Viertes Capitel. - Undankbarkeit. – Ein sonderbares Schauspiel. – Eine interessante Begegnung. – Die neue Stelle. – Ueber Religionslosigkeit und Unmoral. – Pietätlosigkeit. – Justines Herzenszustand.

Es gibt Augenblicke im Leben, in denen man sehr vermögend sein kann, ohne deshalb genug zum Leben zu halben. In dieser Lage befand sich Saint-Florent. Er hatte 400.000 Francs in seiner Brieftasche und keinen Taler in der Börse. Dieser Gedanke hatte ihn vor dem Eintritt in die Herberge beunruhigt. „Trösten Sie sich, Onkel,“ sagte Justine zu ihm, indem sie über seine Bedrängnis lachte, „die Diebe, die ich verlassen habe, haben mich mit Geld ausgestattet. Hier sind 20 Louis. Nehmen Sie sie, ich bitte Sie, gebrauchen Sie davon, so viel Sie wollen und geben Sie den Rest den Armen. Ich möchte nicht um Alles in der Welt Geld bei mir behalten, das von einem Morde herstammt.“

Saint-Florent tat nun so, ah ob er das Geld nur annehmen würde, unter der Bedingung, daß Justine ihrerseits von ihm 100.000 Francs auf Wechsel nähme, und er zwang sie auch, das Papier in die Tasche zu stecken. „Heben Sie sich diese Summe auf, teure Nichte,“ sagte Saint-Florent, „sie ist ein schwacher Dank für die großen Dienste, die sie mir geleistet haben. Glauben Sie mir, daß ich Sie in Ihrem Leben nicht weder verlassen will.“


Sie speisten zu Mittag und Justine verfiel bald, ohne zu wollen, in unruhige Träumereien, die die Heiterkeit ihrer Züge zerstörten. Als sie Saint-Florent um den Grund fragte, wollte sie ihm ohne eine Erklärung das Geld wieder zurückgeben. „Mein Herr,“ sagte sie zu ihrem Onkel, „ich habe nicht so viel Dankbarkeit verdient, und mein Zartgefühl erlaubt mir nicht, ein so beträchtliches Geschenk anzunehmen.“ Aber Saint-Florent ließ es nicht an Ueberredungskünsten fehlen und das Geld glitt wieder in die Tasche, ohne daß die Befürchtungen Justines einen Augenblick nachgelassen hätten. Um sie zu zerstreuen, tat Saint-Florent so, als ob er sie nicht bemerken würde und bat Justine, ihm ihre Abenteuer zu erzählen. Das tat sie gerne und als sie mit ihrer Erzählung zu Ende war, ließ sie ihren Onkel merken, daß sie ungerne nach Paris zurückkehre. „Nun,“ erwiderte der Kaufmann, „dem kann abgeholfen werden. Eine Verwandte von mir wohnt hier im der Nähe und diese wollen wir aufsuchen. Ich werde Sie ihr vorstellen und sie bitten, Sie bei sich zu behalten, bis ich Zeit habe, mich selbst mit Ihnen zu befassen. Es ist die anständigste Frau der Welt, und Sie werden bei ihr aufgehoben sein wie bei einer Mutter. Sie bewohnt ein reizendes Landhaus in der Nähe von Bondi. Es ist spät und schönes Wetter. Sind Sie aufgelegt, zu gehen?“ – „Ja, mein Herr.“ – „Dann brechen wir auf, Justine; jede Verzögerung die der Beweis, den ich Ihnen vom meiner Dankbarkeit geben will, erleidet, wird zur Qual für mich.“ – „O, mein Onkel,“ erwiderte Justine unter Tränen und warf sich gerührt in die Arme Saint-Florents, „wie zart Ihre Seele ist und wie gut ich sie verstehe!“ Während des rührenden Vorganges zitterte der Schuft vor Geilheit unter den Liebkosungen der Unschuld.

Es war ungefähr 4 Uhr nachmittags, als sie aufbrachen. Bald begannen die Schatten der Nacht im Walde jene Art religiösem Schreckens zu verbreiten, der in furchtsamen Herzen Angst, in harten aber Lust zu Grausamkeiten erweckt. Unsere Wanderer benützten nur Fußwege. Justine ging voraus. Da drehte sie sich einmal mit der Frage um, ob diese verlassenen Wege wirklich die richtigen seien und ob sie bald ankämen, als gerade die Geilheit des wollüstigen Kaufmannes ihren Gipfel erreicht hatte. Es war Nacht und die Stille des Waldes, sowie die Alles einhüllende Dunkelheit erweckten in ihm Begierden wieder, die er endlich befriedigen konnte. Er konnte sich nicht länger halten. „Schockschwerenot,“ sagte er zu seiner Nichte, „hier muß ich dich ficken. Ich bin schon zu lange auf dich geil, du Hure, ich muß endlich entladen.“ Damit ergriff er sie bei den Schultern, so daß sie das Gleichgewicht verlor. Die Unglückliche stieß einen Schrei aus. „Ah, du Hure!“ rief Saint-Florent wütend aus, „hoffe nicht, daß ich dir die Möglichkeit lasse, daß man dich schreien hört!“ Und bei diesen Worten warf er sie vollends auf die Erde und versetzte ihr einem so heftigen Schlag mit dem Stocke, daß sie bewußtlos unter einen Baum hinfiel. Alle Götter blieben stumm. Ja, man hätte sagen können, daß sie diesen verbrecherischen Anschlag auf Scham und Unschuld begünstigten, so lautlos umfing die Stille der Nacht das Verbrechen.

Nun er Herr über Justine war, schürzte Saint-Florent ihr die Röcke auf, zog ein riesiges von Wollust und Wut gesteiftes Glied heraus, beugte sich über sein Opfer, spreizte ihm die Schenkel auseinander und versenkte in ungeheurer Raserei seine Lanze in jene zarten Blüten, die nur als Preis der Liebe geschaffen zu sein schienen. Seine Anstrengungen wurden von Erfolg gekrönt: Justine war entjungfert. Das Blut floß und ein kräftiger Samenerguß befriedigte die Wollust des geilen Bockes, der nur bedauerte, daß das eben begangene Verbrechen nicht ein Jahrhundert lang gewährt habe. Er entfernte sich, aber nach zehn Schritten enflammten seine Sinne aufs Neue. Er empfand jene sonderbaren Gewissenbisse, die in der Seele des Verbrechers wach werden, wenn ihm einfällt, daß er die beabsichtigte Missetat nur zur Hälfte begangen hat. Er erinnerte sich, daß er in den Taschen Justines die 100.000 Francs gelassen habe. Die mußte er wieder haben. Aber Justine saß auf ihren Taschen und man konnte sie nicht berauben, ohne ihren Körper umzudrehen. Himmel! Welche neue Reize boten sich trotz der Finsternis den heißen Blicken des blutschänderischen Saint-Florent dar! „Wie,“ sagte er zu sich, indem er den wundervollen Popo betrachtete, der ihn von allem Anfang an so lebhaft aufgeregt hatte, „wie, das habe ich vernachlässigen können! Niederträchtige Weichherzigkeit! Auf, ficken wir diesen göttlichen Hintern, der mir hundertmal mehr Vergnügen verspricht, als ihr vorderes Loch. Hinein, und wenn er in Fetzen geht! Nur kein Mitleid!“ Da er vollkommen Herr über den leblosen Körper Justines war, konnte er sie leicht in die Lage bringen, die zu seinem Vorhaben nötig war. Als er das niedliche Loch sah, wurde er durch den Größenunterschied heftig aufgeregt. Ohne es zu befeuchten, begann er sein Glied hineinzustecken und arbeitete eine halbe Stunde lang darin umher. Er wäre vielleicht noch darin, wenn nicht die Natur bei aller Begünstigung seinem Vergnügen ein Ende gesetzt hätte.

Schließlich entfernte sich der Schuft, indem er das unglückliche Opfer seiner Wollust ohne Hilfe, ohne Ehre und fast ohne Leben am Boden liegend zurückließ.

So siehst du aus, o Mensch, wenn Du nur deinen Leidenschaften gehorchst!

Als Justine wieder zu sich kam und den Zustand sah, in den sie versetzt war, wollte sie ihrem Leben ein Ende machen. „Das Ungeheuer!“ rief sie aus, „was habe ich ihm getan? Ich rettete ihm das Leben, gab ihm sein Vermögen zurück und er entriß mir das Kostbarste, was ich besaß. Die Tiger im Urwalde können nicht grausamer sein!“ Diese Ausbrüche des Schmerzes wichen bald einer tiefen Niedergeschlagenheit und unwillkürlich richtete Justine ihre schönen, betränten Augen gegen den Himmel. Dieses klare, besternte Gewölbe, die Stille der Nacht, der Gegensatz des Friedens in der Natur zu der Erregung ihrer Seele, Alles das ließ in ihr das Bedürfnis entstehen, zu beten. Sie warf sich auf die Knie vor jenem mächtigen, von der Klugheit verworfenen, vom Unglück aber eingesetzten Gott.

