zwei Thaler kann ich geb'n, mehr nich . . . Mache Se mich nicht arm . . .
113. Illustrierter Umschlag einer ehemals viel gelesenen Sammlung humoristisch-satirischer Gedichte und Erzählungcn in jüdischer Mundart. 1833
114. Illustrierter Umschlag einer ehemals viel gelesenen Sammlung humoristisch-satirischer Gedichte und Erzählungcn in jüdischer Mundart. 1833
T014. Israelchen hat einen Ducaten verschluckt. Deutsche Karikatur. Um 1820
115. Humoristisch-satirisches Liebeslied nebst Melodie. Um 1835
116. Umschlag und Titelbild der satirischen Posse ,,Unser Verkehr“. Gez. von Th. Hosemann. (Erste Auflage erschien 1819)
117. Umschlag und Titelbild der satirischen Posse ,,Unser Verkehr“. Gez. von Th. Hosemann. (Erste Auflage erschien 1819)
118. Zwei Typen aus der Frankfurter Judengasse
119. Haust du meinen Juden, so hau ich deinen Juden. Illustriertes Sprichwort
120. Englische Karikatur auf die Emanzipation der Juden. Um 1845.
121. Ferdinand Lassalle mit der Gräfin Hatzfeld und deren Sohn. 1847
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden in der Karikatur