Vierte Fortsetzung

Zudem wird uns die Anwesenheit eines ungenannten aber wohl mit dem auf der vorigen Tagfahrt identischen livländischen Vertreters und dann noch zweier lübischer Ratsmänner bezeugt, von denen der eine jener nicht beiwohnte. Neben Lübeck und Stralsund ist aber auch die Beteiligung der hervorragendsten anderen wendischen Städte, so Rostocks, Wismars, Greifswalds, Stettins nicht zu bezweifeln. Genug es wird eine respektable Anzahl städtischer Abgeordneter beisammen gewesen sein. Auch viele Ratgeber des hochgeborenen Fürsten Waldemar, der Reichshauptmann, Schlossvögte, Ritter und Knappen waren herübergekommen, in summa ihrer 25. Aber waren es schon nicht sämtliche weltliche Mitglieder des Reichsrats, so fehlte es an geistlichen merkwürdiger Weise gänzlich, obgleich von keiner ausdrücklichen Bevollmächtigung, weder einer kollektiven noch individuellen nach dem Mangel einer diesbezüglichen Angabe die Rede sein kann. Es heißt bloß: „mit Rat des gemeinen Reiches.“ Aber die Erschienenen, weitaus die Mehrheit des Reichsrats, durftet sich der Zustimmung ihrer geistlichen und weltlichen Genossen daheim, die sie in den Urkunden freilich nicht reservierten, für versichert halten, wenn sie auf die klägliche Situation ihres Vaterlandes blickten. Zwei Jahr schon durchtobte es dieser Sturm und Drang des Krieges, und ihr Herr schweifte fern umher, gewiss redlich bemüht, Hilfe zu finden, aber wenig glücklich im Erfolg. Der Krieg hatte furchtbar verheert: besonders die Küsten am Sunde waren die Zielpunkte der austobenden Wut der tief gekränkten Städte gewesen, während die holsteinischen Grafen in Jütland herrschten und hausten, und die Mecklenburger hauptsächlich Schonen angriffen. Viele, darunter sehr wichtige Schlösser waren übergeben, so vor kurzem erst auch das feste Helsingborg; das von Kopenhagen und Helsingör überdies zerstört, der aufblühende Hafen von Kopenhagen durch versenkte Schiffe vernichtet, drei Opfer des radikal monopolistischen Handelsgeistes der angreifenden Städte. War eine Weiterführung des Krieges nicht wahnwitzig, schlug sie nicht bloß tiefere Wunden? Oder gab es noch Aussicht zögernd zu gewinnen? Gewiss nicht. Die Städte waren einträchtig und mächtig nach wie vor und konnten, galt es, eine noch viel größere Heereskraft in den Kampf führen. Auch die Aufgabe des Bundes mit den Landesherren hätte ihre kriegerische Lage kaum wesentlich verschoben. Genug, es war hohe Zeit für Dänemark mit seinem mächtigsten Feinde Friede zu machen, bevor mit dem nächsten Frühjahr von ihm neues und größeres Unheil hereinbrach.

Wie für die Dänen, so waren auch für die Städte die Vereinbarungen dieses Tages trotz ihrer Bezeichnung als finalis compositio von Seiten des livländischen Boten nur vorläufige, nur Präliminarien. Vorsichtig ließen die Sendeboten von ihren Compaciscenten ausdrücklich sich verbriefen, dass sie nur nach den nötigen Transaktionen mit den verbündeten Fürsten und Städten, die nicht vertreten waren, den Frieden annehmen wollten. Im Wesentlichen aber wurde hier das ganze Friedenswerk zum Abschluss geführt, und der Mai des Jahres 1370, für dessen Anfang gleich hier die letzte Friedensversammlung verabredet wurde, brachte wenig mehr als seine teilweise, doch zunächst ausreichende Ratifikation. Warum diese