Drittes Capitel. - Ein Ereignis, das die Ketten Justines bricht. Neue Gefahren für ihre Keuschheit. Sie wird Zeuge von Niederträchtigkeiten und entschlüpft endlich den Verbrechern, mit denen sie ihr Unglücksstern zusammengeführt hat.
Justine war in ihrem Gefängnis mit einer ungefähr dreißigjährigen Frau zusammen, die ebenso durch ihre Schönheit, als durch ihren Geist und die Art ihrer zahllosen Vergehen hervorstach. Sie hieß Dubois und war so wie Justine auf ihr Todesurteil gefaßt. Justine hatte diesem Geschöpf eine Art Interesse eingeflößt, das zwar das Verbrechen zur Grundlage hatte, aber in der Folge doch die Tugend befreite.
Eines Abends, vielleicht zwei Tage bevor beide ihr Leben verlieren sollten, sagte die Dubois zu Justine, sie moge sich nicht schlafen legen, sondern sich unauffällig so nahe als möglich dem Gitter aufhalten. „Zwischen 7 und 8 Uhr,“ fuhr sie fort, „wird in der Conciergerie Feuer ausbrechen. Dafür habe ich gesorgt. Zweifellos werden viele Menschen umkommen, aber was liegt daran, wenn es sich um unser Wohl handelt. Ich kenne nicht dieses Band einer lächerlichen Brüderlichkeit, das die Menschendank ihrer Schwäche und dem Aberglauben, bindet. Handeln wir jeder für uns, meine Tochter, so wie uns die Natur geschaffen hat und wenn manchmal unsere Bedürfnisse uns anderen näher führen, trennen wir uns, wenn es unser Interesse erfordert; denn der Egoismus ist das oberste, gerechteste und heiligste Naturgesetz. Mit einem Wort, inmitten des Todes und der Flammen wollen wir – vier meiner Kameraden, du und ich – uns retten. Ja, ich verspreche es dir, wir werden uns retten. Was kümmert uns-, was aus den Uebrigen wird!“
Durch eine jener unbegreiflichen Launen des Geschicks war es, nachdem es eben die Unschuld an unserer Heldin bestraft hatte, jetzt dem Verbrechen dienstbar. Das Feuer brach tatsächlich in furchtbarem Maßstabe aus und sechzig Personen verbrannten. Aber Justine, die Dubois und ihre Mitverschworenen retteten sich und erreichten noch in derselben Nacht die Hütte eines Holzhauers im Walde von Bondy, der ein guter Freund der Verbrecherbande war.
„Du bist nun frei, Justine,“ sagte jetzt die Dubois, „du kannst dir jetzt dein Leben einrichten, wie du willst. Aber wenn du meinem Rat folgst, mein Kind, so verzichtest du auf diese Tugendäußerungen, die, wie du siehst, dir noch niemals geholfen haben. Ein lächerliches Feingefühl, da es sich doch nur darum handelte, gefickt zu werden, brachte dich bis an die Stufen des Schaffots. Ein schreckliches Verbrechen rettet dich vor ihm. Sieh' also, wozu gute Handlungen in der Welt dienen und ob es der Mühe wert ist, sich dafür aufzuopfern. Du bist jung und hübsch, Justine. In zwei Jahren will ich dein Glück gemacht haben. Wenn man diesen Weg machen, will, muß man mehr als ein Handwerk kennen. Der Diebstahl, Mord, Raub, Brandstiftung, Hurerei, Ausschweifung, das sind die Tugenden unseres Standes. Ueberlege es dir, teures Mädchen, und gab uns bald Antwort. Denn es ist in dieser Hütte wenig sicher und wir müssen noch vor Tagesanbruch fort.“ – „O, Madame,“ erwiderte Justine, „ich bin Ihnen sehr zu Danke verpflichtet und weit davon entfernt mich dem entziehen zu wollen. Sie haben mir das Leben gerettet. Es ist schrecklich für mich, das dies durch ein Verbrechen geschah. Glauben Sie mir, daß, wenn ich es hätte begehen müssen, ich hundert Tode vorgezogen hätte. Ich merke wohl, welchen Gefahren ich durch meine Tugend ausgesetzt war. Aber wie groß immer sie gewesen sein mögen, ich werde sie auch weiterhin dem Glück vorziehen, das man durch ein Verbrechen erreichen muß. Es gibt in mir moralische und religiöse Grundsätze, die – dem Himmel sei Dank! – mich niemals verlassen werden. Wenn Gott mir Prüfungen schickt, so geschieht es, um mich in einer besseren Welt zu entschädigen. Diese Hoffnung tröstet mich, sie stärkt mich und läßt mich allen Leiden trotzen.“
„Tod und Teufel!“ rief die Dubois mit gerunzelten Augenbrauen aus, „das sind unsinnige Gedanken, die Dich bald ins Gefängnis bringen werden. Laß Deinen niederträchtigen Gott laufen, meine Tochter; seine himmlische Gerechtigkeit, seine Belohnung und Bestrafung, alles das sind Plattheiten, die nur für Dummköpfe etwas taugen. Du bist zu klug, um dran zu glauben. O, Justine! Die Hartherzigkeit der Reichen berechtigt die Armen zu ihrer Schlechtigkeit. Ihre Schatzkammern mögen sich öffnen, die Menschlichkeit soll in ihre Herzen einziehen und wir werden nur für die Tugend leben. Die Natur hat uns Alle gleich geschaffen, Justine. Wenn das Schicksal mit seiner ungerechten Härte sich darin gefällt, dieses allgemeine Gesetz umzutoßen, so ist es unsere Sache, seine Launen zu korrigieren. Ich höre Ihnen gerne zu den reichen Leuten, den Beamten, den Priestern, wenn sie uns die Tugend predigen. Man kann leicht keine Lust zum Diebstahl haben, wenn man dreimal so viel hat, wie man zum Leben braucht, leicht keine Lust zum Morde haben, wenn man stets von Schmeichler umgeben ist. Glaube mir, mein Kind, wenn uns die Natur in eine Lage versetzt, in der uns die schlechte Tat zur Notwendigkeit wird und sie uns gleichzeitig die Möglichkeit gibt, schlecht zu handeln, so dient das Böse ihren Gesetzen sicher ebenso wie das Gute. Der Zustand, in dem sie uns geschaffen hat, ist der der Gleichheit. Derjenige, der diesen Zustand zerstört, ist nicht schuldiger, wie der, der ihn wiederherzustellen trachtet. Beide handeln so, wie sie es müssen.“
Die Beredsamkeit der Dubois wirkte viel rascher wie die der Delmouse. Die Sache des Verbrechens wird einem Unparteiischen gegenüber viel besser von dem verteidigt, der aus Not handelt, wie von dem, der sich ihm nur um der Wollust willen hingibt. Justine war wie betäubt und glaubte schon, der Verführung dieser geschickten Frau nachgeben zu müssen. Aber eine stärkere Stimme in ihrem Herzen bekämpfte diese Schwäche, und sie erklärte der Verführerin, daß ihr das Verbrechen ein Greuel sei, und daß sie lieber sterben wolle als jemals eines zu begehen. „Nun gut,“ erwiderte die Dubois, „mache was Du willst. Ich überlasse Dich Deinem schlimmen Stern. Aber wenn Du wieder ergriffen werden solltest, was ja bei Deinem Ungeschick nicht ausbleiben wird, sprich niemals von uns anderen.“
Während dieses Zwiegespräches tranken die vier Genossen der Dubois mit dem Holzhauer; und da der Wein gewöhnlich die Seele des Missetäters zu größeren Exzessen aufstachelt, beschlossen die Bösewichte, nachdem sie den Bescheid Justines erfahren hatten, aus ihr ein Opfer zu machen. Ihre Grundsätze, ihre Beschäftigung (es waren Straßenräuber), ihre Sitten, ihr gegenwärtiger Körperzustand (man ist nach drei Monaten Gefängnis sehr geil), die Finsternis, die Sicherheit, in der sie sich befanden, ihre Trunkenheit, die Unschuld Justines, ihr Alter und ihre göttlichen Reize: alles das feuerte sie an und ermunterte sie. Sie hörten auf zu trinken und beratschlagten. Dann befahlen sie Justine, sie möge sich auf der Stelle den Wünschen eines jeden von den Vieren hingeben. Wenn es gutwillig geschähe, würden sie ihr jeder einen Taler geben. Sollten sie aber Gewalt gebrauchen müssen, so würde es auch so gehen. Dann aber würden sie sie nach Gebrauch erdolchen und verscharren, damit das Geheimnis bewahrt bleibe.