„Heiliges und hoheitsvolles Wesen!“ rief sie weinend aus. „Du mein Beschützer und Führer, ich wende mich an Deine Güte, ich bitte um Deine Gnade. Sieh mein Elend und meine Qual! Mächtiger Gott, Du weißt, daß ich unschuldig und schwach bin, daß ich verraten und mißhandelt worden bin. Dein Wille geschehe! Alle deine heiligen Aeußerungen sind mir teuer, ich ehre sie und will mich nicht beklagen. Aber wenn ich hier auf Erden nur Dornen finde, beleidige ich Dich dann, erhabener Herr, wenn ich Deine Allmacht bitte, mich zu Dir zu berufen, um Dich entfernt vor jenen perversen Menschen anbeten zu können, die mir nur Böses zugefügt haben, und die mit Genuß meine Lebenstage mit Tränen und Schmerzen getränkt haben!“

Das Gebet tröstet den Unglücklichen. Der Himmel ist nun einmal sein Wahn, und er stärkt sich an ihm. Justine erhob sich, ordnete ihre Kleider und entfernte sich.

Im Kopfe Saint-Florents herrschten gemischte Empfindungen. Es gibt Seelen in der Welt, für die das Verbrechen so viel Reize hat, daß sie sich daran nie sättigen können; sie sind erst dann befriedigt, wenn auf das erste Vergeben weitere gefolgt sind.

„Ach, wie schön war diese Entjungferung,“ sagte der Verräter zu sich, der 100 Schritte von dem Schauplatz des Verbrechens sich unter einen Baum gesetzt hatte. „Welche Unschuld und Unberührtheit! Wie mich dieses schöne Kind erregte! Wie sehr sie meine Sinne verwirrte! Ich hätte sie erwürgt, wenn sie noch fähig gewesen wäre, mir Widerstand zu leisten. Vielleicht habe ich Unrecht, daß ich ihr das Leben schenke, denn wenn sie Jemandem begegnet, wird sie mich beschuldigen. Man könnte mich erwischen. Wer weiß, wie weit die Rache eines geschändeten Mädchens gehen kann? Vorwärts, machen wir ein Ende; ob dieses elende Geschöpf in der Welt ist oder nicht, regt niemanden auf. Ich will zurückkehren!“

Aber die unglückliche Justine war vom Himmel dazu bestimmt, den ganzen dornenvollen Weg des Unglücks zurücklegen tu müssen und sollte noch nicht so jung umkommen. Saint-Florent fand sie nicht mehr vor. Er rief nach ihr und da sie ihn hörte, floh sie desto rascher. Aber lassen wir jetzt den Verbrecher seinen Weg weiter gehen; vielleicht finden wir ihn eines Tages wieder. Die Reihe der Geschehnisse erlaubt uns jetzt nicht etwas anderes, als die Abenteuer unserer interessanten Justine zu verfolgen.

„Da ist es noch, dies Ungeheuer,“ sagte sie, indem sie ihre Schritte verdoppelte. „Was kann er von mir wollen? Hat er mir noch nicht genug angetan? Was bleibt ihm noch?“ Und sie flüchtete ins Gesträuch, wo sie die Nacht in furchtbarer Unruhe zubrachte.

Als der Tag erwachte, gab sie sich bitteren Gedanken hin. Noch rannen ihr die Tränen aus den Augen, als unvermutet Lärm an ihre Ohren drang. „O Gott!“ rief sie schaudernd aus, „vielleicht ist er es noch, der Barbar. Er will mich umbringen, ich bin verloren.“ Sie verkroch sich noch tiefer in das Gestrüpp, besaß aber dabei so viel Mut, weiter zu lauschen.

Das Geräusch ging von zwei Männern aus. „Komm, mein Freund,“ sagte derjenige, der der Herr zu sein schien, zu dem Knaben, der ihm nachfolgte, „komm, hier wird es wunderbar gehen. Hier wird mich nicht die Anwesenheit einer Mutter, die ich verabscheue, daran verhindern, mich an dir zu erfreuen.“ Bei diesen Worten näherten sie sich Justine derart, daß ihr keines ihrer Worte und keine ihrer Bewegungen entgehen konnten. Nun zog der Herr, der 24 Jahre alt zu sein schien, dem andern, der höchstens 20 Jahre zählen mochte, die Hosen herab, kitzelte und leckte ihm das Glied und brachte es zum Stehen, worauf andere Greuel folgten. O, wie langsam verging Justine die Zeit, während welcher das Schauspiel vor sich ging, und wie peinlich war der Anblick des Verbrechens für die Tugend.

Endlich, nachdem sie zweifellos beide befriedigt waren, erhoben sie sich, um sich auf den Rückweg zu begeben. Dabei näherte sich der Herr dem Gebüsch Justines, um dort den Samen aus seinem Hintern herausfließen zu lassen, mit dem ihn der andere überschwemmt hat, und beim Aufstehen bemerkte er das Taschentuch, mit dem der Kopf Justines umhüllt war.

„Jasmin,“ sagte er zu meinem Diener, „wir sind verraten, wir sind entdeckt ... Eine Frau ... ein unreines Wesen, hat unser Geheimnis belauscht. Treten wir näher; fragen wir, welchen Grund sie dafür hatte.“

Aber die zitternde Justine ließ ihnen nicht Zeit näher zu treten, Sie sprang von selbst auf und warf sich den Männern, die sie entdeckt hatten, zu Füßen. „O, meine Herren!“ rief sie aus, indem sie die Hände faltete, „haben Sie gütigst Mitleid mit einer Unglücklichen, deren Schicksal beklagenswerter ist, als Sie glauben. Die Lage, in der Sie mich fanden, darf keinen Argwohn in Ihnen hervorrufen. Sie ist mehr die Folge meines Elends, als meiner Schlechtigkeit. Vermehren Sie nicht noch mein Unglück, sondern seien Sie so gut und geben Sie mir die Mittel, mich den Verfolgungen des Schicksals entziehen zu können.“

Herr v. Bressac – so hieß der junge Mann, in dessen Hände Justine gefallen war – der der Bösartigkeit und der Ausschweifung zugeneigt war, besaß keine große Dosis von Mitgefühl. Unglücklicherweise sieht man es nur zu häufig daß das Mitleid von der Wollust vertilgt wird, und ein ausschweifender Mensch ist selten ein empfindsamer Mensch.7

Aber zu dieser natürlichen Härte gesellte sich bei Bressac noch ein tiefer Abscheu vor Frauen, so daß es Justine nur schwer möglich war, ihn für die Empfindungen empfänglich zu machen, die sie in ihm zu sehen wünschte.

„Turteltaube der Wälder,“ sagte Bressac zu ihr, „wenn du Leute suchst, die du betrügen willst, so bist du nicht an die richtigen gekommen. Weder mein Freund noch ich berühren Frauen. Sie flößen uns Abscheu ein und: wir fliehen vor ihnen. Wenn du Almosen verlangst, so suche dir Leute, die gute Werke vollbringen. Wir begehen nur schlechte. Aber jetzt sprich, Elende, hast du gesehen, was sich zwischen diesem jungen Mann und mir abpielte?“ – „Ich habe gesehen, daß Sie im Grase miteinander plauderten,“ sagte klug Justine, „nichts weiter, meine Herren, ich schwöre es Ihnen.“ – „Ich will es glauben,“ erwiderte Bressac, „und das ist dein Glück. Wenn du etwas anderes gesehen hättest, würdest du lebend dieses Gesträuch nicht mehr verlassen. Jasmin, wir haben noch Zeit, die Abenteuer dieses Mädchens anzuhören und wir wollen nachher sehen, was zu tun ist.“

Die jungen Leute setzten sich nieder. Justine trat näher heran und erzählte mit unschuldvoller Stimmte alle Unglücksfälle, von denen sie seit ihrer Geburt heimgesucht worden war.

„Nun, Jasmin,“ sagte Bressac, indem er sich erhob, „seien wir einmal gerecht.“ Themis hat dieses Geschöpf verdammt, Dulden wir nicht, daß den Absichten der Götter so zuwider gehandelt werde. Vollziehen wir an der Delinquentin das Todesurteil, das über sie gefällt wurde. Dieser kleine Mord wird, statt ein Verbrechen zu sein, nur die moralische Ordnung verbessern. Da wir hüllten Reize sein allen Verlockungen des weiblichen Geschlechtes.

Bei diesen Worten schleppten die Barbaren unter Gelächter die weinende und schreiende Unglückliche nach der Mitte des Gehölzes. „Entkleiden wir sie,“ sagte Bressac, indem er alle Hüllen entfernte, ohne daß der Anblick der bei dieser Handlung enthüllten Reize sein allen Verlockungen des weiblichen Geschlechts verschlossenes Herz weicher gestimmt hätte. „Welch häßliches Geschöpf ist doch so eine Frau,“ sagte er, indem er sie mit seinem Fuß auf der Erde hin und her wandte, „o, Jasmin, sieh dieses scheußliche Tier.“ Dann fuhr er fort, indem er auf sie ausspie: „Sage Herzchen, würdest Du Dich jemals an solchem Tier befriedigen?“ – „Nicht einmal im Hintern,“ erwiderte der Diener. – „Und das nennen also die Dummköpfe ihre Gottheit, das beten die Trotteln an. Sieh doch diesen aufgeschlitzten Bauch, diese Scheide an. In diesem Tempel opfert der Unsinn. Dort ist die Werkstatt der menschlichen Fortpflanzung. Vorwärts, nur kein Mitleid. Binden wir diese Hündin an.“ Im Augenblick war das arme Mädchen mit einem Strick, den diese Ungeheuer aus ihren Hals und Schnupftüchern gedreht hatten, zwischen vier Bäumen derart angebunden, daß jedes ihrer Glieder an einem Baum festgehalten war. In dieser grausamen Stellung, bei der ihr Magen ohne Stütze zur Erde hing, empfand sie so heftige Qualen, daß ihr kalter Schweiß auf die Stirne trat. Je mehr aber die Unglückliche litt, desto mehr Ergötzen schienen die jungen Männer an dem Schauspiel zu haben. Sie betrachteten mit Wollust jede ihrer Zuckungen und richteten den Grad ihrer Freude nach der mehr oder minder großen Heftigkeit der Verzerrungen in den Gesichtsmuskeln der Armen.