nahezu fünfmonatliche Zwischenzeit? Der Inhalt der Verträge zeigt sonnenklar, dass man jetzt schon den Gedanken an eine Verlängerung der fürstlichen Bünde völlig hatte fallen lassen; sie konnten nur perfekt werden, wenn mit den letzteren die hansische Verpflichtung zu gemeinsamer Sühne erloschen war. Denn sie liefen schnurstracks den Interessen der Fürsten zuwider; der holsteinischen weniger als der mecklenburgischen; jene beließ er unverkümmert in den gewonnenen Positionen, nur dass er sie vertragsrechtlich nicht sicher stellte. Aber diesen durchkreuzte er geradezu und unmittelbar ihre Pläne auf Schonen. Es galt demnach den definitiven Abschluss über Ostern, den Endtermin der noch gültigen Bundesverträge hinauszuzögern. — Seine einseitige Anbahnung konnte mit ihnen wohl bestehen: zwar bestreitet es Herzog Albrecht in der genannten Klagschrift, aber Lübeck pariert den Vorwurf mit dem Hinweis auf eine vermutlich besonders getroffene Abrede oder doch eine vereinbarte Interpretation des Traktats, wonach der einseitige Versuch einer Sühnvermittlung unter Bedingung einer Benachrichtigung des anderen gestattet war. — Dagegen widersprach ihnen in einem Punkte sicher der Friedensinhalt; gleichviel ob nur in Folge einer unvorsichtigen Unklarheit des Traktats, wie sie in der Klage des Herzogs und der Einrede der Lübecker zum Vorschein kommt. Hatte man darin für die zwei Jahre seiner Dauer eine einseitige Sühne ausgeschlossen, so lag eben hierin wenn auch unausgesprochen die Erlaubnis dazu für die Folgezeit. Nun hatten die Städte in dem sicheren Glauben, dass Schonen den Mecklenburgern zufallen werde, die Hälfte der in der Bundeszeit erworbenen schonenschen Schlösser etc. als nutzbares Pfand beansprucht und — das ist hier das Wichtige, — die Übergabe zur Zeit der Fälligkeit an jene zugesichert. Damit aber war über die Zeit der Verbindung hinaus ihrem Friedenschluss eine beschränkende Fessel auferlegt, der doch ganz frei sein sollte: es war ein unbedachtsamer Selbstwiderspruch. Herzog Albrecht stellt sich nun mit Fug und Recht auf den Buchstaben der Urkunde und erklärt die Pfandnahme von Dänemark für eine pfandrechtliche Veruntreuung. Es ist vielleicht der einzige Klageartikel, auf den der kluge Rat doch nichts Rechtes mit der Entgegnung zu erwidern weiß, dass den Inhabern von Schlössern und Landen noch nicht genug geschehen sei für den Schaden, und dass er erst nach diesem Zeitpunkt sich zur Rechtsantwort pflichtig und bereit halte. — Noch eine andere Vereinbarung, um das in diesen Zusammenhang einzufügen, litt, wie ich glaube, an einer unklaren und unzulänglichen urkundlichen Form. Alle Schlösser, so hieß es, welche die Städte in der Verbindungszeit in Schonen eroberten, sollten sie bestens bewahren; und dann: alle dortigen Erwerbungen der Verbündeten sollten sie unter einander zu gleichen Portionen teilen. Nur dass kein Teilungstermin vorgesehen war. Die Lösungsgelder etc. dürften sie alsbald geteilt haben, dagegen deutet jener Passus über die Bewahrung der Schlösser darauf, dass sie weder eine sofortige, noch auch nur unausbleiblich in die Zeit der Allianz fallende Teilung derselben bestimmt hatten. — Nicht alle Wechselfalle und Eventualitäten hatten sie in Rechnung gezogen und sahen sich nun in unliebsame Widersprüche gestellt.