Man kann unmöglich die Wirkung schildern, die diese neue Grausamkeit in Justine hervorrief. Sie warf sich der Dubois zu Füßen und beschwor sie, noch einmal ihre Beschützerin zu sein. Aber die lachte blos über ihre Tränen. „Heiliger Himmel!“ sagte sie zu ihr. „Du bist aber sehr unglücklich zu nennen! Du schauderst darüber, daß du von diesen vier schönen jungen Männern hintereinander gefickt werden sollst! Sieh,“ sagte sie, indem sie ihr die Vier einzeln vorführte, „sieh diesen hier, er heißt Kettenbrecher, ist fünfundzwanzig Jahre alt und hat ein Glied ... das man bewundern müßte, wenn nicht das meines Bruders hier wäre. Er heißt Eisenherz und ist dreißig Jahre alt. Sieh Dir diesen Wuchs an und erst dies Glied! Ich wette, daß Du es mit beiden Händen nicht umfassen kannst. Dieser Dritte heißt Obdachlos. Sieh diesen Schnurrbart an. Er ist sechsundzwanzig Jahre alt und (leise zu Justine) am Abend, bevor wir eingesperrt wurden, hat er mit mir elf Nummern hintereinander gemacht. Aber bei dem Vierten mußt Du mir zugestehen, daß er ein Engel ist. Er ist für seinen Beruf zu schön, zählt einundzwanzig Jahre und wir nennen ihn den Lebemann. Bei seinen Veranlagungen wird er es auch werden; aber sein Glied, Justine, sein Glied mußt du sehen. Sieh, wie lang, wie dick und wie hart es ist, wie wundervoll diese Spitze ist. Ich versichere dich, wenn ich dieses Ding in meinen Eingeweiden habe, glube ich besser gefickt zu weiden als Messaline es jemals wurde. Aber weißt Du auch, mein Kind, daß es 10.000 Frauen in Paris gibt, die die Hälfte ihres Vermögens oder ihres Schmuckes darum gäben, wenn sie an Deiner Stelle sein könnten.“ Nach einigem Nachdenken fuhr sie fort: „Höre, ich habe genug Macht über diese Schelme, damit Dir von ihnen Gnade gewährt werde, aber Du mußt ihrer würdig sein.“ – „Ach, Madame, was muß ich tun? Befehlen Sie mir!“ – „Du mußt uns nachfolgen, töten, stehlen, vergiften, mißhandeln, Brandstiften, Rauben, Verwüsten wie wir. Um diesen Preis will ich Dich retten.“ Jetzt schien es Justine, als ob sie nicht zögern dürfe. Denn die neuen Gefahren, die ihr durch ihre Einwilligung drohten, waren nicht so nahe. „Nun gut, Madame, ich will überallhin mitgehen,“ rief sie aus, „überallhin, ich verspreche es Ihnen! Retten Sie mich vor der Wut dieser Männer und ich will Sie in Ihrem Leben nicht wieder verlassen!“
„Kinder,“ sagte die Dubois, „dieses Mädchen gehört jetzt zu unserer Truppe. Ich nehme sie auf. Ich bitte, ihr keine Gewalt anzutun. Durch ihre Jugend und ihre Gestalt kann sie uns nützlich sein, also verleiden wir ihr nicht ihren neuen Beruf.“
Aber es gibt Grade der Leidenschaft, bei denen nichts mehr verfängt; und je mehr man dann versucht, die Stimme der Vernunft zu Gehör zu bringen, desto weniger wird sie gehört. Die Kameraden der Dubois befanden sich in diesem unglückseligen Zustand und alle Vier warteten mit dem Glied in der Hand auf die Entscheidung der Würfel, wer die Erstlinge erhalten solle. „Nein,“ sagte Kettenbrecher, „die Hure muß dran glauben. Es gibt nichts, das sie retten kann. Würde man nicht sagen, daß man eine Jungfernprobe ablegen müsse, bevor man in eine Diebsgesellschaft aufgenommen wird!“ – „Teufel noch einmal! Ich will ficken!“ rief Obdachlos aus, indem er sich Justine mit dem Glied in der Hand näherte, „ja, bei Gott, der mich im Arsche lecken kann, ich will ficken – oder sie erwürgen; sie möge wählen!“
Unser unglückliches Kind schauderte. Kaum konnte sie atmen. Sie warf sich vor den vier Banditen nieder und ihre schwachen Arme streckten sich flehend aus: „Einen Augenblick,“ sagte jetzt Eisenherz, der in seiner Eigenschaft als Bruder der Dubois die Ehre hatte, der Truppe zu kommandieren, „einen Augenblick, meine Freunde. Mir steht er so wie Euch,“ fuhr er fort, indem er mit seinem Glied auf den Tisch klopfte und damit eine Nuß entzweischlug. „Wie Ihr, will ich entladen. Aber ich glaube, daß es trotzdem möglich ist, daß jedermann zufrieden gestellt wird. Da diese kleine Hure so viel auf ihre Tugend hält und uns diese Eigenschaft an ihr nützlich werden kann – wie meine Schwester sehr richtig bemerkte – so wollen wir ihr ihre Jungfernschaft lassen. Aber wir müssen befriedigt werden, und in dem Zustand, in dem wir uns befinden, wurden wir, wie du bemerken kannst, meine liebe Schwester, vielleicht euch beide erwürgen, wenn Ihr euch unseren Wünschen widersetztet. Die entfesselten Leidenschaften eines Mannes sind fürchterlich und du wirst dich erinnern schon oft unseren Samen in Blut hineinrinnen gesehen zu haben. Also füge dich, ich rate es dir. Folgendes ist mein Vorschlag:
Justine muß sich völlig nackt ausziehen und dann der Reihe nach sich den wollüstigen Launen eines jeden hingeben, während die Dubois das Opfer empfangen wird, dem diese Närrin den Eingang verweigert.“
„Nackt ausziehen?!“ rief Justine, „ich soll mich vor Männern entkleiden? O, gerechter Gott, was verlangen Sie von mir? Und wer beschützt mich dann vor Ihren Angriffen, wenn ich mich Ihren Blicken ausgeliefert haben werde?“ – „Wer schützt Dich denn jetzt, Hure?“ sagte der „Lebemann“, indem er eine Hand unter Justines Röcke steckte und seine Lippen auf ihren Mund preßte. „Ja, wer Teufel, schützt Dich?“ sagte Obdachlos, indem er die Kehrseite bearbeitete. „Du siehst wohl, daß Du uns ausgeliefert bist. Du siehst wohl, daß Dir nichts anderes übrig bleibt, als Dich zu unterwerfen.“ – „Vorwärts, laßt sie los,“ sagte Eisenherz, indem er Justine seinen Kameraden entriß, „laßt sie ruhig unseren Anordnungen nachgehen.“ – „Nein,“ sagte Justine, sobald sie sich frei sah, „nein, Sie können mit mir machen, was Sie wollen; Sie sind die Stärkeren; aber Sie werden nichts gutwillig von mir erreichen.“ – „Nun denn, Hure,“ sagte Eisenherz, indem er ihr eine Ohrfeige versetzte, die sie aufs Bett warf, „so werden wir Dich entkleiden.“ Damit zog er ihr die Röcke über den Kopf und löste sie mit seinem Messer auf so schreckliche Art los, daß man einen Augenblick glaubte, daß der Schuft den Bauch der Unglücklichen entzweigeschnitten habe. Sofort war der schönste Körper der Welt den Blicken der Wollust preisgegeben. „Verteilen wir uns,“ sagte Eisenherz. „Du, Schwester, lege Dich auf dieses Bett und Kettenbrecher soll ihn Dir hineinstecken. Justine soll mit gespreizten Beinen ober der Dubais hockend, ihre Scheide Kettenbrecher nähern und ihm in den Mund pissen. Ich kenne seine Wünsche.“ – „Teufel, ja,“ sagte der geile Bock, indem er sich rasch an das Loch der Dubois heranmachte, „es gibt für mich keinen größeren Genuß, und ich danke Dir, daß Du daran gedacht hast.“ Er steckte sein Glied hinein, es wurde gepisst, er entlud und Obdachlos ging an die Arbeit. „Während ich Deine Schwester ficke,“ sagte er zum Befehlshaber, „halte mir dieses Lumpenweib vor Augen.“ Man tat es, und er schlug mit der flachen Hand bald auf die Wangen, bald auf die Brust Justines. Manchmal küsste er sie auf den Mund und biß ihr in die Zungenspitze, dann wieder rieb er ihr die Brustrosen derart, daß sie fast ohnmächtig wurde. Sie litt furchtbar und bat um Gnade. Tränen rannen ihr aus den Augen, aber das entflammte den Verbrecher umsomehr. Als er es kommen fühlte, nahm er während des Fickens Justine und schleuderte sie zehn Schritte weit von sich weg.