„Nun ist's genug,“ sagte Bressac, „diesmal wollen wir es bei der Angst bewenden lassen.“

„Justine,“ fuhr er fort, indem er die Fesseln löste und ihr befahl, sich wieder anzukleiden, „seien Sie verschwiegen und folgen Sie uns. Wenn Sie sich mir anschließen, werden Sie es nicht bereuen. Meine Mutter bedarf einer zweiten Dienerin. Ich werde Sie ihr vorstellen. Aber wenn, Sie mit meiner Güte Mißbrauch treiben, wenn Sie mein Vertrauen verraten oder meinen Befehlen nicht gehorchen, so sehen Sie sich erst diese vier Bäume an. Bedenken Sie, daß dies er verhängnisvolle Ort nur eine Meile weit von dem Schloß entfernt ist, in das ich Sie führe, und daß Sie bei der geringsten Verfehlung wieder hieher zurückkommen werden.“

Die plumpeste Vorspiegelung eines Glückes ist für den Unglücklichen das, was der Tau der vertrockneten Blüte ist. Justine warf sich weinend ihrem scheinbaren Wohltäter zu Füßen. Sie schwor, unterwürfig zu sein und sich gut betragen zu wollen. Allein der grausame Bressac, der für die Feude dieses armen Kindes ebenso wenig empfänglich war, wie für ihren Schmerz, sagte blos: „Wir wollen sehen“ und setzte sich in Bewegung.

Jasmin und sein Herr sprachen leise zusammen, während Justine ihnen demütig und wortlos folgte. Ein Marsch von fünfviertel Stunden brachte sie nach dem Schloß der Frau von Bressac, dessen kostbare Ausstattung Justine lehrten, daß, welchen Posten immer sie hier einnehmen würde, es nur zu ihrem Vorteil gereichen könne.

Eine halbe Stunde nachdem sie angelangt waren, stellte sie der junge Mann seiner Mutter vor.

Frau von Bressac war ungefähr 45 Jahre alt, noch sehr schön und wiewohl weichherzig, so doch streng von Sitten. Sie war stolz darauf, in ihrem Leben niemals einem Fehltritt getan zu haben und verzieh auch Anderen nicht ihre Schwächen. Durch diese übertriebene Strenge fühlte sich ihr Sohn abgestoßen, der, wie wir gesehen haben, wohl Torheiten beging. Seit zwei Jahren Witwe, besaß Frau von Bressac eine jährliche Rente von 100.000 Talern, die, eines Tages mit der eigenen vom Vermögen des Vaters herstammenden vereinigt, dem Verbrecher, den wir kennen lernten, ein Jahreseinkommen von fast einer Million sicherte. Trotz so großer Aussichten gab Frau von Bressac ihrem Sohne sehr wenig Geld. Konnte ein Tachengeld von 25.000 Francs zur Bezahlung der Vergnügungen des jungen Mannes reichen? Nichts ist so teuer wie gerade seine Art von Leidenschaften. Zwar kosten die Männer weniger wie die Frauen, allein man läßt sich häufiger ficken, als man selber Nummern machen würde.

Frau von Bressac bewohnte drei Monate im Jahre das Landgut, wohin Justine kam, die übrige Zeit verbrachte sie in Paris. Von ihrem Sohne verlangte sie, daß er sie während dieser drei Monate nicht verlasse und man kann sich die Qualen eines jungen Mannes vorstellen, der seine Mutter verabscheute und jeden Augenblick als verloren betrachtete, den er fern von einer Stadt zubringen mußte, die für ihn der Mittelpunkt seiner Genüsse war.

Bressac befahl Justine, seiner Mutter von den Dingen Mitteilung zu machen, die sie ihm erzählt hatte. Sowie sie geendigt, ergriff die hochachtbare Frau das Wort: „Ihre Reinheit und Unschuld,“ sagte sie, „lassen mich an Ihrer Wahrheitsliebe nicht zweifeln. Ich werde keine weiteren Erkundigungen über Sie einziehen als die, ob Sie wirklich die Tochter des Mannes sind, den Sie mir genannt haben. Ich habe Ihren Vater gekannt, und das ist für mich ein Grund mehr, mich für Sie zu interessieren. Was die Geschichte mit der Delmouse betrifft, so nehme ich es auf mich, sie in zwei Besuchen zu ordnen, die ich dem Kanzler, einem alten Freund von mir abstatten werde. Dieses Geschöpf ist überdies ihrem Ruf nach schon längst gefallen, und ich könnte sie einsperren lassen, wenn ich wollte. Aber denken Sie gut nach, Justine,“ fuhr Frau von Bressac fort, „daß das, was ich Ihnen hier verspreche, nur der Preis für eine glänzende Aufführung ist.“ Justine warf sich nun ihrer Wohltäterin vor die Knie und versicherte, daß man mit ihr zufrieden sein würde, worauf sie ihre Stelle antreten konnte.

Nach einigen Tagen langten die Antworten auf die Erkundigungen ein. Man lobte Justine wegen ihrer Offenheit und bald verflüchtigten sich alle Gedanken an gewesenes Unglück aus ihrem Geist, um der süßestem Hoffnung Platz zu machen. Aber es war diesem armen Mädchen nicht bestimmt, jemals glücklich zu sein, und wenn sie es auch jetzt auf kurze Zeit war, so geschah das nur, um ihr das kommende Mißgeschick noch bitterer fühlen zu lassen.

Kaum war man nach Paris zurückgekehrt, als Frau von Bressac sich bemühte, ihrer Kammerfrau die Wege zu ebnen. Die Verleumdungen der Delmouse wurden als solche erkannt, aber man konnte ihr nichts mehr anhaben, da sie vor einigen Tagen nach Amerika, abgereist war, um eine reiche Erbschaft anzutreten.

Was die Feuersbrunst im Gefängnis betrifft, so überzeugte man sich bald, daß Justine, obwohl sie aus dem Ereignis Nutzen gezogen hatte, ihm doch vollständig ferne stand.

Man kann sich leicht vorstellen, wie alles das sie an Frau von Bressac fesselte. Jung, schwach und gefühlvoll wie sie war, öffnete Justine ihr Herz bald freudig den Gefühlen der Dankbarkeit. Da sie sich närrischerweise einbildete, daß eine Wohltat den Empfänger an den Geber binden müsse, richtete sie ihr Augenmerk nur mehr auf dieses kindische Gefühl. Es lag natürlich in der Absicht des jungen Mannes, Justine so sehr als möglich an seine Mutter zu fesseln, die er nicht leiden konnte. Aber wir müssen ihn erst näher schildern.

Bressac vereinigte mit den Reizen der Jugend eine verführerische Erscheinung. Wenn man an seinem Wuchs oder seinen Zügen Fehler hätte aussetzen können, so wären es die gewesen, daß sie sich ein wenig der Weichheit näherten, die den Frauen eigentümlich ist. Allein welche Seele steckte unter diesen weiblichen Formen. Man fand in ihr alle Laster, welche die größten Verbrecher auszeichnen. Niemals gab es jemand bösartigeren, rachsüchtigeren, grausameren, gottloseren und ausschweifenderen. Vor allem anderen haßte dieser sonderbare Mensch seine Mutter, und zwar war dieser Haß unglücklicherweise sowohl auf unerklärlichen Gefühlen als auch auf dem Interesse aufgebaut, das er an ihrem baldigen Hinscheiden haben mußte. Frau von Bressac tat alles, um ihren Sohn auf den Pfad der Tugend zurückzuführen, aber sie wendet zuviel Strenge an und der junge Mann gab sich nur noch stürmischer seinen seltsamen Neigungen und seinem Haß hin.

„Bilden Sie sich nicht ein,“ sagte Bressac eines Tages zu Justine, „daß meine Mutter aus sich selbst heraus so gut am Ihnen handelt. Glauben Sie mir, daß wenn ich sie nicht jeden Augenblicke antreiben würde, sie sich kaum an ihre Versprechungen erinnern würde. Ja, Justine, nur mir schulden Sie die Dankbarkeit, die Sie an meine Mutter verschwenden. Und ich muß Ihnen umso uneigennütziger erscheinen, als ich, wie Sie wohl wissen, nicht nach ihren Liebesbezeugungen trachte. Nein, nein, liebes Kind, ich verachte alles, was mir eine Frau geben kann, und die Dienste, die ich von Ihnen verlange, sind ganz anderer Art, und ich hoffe, daß Sie einsehen werden, daß ich ein Anrecht auf Ihre Dankbarkeit habe.“

Diese häufig wiederholten Redensarten waren Justine so unverständlich, daß Sie keine Antwort finden konnte. Um aber das Vertrauen der Leser nicht zu täuschen, müssen wir die Fehler eingestehen, die Justine beging.

