Der jüdische Kipper und Wipper

Ich habe im dritten Kapitel nachgewiesen, wie der Jude infolge seines großeren Reichtums an Barmitteln und noch mehr infolge seiner besonderen intellektuellen Fähigkeiten für alle Gebiete der Geldwirtschaft allmählich zur herrschenden Finanzmacht emporgestiegen ist. Diese Tatsache fand ihren äußeren Ausdruck zuerst durch die besonders häufige Verpachtung von fürstlichen, bischöflichen und städtischen Münzstätten an die Juden. Selbstverständlich war damit dem skrupellosesten Egoismus und einer ununterbrochenen Ausplünderung der Volksmassen Tür und Tor geöffnet. Freilich nicht etwa bloß deshalb, weil diese Münzstätten vorwiegend an die Juden verpachtet wurden, sondern weil überhaupt die Geldausprägung aus einem behördlichen zu einem privaten Unternehmen gemacht wurde, bei dem die amtliche Kontrolle nur ganz ungenügend sein konnte, und bei dem man überhaupt gar nicht strenge sein wollte. Die größte Gefährlichkeit dieses Betriebes, die seine Wirkung schließlich zu einer katastrophalen für die gesamte Volkswirtschaft machte, bestand jedoch darin, dass die Verpächter der Münzstätten an ihre Pächter Forderungen stellten, die an sich schon nichts anderes als ein glatter Betrug auf Kosten der Taschen des Volkes waren. Die privaten Münzmeister sollten das Geld strecken! Sie sollten durch immer größeren Zusatz von Kupfer bei den Silbermünzen die seitherigen Münzen geringwertiger ausprägen, sie sollten aus einer alten vollwertigen Münze vier, fünf, ja bis zehn neue — zum gleichen Werte herstellen. Auf diese Weise glaubten und hofften im 17. Jahrhundert die Münzherren, Fürsten und Städte aus ihren besonders im Dreißigjährigen Kriege immer größer werdenden Geldkalamitäten herauszukommen. Die Banknote und die Notenpresse gab es damals noch nicht, also konnte man noch nicht mit den Mitteln ,,arbeiten“, wie es seit dem Weltkriege in allen europäischen Staaten geschieht. Aber das schließliche Resultat war damals dasselbe wie heute: der völlige Zusammenbruch der Geldwirtschaft.

Wer die systematische Münzverschlechterung in dieser Form ursprünglich erfunden hat, ob ein schlauer jüdischer Ratgeber oder ein in schweren Geldnoten brodelnder christlich-frommer Landesvater, steht bis heute nicht fest, wohl aber steht die Tatsache fest, dass diese Methode bereits sehr ausgiebig von einer Reihe Fürsten gehandhabt wurde, noch bevor sie ihre Münzstätten an die Juden verpachtet hatten. Die erste Funktion der Juden bei diesem Geldverwässerungsprozess bestand darin, das alte vollwertige Geld zusammenzuholen, und das neue minderwertige in Kurs zu bringen. Selbstverständlich konnte hierfür überhaupt niemand anders in Frage kommen, als die Juden, da diese nicht nur die größten Bargeldbesitzer, sondern außerdem in allen Ländern seit Jahrhunderten die privilegierten Wechsler waren. Als die Münzherren zu der Überzeugung kamen, dass sie bei dieser Gaunerei im großen ein noch viel besseres Geschäft machen, wenn sie auch den technischen Betrieb der Umprägung in die Hände von Privatpersonen und vor allem in die von Juden legten, fassten sie alle der Reihe nach diesen heroischen Entschluss, ihre Untertanen auf diese für ihre fürstliche Tasche lohnendste Weise zu prellen. Wie rentabel diese Prellereien für manche Fürsten waren, erweist die eine positive Zahl, dass die Wiener Juden, denen die kaiserliche Münzstätte verpachtet war, im Jahre 1618 dem Kaiser bloß die kleine Summe von wöchentlich — 19.000 Gulden abliefern mussten. Das dürften nach heutigem Geldwerte ungefähr eine viertel bis eine drittel Million Goldmark gewesen sein.


