Die Spottfiguren an Kirchen und Rathäusern

Die ältesten bekannten Judenkarikaturen stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert und sind plastischer Art. Es sind satirische Skulpturen aus Stein oder Holz, in der Form von Reliefs an Kirchen, Rathäusern, Brückenköpfen, Dachgesimsen, Chorstühlen usw. Über diese Art satirischer Darstellungen muss ich einige allgemeine Bemerkungen voranschicken.

Früher nannte man solche, mit dem eigentlichen Zweck des betreffenden Bauwerks nicht zusammenhängende und scheinbar ganz willkürlich angebrachte Spottfiguren gemeinhin ,,Architektenscherze“. Man war der Meinung, dass die grotesken Darstellungen solcher und ähnlicher Art ausschließlich auf eine mutwillige Laune des betreffenden Rathaus- oder Dombaumeisters zurückzuführen seien, und dass die Möglichkeit hierzu in der naiven Harmlosigkeit jener Zeiten begründet war, die dem einzelnen zugestand, solche derben Scherze sogar an heiligen Orten anzubringen, weil eben alle Welt damals Freude an Scherz und Spott hatte. Diese Anschauung ist im Wichtigsten ein vollständiger Irrtum. Ich habe auf das Irrige dieser Meinung schon vor Jahren in meiner „Karikatur der euräpaischen Völker“ hingewiesen und die Behauptung aufgestellt, dass es sich in den meisten dieser sogenannten „Architektenscherze“ absolut nicht um bloße Zufallsprodukte eines erfinderischen oder boshaft veranlagten Rathaus- oder Dombaumeisters handle, der auf diese Weise einer Privatlaune oder auch einer Privatrache genügen wollte, sondern um etwas wesentlich anderes und viel wichtigeres. Ich habe auseinandergesetzt, dass es sich in der Mehrzahl dieser eigenartigen Spottbilder oder Symboliken um nichts Geringeres als um öffentliche Proklamationen offiziellen Charakters von seiten einer Städteregierung oder von seiten einer Kirchenbehörde handelte. Diese Ansicht habe ich davon abgeleitet, dass bei aller Freude am Derben oder Grotesken, die jene naiven Zeiten auszeichnete, alle Verhältnisse doch zu sehr gebunden waren, um dem einzelnen eine solche über alles Maß hinausgehende Betätigung seiner individuellen Laune an einem öffentlichen Gebäude zu erlauben. Eine solche Freiheit war umso weniger denkbar, als damals ein öffentliches Gebäude, wie Rathaus oder Kirche, ganz anders wie heute im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stand, und dass gerade diese Gebäude stets den höchsten und bei jeder Gelegenheit betonten Stolz der betreffenden Stadt bildeten; auf ihre Errichtung konzentrierte man jahrzehntelang, bei Domen sogar jahrhundertelang den größten Teil aller verfügbaren Mittel. Dabei fällt noch ganz besonders ins Gewicht, dass die meisten dieser Spottreliefs an sehr sichtbaren Steilen angebracht waren, sodass sie jedem des Weges Kommenden auffallen mussten. Manche dieser Spottfiguren sind darum auch zum förmlichen Wahrzeichen der betreffenden Stadt geworden. Angesichts dieser verschiedenen Umstände folgerte ich: In jenen Zeiten, wo es noch keine Buchdruckerkunst gab, oder diese eben erst erfunden worden war, und man also das Plakat noch nicht kannte, da sollten die Steine im Namen der Gemeinde reden; diese Darstellungen sollten gewissermaßen ,,ewiglich“, — denn früher, wo sich die Zustände nur langsam wandelten, rechnete man immer mit dem Maßstab der Ewigkeit — dem Volke eine bestimmte Moral täglich vor Augen führen. Diese Ansicht hat inzwischen ihre dokumentarische Bestätigung gefunden, indem sich bei der Durchforschung von alten Ratsprotokollen und Stadtrechnungen in den letzten Jahren mehrfach ergeben hat, dass anlässlich bestimmter Ereignisse angesehene Bildhauer vom Rate einer Stadt ausdrücklich mit der Anfertigung und Anbringung eines entsprechenden „Schandbildes“ beauftragt worden waren, und dass die Kosten auch aus der Stadtkasse bezahlt worden sind. Aus solchen Protokollen ergab sich weiter, dass die Stadtväter sich mitunter nicht nur mit einem allgemeinen Auftrag begnügt, sondern dass sie auch genau vorgeschrieben hatten, in welcher Weise sie ein solches Schandbild im Einzelnen ausgeführt haben wollten.