So niederträchtig schlecht Bressac gegen sie vorgegangen war, war es ihr vom ersten Tage an, das sie ihn gesehen hatte, doch unmöglich, sich eines heftigen Gefühle von Zärtlichkeit zu erwehren. Das Dankbarkeitsgefühl vermehrte noch diese ungewollte Neigung in ihrem Herzen und bald verehrte die arme Justine diesen Verbrecher ebenso heftig, wie sie ihren Gott, ihre Religion und die Tugend anbetete. Sie hatte sich tausendfach Gedanken über die Grausamkeit dieses Mannes, über seine Geschmacksverwirrung, seinen Frauenhaß und über den sittlichen Abgrund, der ihn von ihr trennte, gemacht und trotzdem konnte nichts in dieser Welt diese keimende Leidenschaft ersticken. Wenn Bressac ihr Leben verlangt hätte, hätte sie es ihm ruhig gegeben. Aber Justine hatte noch niemals ein Wort laut werden lassen und der undankbare Bressac war weit davon entfernt, die Ursachen der Tränen zu erraten, die sie täglich um ihn vergoß. Trotzdem konnte er nicht umhin, zu bemerken, daß sie ihm alle seine Wünsche von den Augen ablas. Durch ihr Betragen hatte sie sich bald das volle Vertrauen des jungen Bressac erworben, so daß ar ihr feines Tages zu, sagen wagte: „Unter den jungen Männern, die sich mir hingeben, gibt es welche, die es nur aus Gefälligkeit für mich tun, Justine. Diese hätten den Anblick eines reizvollen jungen Mädchens nötig, und da ich ihren Wünschen, obwohl sie meinen Stolz verletzen, doch nachkommen will, so würde ich dabei dich jeder anderen vorziehen. Ich will von nichts wissen. Du wirst sie in meinem Kabinett vorbereiten und ich lasse sie erst in mein Zimmer, wenn sie in dem richtigen Zustand sind.“ – „O, mein Herr,“ erwiderte Justine unter Tränen, „wie können Sie mir solche Dinge vorschlagen? Und gar die Greuel, denen Sie sich hingeben ...“ – „Ah, Justine,“ unterbrach sie Bressac, „kann man jemals diese Neigung in sich töten? Wenn du ihre Reize kennen würdest! Wenn du begreifen könntest, was man bei der süßen Illusion empfindet, daß man nicht mehr wie eine Frau ist! Unfaßbare Verwirrung dies Geistes: Man verabscheut dieses Geschlecht und ahmt ihm doch nach. Ach, nein, Justine, du kannst dir nicht vorstellen, welchen wollüstigen Kitzel diese göttliche Neigung hervorruft. Man kann sich unmöglich zurückhalten. Man verliert den Verstand, es ist ein Fieber. Tausend Küsse, einer feuriger wie der andere, können uns nicht in den Rausch versetzen, in den uns ein Reiter bringt. Von seinen Armen umschlungen, ein Mund auf den andern gepreßt, sind wir in einem Zustand, daß wir wünschen, unser ganzes Wesen möge mit dem seinen bloß einen Körper bilden. Wir möchten, daß unser Reiter stärker sei wie Herkules, daß er uns hinten aufreihe. Wir möchten, daß jener kostbare, heiß in unsere Eingeweide spritzende Samen durch seine Hitze und seine Kraft den unseren auslöst. Wir sind anders wie andere Menschen geschaffen und jene reizbare Haut, die das Innere eurer niederträchtigen Scheide auskleidet, hat der Himmel uns an jenen Altären geschenkt, an denen unsere Seladone opfern. Es gibt keinen von euren Genüssen, den wir nicht auch kennen würden, aber dazu kommen noch die, die bloß wir haben. Diese wundervolle Viereinigung macht uns zu den Menschen auf der Erde, die für die Wollust am empfänglichsten sind und am ehesten dazu geschaffen sind, sie zu genießen.“

So drückte sich Herr von Bressac über seine Freuden aus. Hätte Justine versuchen sollen, ihm von der hochachtbaren Frau zu sprechen, der er das Licht der Welt verdanke und welchen Kummer ihr solche Verirrungen bereiten mußten? Sie bemerkte an dem jungen Manne nur Verachtung, üble Laune und Ungeduld, so lange in diesen Händen Reichtümer zu sehen, die, wenn es nach ihm gegangen wäre, schon in seinem Besitz hätten sein müssen. Sie sah an ihm nur mehr grenzenlosen Haß gegen diese so tugendhafte und anständige Frau.

Manchmal versuchte es Justine mit religiöser Hilfe. Sie trachtete, ihre Illusionen in die Seele dieses perversen jungen Mannes einzupflanzen. Aber Bressac, der ein erklärter Feind der religiösen Mysterien war, bemühte sich bald, statt sich dem Glauben Justines zu unterwerfen, sie dem seinigen zu gewinnen. Er schätzte den Geist dieses jungen Mädchens so weit, daß er danach trachtete, sie durch die Philosophie zu erleuchten. Vorerst mußte er aber in ihr alle Vorurteile ertöten und er begann mit folgenden Worten:

„Alle Religionen, Justine, gehen von einem falschen Grundsatz aus: Alle nehmen einen Schöpfer als notwendig an, dessen Existenz unmöglich ist. Erinnere dich doch an die vernünftigen Erklärungen dieses gewissen Eisenherz, der, wie du erzähltest, gleich mir deinen Geist bearbeitet hat. Das war ein sehr geistvoller Mann und die Erniedrigung, in der zu leben ihn die menschliche Dummheit zwingt, enthebt ihn nicht der Fähigkeit, richtig zu denken.

Wenn alle Erzeugnisse der Natur nur Folgen der in ihr liegenden Gesetzen sind, wenn die Bewegung in ihr selbst liegt, was wird dann aus dem hoheitsvollen Herrscher, an den die Dummköpfe glauben? So ungefähr sprach dein kluger Lehrer zu dir. Was aber sind die Religionen anderes als Fesseln, mit denen der Stärkere den Schwächeren binden will? In dieser Absicht nur wagte der Stärkere zu behaupten, daß ein Gott die Ketten geschmiedet habe, die seine Grausamkeit selbst erfand. Und der Unglückliche glaubte ohne nachzudenken alles, was der andere wollte. Können aber Religionen, die aus solchen Betrügereien hervorgegangen sind, Achtung verdienen? Was sehe ich in allem? Mysterien, die den gesunden Verstand schaudern machen, Dogmen, die die Natur beleidigen, groteske Zeremonien, die nur Abscheu erregen können. Aber wenn zwei Religionen unsere besondere Verachtung verdienen, so sind es die beiden, die sich auf den stumpfsinnigen Romanen, Altes und Neues Testament genannt, aufbauen. Sehen wir uns aber einmal diese lächerliche Anhäufung von Lügen und Frechheiten näher an. Ich werde dir Fragen stellen und du sollst sie beantworten, wenn du kannst.

Vorerst: Wie soll ich mich dazu stellen, daß die Juden, die während der Inquisition zu Tausenden verbrannt wurden, durch vier Jahrtausende hindurch die Lieblinge Gottes waren? Wie konnte ihr grausamer und lächerlicher Gott so ungerecht sein und der ganzen Welt eine kleine Horde von Juden vorziehen, um bald darauf wieder dieses Lieblingsvolk im Stiche zu lassen, um sich einer noch viel kleineren und elenderen Kaste anzunehmen?

Warum hat dieser Gott früher so viele Wunder getan und warum will er keine mehr für uns tun, obwohl wir doch jetzt jenes Volk ersetzen, für das“ er ehemals so entzückt getan hat?

Ist Gott nicht ein frecher Ignorant, wenn er sagt, Moses habe seine Schriften in der Wüste jenseits des Jordans niedergeschrieben; denn Moses hat niemals den Jordan überschritten.

Wie kommt es, daß sich in einem vom Ihrem Gott diktierten Buch Namen von Städten finden, die niemals existierten, Vorschriften, für Könige, die den Juden ein Greuel waren und die noch gar nicht über sie herrschten ... Kurz, ein Ameisenhaufen von Widersprüchen? Ihr Gott ist also gleichzeitig ein Dummkopf und ein launischer Geist. Ich würde statt einer solchen traurigen Gestalt lieber vorziehen, gar keinen zu haben.

Wie fassen Sie die burleske Geschichte von der Rippe Adams auf? Ist sie direkt oder symbolisch zu nehmen? Wie schuf Gott das Licht vor der Sonne? Wie schied er das Licht von der Finsternis, da doch Finsternis nichts anderes als Entziehung des Lichtes ist? Wie wurde das Firmament inmitten der Waser geschaffen, da es doch gar kein Firmament gibt?8

Ist es nicht klar, daß Ihr alberner Gott ein ebenso schlechter Physiker, wie schlechter Geograph und lächerlicher Geschichtsschreiber ist?

Wollen Sie einen weiteren Beweis seiner Dummheit? Was ist das für ein lächerliches Verbot, eine Frucht nicht essen zu dürfen, die in einem Garten wächst, der einem ganz zur Verfügung gestellt ist? Es liegt viel Bösartigkeit in solchem Verbot, denn Gott wußte wohl, daß der Mensch unterliegen würde: Das Ganze war also bloß eine Falle, die er ihm stellte. Welch scheußlicher Schuft ist doch Ihr Gott! Ich sah in immer bloß als Dummkopf an, aber bei näherer Betrachtung wird er zu einem großen Verbrecher.

Warum will dieses Original plötzlich nicht mehr, daß man die Luft in seinem Garten atme und warum setzt er vor das Tor einen Ochsen9 mit dem Flammenschwert in der Hand?