Nun kam die Reihe an den „Lebemann“. Er steckte ihn der Dubois hinein, aber Eisenherz sagte: „Warte, mein Sohn, ich will Dich von hinten bearbeiten und dieses Lumpenweib wollen wir zwischen uns nehmen. Du wirst Dich mit ihrem vorderen Loch und ich mit ihrem hinteren befassen.“ Und die unglückliche Justine wurde hin und her gestossen, bis die beiden Fickenden Stellung wechselten und so, der eine der Gatte seiner Schwester und der andere der Liebhaber seines Schwagers wurde. Aber Justine gewann dabei nichts, denn Eisenherz, den die Sache aufregte, wurde nur umso grausamer. „Wir wollen sehen, wer stärker schlagen kann,“ sagte er, indem er ihr auf die Wangen schlug. „Du Bruder, schlage sie auf den Popo.“ So schlugen sie, bis Justine Blut aus der Nase kam. „Ah, das wollte ich!“ sagte Eisenherz, indem er seinen Mund darunter hielt. „Kettenbrecher, Du willt Pisse, ich will Blut haben.“ Endlich entlud er und rasch nach ihm sein Reiter. So herrschte wieder Ruhe in der Truppe.
„Es scheint mir,“ sagte die Dubois, indem sie sich erhob, „als ob ich bei der ganzen Sache am meisten gewonnen hätte.“ – „Das weist Du immer so einzurichten,“ entgegnete ihr Bruder, „damit Du selbst gefickt wirst, hast Du nicht wollen, daß wir dieses kleine Mädchen entjungfern. Aber Geduld, sie wird nichts verlieren.“
Man sprach jetzt vom Aufbruch; und noch in derselben Nacht erreichte die Truppe Le Tremblai mit der Absicht, bis in die Wälder von Chantilly vorzudringen.
Nichts glich der Verzweiflung Justines. Wir glauben, daß unsere Leser sie jetzt genügend kennen, um gewiß zu sein, daß sie nur mit dem allergrößten Widerwillen diesen Leuten folgte, und daß, wenn sie es tat, es nur mit dem festen Entschluß geschah, so bald als möglich aus ihrer Nähe zu flüchten.
Unsere Verbrecherbande übernachtete in der Umgebung von Louvres auf Strohbündeln.
Unsere keusche Waise hatte die Absicht, die Nacht an der Seite der Dubois zu verbringen. Aber die Hure hatte Anderes zu tun, als die Tugend Anderer zu beschützen. Drei Banditen waren mit ihr beschäftigt und allen Dreien gab sie sich zu gleicher Zeit hin. Der vierte – Eisenherz – näherte sich! Justine. „Schönes Kind,“ sagte er zu ihr, „ich hoffe, daß Sie mir wenigstens gestatten, die Nacht in Ihrer Nähe zu verbringen. Fürchten Sie nichts,“ fuhr er fort, als er ihren Widerwillen bemerkte, „wir werden plaudern und nichts soll ohne Ihren Willen geschehen.“
„O Justine,“ fuhr er fort, indem er sie in seine Arme preßte, „ist es nicht eine Narrheit von Ihnen, daß Sie sich bei uns keusch erhalten wollen? Ja wird das überhaupt mit dem Interesse der Bande vereinbar sein? Es wäre unnütz, vor Ihnen ein Geheimnis daraus zu machen, daß, wenn wir nach den Städten kommen werden, wir mit Hilfe Ihrer Reize Fallen stellen wollen.“ – „Nun, mein Herr,“ erwiderte Justine, „da ich eher den, Tod vorziehen würde, als dazu behilflich sein, warum widersetzen Sie sich meiner Flucht?“ – „Sicherlich widersetzen wir uns, mein Engel,“ erwiderte Eisenherz. „Sie müssen entweder unserer Lust oder unserem Interesse dienen. Ihr Unglück legte Ihnen dieses Joch auf. Aber, Justine, Alles in dieser Welt läßt sich ins richtige Geleise bringen. Hören Sie mir also zu: Wenn Sie einwilligen, mit mir zu leben, mir allein anzugehören, so erspare Ich Ihnen die traurige Rolle, die Sie erwartet.“ – „Ich soll die Geliebte eines ...“ – „Sprechen Sie es nur aus, eines Gauners, werden, nicht wahr? Sicherlich kann ich Ihnen keinen anderen Titel bieten, aber überlegen Sie ein wenig. Da Sie doch unbedingt das verlieren müssen, was Ihnen so kostbar ist, ist es nicht besser, es einem einzelnen Mann zu opfern, der dann Ihre Stütze und Ihr Beschützer wird, als Allen?“ – „Warum aber soll mir ein anderer Weg nicht möglich sein?“ – „Weil wir Sie festhalten, mein Kind, und der Stärkere immer im Recht ist. In Wahrheit,“ fuhr Eisenherz rasch fort, „wie kann ein Mädchen so einfältig sein und glauben, daß ihre Tugend von der mehr oder minder großen Weite eines ihrer Körperteile abhängt? Diese Keuschheit, die man sie von Kindheit an als Tugend betrachten lehrte, beleidigt sichtbarlich sowohl die Natur wie die menschliche Gesellschaft. Aber schön; ich will Ihnen beweisen, daß ich Ihnen gern gefallen möchte und Ihre Schwäche achten will. Ich werde dieses Phantom, dessen Besitz Sie so erfreut, nicht berühren. Ein so hübsches Mädchen hat mehr als eine Gunst zu vergeben und Venus wird bei ihr in mehr als einem Tempel verehrt. Ich will mich mit dem schmalsten begnügen. Sie wissen, meine Teure, in der Nähe des Labyrinths von Cypris gibt es einen dunklen Gang, in dem sich die Liebesgötter verstecken, um uns mit noch mehr Kraft zu locken. Dort ist der Altar, auf dem ich opfern will; daran ist nicht das Mindeste auszusetzen. Wenn Sie eine Schwangerschaft befürchten, so ist Ihre Furcht in diesem Falle unbegründet. Ihre schöne Gestalt wird nicht verloren gehen. Ihre Erstlinge bleiben Ihnen bewahrt und Sie werden Sie einst keusch darbieten können. Nichts verrät ein Mädchen, das auf dieser Seite liebt. Wie heftig die Angriffe sein mögen, sobald die Biene den Honig aufgesaugt hat, schließt sich der Kelch der Rose derart fest, daß man glaubt, er könne sich nicht wieder öffnen. Wie viele Mädchen gibt es nicht, die zehn Jahre auf diese Art Lust genossen haben und sich später als Jungfrauen verheiratet haben. Wie viele Väter, wie viele Brüder gibt es nicht, die ihre Töchter, ihre Schwestern so gebraucht haben, ohne daß sie deshalb weniger würdig geworden seien, den Ehebund zu schließen. Mit einem Wort: dieser Gang ist das Obdach des Geheimnisses. Dort verbindet sich die Liebe mit der Keuschheit. Soll ich Ihnen noch mehr sagen, Justine? Wenn dieser Tempel der geheimnisvollste ist, so ist er auch gleichzeitig der wonnevollste. Die weite Annehmlichkeit des Nachbars taugt lange nicht so viel wie der aufregende Zauber eines Lokals, in das man nur mit Anstrengung eindringt, und in dem man nur mit Mühen wohnt. Selbst die Frauen gewinnen dabei nur und diejenigen, die einmal aus Vernunftsgründen gezwungen waren, nur diesen Weg beschreiten zu lassen, bleiben immer dabei. Versuchen Sie es, Justine. Leihen Sie mir Ihren göttlichen kleinen Popo und wir werden beide zufrieden sein.“