Dieser Umstand, dass es sich bei diesen alten, vielfach noch erhaltenen Spottfiguren an Kirchen, Rathäusern usw., wenn nicht immer, so doch vielfach um offizielle Veranstaltungen der maßgebenden Körperschaften handelt, erhöht natürlich die kulturgeschichtliche Bedeutung dieser satirischen Steindokumente ganz außerordentlich. Was sonst nur Dokument individueller künstlerischer Phantasie und Laune gewesen wäre, wird hierdurch zu einem Zeitdenkmal wichtigen Ranges.

Ich habe oben gesagt, dass man in solchen Spottfiguren an Kirchen und Rathäusern die ältesten bekannten Judenkarikaturen besitzt; einige von ihnen dürften wahrscheinlich als die ersten Judenkarikaturen überhaupt gelten. Denn in anderer Form waren Karikaturen nur in den spätmittelalterlichen Handschriften möglich gewesen. Solche sind aber meines Wissens bis jetzt nicht bekanntgeworden. Die Judendarstellungen im Heidelberger Sachsenspiegel von 1220 haben keinen karikaturistischen Charakter. Die frühesten graphischen Judenkarikaturen stammen erst aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, da der Holzschnitt erst in dieser Zeit aufkam.

Diese Spottreliefs stehen nun aber nicht nur der Zeit nach an erster Stelle, sie stehen an dieser Stelle auch infolge ihrer sonstigen Bedeutung. Es handelt sich bei diesen steinernen „Schandbildern“ auf die Juden tatsächlich um nichts anderes, als um die bedeutsamsten Judenkarikaturen aller Zeiten. Diese außerordentliche Bedeutung erhielten sie vornehmlich durch die maßlose satirische Form, in der die Juden in dieser auffälligsten aller Publikationsmethoden der Öffentlichkeit demonstriert und damit dem allgemeinen Spott ausgeliefert werden sollten. Diese Demonstration geschah nämlich fast durchweg in dem Gleichnis von der sogenannten Judensau.

Die Judensau. Dieses Bild, das den Juden zur Schande, wie man damals sagte, an den Kirchen und Rathäusern der verschiedensten Orte immer wieder von neuem errichtet wurde, zeigt eine Anzahl von Juden in innigster Beziehung mit einem riesigen Mutterschwein. Luther beschreibt die aus dem 15. Jahrhundert stammende Darstellung der Judensau an der Pfarrkirche zu Wittenberg, die zu den typischen gehört, wie folgt:

Es ist hie zu Wittenberg an unser Pfarrkirchen eine Sau in Stein gehauen, da liegen junge Ferkel und Juden unter, die saugen, hinter der Sau stehet ein Rabin, der hebt der Sau das rechte Bein empor, und mit seiner linken Hand zeucht er den Pirtzel über sich, bückt und guckt mit großem Fleiß der Sau unter den Pirtzel in den Talmud hinein, als wollte er etwas scharfes und sonderliches lesen und ersehen, daselbsther haben sie gewisslich ihr Schemhamphoras, denn es sind vor Zeiten sehr viel Juden in diesen Landen gewest, das beweisen die Namen der Flecken, Dörfer, auch Bürger und Bauren, die ebräisch sind, noch heutiges Tags. Dass etwa ein gelehrter ehrlicher Mann solch Bild hatt angeben und abreißen lassen, der dem unflätigen Lügen der Judenfeind gewesen ist.

