Der Anteil der Juden an der europäischen Kultur

Ich komme jetzt zur Zusammenfassung alles dessen, was ich bis jetzt dargelegt habe, und damit zur präzisen Antwort auf die Frage nach dem Anteil der Juden an der europäischen Kultur, von der ich oben (S. 8) sagte, dass man von ihr ausgehen müsse.

Mit den vorstehenden Ausführungen ist in großen Zügen die von mir aufgestellte Behauptung über den ungeheuren Anteil der Juden an dem Aufbau der kapitalistischen Wirtschaftsweise wohl ausreichend belegt. Dieser Anteil ist, wie man sieht, vom ersten Tage an ununterbrochen inspirativ gewesen und dauernd neu organisierend. Der Anteil der Juden an der kapitalistischen Wirtschaftsweise könnte nicht größer gewesen sein, und ich wage wiederholt zu sagen, womit ich diesen Abschnitt einleitete: ohne Juden gäbe es keinen Kapitalismus.


Selbstverständlich ist durch diese Beweisführung auch zugleich die Frage über den Anteil der Juden an unserer europäischen Kultur nicht bloß in einer allgemeinen Form, sondern ganz präzis beantwortet. Weil die Juden in ausschlaggebender Weise die Miturheber und Mitverantwortlichen für unsere gesamte kapitalistische Wirtschaftsweise sind, darum sind sie dies in gleichem Umfange auch gegenüber der gesamten europäischen Kultur. Auch hier sind sie nicht für diesen oder jenen Teil mitverantwortlich, sondern für das Ganze. Sie haben die europäische Kultur in jedem Sinne und in allen ihren Ausstrahlungen beeinflusst. Man kann gerade hier am allerwenigsten scheiden und etwa sagen: dieser (schlechte) Teil kommt auf das Konto der Juden, und jener (gute) Teil kommt auf das Konto der Christen. Natürlich kann man auch nicht das Umgekehrte sagen. Die europäische Kultur ist ein unteilbares Ganzes, aus dem sich nicht willkürlich irgendein Stuck loslösen lässt. Sie ist in ihrer Gesamtheit kapitalistisch, weil sie in ihrer Basis kapitalistisch ist. Jede einzelne, die geringste wie die größte ihrer Erscheinungen, ist aus dem Wesen des kapitalistischen Interesses geboren und von ihm geformt. Darum also sind die Juden, gemeinsam mit den Christen, auch für alles verantwortlich, für das Böse und für das Gute der kapitalistischen Kultur, sofern man diese Charakterisierung anwenden will. Das muss man als Antwort geben, wann und wo der übliche Vorwurf der verhetzten Gedankenlosigkeit erhoben wird, die Juden seien nur Schädlinge an unserer Kultur.

Man kann nur dann ein Verdammungsurteil über die Juden im allgemeinen fällen, wenn man den Mut auf brächte, zugleich die gesamte kapitalistische Wirtschaftsweise zu verwerfen, d. h. wenn man erklären würde: die europäische Menschheit wäre glücklicher geworden, wenn die Juden uns Nordländern niemals begegnet wären, und wenn die europäische Kultur dadurch vom Kapitalismus überhaupt verschont geblieben wäre. So kann man gewiss folgern (ob mit Recht, ist natürlich eine andere Frage), und man kann auch durch tausend tragische Beispiele nachweisen — angefangen von der Syphilis als dem allerersten Geschenk der Neuen Welt an Europa bis herauf zum Weltkrieg — , dass alles dies dann nicht über uns gekommen wäre, und dass die Herrlichkeiten der bürgerlichen Kultur damit jedenfalls sehr teuer bezahlt seien, dass sich dieses Assoziationsgeschäft zwischen Jude und Christ für die Menschheit letzten Endes doch nicht gelohnt habe. Einen solchen Standpunkt kann man einnehmen. Aber eine solche Geschichtsphilosophie ist höchst unfruchtbar, denn damit wird die Geschichte nicht erklärt, sondern nur bedauert. Da aber ersteres meine Aufgabe ist, weil man nicht mit der Geschichte rechten kann, darum muss man ihren hinter uns liegenden Verlauf als eine nicht abzuwendend gewesene Zwangsläufigkeit hinnehmen. Hätt' der Bub das Mädel nicht geküsst . . . hätt' der Herrgott das Madel nicht erschaffen . . . usw., dann wäre die Wiege freilich leer geblieben. „Sie haben“ aber nun einmal, der liebe Herrgott und der Bub.