„Mein Herr,“ sagte Justine, indem sie sich, so gut es ging, den Angriffen des Wüstlings widersetzte, „o, mein Herr, ich habe keinerlei Erfahrung in den greulichen Dingen, von denen Sie sprechen. Aber ich habe trotzdem sagen hören, daß dieses Vergehen sowohl die Frauen wie die Natur selbst beleidigt. Gottes Hand bestraft es in dieser Welt und die fünf Städte Sodom, Gomorrha u.s.w., die Gott in Flammen untergehen ließ, sind ein überzeugendes Beispiel wie empört der Ewige über diese Handlung ist. Die menschliche Gerechtigkeit hat, so gut sie konnte, die Strafe des höchsten Wesens übernommen und die Unglücklichen, die sich diesem Laster hingeben, lassen ihr Leben auf Scheiterhaufen.“
„Welche Unschuld! Welche Kindlichkeit!“ fuhr Eisenherz fort. „O, Justine, wer konnte Ihnen so dumme Vorurteile einpflanzen? Hören Sie noch ein wenig zu und ich will Ihre Befürchtungen richtigstellen.“
„Das einzige Verbrechen, das in diesem Falle überhaupt liegen kann, ist der Verlust des zur Fortpflanzung bestimmten Samens. Wenn dieser Samen einzig zu Fortpflanzungszwecken in uns hineingelegt ist, so gestehe ich, daß es ein Vergehen wäre, ihn zu mißbrauchen. Aber, so wie bewiesen ist, daß viel mehr Samen da ist als die Natur zu besagtem Zwecke gebraucht, was liegt dann daran, Justine, ob er in die Scheide oder in den Popo, in den Mund oder in die Hand fließt? Der Mensch, der ihn ander weitig verbraucht, handelt nicht schlechter als die Natur, die ihn überhaupt nicht verwendet. Schon die Möglichkeit der Ausführung sind ein Beweis dafür, daß diese Zerstreuungen sie nicht beleidigen. Ferner werden solche Samenverschleuderungen hundert und hundertmillionenmal täglich von ihr selbst ausgeführt. Die nächtlichen Pollutionen, die Nutzlosigkeit des Samens, wenn die Frau schwanger ist, seine Gefährlichkeit, wenn sie in den Regeln ist, beweisen zur Genüge, daß die Natur diese Verluste für gut befindet. Ah! Glaube mir, meine teure Justine, die Natur kümmert sich wenig um diese Kleinigkeiten, sie eilt mit raschem Schritt ihrem Ziele zu und beweist täglich dem, der sie zu ergründen sucht, daß sie nur schafft, um zu zerstören. Die Zerstörung, das oberste aller Gesetze, weil nichts ohne Zerstörung geschaffen werden kann, gefällt ihr weit mehr als die Fortpflanzung, die von einer griechischen Philosophenschule mit Recht das Ergebnis von Morden genannt wird. Aber Du sprachest auch von Gott, der einst diese Verirrungen an elenden arabischen Nestern bestraft haben soll, die kein Geograph jemals gekannt hat. Da müßte man vorerst die Existenz eines Gottes annehmen und davon bin ich weit entfernt. Dann müßte man sich vorstellen, daß dieser Herr und Schöpfer des Weltalls sich erniedrigt hat, nachzusehen, ob die Menschen ihr Glied in eine Scheide oder in einen Popo einführen! Welche Kleinlichkeit! Welch Unsinn! Nein, Justine, es gibt keinen Gott. Nur in der Werkstatt des Schreckens und des Kummers schuf der unglückliche Mensch das Phantom, das er Gott nannte. Und wozu benötigen wir diesen Weltbeweger, wenn vernünftiges Naturstudium uns zeigt, daß die ständige Bewegung das oberste Gesetz ist? Wenn Alles sich aus sich selbst in Ewigkeit fortbewegt, so hat doch der Ordner, an den Sie glauben, höchstens einen Tag lang gearbeitet. Nun, wie können Sie einen Gott verehren, der sich heutzutage als unnütz erweist? – Aber kehren wir wieder zurück, Justine Glauben Sie nicht länger, daß die Hand dieses unnützen Phantoms die arabischen Dörfer vernichtet hat, von denen wir sprachen. Da sie auf einem Vulkan aufgebaut waren, wurden sie, wie später die Städte in der Nähe des Vesuvs und des Aetna, durch ein Naturphänomen eingeäschert, das rein physikalischen Ursachen entspringt und nichts mit den Sitten der Stadtbewohner zu tun hat. Sie sagten, die menschliche Gerechtigkeit habe die Gottes nachahmen wollen. Aber ich beweise Ihnen eben, daß es nicht die Gerechtigkeit Gottes, sondern ein Naturphänomen war, was diese Städte zerstörte. Und jetzt, nachdem ich Philosoph war, will ich Ihnen als Rechtsgelehrter sagen, Justine, daß dieses Gesetz eine alte Verordnung des heiligen Ludwig ist. Heutzutage begnügt man sich aber mit einer vorübergehenden Bestrafung. Und sobald der Mensch einmal auf einer höheren philosophischen Stufe stehen wird, wird er selbst diese unnütze Einschränkung fallen lassen, und man wird erkennen, daß, da wir nicht Herr unserer Neigungen sind, wir für sie ebenso wenig zu büßen haben, als dafür, daß wir krumm oder schief gewachsen sind!“
Eisenherz geriet in Flammen, während er diese klugen Gedanken entwickelte. Er lag ausgestreckt neben Justine gerade in der Stellung, in der er sich an ihr zu befriedigen wünschte Unmerkbar hob er die Röcke unserer Heldin auf, die halb aus Furcht, halb weil sie den Verlockungen nachgab, nicht sich zu widersetzen wagte. Kaum sah sich der Schuft als Herr der Situation, als er sofort das erhitzte Glied befreite, das bloß auf die Bresche wartete, um sich hineinzustürzen. Mit seiner rechten Hand lenkte er seine Rute, während er mit der linken Justine an sich heranzog, die sich darauf beschränkte, sich ein wenig zu sträuben und das zu retten, was ihr als das Wertvollste erschien. „O Himmel!“ rief er jetzt aus, „ich habe sie,“ und mit einem kräftigen Stoß verletzte er das kleine, zarte Loch, das er durchbohren wollte, derart, daß die erschreckte Justine einen Schrei ausstieß, aufsprang und zur Gruppe der Dubois stürzte. „Was ist das?“ rief die Hure aus, die eben einschlief, nachdem die drei Männer sie müde gemacht hatten. „Ach, Madame, ich bin es,“ erwiderte die zitternde Justine, „Ihr Bruder ... er will ...!“ – „Ja, ich will ficken!“ rief Eisenherz aus, indem er sein Opfer verfolgte und sie rauh ergriff, „ich will dieses kleine Mädchen von hinten bearbeiten, was immer es koste!“ – Justine war jetzt der größten Gefahr ausgesetzt, wenn nicht Wagengerassel von der Landstraße her hörbar geworden wäre.