Dieser „Judensau“, so nannte man dieses satirische Spottbild im 15. und 16. Jahrhundert allgemein, begegnet man am frühesten, nämlich bereits Ende des 13. Jahrhunderts, am Dom zu Magdeburg. Von hier aus — vielleicht aber auch von einer noch früheren, heute jedoch untergegangenen und darum vergessenen Darstellung — machte sie ihren Weg durch ganz Deutschland. Am Dom in Regensburg wurde sie im 14. Jahrhundert angebracht, am Dom in Freising und an der Pfarrkirche zu Wittenberg anscheinend im Anfang des 15. Jahrhunderts. Bei der Judensau am Rathaus von Salzburg wissen wir aus den Ratsprotokollen sogar das genaue Jahr, sie wurde im Jahre 1487 aufgestellt. Im 16. Jahrhundert errichtete man sie an dem Rathaus von Kehlheim, (heute an der dortigen Apotheke eingemauert) desgleichen an der steinernen Brücke in Frankfurt am Main. Das sind diejenigen Darstellungen der Judensau, die sich teils im Original, teils in Abbildungen erhalten haben. Nach verschiedenen zeitgenössischen Berichten aus dem 16. und 17. Jahrhundert soll es jedoch damals noch eine ganze Anzahl von Orten gegeben haben, wo die Judensau entweder an einer Kirche oder am Rathaus dargestellt war. So heifit es z. B., dass in der Nähe von Magdeburg, und ebenso in der von Regensburg mehrere Orte waren, in denen sich solche steinerne Zeugnisse des damaligen Judenhasses befanden. Direkt genannt werden die Städte Zerbst und Bamberg. Ihre wirkliche Zahl dürfte also wohl nach Dutzenden gezählt haben. (Bild 6, 9, 16.) Auch außerhalb Deutschlands, vornehmlich an französischen und flämischen Kirchen, sah man mehrfach die Judensau. (Bild 15.) In den flämischen Kirchen findet man übrigens noch andere Spottfiguren auf die Juden (Bild 7 u. 8); und zwar nicht nur in Stein, sondern auch in Holz geschnitzt am Chorgestühl, das bekanntermaßen häufig zu solchen Zwecken benutzt wurde.

Die verschiedenen bekanntgewordenen Darstellungen der Judensau sind sich nicht vollkommen gleich; sie decken sich nur in der satirischen Grundidee. Jede Stadt hat irgend eine Pointe variiert, eine neue hinzugefugt, oder auf eine andere verzichtet. Auf der Judensau des Doms zu Freising reitet z. B. nur ein Jude auf einer Sau; auf einer anderen ist der. Sau ein mächtiger Kothaufen vorgesetzt, den sie eifrig beschnuppert. Außerdem ist mehrfach ein erläuternder Text eingemeißelt. Unter der Judensau zu Freising las man: „So wahr die Maus die Katz nit frisst, wird der Jud ein wahrer Christ“, an einer anderen las man:

„Saug du die Milch, Friss du den Dreck,
Das ist doch euer best Geschleck“.

Dieser höhnische Spruch hat auch mehrfach als Text für die später in der Form von Einblattdrucken erschienenen Judenkarikaturen gedient. (Bild 50.) Auf der Kehlheimer Judensau, die laut dem beigefugten Text an die Vertreibung der Juden aus Rothenburg ob der Tauber anknüpft, wird der Sau von einem Juden eine Tafel mit hebräischem Text vorgehalten. (Bild 9.)

Hier mag eingeschaltet sein, daft die Judensau am Rathausturm zu Salzburg, die dort bis am Ende des 18. Jahrhunderts zu sehen war, zu jenen „Schandbildern“ gehört, bei denen es sich protokollarisch nachweisen lässt, dass es sich darin um einen direkten Auftrag der Stadtbehörde handelt. Der Salzburger Rabbiner Dr. Adolf Altmann hat für seine „Geschichte der Juden in Stadt und Land Salzburg“ (Berlin 1913) die alten Ratsprotokolle durchforschen können. Dabei fand er in den Kammerrechnungen des Jahres 1487 den folgenden Eintrag: „Item dem Valknawer und Heinrich Maler um den Juden und Sau Ratturm - - - 6 F. 28 Pf.“ Daraus ergibt sich unwiderleglich, dass es sich bei diesem Bild um einen Auftrag der Stadt handelt, und dass zur Zeit der Bezahlung aus der Stadtkasse im Jahre 1487 das Spottbild am Rathausturm bereits angebracht war. Dass wir aus dieser Eintragung in den Stadtrechnungen zugleich den Namen des Bildhauers erfahren, den die Stadt mit diesem Auftrag betraut hat, ist auch sehr wichtig, weil wir daran feststellen können, wie viel der Stadt an diesem Auftrag lag; denn sie hat ihn nicht einem beliebigen Steinmetzmeister übertragen, sondern sie hat sich zu seiner Ausführung einen der tüchtigsten seiner Kunst ausgesucht. Der genannte Bildhauer Valkenauer ist derselbe, der von Kaiser Maximilian I. mit der Herstellung eines großen Denkmals für die Kaisergräber im Dom zu Speyer betraut worden war. Dieses Denkmal gilt heute noch als eine sehr gute Leistung. Leider hat sich das von Valkenauer für den Salzburger Rathausturm hergestellte Marmorrelief mit der Judensau nicht erhalten.