Wir dürfen es den Lübeckern glauben, dass sie der Verpflichtung zur Mitteilung gepflogener oder zur Einladung für bevorstehende Verhandlungen jedes Mal gewissenhaft den Fürsten gegenüber nachgekommen seien. Der livländische Sendbote berichtet seiner Stadt, dass sie — wie ich die Stelle verstehe — brieflieh die letzteren um eine mündliche Besprechung über die stattgehabte Konferenz mit den Feinden angehen würden. Er mag sich gefreut haben, dass ihm eine so undankbare Aufgabe, die eine sehr dreiste Stirn forderte, nicht zufiel. Jetzt, wo das Fazit gezogen wurde aus der gemeinsamen Waffenarbeit, wussten die ebenso klugen und weitblickenden als unnoblen und eigennützigen Ratsherrn durch Zaudern die fürstlichen Mithelfer ganz außen vor, ja dem einen und zwar strenggenommen in vertragsbrüchiger Weise sich geradezu in den Weg zu stellen. — Jene Zuschrift, der kärgliche Ersatz des Rezesses teilt zugleich mit, dass von dem Friedenskongress des nächsten Jahres gleich eine Gesandtschaft nach Mastrand hinüberfahren sollte zu Verhandlungen mit dem norwegischen König. Natürlich konnten auch die um Grunde verlegensten und redegewandtesten Ratsmänner dieses günstige zeitliche Zusammentreffen nicht irgend zu einer Motivierung der späten Anberaumung des Friedenstages aufstutzen. Sicherlich haben die Fürsten, namentlich die Mecklenburger sich bei der lübischen Benachrichtigung, über die uns weitere Kunde fehlt, energisch gegen den Vollzug jener Friedensartikel ausgesprochen, aber wie sich zeigt, ohne jeden Erfolg. — Ich registriere hier zwei weitere Geschehnisse, die mit dem gespannten Verhältnis zu den letzteren in Bezug gestanden haben werden. Am 7. Jan. 1370 verpfändete Herzog Erich der Ältere von Sachsen an Lübeck sein ganzes Land. Am 5. Februar übergab eben dieser Stadt Erich der jüngere sein Schloss Ratzeburg, das er noch Jahrs zuvor an die Lüneburger zu Pfand vergeben hatte, auf 6 Jahre zu treuen Händen. — Ostern (8. Apr.) lief der Bund mit den Fürsten ab und somit auch — die Vertragstreue Haltung der Mecklenburger vorausgesetzt, — die Verpfändungsdauer der beiden Schlösser Ribnitz und Wittenborg. Nach allem Anschein ist die Rückgabe derselben ohne jede Widersetzlichkeit der Städter erfolgt, nur, wenigstens bei dem letztgenannten, nicht an jenem Termin.

Die im Oktober in Aussicht genommene Winterversammlung, die sich doch wohl zumeist mit der Vorbereitung des nächstjährigen Feldzugs hätte beschäftigen sollen, fiel bei der veränderten Lage der Dinge von selbst weg. Wie starke militärische Kräfte man städtischerseits den Winter über noch in Dänemark hielt, weiß ich nicht anzugeben, da es an einer urkundlichen Aufzeichnung darüber fehlt. Fest steht mir nur, dass man die schonenschen Schlösser bewachte. Indessen war Waldemar nach seinem unsteten Umherziehen durch Pommern, Brandenburg, Meißen u. s. f. etwa um die Jahreswende von 1369/70 nach Preußen gekommen und fand dort bei dem Hochmeister eine so freundliche Aufnahme, dass sich dessen Nachfolger noch 1389 seiner königlichen Tochter gegenüber darauf berief. Schnell machten sich die preußischen Städte seinen Aufenthalt zu Nutze. Schon am 25. Juli 1368 hatte König Albrecht auch ihnen insgesamt eine Vitte zu Falsterbo verliehen. Aber es steht außer aller Frage, dass sie ihre Einrichtung, wie sie es bei der Herrschaft der Hansen wohl gekonnt hätten, nicht sofort in Angriff nahmen, auf die Rückkehr friedlicher Zeiten verschoben. Jetzt war diese Schenkung durch den Frieden illusorisch geworden, da der Schwedenkönig nicht an erkannter Landesherr über Schonen war. Freilich hätte man ihre Anerkenntnis zur Mitbedingung des Reichsratsfriedens machen können. Indes ist dies, sofern unser Urkundenmaterial vollständig, weder in den Präliminarien geschehen noch auch in dem endgültigen Frieden nachgeholt. Es war wohl unnötig geworden, indem sich zuvor am 28. Jan. 1370 die Bürgermeister der sechs preußischen Städte an den zu Nyenburg anwesenden König dieserhalb gewandt hatten, dessen fortdauernde schonensche Landeshoheit ja eine still schweigende Voraussetzung des Friedens war. Mit besonderer Rücksicht auf den vortrefflichen Hochmeister und auf die eindringlichen Bitten der Ratsmänner hin gestand er der Gesamtheit der auch hierbei festgeeint erscheinenden Preuße tädte in wohlbemessnes und nach ihrer eigenen späteren Auslassung recht günstig gelegenes Vittenfeld in Falsterbo, wohl das schon von König Albrecht eingeräumte, — zu mit allen Gerechtigkeiten, die irgend eine Stadt, auf einer Vitte zu Skanör und Falsterbo jemals von einem dänischen Könige erworben habe; namentlich die eigne Einsetzung eines Vogts wurde ihrer Wichtigkeit gemäß hervorgehoben.