Der furchtlose Eisenherz verließ alsbald sein Vergnügen, um seiner Pflicht nachzugehen. Er weckte seine Leute auf und eilte anderem Verbrechen nach.
„Ah! Alles geht gut!“ rief die Dubois aus, die erwacht war und jetzt mit Aufmerksamkeit lauschte. „Das sind die Schreie. Nichts macht mich vergnügter als diese sicheren Zeichen des Sieges. Sie beweisen mir, daß unsere Leute Erfolg hatten und ich ruhig sein kann.“ – „Aber die armen Opfer, Madame,“ sagte unsere schöne Abenteuerin. – „Was liegt an ihnen! Es muß immer welche auf Erden geben ... Und die, die im Heere sterben?“ – „Ah, dafür gibt es Gründe.“ – „Unendlich weniger wichtige wie hiefür. Nicht um leben zu können, geben Tyrannen ihren Heerführern Befehl, ganze Nationen zu erdrücken. Aus Stolz geschieht das. Wir wollen bloß leben können und das rechtfertigt unsere Handlungen.“ – „Aber Madame, man arbeitet, man hat einen Beruf.“ – „Ach was, mein Kind, dies hier ist der unsere, ihn üben wir seit unserer Kindheit aus, in ihm sind wir erzogen worden. Und dieser Beruf war ein ursprünglicher bei allen Völkern der Erde. In ganz Griechenland war der Diebstahl geachtet, und noch heute belohnen ihn viele Völker, weil er gleichzeitig von Mut und Geschicklichkeit Zeugnis ablegt.“ Und die Dubois hätte zweifellos eine größere Rede über diesen Gegenstand gehalten,6 wäre nicht die Truppe mit einem Gefangenen in der Mitte zurückgekehrt.
„Der wird mich für die Härte Justines entschädigen,“ sagte Eisenherz, der ihn führte; und man erkannte jetzt im Mondenschein einen wunderschönen fünfzehnjährigen Knaben. „Ich habe seine Eltern getötet,“ sagte der Verbrecher, „seine kaum zehnjährige Schwester vergewaltigt und so glaube ich, daß es nur gerecht ist, wenn ich ihn in den Hintern ficke.“ Während dieser Rede drehte er den Strohhaufen um, der unserer Truppe als Obdach diente und bald hörte man dumpfe Schreie sich mit geilem Stöhnen mischen. Nach und nach wandelten sich die ersteren in Röcheln, das bewies, daß der kluge Schuft, der von seinem Verbrechen keine Spur hinterlassen wollte, gleichzeitig das doppelte Vergnügen genoss, den Gegenstand der Wollust zu ficken und zu ermorden. Als er zurückkam, war er mit Blut bedeckt. „Beruhige dich jetzt, Justine,“ sagte er. „Ich bin jetzt ruhig und du kannst es auch sein, bis neue Wünsche in mir nach neuen Greueln verlangen.“ – „Brechen wir auf, Freunde,“ sagte er zur Truppe, „wir haben 6 Personen getötet, die Leichname liegen auf der Straße; es wäre möglich, daß es für uns schon in einigen Stunden hier nicht mehr sicher genug wäre.“ Nun wurde die Beute geteilt. Eisenherz wollte, daß Justine seinen Anteil bekomme, der sich auf 20 Louis belief. Man mußte sie zwingen das Geld anzunehmen, da sie davor zurückschauderte solches Geld anzunehmen. Nun brach man auf.
Am nächsten Tag, als sich die Diebe im Wald von Chantilly in Sicherheit glaubten, begannen sie ihr Geld zu zählen. Als sie fanden, daß sich die ganze Beute nur auf 200 Louis belief, sagte einer: „Wahrhaftig, wegen dieser kleinen Summe war es nicht der Mühe wert sechs Morde zu begehen.“
„Sachte, Freunde,“ erwiderte die Dubois. „Nicht wegen der Summe habe ich euch ermahnt, als Ihr aufbrachet, nichts zu schonen. Das geschah nur wegen unserer Sicherheit. Diese Verbrechen muß man den Gesetzen in die Schuhe schieben und nicht uns; denn so lange man Diebe bestraft, werden sie morden, um nicht entdeckt zu werden. Wieso können Sie übrigens behaupten, daß 6 Mordtaten nicht durch 200 Louis genug bezahlt sind? Man darf niemals die Dinge nach den Beziehungen schätzen, die sie zu unseren Interessen haben. Sicherlich gäben wir keinen Obulus dafür her, daß diese Personen statt im Grabe zu liegen auf der Welt wären. Auch gibt es keinen wahren Genuß als den materiellen. So sind nicht nur 200 Louis genug für sechs Mordtaten, sondern selbst 30 Sou würden zur Rechtfertigung genügen. Denn diese 30 Sau hätten uns eine Befriedigung verschafft, die, obwohl nicht eben groß zu nennen, uns doch viel lebhafter erfreut hätte, als die 6 Mordtaten allein. Denn selbst in uns erregen diese nur einen ziemlich angenehmen Kitzel, da ja der Mensch immer eine Art Befriedigung über das Mißgeschick und das Unglück der Anderen empfindet.