Der symbolisch-satirische Gedanke der Judensau ist sehr einfach und sehr leicht verständlich , so dass die Zeitgenossen keines Kommentars bedurften, um dieses Schandbild restlos verstehen und genießen zu können; denn alle diese Dinge genoss man damals mit breitem Behagen. Weil man damals noch nicht so abwechslungsbedürftig war wie heute, bildeten solche Darstellungen immer wieder einen beliebten Gesprächsstoff. Aber es erschienen obendrein auch gedruckte Kommentare, und die Chronikenschreiber kamen jahrhundertelang bei ihren Berichten und Schilderungen immer wieder gerade auf solche Wahrzeichen einer Stadt mit Vorliebe zurück. Die Beschreibung der Wittenberger Judensau durch Luther habe ich schon zitiert. Der Dichter Heinrich Schröter aus Weißenborn deutet die Judensau am Rathaus zu Salzburg in seinem 1613 in Darmstadt erschienenen Gedicht „Deliciae judaicae“ auf folgende Weise:

Die Sau, darauf ein Rabbi reit
Dadurch wird mancherlei bedeut',
Und steht solch Bild zu Magdeburg
Und an dem Rathaus zu Salzburg.
Ein jung Jud saugt die Milch am Schwein,
Dieweil die Juden im gemein
Ihr Kinder bei der Milch tun lehrn

Wie sie Christum nur sollen unehren.
Sonst schickt sich auch der Juden Art
Und auch der Schwein fast auf ein Kart.
Ein Schwein liegt stets in Dreck und stinkt
Wanns schon wird geschlagen, dass es hinkt,
Lässts doch nicht ab, wenns Nahrung weiß
Und frisst garstig allerlei Speis.

Ober die an der steinernen Brücke von Frankfurt angebrachte Judensau sagt ein Chronist: dies Bild bedeute „dass Juden und Schweinen der Eintritt in die Stadt verboten sei.“

Für die Juden konnte es keine größere Schmähung geben, als diese intime Verbindung mit dem Schwein, wie sie die Darstellung der Judensau in jeder ihrer Variationen aufzeigt. Alles was vom Schwein kommt, ist bekanntlich dem Juden durch seine Religion aufs strengste verboten. Der Jude begeht eine der größten Sünden, wenn er etwas vom Schwein isst; er stellt sich hierdurch direkt außerhalb der jüdischen Gemeinschaft. Noch in unserer Gegenwart genügte es, dass, wenn sich ein Jude ostentativ vom Judentum (als religiöse Organisation) loslösen wollte, er nur dieses strengste jüdische Speiseverbot öffentlich zu übertreten brauchte. Und manche haben es auch auf diese Weise erreicht, wenn sie sonst keine Form fanden, vom offiziellen Judentum loszukommen. Als z. B. der geistige Mentor meiner Junglingsjahre, der frühere Rabbiner und hervorragende Spinozaforscher Jakob Stern, seinen völligen Bruch mit dem offiziellen Judentum unwiderlegbar an die Öffentlichkeit bringen wollte, setzte er sich an einem Samstag, also am jüdischen Sabbath, in Stuttgart mitten auf den Marktplatz an eine Stelle, wo zahlreiche aus der Synagoge heimkehrende Juden vorübergehen mussten, und aß ostentativ eine Anzahl Schinkenbrötchen. Der Erfolg, den dieser als Charakter und als Denker gleich ausgezeichnete Mann erstrebt hatte, traf ein. Die jüdische Gemeinde verzichtete auf ein solches Mitglied, das nicht nur frei und großdenken, sondern auch unbeschwert von lächerlichen Dogmen leben wollte. Im 14. bis 16. Jahrhundert hielt sich selbstverständlich jeder einzelne Jude streng an dieses Gebot, denn damals gab es nur orthodoxe Juden. Das wusste damals selbstverständlich alle Welt, denn das war ja einer der bezeichnendsten Unterschiede, durch die sich der Jude in seinen Lebensgewohnheiten vom Christen schied. Aber gerade darum lockte es die Zeitsatire, die entgegengesetzte Kombination zu konstruieren, um auf diese Weise die Juden zu verhöhnen. Sie zeigt deshalb die Juden in der denkbar intimsten Beziehung zum Schwein, die zugleich die beschimpfendste ist, die es geben kann. Die Zeitsatire lässt den Rabbiner rücklings auf dem Rücken einer mächtigen Muttersau reiten und an deren Schwanz saugen. Sie zeigt wie Judenkinder, aber auch Erwachsene, gleich Ferkeln am Gesäuge der Muttersau hangen und deren Milch saugen; ein anderer Jude verschlingt sogar gierig deren Kot. Wieder ein anderer Jude schaut unter dem emporgehobenen Pirzel der Sau in den — Talmud, wie Luther sagt.