Gibt es etwas Alberneres und Lächerliches als diese Anekdotensammlung?

Wie wollen Sie mir die Geschichte mit den Engeln erklären, die die Töchter der Menschen küssen und Riesen erzeugen? Was sagen Sie zu der Sintflut, die, wenn sie wie Gott sagt, nur 40 Tage dauerte, höchstens 18 Zoll Wasser über der Erde hätte ansammeln können? Wie wollen Sie mir die Wasserstürze des Himmels, wie erklären, daß Tiere aus allen vier Himmelsrichtungen kamen, um dann in einen Koffer eingesperrt zu werden, wo nach den Beschreibungen der Bibel alles Platz fände, nur nicht die ganze Menagerie des Herrn? Und wie konnte die Familie Noahs, die nur aus acht Personen bestand, alle diese Geschöpfe nähren und pflegen? O, mächtiger Gott der Juden! Ich bin überzeugt, daß unter all diesen Tieren keines dümmer war wie du.

Und der Turm von Babel wie wollen Sie den rechtfertigen? Er war zweifellos höher wie die Pyramiden Egyptens, da doch Gott diese Pyramiden fortbestehen ließ.

Und der gute Abraham, der im Alter von 135 Jahren Sarah für seine Schwester ausgibt, aus Angst, man könnte sie vergewaltigen, erfreut Sie das nicht?

Was mir wieder unendlichen Spaß macht, ist die hübsche Geschichte von den Sodomitern, die die Engel im Hintern ficken wollen und dem guten Loth, der lieber seine Töchter von hinten bearbeitet sehen möchte, was aber offenbar den Kennern vom Asphaltsee nicht genügte.

Aber die Frage, die Sie zweifellos auf der Stelle beantworten werden können, ist die, wieso die Salzsäule in die Loths Frau verwandelt wurde, so lange dem Regen widerstehen konnte?

Wie wollen Sie das Glück rechtfertigen, das Jakob genießt, der seinen Vater Isaak täuschte und seinen Schwiegervater Laban bestahl? Wie erklären Sie die Gotteserscheinung auf der Leiter und den Zweikampf Jakobs mit einem Engel? O, wie das hübsch, wie das interessant ist!

Aber sagen Sie mir, was Sie von dem kleinen Rechenfehler von 195 Jahren halten, den man findet, wenn man den Aufenthalt der Juden in Aegyptan nachprüft? Wie erklären Sie das Baden der Tochter Pharaos im Nil, in dem wegen der Krokodile niemals jemand badet?

Wie kommt es, daß Moses, der die Tochter eines Götzenanbeters heiratete, von Gott, der keine Heiden leiden mochte, doch zu seinem Propheten erwählt wurde? Wieso taten die Magier des Pharao dieselben Wunder wie Moses? Warum flüchtete Moses mit seinem Volk, da er doch von Gott geführt wurde und sich an der Spitze von 630.000 Streitern befand, statt sich Egyptens zu bemächtigen, dessen Erstgeborene alle durch die Hand Gottes umgekommen waren? Wieso verfolgte die Reiterei Pharaos dieses Volk in einem Land, in dem sich eine Reiterei überhaupt nicht bewegen konnte? Wie konnte übrigens Pharao eine Reiterei haben, da Gott bei der fünften Plage gestreicherweise alle Pferde hatte umkommen lassen.

Wie konnte ein goldenes Kalb in acht Tagen geformt werden? Und wie verbrannte Moses dieses goldene Kalb zu Asche?

Und wie denken Sie über die Gerechtigkeit Gottes, der wegen eines einzigen Mannes, der mit einem Mädchen aus Mediam geschlafen hat, 24.000 Menschen töten läßt? Waren diese Hebräer, die man uns als grausame Leute schildert, nicht doch sehr gutmütig, daß sie sich das gefallen ließen?

Aber erst, wenn er Gesetzgeber spielt, dann wird Ihr erhabener Gott geistvoll. Gibt es etwas klügeres und wichtigeres, als daß er den Männern befiehlt, nicht mit Frauen zu schlafen, wenn diese die Regeln haben und daß er, wenn es doch geschieht, die Todesstrafe darauf gesetzt hat? Als daß er die Art, wie man sich den Arsch auswischen und waschen muß, genau beschreibt? In der Tat, das alles ist von höchster Wichtigkeit und man liebt leicht ein ewiges Wesen, das so schöne Sachen vorschreibt.

Wie wollen Sie die Notwendigkeit eines Wunders beweisen, wenn man den Jordan überschreiten will, der höchstens vierzig Fuß breit ist?

Wie wollen Sie beweisen, daß gerade die Mauern von Jericho nur durch den Ton der Trompeten einstürzten?

Wie wollen Sie die Handlung der Hure Rahab entschuldigen, die ihre Vaterstadt Jericho verriet? Wozu war dieser Verrat nötig, da es bloß eines schwachen Trompetenstoßes bedurfte, um in den Besitz der Stadt zu gelangen?

Warum muß gerade aus den Lenden dieser Hure Rahab Gottes geliebter Sohn entstehen? Wie wollen Sie entschuldigen, daß Josua einunddreißig Personen hängen läßt, nur weil er nach ihrem Vermögen trachtete?

Wie beurteilen Sie die Schlacht Josuas gegen die Amorrhiter, während welcher Gott, der gütige Herr, durch fünf Stunden hindurch Felsblöcke auf die Feinde des jüdischen Volkes regnen läßt?

Wie können Sie, bei Ihren Kenntnissen von dem Lauf der Gestirne den Befehl Josuas begreifen, die Sonne möge stillstehen, während doch gerade die Sonne still steht und die Erde sich bewegt? Ah! Ich weiß, Sie werden mir antworten, daß Gott noch nicht wußte, daß wir solche Fortschritte in der Astronomie machen würden. Ihr Gott ist ein großer Geist!

Was halten Sie von Jephta, der seine Tochter schlachtet und 42.000 Juden hinrichten läßt, bloß weil ihre Zunge das Wort Schiloleth nicht aussprechen kann?

Warum wird in Ihrem Neuen Testament das Dogma von der Hölle und der Unsterblichkeit der Seele aufgestellt, während das Alte, an das doch das Neue anschließt, nichts von diesem ekelhaften Unsinn weiß?

Wie wollen Sie die Unsittlichkeit jener hübschen kleinen Erzählung von dem Leviter mildern, der auf seinem Esel nach Gaba kommt und den die Bewohner dieser Stadt im Hintern ficken wollen? Der arme Teufel läßt seine Frau im Stich, um sich aus der Verlegenheit zu ziehen und die Arme stirbt unter den sodomitischen Angriffen. Ich bitte, sagen Sie mir, wozu nützen derartige Niedlichkeiten in einem vom Geist Gottes geleiteten Buche?

Sie müssen mir auch erklären, wieso es möglich ist, daß Simson in seinem Lande, das keinen Wald besitzt, die Getreidefelder der Philister durch Fackeln entzündete, die er an die Schwänze von 300 Füchsen band; da doch Füchse gewöhnlich im Walde wohnen. Dann, wieso er 1000 Philister mit einer Eselskinnbacke erschlagen konnte und wieso aus einem dieser Zähne ein Strahl Wassers entspringen konnte? Sie werden zugestehen, daß man selbst ein wenig Eselskinnbacke sein muß, um ein solchem Märchen zu erfinden oder daran zu glauben.

Dieselbe Aufklärung erbitte ich mir von Ihnen über den wackeren Tobias, der mit offenen Augen schlief und durch den Kot einer Taube erblindete und auch ferner über den Engel, der eigens aus dem Himmelreich herabstieg, um mit Tobias Geld holen zu gehen, das der Jude Gabel dem Vater des Tobias schuldete. Diese Geschichten sind wirklich merkwürdig. Außer dem Märchen vom kleinen Däumling kenne ich nichts Hübscheres.

Nicht ohne Ihre Hilfe aber kann ich mir den heiligen Text erklären, der besagt, daß Judith von Simeon, dem Sohne das Ruben, abstamme, obgleich mach derselben heiligen Schrift Simeon der Bruder Rubens war. Und die heilige Schrift kann doch nicht lügen?

Ich liebe Esther und ich finde es von Aßnerus sehr vernünftig, eine Jüdin zu heiraten und sechs Wochen mit ihr zu schlafen, ohne zu wissen, wer sie ist.

Auch Ihr David macht mir Kummer. Ich sehe mit Aerger in einen solchen Verbrecher einen Ahnherrn Ihres Jesu. Es ist hart für ein Wesen, das sich Gott nennt, seinen Ursprung von einem Mörder, Ehebrecher, Frauenräuber, Syphilitiker und Betrüger, mit einem Wort, von einem Manne herzuleiten, der, wenn ihn unsere europäischen Gesetze erreicht hätten, zwanzigmal gerädert worden wäre.

Wie wollen Sie, bitte, die prachtvollen Versprechungen der jüdischen Propheten mit der dauernden Sklaverei in Einklang bringen, in der dieses unglückliche Volk bald unter den Phöniziern, bald unter den Babyloniern, unter den Persern, Syriern, den Römern usw. schmachtete?