Körperschwäche, Denkfehler und die verfluchten anerzogenen Vorurteile: das hält die Dummköpfe von einer verbrecherischen Laufbahn ab, das verhindert sie, sich unsterblich machen. Aber jedes vollkräftige, energische Wesen, das sich selbst mehr liebt als Andere, wird sich über Gott und Menschen lustig machen, dem Tod trotzen und die Gesetze verachten. Der Genuß ist ihm angenehm, so wird er sich ihn verschaffen. Die Wirkung des Verbrechens berührt ihn nicht, also kann er es begehen. Nun frage ich Sie, welcher vernünftige Mensch wird nicht gerne solch' leichte Dinge begehen, die ihn nicht näher berühren, um sich solche Genüsse zu verschaffen, die ihm angenehm sind?“
„O, Madame!“ sagte Justine zur Dubois und erbat von ihr die Erlaubnis zu antworten, „merken Sie nicht, daß ihr Urteil in dem geschrieben steht, was Ihnen eben entschlüpft ist, Höchstens dem Wesen, das genug mächtig ist, um nichts von anderen befürchten zu müssen, kämen solche Grundsätze zu. Aber wir von allen ehrlichen Leuten Geächteten, von allen Gesetzen Verdammten, sollen wir nach Regeln leben, die höchstens das Schwert verschärfen können, das über unseren Häuptern hängt? Aber selbst wenn wir uns nicht in dieser traurigen Lage, wenn wir uns im Mittelpunkt der Gesellschaft befänden, können Sie glauben, Madame, daß solche Grundsätze uns zum Vorteil gereichen würden? Wie soll der nicht untergehen, der in seinem blinden Egoismus allein gegen den Interessenverband der anderen kämpfen will? Kann denn das alleinstehende Wesen sich gegen alle anderen stellen? Die Gesellschaft kann nur bestehen, wenn in ihr ununterbrochen Woltaten ausgetauscht werden. Darauf beruht sie, das sind ihre Stützen. Derjenige, der statt dieser guten Taten Verbrechen darbietet, wird unbedingt bekämpft werden, wenn er der Schwächere ist, er wird aber von dem ersten Besten erdrückt werden, wenn er der Schwächere ist. Auf jeden Fall aber wird er schließlich ausgetilgt werden. Das ist der Grund, weshalb verbrecherische Gesellschaften unmöglich lange bestehen können. Selbst unter uns, Madame, könnte niemals Eintracht herrschen, wenn Sie jedem anraten würden, nur seinem eigenen Interesse zu gehorchen. Könnten Sie von diesem Augenblicke an gerechtere weise dem etwas vorwerfen, der uns andere erdolchen wollte? Welch' schönes Lob für die Tugend, daß sie selbst in einer verbrecherischen Gesellschaft vonnöten ist und daß sich diese Gesellschaft nicht einen Augenblick ohne diese Tugend erhalten könnte.“
„Welch' schreckliche Sophismen,“ erwiderte Eisenherz. „Nicht die Tugend erhält verbrecherische Vereinigungen, sondern das Interesse und der Egoismus. Sie sind auf dem Holzweg mit Ihrem Lob der Tugend, Justine. Nicht weil ich tugendhaft bin, erdolche ich nicht meine Kameraden, sondern weil ich dann als Einzelner der Mittel beraubt wäre mir die Vorteile zu verschaffen, die mir durch ihre Hilfe möglich sind. Nur dieser Grund hält uns zurück; und dieser Grund, Justine, ist ein rein egoistischer, er hat mit der Tugend nichts zu tun. Sie sagen, daß derjenige, der allein gegen die Gesellschaft ankämpfen will, sich gefasst machen muß erdrückt zu werden. Wird er es nicht eher werden, wenn er sich seinem Elend und der Vernachlässigung der Menschen überläßt? Aber, werden Sie sagen, daraus würde ein ständiger Kriegszustand entstehen. Nun denn, gut. Ist dies nicht das einzig Wahre? Hat uns nicht die Natur blos dazu geschaffen?“ Die Menschen waren ursprünglich neidisch, grausam und despotisch, jeder wollte alles für sich haben und nichts abtreten. So stritten sie ununterbrochen um ihr Recht; da kam der Gesetzgeber und sagte: „Höret auf, euch so zu zerfleischen. Wenn Ihr jeder dem Anderen einen Teil abgebet, wird Friede herrschen.“ Ich will nichts gegen den Vorschlag an und für sich sagen. Aber es gibt zweierlei Arten von Menschen, die immer gegen seine Ausführung sein werden. Das sind die Stärkeren, die es nicht nötig hatten, etwas abzugeben, um glücklich zu sein, und die Schwächeren, die vielmehr abtreten mußten, als sie wiedererhielten. Jedoch die Gesellschaft besteht nur aus stärkeren und schwächeren Wesen und der Kriegszustand, der vorher herrschte, mußte sich als viel vorteilhafter erweisen, da er jedem freie Ausübung seiner Kräfte und seiner Tätigkeit ließ. Das wahrhaft gute Wesen lehnt sich gegen den Vertrag auf und verletzt ihn, so oft es kann, da es gewiß ist, daß es dadurch mehr Vorteile erhält als es als schwächeres verlieren könnte. Denn sowie ein Mensch den Vertrag einhält, ist er der Schwächere, sowie er ihn bricht – der Stärkere; und wenn die Gesetze ihn wieder in die schwächere Klasse zurückführen wollen, so ist das Schlimmste, was ihm zustoßen kann, der Tod und der ist unendlich weniger zu beklagen als ein Dasein in Elend und Unglück. Es gibt also für uns zwei Chancen: „Das Verbrechen, das beglückt oder das Schaffot, das uns hindert, unglücklich zu sein. Kann man da noch schwanken? Und kannst du, Justine, mir etwas Wirksameres darauf entgegnen?“
„Tausenderlei, mein Herr, tausenderlei,“ erwiderte lebhaft Justine. „Darf denn der Mensch nur auf dieses Leben sein Augenmerk richten? Ist es denn etwas anderes als ein Uebergang, der, wenn der Mensch vernünftig ist, ihn zu Jener ewigen Glückseligkeit führt, die der Lohn der Tugend ist? Ich will einen Augenblick mit Ihnen annehmen, daß das Verbrechen den Verbrecher hier auf Erden glücklich machen kann. Glauben Sie denn, daß die Gerechtigkeit Gottes, die trotz Ihrer Verleugnung existiert, daß diese ewige Gerechtigkeit nicht in der anderen Welt Rache ausübt an dem Bösewicht? Ah, behaupten Sie nicht das Gegenteil, mein Herr, ich beschwöre Sie; der einzige Trost im Unglück ist der Gedanke, daß das, was die Men schen an uns sündigen, von Gott vergolten werden wird! Denn wer sollte uns sonst rächen?“ – „Wer? Niemand, Justine, durchaus niemand. Es ist durchaus nicht notwendig, daß der Unglückliche gerächt werde. Er hofft es, weil er es wünscht. Dieser Gedanke ist für ihn ein Trost, aber er ist deshalb nicht weniger falsch. Ja, mehr noch: Der Unglückliche muß leiden. Seine Demütigung, seine Schmerzen werden von Naturgesetzen bestimmt und sind in dem Getriebe der Welt ebenso nötig, wie Bevorzugte, der ihn erdrückt. Diese Wahrheit ist es, die die Gewissensbisse in der Verbrecherseele ertöten muß. Wenn die Natur uns Neigungen zum Bösen eingeflößt hat, gehorchen wir: Denn das Böse ist ihr notwendig. Begehen wir es ohne Furcht; denn nur wenn wir uns widersetzen würden, würden wir die Natur beleidigen. Aber da Sie noch einmal auf Gottesphantome zurückgekommen sind, Justine, so erfahren Sie denn, unschuldige Jugend, daß diese Religion, auf die Sie sich närrischerweise stützen, und die nur die Huldigung ist, die der Mensch seinem Schöpfer schuldig zu sein glaubt, zusammenfällt, sobald erwiesen ist, daß dieser Schöpfer nicht existiert. Hören Sie denn noch einmal, was ich über diesen Gegenstand zu erwidern habe.
