Fünfte Fortsetzung

Mit dieser allgemeinen Zuerteilung indes noch nicht zufrieden gestellt, veranlasste ihn bei seinem Aufenthalt in Thorn der dortige Rat 17. Febr. zu der ausdrücklichen Zusage, dass er am anstehenden Verhandlungstage einen etwaigen bestimmter artikulierten Freibrief besiegeln wolle, den sie nach der Vorlage andrer städtischer Vittenbriefe ausarbeiten könnten. Offenbar waren ihnen die mannigfachen Privilegien der verschiedenen vittenhabenden Städte nicht genau genug bekannt, um ihre Quintessenz schnell fertig daraus extrahieren zu können. Zugleich gelobte Waldemar, im Fall sie sich eines. Anderen bis dahin besonnen und die Vitte nicht annehmen wollten, die dafür ausbezahlten 500 böh. Gulden sonder Fehl zurück zu erstatten. Die hierüber ausgefertigte Urkunde wird allein gemeint sein, wenn Thorn an Danzig schreibt; „scitote nos a domino rege Daciae vittam sigillatam optinuisse prout reminiscere proxima videbitis.“ — Zugegeben nun auch, dass der König nach der Beraubung durch den ihm seit lange nahestehenden Markgrafen in finanzielle Bedrängnis geraten und durch die ihm aus der Heimat zugeführten Schätze nicht sehr viel besser situiert worden sein mag, — sollte wirklich der Erwerb jener Kaufsumme das einzige oder auch nur nächste Motiv jener Abtretung gewesen sein, mit welcher er eine neue Erweiterung des fremdstädtischen Elements in seinem Lande, einen neuen Gegendruck gegen ein frischeres Aufkommen heimischen Kapitals und nationaler Arbeit ermöglichte? Und dies in einem Augenblick, wo sein alter Hass gegen die Städte doppelt und dreifach durch ihren Sieg und seine Niederlage geschärft sein musste? Ich glaube kaum. Auch die Rücksichtnahme auf den städtefreundlichen Hochmeister dürfte nur ein mitwirkender, nicht der entscheidende Beweggrund für ihn gewesen sein. — Wie in seiner urkundlichen Erklärung, dass die nächsten Frühjahrsverhandlungen von ihm mit seinen Mannen und den deutschen Städten gehalten werden sollten, offenbarte er auch in der Aufforderung ihm dort den Entwurf des Vittenprivilegs zu unterbreiten, die Absicht, in eigner Person sich dazu einzustellen. Schwerlich ist übrigens eine offizielle Einladung der Städte an den unruhig Umherschweifenden ergangen; eher noch eine einseitige der Preußen; aber in jedem Fall hatte er das Recht, auch unaufgefordert aktiven Anteil zu nehmen; denn er war nach wie vor der Monarch. Ich kann nicht zweifeln, dass er um den Hauptinhalt der konzipierten für ihn und sein Reich so überaus wichtigen Verträge, etwa durch Einsicht der preußischen Ratifikationsentwürfe oder sonstwie gewusst hat. Klar wird er die Sachlage übersehen haben: die Auflösung der Gemeinschaft mit den Landesherrn, die Gereiztheit, die ihr folgen musste. Sollte er nun nicht mit seinem Besuch die Absicht verbunden haben, in der zwölften Stunde noch mit diplomatischer Gewandtheit die Härte des Friedens zu mildern und mit jener Vittenvergabung die preußischen Städte, die künftighin gar nicht in vollem Umfange den geschlossenen Frieden festgehalten sehn wollten, für ein derartiges Eingreifen günstiger zu stimmen? Aber freilich, er hat den geplanten Besuch dann aufgegeben; er mochte mit Recht an seiner Fähigkeit zweifeln, den schon zur Ratifikation reifen Frieden in nennenswerter Weise abzuschwächen. Damit unterblieb natürlich auch die Vorlage und der Vollzug eines weitergehenden preußischen Vittenprivilegs, die übrigens auch in der Folge nicht geschehen sein werden. Im Juli 1389 bittet der derzeitige Hochmeister Konrad Zöllner von Rotenstein die Königin Margarethe, seinen Städten die Vitte zu erhalten, unter Anlage der bezüglichen, transsumierten Originalurkunden, unter denen zwei von ihrem Vater, König Waldemar, eine von Henning ausgestellt sind. Man braucht kein Bedenken zu tragen, die beiden ersten mit den soeben an geführten zu identifizieren. Interessant wäre es zu wissen, wann der Brief Hennings ausgefertigt wurde; ob auf dem nächsten Friedenstage oder zur Zeit des Interregnums? Ich möchte mich für die erste Annahme entscheiden.

Mit Spannung sahen die Städte dem endgültigen Abschluss entgegen. Anfangs April hielten die süderseeischen, sicher erkennbar nur Zütphen, Deventer, Amsterdam, eben hier einen Tag, auf dem sie nach Koppmanns naheliegender Vermutung über die Besendung des Friedenskongresses und wie in der Regel die Partikulartagfahrten eine vorberatende Funktion für die allgemeinen ausübten, über die einzelnen Beschlussnahmen desselben und des ihm unmittelbar folgen den bahuser deliberirt und die Instruktionen und Vollmachten der verschiedenen Gesandten wesentlich auf gleichen Fuß gesetzt haben werden. Auch die Preußen hatten zuvor schon im März, wie sich aus jener zitierten Zuschrift Thorns mit ziemlicher Sicherheit entnehmen lässt, einen Tag, hauptsächlich wohl zu demselben Zweck abgehalten.