Wie man sieht, spielt die Obszonität, durch die man den Juden „Schand antut“ die Hauptnöte in diesem Spottbild. Gewiss müssen wir, wenn wir richtig urteilen wollen, uns gerade bei diesem Punkte klar werden, welcher Mittel sich die Satire und damit auch die Karikatur im allgemeinen zu den verschiedenen Zeiten mit besonderer Vorliebe bedient hat. Und da muss man denn ohne weiteres zugeben, dass im 14. bis 17. Jahrhundert das Obszöne eine sehr häufige Note in jedem satirischen Konzert gewesen ist. Wenn die Karikatur eine Person oder eine Sache angriff oder verächtlich machen wollte, so griff sie gemäß der derben Zeitanschauung und dem ihr entsprechenden Sprachschatz mit Vorliebe zu obszönen Worten, Bildern und Vergleichen. Symbole aus dem Verdauungs- und Absonderungsprozess waren in jenen naiven Zeiten in der Karikatur also nichts Ungewöhnliches. Die entsprechenden Worte und Bilder waren nicht nur in der Umgangssprache und in dem Ton der breiten Masse „gang und gäbe,“ man konnte auch in der sogenannten besseren Gesellschaft sehr oft obszöne Worte hören. Nichtsdestoweniger sind solche Obszönitäten, wie sie fast alle Darstellungen der Judensau aufweisen, (und wie man ihnen auch in anderen anti-jüdischen Karikaturen begegnet) Ausdruck und Beweis einer wirklich grenzenlosen Verachtung der Juden; denn jene Zeit brachte eben auf solche Weise den Höchstgrad ihrer Verachtung zum Ausdruck. Darum aber ist die obszöne Dominante in der Judensau der augenfälligste Beweis dafür, bis zu welchem außerordentlichen Grad die allgemeine Verachtung der Juden in der sogenannten öffentlichen Meinung mehrere jahrhundertelang ging. Denn die Demonstration dieses Spottbildes und seine Wirkung war ja keine vorübergehende. Die von den Schöpfern dieser Art Spottfresken angestrebte Dauerwirkung war in dem Fall der Judensau jedenfalls vollkommen erreicht worden. Tatsächlich hat keine Karikatur der Welt, und zwar nicht bloß keine Karikatur auf die Juden, eine solche lang andauernde Beachtung gefunden. Keine einzige wurde im Lauf der Zeit von so vielen Menschen gesehen und beachtet.


T015. Wie Amschel Rothschild durch die Welt kutschiert — die Pleitegeier vorgespannt Frankfurter Karikatur. Um 1840
122. Durch meine Schuld. Karikatur auf Louis Philipp. Eulenspiegel, Stuttgart. 1848
123. Der Jüd af der Wocht. Wiener Karikatur von Lanzedelli auf die Juden als Nationalgardisten während der Revolution 1848.
124. Lanzedelli. Auf die Emanzipation der Juden. Wien. 1848
- Segen über Israel und seine Kinder. Mer wer'n kriegen gleiche Rechte mit dem Gojim. „Was sagst dazu Schabs’l?
- Jeich dun mer 1ieber handlen, in der Handlung zaigt sich der Mensch.
125. Leipziger Karikatur auf die Emanzipation der Juden. 1848
126. Münchener Karikatur auf die skrupellose Staatsmoral gegenüber den Juden. Von Kaspar Braun. Fliegende Blätter. 1849
127. Humoristisch-satirische Flugschrift in jüdischer Mundart auf die Emanzipation der Juden. 1849
T015. Die Generalpumpe. Frankfurter Karikatur auf Amschel Rothschild als intemationalen Geldgeber. 1845
128. Karikatur auf die Emanzipation der Juden. 1848
129. Die Juden im Bunde mit der monarchischen und kirchlichen Reaktion. 1848
130. Die herausgemanzipirten Juden. Wiener Karikatur auf die Emanzipation der Juden. 1848
131. Juden-Emanzipation in Bayern. Reichsbremse, Leipzig. 1848
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden in der Karikatur