Um solche und ähnliche Summen wurden die getreuen Volker von ihren väterlichen Fürsten und Obrigkeiten jahrzehntelang bestohlen — bis der Zusammenbruch da war. Zuerst begriffen die Massen den Betrug natürlich nicht, weil sie damals noch weniger als heute eine Ahnung von den Zusammenhängen und den Gesetzen der Geldwirtschaft hatten. Man freute sich im Gegenteil darüber, dass man plötzlich so viel mehr Geld hatte; genau wie heute. Als aber die unkorrigierbaren Gesetze der Wirtschaft eines Tages mit ihrer fürchterlichen ehernen Logik auftrumpften und dem Volke zeigten, dass sein Besitz sich in Nichts aufgelöst hatte, dass es Teufelsgold, d. h. Teufelsdreck besaß, wie man das entwertete Geld nannte, da gingen die empörten Volksmassen — nicht etwa hin und jagten die großen fürstlichen Auftraggeber und obersten Nutznießer der Geldverschlechterung mitsamt ihrer liederlichen Politik zum Teufel, sondern sie schimpften wie üblich mörderlich über die Juden, was viel verlockender, weil gänzlich ungefährlich war. Es entstand die große Literatur über die jüdischen Kipper und Wipper, in der man seinen gerechten Zorn leider nach der ziemlich falschen Seite austobte. Mit dem Schimpfwort „Kipper und Wipper“ wollte man die Juden als die betrügerischen Benützer der Geldwaage kennzeichnen. Man sagte: Sie kippen und wippen beim Abwägen des Geldes so geschickt, dass sich die Schale der Geldwaage immer zu ihren Gunsten senkt. Nicht weniger wütend als man einst über die jüdischen Wucherer geschimpft hatte, schimpfte man jetzt über die Kipper und Wipper. Die Karikaturen, die uns Zeugnis von dieser allgemeinen und sehr lange währenden Volkswut ablegen, ähneln inhaltlich und technisch vollkommen denen auf die Korn- und Weinjuden; denn sie stammen ja ausnahmslos aus derselben Zeit: der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Satire bedient sich also auch hier ausschließlich einer umständlichen Symbolik, die für uns nur zeitgenössisches Interesse hat. Ein typisches Beispiel dieser Karikaturen ist der Kupferstich ,,Der jüdische Kipper und Aufwechsler“ (Bild 46). Die satirische Moral tritt in allen diesen Blättern, wie damals üblich, in einem religiösen Gewande auf. Der Teufel, der Engel des Guten, die Verkörperung des Geizes, der Gerechtigkeit, der Unersättlichkeit usw. sind die stereotypen und dürftigen Requisiten der Symbolik, die man bei den verschiedenen Karikaturen nur verschieden gruppiert sieht. Da die Geldverschlechterung die gesamte Existenz der Massen auf lange hinaus gefährdete und die Erholung nur sehr langsam sich vollzog, so wurde des Kippers und Wippers ebensolang in der Karikatur auch dann gedacht, wenn man irgend eine andere Seite der jüdischen Geschäftstätigkeit karikierte. Und da man es damals liebte, wie ich oben sagte, in eine Karikatur alles hineinzupacken, was einem Nachteiliges uber den zu Karikierenden gerade einfiel, so findet man auch in den zahlreichen anderen Karikaturen jener Epoche Einschiebsel, die sich auf den jüdischen „Kipper und Wipper“ beziehen. (Vgl. auch die Beilage „Der Korn- und Weinjude“ neben S. 32.)

151. H. Ritter. Düsseldorfer Monatshefte
,Jud, dir kuckt der Spitzbub aus dem Gesicht.“
,,Mai, hab' ich doch nicht gewüsst, dass mein Gesicht ein Spiegel war.“
152. Der 99ste Geburtstag der Großmutter. Karikatur auf Rothschild. Fliegende Blätter
153. Dem Verdienste seine Kronen. Fliegende Blätter
154. Punsch, München
155. Die Börse oder die Knute! Honoré Daumier. Karikatur auf die Brandschatzung der russischen Juden durch Nikolaus I. 1855
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Juden in der Karikatur