Ihren Ezechiel halte ich entweder für ein großes Schwein oder für einen sehr wollüstigen Menschen, wenn er Kot ißt. Und es ärgert mich, wenn er einem jungen Mädchen sagt: „Als deine Brüste sich bildeten, habe ich mich auf dich gelegt, ich habe deine Nacktheit bedeckt und ich habe dir schöne Dinge geschenkt. Aber du hast dir ein Freudenhaus gebaut, du hast dich auf öffentlichen Plätzen geschändet. Du hast mit Eifer gewünscht, mit denen zu schlafen, die Eselsglieder haben und die Samen ausspritzen wie Pferde.“ O, schamhafte Justine, kann man ein solches Buch ein heiliges nennen und es jungen Mädchen in die Hand geben?

Ist die Geschichte Ihres Jonas, der drei Tage im Bauche eines Walfisches zubrachte, nicht widerlich und ist sie nicht eine deutliche Nachbildung nach der Erzählung von Herkules, der von ebensolchem Tiere verschlungen wurde, dann aber, geschickter wie Jonas, die Leber des Walfisches aß?

Aber beim Neuen Testament werden mir Ihre Erklärungen notwendiger sein, Man sagt mir, daß Matthias dem Josef Jakob zum Vater gibt, während Lukas ihn als Sohn des Elias hinstellt. Man wird mich fragen, wieso der eine sechsundfünfzig und andere nur zweiundvierzig Generationen aufzählt. Wozu dient übrigens dieser Stammbaum für Josef, welcher doch gar nicht der Vater Jesu war? Sind Sie der Ansicht, des heil. Ambrosius, der sagt, der Engel habe Maria ein Kind durch das Ohr gemacht (Maria per aurem impraegnata est), oder des Jesuiten Sanchés, der behauptet, daß sie entlud, während der Engel sie fickte?

Wenn ich nach Matthäus von der Flucht nach Egypten sprechen wollte, würde man mir entgegnen, daß diese Flucht ein Roman ist, von dem keiner der anderen Evangelisten spricht. Und wenn ich nun zugebe, daß die heilige Familie in Judäa blieb, wird man behaupten, daß sie in Egypten war.

Und glauben Sie, daß die Astronomen nicht über mich spotten werden, wenn ich ihnen von dem Stern erzähle, der die drei Könige in einen Stall leitete? Es ist ärgerlich, daß kein Geschichtsschreiber dem angeblichen Kindermord zu Hilfe kommt. Es wäre im Interesse der Menschlichkeit sehr zu wünschen, wenn die Massenmorde der Bartholomäusnacht, von Merindol, Cabrières usw. ebensowenig beglaubigt wären.

Aber was ich hoffe, von Ihnen aufgeklärt zu sehen, ist die entzückende Geschichte, in der der Teufel Gott entführt und ihn auf einem Berge absetzt, von dem aus man die ganze Erde sehen konnte. Der Teufel, der Gott alle Reichtümer verspricht, falls er ihn anbeten wolle, wird viele anständige Leute ärgern, weshalb ich für ihn ein Wort der Empfehlung erbitte.

Wenn Sie heiraten werden, Justine, werden Sie mir erzählen, wie Gott, der auch bei einer Hochzeit teilnahm, sich dabei benahm. Wasser in Wein zu verwandeln und das zu gunsten von Leuten, die schon betrunken waren.

Wenn Sie Ende Juli Feigen zum Frühstück essen werden, werden Sie die Güte haben, mir zu sagen, weshalb Gott, der auch Hunger hatte, im Monat März Feigen suchte, wenn das nicht die Zeit der Feigen ist.

Dann müßte ich beispielsweise erwähnen, daß Gott wegen der Erbsünde ans Kreuz geschlagen wurde. Man wird mir aber antworten, daß weder im Alten noch im Neuen Testament jemals die Rede von einer Erbsünde war und daß bloß gesagt wird, Adam müsse an dem Tag sterben, da er von dem Baume der Erkenntnis essen würde, und er trotzdem nicht starb.

Und ich fürchte, daß man mich für verrückt hält, wenn ich behaupte, daß Gott wegen eines 4000 Jahre vor seinem Tode gegessenen Apfels ans Kreuz geschlagen wurde.

Soll ich mit Lukas sagen, daß Jesus in dem kleinen Dorfe Bethaniens gen Himmel fuhr oder mit Matthäus, daß es aus Galiläa geschah? Oder soll ich gar die Meinung eines Gelehrten teilen, der zur allgemeinen Beruhigung behauptet, Gott habe einen Fuß in Galiläa und den anderen in Bethanien gehabt?

Sagen Sie mir, warum Jesus nicht sieben Sakramente aufgestellt hat und Ihre Religion; doch deren sieben aufzählt? Weshalb Sie die Dreieinigkeit anbeten und Jesus doch niemals von dieser Dreieinigkeit gesprochen hat. Mit einem Wort, weshalb Ihr so mächtiger Gott uns doch nicht über alle diese für unser Heil wichtige Wahrheiten aufklären konnte?

Aber lassen wir einmal alles beiseite, was man von Ihrem Christus spricht und beurteilen wir ihn einmal nur nach seinen eigenen Worten und seinen eigenen Handlungen. Wie, frage ich Sie, können vernünftige Menschen den dunklen Worten und geschickt vorgetäuschten Wundern des ekelhaften Gründers dieses Gottesdienstes Glauben entgegenbringen? Gab es jemals einen Spiegelfechter, der mehr den öffentlichen Unwillen herausgefordert hätte? Durch Kunstkniffe, Zauberstückchen und Kalauer10 kündet sich der Abgesandte Gottes der Welt an. In der hochachtbaren Gesellschaft von Gauklern, Handwerkern und Freudenmädchen erzählt er von seiner Macht.

Indem er mit dem einen trinkt und mit dem andern fickt, unterwirft der Sohn Gottes, der selbst Gott ist, verhärtete Sünder seinem Gebot. Jedoch hat er Erfolg, wie immer er es anstellt. Flache Tölpel schließen sich dem Schuft an und bilden eine Sekte. Die Glaubenssätze dieses Schweinehundes verlocken einige Juden. Als Sklaven römischer Macht waren sie froh, eine Religion zu finden, die sie von den politischen Ketten befreiten und sie nur in religiöse zwang. Man errät ihre Absichten und sie werden verhaftet. Ihr Führer kommt auf eine im Verhältnis zu seinem Verbrechen sehr milde Art um, aber man begeht einen unverzeihlichen Fehler und läßt die Jungen dieses Schädlings frei laufen, statt sie auch aufzuhängen. Nun ergreift der Fanatismus die Geister. Frauen schreien, Narren streiten, die Dummköpfe glauben. Und so wird das niederträchtigste aller Wesen, der ungeschickteste aller Gauner, der plumpste Betrüger, den es je gab zum Gott, zum wahren, dem Vater gleichgestellten Sohn Gottes. Der Schoß seines sagenhafen Papas öffnet sich, um ihn zu empfangen. Und dieser Schöpfer, dar ehemals allein war, wird nun dreigestaltig. Alles nur, um seinem würdigen Sohn einen Gefallen zu tun. Aber nicht einmal dabei läßt es dieser heilige Gott bewenden. Auf den Wunsch eines Priesters, das heißt eines lügnerischen und verbrecherischen Schuftes, läßt sich dieser große Gott, der Schöpfer des Weltalls, zehn- oder zwölfmillionenmal an einem Morgen in ein Stück Oblate nieder. Und alles das, nur um seinen lieben Sohn zufriedenzustellen, der diese Gottlosigkeit zum erstenmal bei einem armseligen Abendmahl beging. Er sagte es und so muß es wohl auch sein. Er sprach: Dies Brot, das Ihr sehet, wird mein Fleisch sein und Ihr werdet es als solches verdauen. Nun: Ich bin Gott, so wird also Gott von euch verdaut werden. Folglich wird sich der Schöpfer des Himmels und der Erde in Kot verwandeln, weil ich es gesagt habe. Und man wird seinen Gott essen und entleeren, weil Gott gut ist und allmächtig.

Schließlich gelangt diese niederträchtige Religion auf den Thron. Und ein schwacher, grausamer, unwissender und fanatischer Herrscher beschmutzt mit ihr die beiden Enden der Erde. O, Justine! Welchen Wert haben derartige Gründe für einen urteilenden und philosophisch geübten Geist! Kann der Kluge in diesem Durcheinander von abscheulichen Märchen etwas anderes sehen als eine bewußte Täuschung etlicher Menschen und eine falsche Vertrauensseligkeit der weitaus größeren Anzahl? Wenn Gott gewollt hätte, daß wir seine Religion annehmen und wenn er wirklich allmächtig gewesen wäre, hätte er uns dann seine Gesetze auf so unsinnige Art und Weise mitgeteilt? Hätte er uns dann durch einen verächtlichen Banditen gezeigt, wie wir ihm dienen müssen? Er möge eines Tages, im Mittelpunkt der Sonne mit Flammenschrift das Gesetz aufschreiben, das er wünscht und das er uns geben will: Von einem Ende des Weltalls bis zum anderen würden die Menschen es gleichzeitig lesen können und nun würden sie sich schuldig machen, wenn sie es nicht befolgen würden. Für ihren Unglauben gäbe es keine Entschuldigung mehr. Aber seine Wünsche in einem unbekannten Winkel Asiens laut werden lassen! Als Zuhörer sich das betrügerischeste Volk, als Verkünder sich den unsinnigsten Spitzbuben aussuchen; die Lehre so gut verschleiern, daß man sie nicht verstehen kann; sie nur einigen wenigen Wesen mitteilen und die anderen in Unkenntnis lassen und sie dann nach dafür bestrafen, nein, Justine, das sind unsinnige Grausamkeiten, die nicht danach angetan sind, daß sie uns leiten könnten. Ich möchte tausendmal lieber sterben, als an solche Dinge zu glauben. Es gibt keinen Gott und es gab niemals einen. Nur in den Köpfen von Narren lebte dieses Wahngebilde. Aber – werden Sie mir entgegnen – die Natur ist unfaßbar ohne einen Gott. Nun, dann forschen Sie wie Fénelon nach den winzigsten Teilen im Körper eines Menschen. Schwingen Sie sich in die Lüfte, um den Lauf der Gestirne zu bewundern. Begeistern Sie sich vor Schmetterlingen, Insekten und Polypen, im denen Sie die Größe Gottes zu finden glauben. Aber alle diese Dinger werden, so viel sie auch sagen mögen, niemals die Existenz dieses eingebildeten Wesens beweisen. Sie werden nur beweisen, daß Sie nicht den nötigen Begriff von der ungeheuren Mannigfaltigkeit der Materie und von den Wirkungen der verschiedenen Kombinationen haben können. Sie werden beweisen, daß Sie gar nicht wissen, was die Natur ist, daß Sie keine Ahnung von ihren Kräften haben, wenn Sie sie für unfähig halten, eine Menge von Formen und Wesen zu erzeugen, von denen Ihre Augen, selbst wenn sie mit dem Mikroskop bewaffnet sind, nur den allerkleinsten Teil sehen können.