Die ersten Menschen erschraken über die Naturereignisse und glaubten notwendigerweise, daß sie von einem erhabenen und unbekannten Etwas ausgingen. Oone nachzudenken nahm er blindlings ein höchstes Wesen an und errichtete ihm Altäre, von diesem Augenblick an bildete sich jede Nation eines – je nach ihren Sitten, ihrer Bildung und dem Klima. Es gab bald auf der Welt ebensoviele Religionen wie Völker, aber unter allen diesen ekelhaften Götzenbildern konnte man das unsinnige Phantom erkennen, das Zeugnis gab für die Verblendung der ersten Menschen. Wenn eingehende Naturstudien, wenn ein reifer und richtig denkender Verstand mich nun aber lehrt, wie ich schon vorhin sagte, daß Bewegung in ihr ist und daß daher ein Bewegen unnötig ist, soll ich dann noch länger unter dem Joch dieses ekelhaften Wahngebildes seufzen, soll ich dann noch länger auf alle süßen Genüsse des Lebens verzichten? Nein, Justine, nein. Ich wäre ein Narr, unwürdig des Verstandes, mit dem mich die Natur beschenkt um diese Betrügereien durchschauen zu können. Höre endlich auf, an diesen eingebildeten Gott zu glauben, Justine, er existierte niemals und die Natur bedarf seiner auch gar nicht. Ein Gott setzt eine Schöpfung voraus, das heißt einen Augenblick, wo es nichts gab oder wo Alles im Chaos war. Wenn einer dieser Zustände von Uebel war, weshalb ließ Euer blödsinniger Gott ihn solange bestehen? Und war er gut, warum änderte er ihn? Wenn jetzt Alles gut geordnet ist, hat Euer Gott ja nichts mehr zu tun? Aber wenn er überflüssig ist, kann er da mächtig sein? Und wenn er nicht mächtig ist, kann er da ein Gott sein? Kann er unserer Huldigung würdig sein? Wenn die Natur in ständiger Bewegung ist, wozu dient der Beweger? Und wenn der Beweger auf die Materie bewegend einwirkt, wieso ist er nicht diese Materie selbst? Können Sie sich eine Einwirkung des Geistes auf die Materie vorstellen? Vorstellen, daß eine Materie, die selbst nicht in Bewegung ist, vom Geist bewegt wird? Sie sagen, daß Ihr Gott gut ist; und trotz seines Bundes mit den Menschen, trotz des Blutes seines teuren Sohnes, der herabkam, um sich in Judäa hängen zu lassen, um diesen Bund zu festigen, trotz Allem wird zweieinhalb Drittel des Menschengeschlechtes verdammt, in den ewigen Flammen zu braten? Sie sagen, daß dieser Gott gerecht ist! Läßt es sich damit vereinbaren, daß er die ihm genehme Art der Verehrung nur einem Dreißigstel der Menschen mitteilt, während der Rest für die Unkenntnis mit ewigen Qualen bestraft wird? Was würden Sie zu einem Menschen sagen, der so gerecht wäre? Er ist allmächtig, fahren Sie fort. Aber dann gefällt ihm doch das Böse. Denn auf Erden herrscht es vielmehr als das Gute, und trotzdem läßt er Alles so weiter bestehen. Hier gibt es keinen Mittelweg. Entweder er liebt das Böse oder er hat nicht die Macht, sich zu widersetzen. Auf keinen Fall darf ich eine böse Tat bereuen. Denn, kann er sie nicht verhindern, so kann ich doch sicherlich nicht stärker sein wie er, und wenn sie ihm gefällt, so darf ich mich doch nicht widersetzen. Er ist unveränderlich, sagen Sie ferner; und trotzdem sehe ich ihn fünf- oder sechsmal Völker, Gesetze, Wünsche und Gefühle wechseln. Uebrigens bedingt Unveränderlichkeit Unverletzlichkeit und ein unverletzliches Wesen rächt sich nicht. Aber Sie behaupten ja, daß Ihr Gott sich rächt. Vermehrten Sie diese Chimäre in sich. Sie ist fürchterlich. Sie kann nur in dem schmalen Gehirn von Dummköpfen Platz finden.
Die Hoffnung auf eine zukünftige Welt oder die Furcht vor ihr darf Sie nicht beruhigen, Justine. Schaffen Sie sich nicht selbst Fesseln. Als schwacher Teil einer großen Masse kehren wir nach unserem Tode auf einen Augenblick in den Schoß der Natur zurück, um ihm in anderer Form wieder zu entsteigen. Und Alles das geschieht ohne Bezug auf Tugend oder begangene Verbrechen, weil nichts imstande ist, die Natur zu beleidigen und alle Menschen auf Erden so gehandelt haben, wie diese gemeinsame Mutter es wollte.“
„O, mein Herr,“ erwiderte Justine, verwirrt über diese Meinungen, „Sie glauben also, daß, wenn während Sie gestern ein unglückliches Kind vergewaltigten und mordeten, ein anderes Wesen in Ihrer Nähe die anderen Unglücklichen gelabt hätte, dieses letztere Wesen nicht den Himmel und Sie die Hölle verdient hätten?“ – „Sicherlich nein, er hätte kein besseres Los zu erwarten, wie ich, Justine. Erstens weil es weder eine Belohnung oder Bestrafung im Jenseits gibt; und zweitens, weil besagter wohltätige Mensch nur denselben Befehlen der Natur gehorcht, wie ich, daher weder schuldiger noch verdienstvoller erscheinen kann. Verschiedene Umstände bestimmten ihn nach dieser Richtung und mich nach der anderen. Aber wir hätten beide gehandelt wie es die Natur von uns verlangte. Er, indem er ein gutes Werk tat und ich, indem ich ein Verbrechen beging.“ – „O, mein Herr,“ sagte Justine, „diese Gedankengänge sind fürchterlich.“ – „Ja, für Sie, weil Sie fürchten ihr Opfer zu werden, aber nicht für mich, der der Opfernde ist.“ – „Aber wenn das Glück sich wendet?“ – „Dann werde ich mich unterwerfen, ohne meine Meinung zu ändern; und die Philosophie wird mich trösten, weil sie nur ein ewiges Nichts verspricht, was mir lieber ist, als die Ungewißheit von Qualen oder Belohnungen die Ihre Religion verspricht. Es ist außerdem gar kein Verhältnis zwischen dem Lohn und der Strafe; daher sind beide lächerlich und wenn sie das sind, können sie nicht das Werk eines Gottes sein. Oder wollen Sie mir vielleicht nach dem Beispiel einiger Gelehrten, die die Folterqualen der Hölle nicht mit Güte Gottes vereinbaren konnten, sagen, daß meine Qual darin bestehen wird, seines Anblickes beraubt zu sein? Was liegt mir daran. Kann ich das jemals als Strafe empfinden, daß ich eines Anblickes beraubt bin, von dem ich keinerlei Vorstellung habe? Oder aber er wird sich einen Augenblick lang meinen Augen darbieten, um mich die ganze Größe des Verlustes fühlen zu lassen. In diesem Fall wird es mir leicht fallen. Denn es ist nicht natürlich, daß ich den Verlust eines Wesens beklage, das mich für endliche Vergehen zu unendlichen Qualen verdammt. Diese einzige Ungerechtigkeit allein würde in mir einen solchen Hass erwecken, daß ich sicherlich nach der Urteilsvollstreckung keinerlei Bedauern empfinden werde.“ – „Ah, ich sehe, mein Herr, es ist nicht möglich, Sie zu bekehren,“ sagte Justine. – „Du hast Recht, mein Engel, versuche es gar nicht, es wäre unnütz. Lasse mich vielmehr an deiner Bekehrung arbeiten und glaube mir, daß du davon hundertmal mehr haben wirst.“ – „Du mußt sie ficken, Bruder,“ sagte die Dubois, „und gute Arbeit machen. Ich sehe nur darin ein Mittel sie zu bekehren. Eine Frau nimmt unerhört rasch die Grundsätze desjenigen an, von dem sie gefickt wird. Alle moralischen und religiösen Anschauungen verschwinden bald vor den Leidenschaften. Erwecke also die ihren, wenn du sie mit Erfolg erziehen willst.“ So sagte die Dubois und Eisenherz war eben daran, ihre Ratschläge in die Tat umzusetzen, als man ein Geräusch vernahm, das von einem Reiter herrührte. „Zu den Waffen,“ rief Eisenherz aus, indem er so gut es ging sein ungeheures Glied wieder in die Hose steckte, mit dem er zum zweitenmal den Popo der unglücklichen Justine bedroht hatte. „Zu den Waffen!“ Freunde, nachher „können wir wieder an unser Vergnügen denken.“ Sie eilten davon und nach einigen Augenblicken brachten sie einen unglücklichen Reisenden nach dem Gebüsch, in dem unsere Banditen hausten.