Am 1. Mai fanden sich dann die Städteboten in großer, völlig beschlussfähiger Anzahl pünktlich in Stralsund zusammen. Dieser Stadt ward also die Ehre zu Teil, den stolzen Frieden, der die Hanse so mächtig und man darf sagen, auch so plötzlich emporhob, in ihren Mauern geschlossen zu sehn. Sie war den Dänen und Preußen und Livländern besser gelegen als das fernere Lübeck und für die Niederländer um nichts schlechter. Dies äußerliche Moment wird überhaupt ein Hauptgrund gewesen sein, warum gerade sie vorwiegend in dänischen und oft auch in anderen allgemeinen Angelegenheiten in diesen Jahrzehnten zum Versammlungsorte ausersehen wurde. — Von dem wendischen Städtebereich waren aus Lübeck und Stralsund je 4 Ratsmänner erschienen, von dort Jakob Pleskow, Segebodo Crispin, Herrmann von Ossenbrughe und Gerhard van Attendorn, von hier Bertram Wulflam, Herrmann van Rode, Heinrich Schiele und Johann Rughe; aus Greifswald Eberhard Rubenow und Arnold Lange, aus Stettin gleichfalls zwei, aus Kolberg und Stargard je einer, — fast sämtlich vielgenannte und weitberühmte hansische Staatsmänner. Hamburg, Bremen und Kiel, die weniger lebhaft in den Krieg eingegriffen hatten, fehlten in der siegesfrohen Versammlung, ebenso Rostock und Wismar, diese in Rücksicht auf ihre noch mit Dänemark fehdenden Landesherrn. 30. Nov. 1369 werden sie, wie ich annahm, zur Stelle gewesen sein; da handelte es sich um Verabredungen, die nach dem Bundestraktat zulässig waren und nachträglich zu deren Kenntnis gebracht werden sollten. Aber eine auch nur äußere Teilnahme an diesen letzten Verständigungen wäre leicht als Verrat an ihrer Untertanenpflicht er schienen. Im Grunde scheinen sie jedoch nicht so unzufrieden mit ihnen gewesen zu sein. Eine Spannung, die zwischen ihnen und den Schwesterstädten eingetreten wäre, ist so wenig erkenn bar, als eine ernste vorgängige Opposition: sie hielten mit ihnen in dieser und der nächsten Zeit die schonenschen Schlösser besetzt und nahmen ungescheut an den hansischen Angelegenheiten ihren Teil. — Von Livland hatten Riga, Dorpat, Reval je einen Ratsmann entsandt; ebenso von Preußen Kulm, Elbing, Thorn und Danzig, Kulm seinen Bürgermeister Ertmar von Heryke. Aus den Niederlanden hatte Kampen mit zwei, Zierixee, Briel, Harderwik, Zütphen, Elborch, Stavoren, Dortrecht und Amsterdam mit je einem Ratsmanne die Versammlung beschickt. — An welchem Tage die dänischen Reichsräte herübergekommen, ist nicht ersichtlich. Vom 24. Mai sind die Urkunden datiert. Sollten wirklich mehr als dreiwöchentliche Verhandlungen über schon beschlossene Dinge vorangegangen sein? Wahrscheinlich doch, dass sich jene Gesandten ein wenig verspäteten.

Eine stattliche Anzahl von Vertretern des hohen Klerus und weltlichen Reichsadels aber war es, die sich hier in Frieden gaben mit den siegreichen Städten Niederdeutschlands von nah und fern, den sie nach ruhmvollem Streit jenen ihren einst gefürchteten, jetzt ohnmächtigen Peinigern in einer deutschen Stadt und in deutscher Zunge diktierten. Henning von Putbus, der Reichshauptmann, fehlte auch diesmal nicht, viele von den auf der vorigen Versammlung Anwesenden hatten sich wieder eingestellt, und an der Ausgebliebenen Stelle waren andere und mehr Ratgeber des Königs und Vollmachtträger desselben und seines Reiches, wie sie sich alle nennen, getreten. Abermals figurierten unter dem Laienelement zahlreiche Schlosshauptleute. Und von der Geistlichkeit, die wir auf dem vorigen Tage vermissten, hatten sich der höchste Würdenträger, der lundner Erzbischof Nikolaus und die Bischöfe von Odensee und Roeskilde eingefunden. — Meines Wissens haben wir über die Besprechungen, die dänischer Seits diesen Transaktionen mit den Städten vorangegangen sein müssen, keinerlei Kunde. Im Vorjahre hatten sie bei den kriegerischen Unruhen, die eine Reichsratsversammlung mit nur einiger Vollzähligkeit kaum zu Stande kommen ließen, sicher größere Schwierigkeiten als nach der Beschließung der Präliminarien. Eine Wiederaufnahme kriegerischer Operationen seitens der Städte hat doch sicher nicht stattgefunden; die Holsteiner aber trieben ihr Wesen wohl nur in Jütland, und die Mecklenburger resp. Schweden standen in den Grenzlandschaften Schönens durchaus nicht in so dominierender Stellung: finden wir doch auf der vorigen Versammlung z. B. das wichtige Warberg in den Händen G. Moltkes. Ob nun wirklich eine Durchberatung der vorläufigen Friedensartikel auf einer in der Zwischenzeit eigens einberufenen Versammlung des Reichsrats oder erst gelegentlich der gemeinsamen Überfahrt stattgefunden, die er durch Boten und Korrespondenzen vereinbart haben mag, ist so wenig erkenntlich als der Verlauf der Stralsunder Verhandlungen, über den sich der erhaltene Rezess leider nicht verbreitet. Wir haben indes, und damit genug, ihre Resultate, die Friedensurkunden.