Die Juden in der Karikatur

Ein Beitrag zur Kulturgeschichte
Autor: Fuchs, Eduard (1870-1940) Kulturwissenschaftler, Historiker, Schriftsteller, Journalist, Redakteur und Kunstsammler, Erscheinungsjahr: 1921
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Gesellschaft, Politik, Antisemitismus, Judenhass, Finanzwirtschaft, Kapitalismus, Karikatur, Kultur, Makler, Börse, Börsenspekulationen, Geld, Kredit, Hypotheken, Pfandhaus, Politiker, Medien, Presse, Spekulanten, Bestechung, Betrug, Korruption, Ratenkredit, Werbung, Verleumdung, Gewalt, Verfolgung, Vernichtung, Beraubung, Schändung, Vertreibung,
            Vorwort

Dieses Buch lag auf meinem Weg, genau wie mein früheres Werk „Die Frau in der Karikatur.“ Die Judenfrage ist neben der Frauenfrage eines der auffälligsten Sondergebiete in der Karikatur aller Zeiten und Volker. Ich musste dieses Buch also eines Tages schreiben, nachdem ich die Karikatur als eine wichtige Wahrheitsquelle für die geschichtliche Erforschung der Vergangenheit erkannt und proklamiert hatte. Der Plan zu diesem Buch ist deshalb schon sehr früh bei mir aufgetaucht, und die ersten Vorarbeiten — das Sammeln der bezeichnendsten Judenkarikaturen und der für die Ausarbeitung ebenso wichtigen literarischen Flugblätter — liegen ebenfalls schon sehr weit zurück. Meine ursprüngliche Absicht war, das Buch etwa um das Jahr 1915 herauszubringen, nach Vollendung meiner Daumier-Ausgabe.

Der Weltkrieg hat diesen Plan zerstört. Er hat es mir unmöglich gemacht, mein Material zu vervollständigen, das unentbehrliche Quellenmaterial aufzutreiben, und er hat auch die technischen Vorbedingungen der Herstellung Jahre hindurch zunichte gemacht. Diese technischen Vorbedingungen sind erst seit kurzem wieder gänzlich gegeben. Leider unter den allgemein bekannten veränderten Umständen, die ein Buch sechs- bis achtmal so teuer machen wie früher. Und das ist für mich die größte Hemmung beim Schreiben. Bücher schreiben, die in der Hauptsache nur noch von Leuten mit ungeheuer gesteigertem Einkommen gekauft werden können, das ist fast literarischer Hurendienst. Wenigstens empfinde ich es so. Für eine neue Menschheit zu schreiben, müsste köstlich sein, nicht aber für die neuen Reichen. Glücklich jene, die diese neue Menschheit erleben.

Da es sich in diesem Buch um eine rein historische Arbeit handelt, der jede parteipolitische oder agitatorische Tendenz mangelt, und da die Erkenntnisse, zu denen meine historischen Untersuchungen führen, nur insofern aktuelle Bedeutung haben, als sie die Gesetze aufdecken, die auch in der Gegenwart bei der Entstehung von Judenkarikaturen letzten Endes wirksam sind, so hat diese Verzögerung in der Ausarbeitung und im Erscheinen auf den ursprünglichen Plan keinerlei Einfluss ausgeübt. Dagegen haben die Erfahrungen des Weltkrieges, der besonders in den Ländern der Besiegten zu einer neuen und starken antisemitischen Welle geführt hat, meine Erkenntnisse über die geschichtlichen Zusammenhänge des Antisemitismus im Gegenteil nach jeder Richtung bestätigt und bekräftigt. —
Über das Arrangement der Bildbeigaben auf den folgenden Seiten möchte ich an dieser Stelle einige Worte voranschicken. Es ist zweifellos für den Leser am bequemsten und für das aufmerksame Lesen am eindruckvollsten, wenn Bild und Text sich insofern miteinander decken und verschmelzen, dass die Bilder sich dem Beschauer auch auf den Seiten darbieten, auf denen im Text davon die Rede ist. So sehr ich die Wichtigkeit dieses Umstandes einsehe, muss ich doch leider erklären, dass diese Absicht alsbald ein technisch unlösliches Problem darstellt, wenn man sich gleichzeitig von dem Bestreben leiten lässt, so viel als nur irgend möglich an Bildmaterial vorzuführen. Dieses aber scheint mir das Wichtigere zu sein. Das zeitgenössische Bild ist für mich, wie gesagt, eine überaus wertvolle Wahrheitsquelle, die nach meiner Oberzeugung niemals durch Worte ebenbürtig zu ersetzen ist. Darum suche ich bei allen meinen Büchern dem Leser so viel an Bildmaterial vorzuführen, wie buchtechnisch irgendwie möglich ist. Dazu kommt im vorliegenden Falle, dass das Bild nicht den Text illustrieren soll, sondern dass der Text den Bilderreichtum begründen soll. Unter diesen Umständen ist selbstverständlich ein Zusammentreffen von Text und Bild ausgeschlossen, und der Leser muss sich mit der Unbequemlichkeit abfinden, an der Hand der entsprechenden Hinweise im Text das Zusammengehörige selbst aufzufinden. Die Reihenfolge der einzelnen Bilddokumente habe ich in der Hauptsache historisch getroffen, im besonderen aber ist das Arrangement bestimmt gewesen von dem Wunsch nach einer künstlerisch-harmonischen Gesamtwirkung.

Noch einen Punkt möchte ich an dieser Stelle erwähnen. Die Besitzer meiner „Karikatur der europäischen Volker“ und der „Frau in der Karikatur“ werden in diesem Bande einigen Karikaturen begegnen, die ich bereits in diesen beiden Büchern wiedergegeben habe. Es handelt sich hierbei um insgesamt 12 Abbildungen. Ich weise auf diese Wiederholung hier deshalb mit besonderer Absicht hin, weil ich damit von meinem bis jetzt streng eingehaltenen Plan abgewichen bin, in jeder neuen Veröffentlichung auch absolut neues Bildmaterial vorzuführen. Bei einer Sonderbehandlung eines Einzelgebietes, wie es z. B. die Juden in der Karikatur darstellen, muss ich natürlich alles bezeichnende Material vereinigen und durfte nicht auf jene Blätter verzichten, die ich früher schon in anderem Zusammenhang vorgeführt habe, wenigstens nicht, soweit es sich um besonders bezeichnende Beispiele handelt.

Berlin-Zehlendorf, im Sommer 1921
Eduard Fuchs

T001 Ein jüdischer Makler. Englische Karikatur von Thomas Rowlandson. 1801

T001 Ein jüdischer Makler. Englische Karikatur von Thomas Rowlandson. 1801

023. Der Jurist, der Jude und die Frau machen die ganze Welt irr. Spottbild von Hans Wandereisen. Nürnberg 1520

023. Der Jurist, der Jude und die Frau machen die ganze Welt irr. Spottbild von Hans Wandereisen. Nürnberg 1520

017. Titelblatt von Martin Luthers Schrift wider die Juden Satirischer Holzschnitt von Lukas Cranach. Wittenberg 1543

017. Titelblatt von Martin Luthers Schrift wider die Juden Satirischer Holzschnitt von Lukas Cranach. Wittenberg 1543

014. Bauer und Städter beim jüdischen Geldverleiher. Nürnberger Holzschnitt 1491

014. Bauer und Städter beim jüdischen Geldverleiher. Nürnberger Holzschnitt 1491