Man sagt uns würdevoll, daß keine Wirkung ohne Ursache ist, und man wiederholt uns jeden Augenblick, daß die Welt nicht von selbst entstanden ist. Aber das Weltall ist eine Ursache, es ist keine Wirkung, kein Werk: Es ist nicht geschaffen worden, es war immer so, wie wir es sehen. Seine Existenz ist notwendig. Es hat seine Ursache in sich selbst. Die Natur, deren Zweck es ist, zu schaffen und zu erzeugen, bedarf nicht eines unsichtbaren Bewegers. Die Materie bewegt sich kraft ihrer eigenen Energie durch Verschiedenheit der Bewegung oder der Aeußerungen beruht die Verschiedenheit der Materie. Wir unterscheiden Dinge nur durch den Gegensatz. Wie? Sie sehen, daß alles in der Natur in Bewegung ist und Sie wollen glauben, daß die Natur ohne Energie ist? Sie sind so blöd zu glauben, daß dieses All, dessen Wesen es ist, sich zu bewegen, eines Bewegers bedarf? Ueberzeugen Sie sich von dem Gegenteil, daß sich die Materie aus sich selbst bewegt. Kehren Sie von einer eingebildeten Welt in die Wirklichkeit zurück! O, Justine! Wie ich diese Gottesidee verabscheue und hasse! Wenn der Atheismus Märtyrer verlangen wollte, er fände mich mit meinem Blut bereit, zu sterben.

Sagen Ihnen aber Dummköpfe, daß die Moral verloren geht, wenn es keine Religion mehr gibt, dann fragen Sie sie, wozu der Mensch die Moral benötigt, um zufrieden auf der Erde leben zu können. Ich kenne nur eine Moral, und das ist die, sein Glück durchzusetzen und koste es jeden Preis. Die Natur, die uns einsam gebar, befiehlt uns in keiner Weise, unseren Nächsten zu schonen. Wenn wir es doch tun, so geschieht es aus Schlauheit oder besser gesagt, aus Egoismus. Wir fügen den anderen nichts zu, weil wir nicht wollen, daß man uns etwas zufügt. Aber derjenige, der genug stark ist, um nicht eine Vergeltung befürchten zu müssen, wird ruhig Böses tun, weil es keine stärkere Neigung im Menschen gibt als die, zu schaden und zu unterjochen. Diese Regung liegt von Natur aus in uns und nur die Notwendigkeit des gemeinschaftlichen Lebens mildert sie. Aber dieser Zwang, den uns die Zivilisation auferlegt, hindert nicht, daß der Mensch auch weiterhin sein größtes Vergnügen darin findet, alle Gesetze zu übertreten. Ich frage Sie nun, ist es nicht lächerlich, wenn man von uns fordert, die anderen Menschen ebenso zu lieben wie uns selbst? Und erkennt man nicht an der Lächerlichkeit dieses Tauschgeschäftes die ganze Schwäche eines armseligen Gesetzgebers? Was geht mich denn das Schicksal meiner Nächsten an, wenn ich nur vergnügt bin! Was habe ich mit so einem Wesen anderes gemeinsam als die äußere Form? Wenn Sie das Moral nennen, Justine, dann ist Ihre Moral sehr lächerlich, und ich kann mit ihr nur das gleiche tun wie mit Ihrer Religion: sie verachten. Es gibt nur einen vernünftigen Grund, der einen Menschen bestimmen könnte, seine Neigungen und Liebhabereien zu verleugnen: seine Schwäche. Er wird es niemals tun, wenn er der Stärkere ist; woraus ich schließe, daß jedesmal, wenn die Natur meinem Nebenmenschen mehr Macht gegeben hat wie mir, er gut daran tut, mich seinen Neigungen zum Opfer zu bringen. Ebenso wie er sicher sein kann, daß ich ihn nicht schonen würde, wenn ich die Uebermacht hätte. Ich kenne die ganze Tragweite dieses Gedankenganges; aber wenn die Menschen wirklich vernünftig sind, gehorchen sie bloß der Natur und legen ihren Handlungen keine anderen Schranken auf, als ihre Wünsche, ihren Willen und ihre Leidenschaften. Was man Tugend nennt, ist ein Wahngebilde für mich. Dieser unbestimmte, haltlose Begriff, der mit dem Klima sich ändert, erweckt in mir keinen einzigen großen Gedanken. Die Tugend eines Volkes wird immer nur das Werk eines Landstriches oder seines Gesetzgebers sein. Die Tugend des richtig denkenden Menschen ist die, jeden möglichen Wunsch zu befriedigen. Nichts ist in meinen Augen ein Verbrechen, weil es keine Handlung gibt, die nicht von Ihnen als verbrecherisch bezeichnet wird und die doch einmal irgendwo hochgeschätzt wurde. Sowie eine Handlung aber nicht durchwegs als Verbrechen betrachtet wird, so wird schließlich das Verbrechen überhaupt zu einer wertlosen geographischen Frage. „O, Justine! Meine einzige Moral besteht darin, alles zu tun, was mir gefällt und meinen Wünschen keine Schranken zu setzen. Meine Tugenden sind bei Ihnen Laster, und meine Verbrechen sind bei Ihnen gute Taten; was Ihnen rechtschaffen erscheint, ist in meinen Augen abscheulich, Ihre guten Werke stoßen mich ab und Ihre Tugend ist mir ein Greuel; und daß ich noch nicht so weit halte wie Eisenherz, der die Leute auf der Landstraße ermordet, hat nicht seinen Grund darin, daß ich nicht schon oft den Wunsch danach empfunden hätte, sondern darin, daß ich reich bin, Justine, und daß ich mindestens ebensoviel Böses tun kann, ohne mir so viel Mühe zu geben oder mich solchen Gefahren auszusetzen“.

Justine konnte sich solchen Beweisgründen gegenüber nur schlecht behaupten, und ihre Tränen rannen reichlich. Die Tränen sind der Trost des Schwachen, wenn ihm das Trugbild entzogen wird, das ihn stützte. Er wagt es vor den Augen des zerstörenden Philosophen nicht wieder aufzubauen, aber er trauert darum. Die Leere erschreckt ihn und da er die süßen Freuden des Despotismus nicht genießen kann, so schaudert er über die Sklavenrolle, die ihm die zügellose Tyrannei des Stärkeren auferlegt.

Bressac wendete bei seinem Versuch, Justine sittlich zu verderben, jeden Tag fast dieselben Waffen an. Aber er konnte nicht recht ans Ziel kommen, denn die Arme hielt schon aus Notwendigkeitsgründen an der Tugend fest.

Der klugen und gottesfürchtigen Frau v. Bressac war es nicht unbekannt, daß ihr Sohn durch ein unzerstörbares philosophisches Gebäude alle Laster rechtfertigte, denen er sich hingab. Sie vergoß darüber viele bittere Tränen in den Armen Justines, und da sie bei ihr Verstand, und Mitgefühl fand, vertraute sie ihr gern ihren ganzen Kummer an.

Jedoch die Uebeltaten ihres Sohnes überschritten beinahe jede Grenze. Nicht nur, da? er seine Mutter mit all den Flegeln umgeben hatte, die seinen Vergnügungen dienten, er trieb die Frechheit sogar so weit, der verehrungswürdigen Frau zu erklären, daß, sollte sie sich noch einmal seinen Neigungen widersetzen, er sie mit ihren eigenen Augen von den Reizen dieses Liebesgenusses überzeugen wolle.

Wir haben uns ein Gesetz daraus gemacht, alles wahrhaftig und genau zu beschreiben, und dieses Gesetz lastet nun schwer auf unserem Gemüt. Aber wir haben versprochen, bei der Wahrheit zu bleiben und jede Verschleierung wäre eine Beleidigung unserer Leser, deren Wertschätzung uns wertvoller ist, als alle Vorurteile der Schicklichkeit.