Aus derselben Logik heraus müssen wir uns damit abfinden, dass die europäische Geschichte seit 600—800 Jahren nicht nur hin und wieder mit dem jüdischen Kalb gepflügt hat, sondern dass sie in der ganzen Zeit niemals ohne dieses gepflügt hat. Und solches hatte seine selbstverständlichen Konsequenzen. Diese lauten: die Juden haben unter allen Völkern der Erde die umwälzendste Rolle gespielt. Ihre Rolle ist gleich der des Geldes, dessen umfangreichste Beherrscher sie von jeher sind. Sie haben damit dem modernen Antlitz der Welt, dem Gesicht, das diese seit dem Ausgang des Mittelalters tragt, einen Teil seiner wesentlichsten Züge verliehen; sie sind durch ihren Zusammenprall mit dem Abendland zu Menschheitsbildnern gewaltigsten Stiles geworden.

Selbstverständlich ist mit dieser Einsicht in die weltgeschichtliche Rolle des Judentums noch lange nicht jeder jüdische Schnorrer und jeder Schacherjude zur welthistorischen Erscheinung gestempelt. Ebenso wenig ist damit abgeleugnet, dass es zu allen Zeiten viele Tausende von Juden gab, die alles andere, nur keine reinen Engel des Lichtes waren.

Aber die Geschichte beweist auch, dass sie dies gar nicht sein konnten, weil der ewige Paria der Gesellschaft auch alle Laster des Paria mit sich herumschleppt. Wenn die Juden also, genau wie die Christen, höchstens in einzelnen Exemplaren welthistorische Erscheinungen waren, in ihrer Masse dagegen eher alles andere, so erfüllten sie in ihrer Masse trotz alledem und nichtsdestoweniger ein weit auswirkendes welthistorisches Gesetz.

Angesichts dieser Tatsache, die nun einmal nicht bezweifelt werden kann, ist es schließlich ganz müßig, die Frage nach der schöpferischen Potenz der Juden aufzuwerfen, der man immer wieder in der Form des Einwandes begegnet, die Juden seien nur kritizistisch, nur negierend veranlagt und womit die sich objektiv Nennenden ebenfalls die angebliche Minderwertigkeit der Juden gegenüber den Christen beweisen wollen. Dieser Einwand beruht auf dem groben Irrtum, als gäbe es nur eine einzige Form, nämlich unsere abendländische, in der sich schöpferische Potenz zu manifestieren vermöge. Hier handelt es sich um kein Problem, das bloß auf Ja und Nein gestellt ist, sondern um das Problem der verschiedenen Erscheinungsformen der Potenz. Die Juden sind ebenfalls schöpferisch, aber es ist zweifellos, dass sie dies in einer ganz anderen Weise sind als wir Nordländer. Sie sind schöpferisch aus dem Intellekt und nicht so sehr aus der Anschauung. An der Kunst ist dies am deutlichsten zu demonstrieren. Ein Wilhelm Leibl wäre aus der jüdischen Psyche nicht zu erklären, andererseits ist es unbestreitbar, dass ein Liebermann mehr mit dem Verstand als mit den Augen malt. Das Verstandesmäßige ist aber auch in der Kunst nicht ohne weiteres ein Qualitats-, sondern in erster Linie ein Wesensmerkmal. Wenn etwas die schöpferische Potenz der Juden erweist, so ist es eben gerade ihr Anteil am Aufbau der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Diese Gesamtleistung des Judentums ist ein viel zwingenderer, weil geradezu gigantischer Beweis für die jüdische Schöpferkraft, als der Nachweis, dass der oder jener Jude, ein Baruch Spinoza, ein Heinrich Heine, ein Karl Marx, ein Max Liebermann, ein Albert Einstein usw. , neue und große Werte in den kulturellen Besitzstand der Menschheit eingefügt hat. Und auch dieser Nachweis wäre fürwahr nicht allzu schwer zu führen. Solches aber bedeutet schöpferisch sein. Und wenn es Einer ist, so ist es auch die ganze Rasse.

090. Schmul deklamiert Rebeka seine Herzensidee vor Satirischer Nürnberger Kupferstich. Um 1825
Ja, Rebeck'che, mag michs auch ankommen, wie es will, es muss heraus — Rebeck'che, verseigen se Rebeck'che — ich liebe se! — Gott — es ist heraus, wie werd mer — de Welt werd finster — ich bin taudt! — Seyn se mer bais wegen de Freiheit? — Schämen se sich nicht, heitern se mer auf, entdecken se mer ihr Herzche — sagen se nicht mehr: Gaihn se furt meschanter Schmul! — Ach Gott — wie schain waren se doch da in der Hitz! —
091. Übung der Geduld im lieben jüdischen Ehestande. Nürnberger Karikatur. Um 1823
092. Nürnberger Karikatur. Um 1830
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T011. Moses in den Binsen. Galante englische Karikatur von G. M. Woodward. 1799
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden in der Karikatur