Frau von Bressac hatte die Gewohnheit, alljährlich die Osterfeiertage auf ihrem Landgut zu verbringen; erstens weil es dort ruhiger war, und zweitens, weil der Pfarrer dieses Dorfes ihrer sanften und vielleicht ein wenig eingeschüchterten Seele besser zusagte. Diesmal nahm sie nur 2 oder 3 Diener und Justine auf die Reise mit, während ihr Sohn, der sich nicht langweilen wollte, ungefähr dieselbe Dienerschaft wie bei allen anderen Reisen mitbrachte: Kammerdiener, Lakaien, Läufer, Sekretäre, Jockeys mit einem Worte, alles, was sonst seinem Vergnügen diente. Das erregte den Unwillen. Frau von Bressacs und sie wagte es, ihrem Sohne vorzuhalten, daß es für einen Aufenthalt von acht Tagen nicht lohne, soviel Leute mitzunehmen. Als der junge Mann diese vernünftigen Einwände in den Wind schlug, gebrauchte sie ihm gegenüber einen befehlenden Ton. „Höre,“ sagte Bressac nachher zu Justine, die nur widerstrebend die Befehle ihrer Gebieterin übermittelte, „sage meiner Mutter, daß der Ton, in dem sie mit mir spricht, mir mißfällt. Es ist Zeit, daß ich ihr einen anderen angewöhne, trotz der guten Werke und der frommen Beschäftigung, der sie sich heute vormittags in deiner Gegenwart gewidmet hat. Denn ich weiß wohl, daß, trotzdem ich dich von der Lächerlichkeit der christlichen Religion überzeugt habe, du doch täglich deine Andacht verrichtest! Trotz alledem will ich ihr sofort vor deinen Augen eine kleine Lektion erteilen, aus der sie hoffentlich Nutzen ziehen wird.“ – „O, mein Herr ...“ – „Gehorche und gewönne dir an, niemals zu widersprechen, wenn ich dir Befehle erteile.“

Das Schloßtor wurde zugesperrt und zwei außen stehende Wachen hatten Befehl, jedem, der Einlaß verlangte, zu sagen, die gnädige Frau sei soeben nach Paris zurückgekehrt. Nun stieg Bressac mit seinem getreuen Jasmin und einem anderen, Josef genannten Diener, der schön wie ein Engel, frech wie ein Henker und kräftig wie Herkules war, zu den Gemächern seiner Mutter hinauf. „Madame,“ sagte er beim Eintreten zu ihr, „ich muß endlich mein gegebenes Wort halten und sie selbst von dem unglaublichen Vergnügen überzeugen, das ich empfinde, wenn ich Arschfickerei betreibe. Hoffentlich werden Sie sich dann nicht mehr meiner Vorliebe widersetzen!“ – „Wahrhaftig, mein Sohn ...“ – „Schweigen Sie, Madame, bilden Sie sich nicht ein, daß Ihre Eigenschaft als Mutter Ihnen auch nur das geringste Recht über mich gibt. Für mich bezeichnet dieser Titel nur, daß Sie sich ficken ließen, um mich in die Welt zu setzen. Sie werden sehen, um was es sich handelt, Madame. Ich bin überzeugt, wenn Sie einmal über meine Genüsse urteilen können, werden Sie sie achten und sie zu reizvoll finden, um zu wagen, sie mir zu verbieten. Durchdrungen von Ihrer Ungerechtigkeit werden Sie dann, hoffentlich, meine süßen Leidenschaften Ihren lächerlichen Befehlen vorziehen.“

Bei diesen Worten schloß Bressac Türen und Fenster. Dann näherte er sich dem Bette, auf das sich seine Mutter hingelegt hatte, um einen Augenblick lang von den religiösen Anstrengungen des Vormittags auszuruhen, befahl Josef, sie festzuhalten und ließ sich dann in ihrer unmittelbaren Nähe von Jasmin in den Hintern ficken. „Beobachten Sie genau, Madame,“ sagte der Verbrecher, „in welche Verzückung mich die kräftigten Stöße meines Reiters versetzen. Sehen Sie mein Glied an, wie es mir steht. Warten Sie, gleich wird es von Josef gekitzelt werden, der ja eine Hand frei hat und dann wird der Same auf ihre fleischigen Schenkel spritzen. Sie werden von meinem Samen überschwemmt werden, Madame, und werden sich an die glücklichen Zeiten zurückerinnern, als mein geschätzter Vater Ihnen noch den Nabel einnäßte ... Aber, was sehe ich, Justine, du wendest dich ab? Lege dich zu deiner Herrin und halte sie mit Josef zusammen fest.“

Es ist nicht leicht, die Gefühle aller bei dieser Szene beteiligten Personen auf einmal zu beschreiben. Die unglückliche Justine weinte, während sie ihrem Befehl nachkam. Frau von Bressac war keiner Regung fähig. Josef glühte vor Wollust und sein ungeheures Glied, das frei herausstand, wartete bloß auf einen freien Platz, um sich hineinzustürzen. Jasmin fickte wie ein Gott und der böse Bressac verschluckte lüstern die Tränen seiner Mutter, die jeden Augenblick Gefahr lief, von ihm mit Samen übergossen zu werden.

„Einen Augenblick,“ sagte er, indem er Einhalt gebot, „ich glaube, daß man hier etwas Hübscheres einfügen kann. Josef, nimm diese Rute und mache mir das Vergnügen, meine Mutter vor meinen Augen damit zu peitschen. Aber ich bitte dich, schone sie nicht! Sie, Justine, werden mein Glied kitzeln und Sorgfalt darauf verwenden, daß mein Same gerade auf den Popo meiner Mutter ausspritzt; aber das darf nicht früher geschehen, ehe er nicht tüchtig blutet. Mein teurer Josef wird schon dafür Sorge tragen, daß dies bald geschieht.“

Nun ordnete sich alles nach diesen Weisungen und jeder Befehl wurde streng ausgeführt. Der grausame Josef zerfleischte die stöhnende Frau vom Bressac solange, bis sie in Blut gebadet schien. Nun entlud Jasmin und nahm Josefs Stelle ein, während dieser wieder Bressac besteigen mußte. Zwischendurch bearbeitete Justine ebenso verschämt wie ungeschickt das ihr anvertraute Glied so gut es ging.

„Mein Herr! Ach, mein Herr!“ rief Frau von Bressac aus, „Sie fügen mir da eine Schmach zu, die ich in meinem Leben nicht wieder vergessen werde.“ – „Das hoffe ich, Madame. Es liegt in meiner Absicht, daß Sie sich immer an diese Szene erinnern sollen, damit ich sie nicht nochmals wiederholen brauche.“

Jetzt aber konnte sich der Wüstling, den jede Einzelheit dieses aufregenden Sauspieles entflammte nicht länger halten. „Ihre Arschbacken her, Madame, Ihre Arschbacken!“ rief er aus, „ich fühle, daß ich noch weiter gehen muß und ich hoffe, daß ich Ihnen zu Gefallen eine einzig dastehende Leistung vollbringen werde. Dieser blendend weiße Popo ist viel schöner, als ich jemals gedacht hätte. Er verleitet mich zur Untreue. Aber vorher muß ich ihn noch auspeitschen.“ Dabei ergriff der Verbrecher die Ruten und hieb auf seine Mutter ein, während man ihn weiter von hinten bearbeitete. Dann warf er die Folterwerkzeuge weg und versenkte sich in das Arschloch. „Ja, wahrhaftig, Madame,“ stöhnte er, „auf mein Wort, das ist eine Leistung, das ist eine Entjungferung. O, Teufel, wie himmlisch ist es doch, eine Mutter zu ficken! Kommen Sie näher, Justine, da ich nun schon einmal meinen Glauben verleugne; lassen Sie mich Ihre Arschbacken betasten.“ Justine errötete; aber wie konnte sie dem sich widersetzen, den sie liebte? Ihr herziger Popo war bald den Launen aller dieser Wüstlinge ausgesetzt und alle bewunderten und betasteten ihn nach Herzenswunsch. Trotzdem mußte sie mit ihrer Beschäftigung fortfahren und die Ansätze des Gliedes reiben, das in dem mütterlichen Popo steckte, bis sich durch ihre zarten Finger Sturzbäche von Samen in die Eingeweide der Frau von Bressac ergossen, die über diese Greueltat in Ohnmacht fiel.

Bressac verließ nun das Zimmer, ohne sich weiter um den Zustand der würdigen Frau zu kümmern, die er so geschändet hatte und nur Justine schloß sich mit ihr ein, um sie nach M?glichkeit zu trösten.

Unsere Leser können sich leicht einen Begriff machen, wie unsere unglückliche Heldin über dieses Betragen schaudern mußte und wie sie danach trachtete, die schreckliche Leidenschaft, von der sie erfaßt war, in sich zu ersticken. Aber ist die Liebe ein Uebel, von dem man geheilt werden kann? Jeder Widerstand ist nur geeignet, ihre Flammen höhe schlagen zu lassen und der niederträchtige Bressac erschien dem armen jungen Mädchen nie liebenswerter als jetzt, da sie doch allen Grund hatte, ihn zu hassen.




7 Und das aus dem alleinigen Grund, weil die Empfindsamkeit Schwäche und die Ausschweifung Kraft bezeugt.

8 Diese Ansicht ist nicht mehr als eine griechische Sage.

9 Cherubin heißt so viel wie Ochse.

10 Machte Bièvre jemals einen, der köstlicher ist, als der, den der Nazarener zu seinen Jüngern machte. „Du sollst Petrus heißen, denn auf dich will ich meine Kirche bauen.“ Und man sage noch, daß der Kalauer ein Kind unseres Jahrhunderts ist!