Als man ihn fragte, weshalb er allein und so frühzeitig auf einer verlassenen Landstraße reise, wie alt er sei und was sein Beruf sei, antwortete der Gefangene, daß er Saint-Florent heiße, einer der vornehmsten Kaufleute Lyons und fünfunddreißig Jahre alt sei, daß er in Handelsgeschäften von Flandern zurückkäme und daß er wenig Geld aber viel Papiere bei sich habe. Ferner erzählte er, daß sein Diener ihn am vergangenen Tage verlassen habe und daß er, um nicht unter der Hitze zu leiden, so frühzeitig reise, daß er jetzt nach Paris wolle um dort in zwei Tagen noch einen Teil seiner Geschäfte abzuwickeln. Er versicherte überdies, daß, wann er einen einsamen Weg eingeschlagen habe, er sich offenbar dadurch verirrt haben mußte, daß er am Pferde eingeschlafen sei. Danach bat er um sein Leben und bot von selbst alles an, was er bei sich hatte. Man prüfte seine Brieftasche und zählte sein Geld. Sie hätten keinen besseren Fang tun können. Saint-Florent besaß fast 400.000 Franks in Anweisungen von Pariser Banken, etwas Schmuck und ungefähr 100 Louis bares Geld. „Freundchen,“ sagte jetzt Eisenherz, indem er ihm einen Pistolenlauf unter die Nase hielt, „Sie werden begreifen, daß wir Sie bei so viel Geld nicht am Leben lassen können. Wir wären bald verkauft und verraten.“ – „O, mein Herr,“ rief Justine aus, indem sie sich dem Räuber zu Füßen warf, „ich beschwöre Sie, mich nicht gleich bei meinem Eintritt in Ihre Truppe das Schauspiel einer Ermordung dieses Unglücklichen sehen zu lassen. Lassen Sie ihm das Leben. Schlagen Sie mir nicht die erste Bitte, die ich von Ihnen verlange, ab.“ Dann fuhr sie fort, indem sie zu einer seltsamen List griff. „Der Name, den dieser Herr eben genannt hat zeigt mir, daß ich ihm ziemlich nahe stehe. Staunen Sie nicht,“ sprach sie zu dem Gefangenen gewandt, „eine Verwandte in dieser Lage anzutreffen. Ich werde Ihnen alles erklären. Aber wegen dieser Beziehung,“ fuhr sie eifrig wieder zu Eisenherz gewandt fort, „wegen dieser Beziehung schenken Sie mir das Leben dieses Unglücklichen. Ich werde diese Gnade durch die vollkommenste Unterwerfung belohnen.“ – „Sie wissen, Justine, unter welcher Bedingung ich Ihnen die Gnade gewähren kann, die Sie von mir verlangen,“ erwiderte Eisenherz, „Sie wissen doch, was ich von Ihnen will.“ – „Gut, mein Herr, ich werde alles tun,“ rief sie, indem sie sich zwischen den Unglücklichen und den mordbereiten Dieb stürzte. „Ja, ja, ich willige in alles ein. Lassen Sie ihn leben, ich flehe Sie an.“ – „Dann komm also,“ sagte Eisenherz zu Justine, „ich will, daß du dem Wort auf der Stelle hältst.“ Bei diesen Worten zog er den Gefangenen in benachbartes Gesträuch. Dort band er ihn an einen Baum, Justine mußte sich auf alle viere daneben legen und nun schürzte er ihre Röcke auf, während der Pistolenlauf noch immer nach der Gurgel des armen Reisenden gerichtet blieb, dessen Leben von der Unterwürfigkeit Justines abhing. Aber noch einmal sollte Justine vor dem ihr drohenden Unglück gerettet werden. Die Natur hinterging unseren Räuber grausam und sein Glied wurde schon in dem Peristyl des Tempels schlapp, Trotz aller Versuche ihm den nötigen Grad von Straffheit zu geben, die zu dem geplanten Verbrechen nötig war. „O, Teufel!“ rief er wütend aus, „ich bin zu sehr erhitzt; es kommt nichts ... oder vielleicht ist meine Nachsicht Schuld an dem Unglück, denn ich bin sicher, daß er mir stehen würde, wenn ich diesen Schuft da tötete“ „Nein, bitte nicht,“ sagte Justine, indem sie sich nach dem Räuber umkehrte. „Rühr dich nicht, Hure,“ sagte dieser, indem er ihr zwei oder drei Faustschläge auf die Schultern versetzte. „Dein verfluchtes Gesicht stört mich immer, ich brauche jetzt einen Hintern.“ Nun begann er wieder zu arbeiten, aber dieselben Hindernisse stellten sich ein und er mußte wieder verzichten. „Ich sehe wohl, daß es heute Abend nicht gehen wird,“ sagte er schließlich, „gehen wir zurück.“ Und sobald er wieder im Kreis der Uebrigen war, fuhr er fort: „Denken Sie an Ihr Versprechen, Justine, und bedenken Sie, daß ich diesen Kerl da morgen ebenso gut töten kann wie heute. Kinder,“ fuhr er, an seine Kameraden gewandt, fort, „Ihr haftet mir für beide. Sie, Justine, werden neben meiner Schwester schlafen. Ich werde Sie rufen, wenn es an der Zeit sein wird.“
„Schlafen Sie ruhig, mein Herr,“ erwiderte Justine, „und glauben Sie, daß diejenige, die sie mit Dankbarkeit erfüllt haben, nur darauf wartet, sich gefällig erweisen zu können.“
Währenddessen aßen und tranken unsere Spitzbuben und schliefen schließlich ganz vertrauensselig ein, indem sie den Gefangenen in ihre Mitte nahmen und Justine sich vollkommen frei neben die Dubois legte, die, berauscht wie alle anderen, bald die Augen schloß.
Kaum waren die Verbrecher eingeschlafen, als Justine rasch die Gelegenheit ergriff, um dem Reisenden folgendes zuzurufen: „Ach, mein Herr, eine schreckliche Katastrophe hat mich unter diese Leute getrieben. Ich hasse sie ebenso wie den unglücklichen Zufall, der die Ursache davon ist, daß ich hier bin. Ich habe wahrscheinlich nicht die Ehre, mit Ihnen verwandt zu sein, denn ich heiße ....“ fuhr Justine fort, indem sie den Namen ihres Vaters nannte. „Wie, Fräulein?“ unterbrach sie „Saint-Florent, so heißen Sie?“ – „Ja.“ – „Ah, dann hat Ihnen der Himmel Ihre List in den Mund gelegt. Sie haben sich nicht getäuscht, Justine: Sie sind meine Nichte. Meine erste Frau, die ich vor fünf Iahren verlor, war die Schwester Ihres Vaters. O! Wie freue ich mich über den glücklichen Zufall, der uns vereint! Wenn ich Ihr Unglück gekannt hätte, so hätte ich sicher geholfen.“ – „O, mein Herr, wie bin ich glücklich, Sie einstweilen befreit zu haben,“ erwiderte Justine lebhaft. „Aber benützen wir den Augenblick, in dem diese Ungeheuer ausruhen und flüchten wir.“ Bei diesen Worten bemerkte sie, daß die Brieftasche ihres Onkels nachlässig in der Tasche eines der Banditen steckte. Sie schlich hin, zog sie heraus und sagte dann leise zu Saint-Florent: „Eilen wir jetzt, mein Herr, verzichten wir auf das Uebrige. Wir würden es nicht ohne Gefahr erhalten können. O! Teurer Onkel, ich begebe mich jetzt in Ihren Schutz. Haben Sie Mitleid mit meinem Schicksal! Werden Sie der Beschützer meiner Unschuld. Flüchten wir!“
Man kann den Zustand schwer schildern, in dem sich Saint-Florent befand. Die verschiedenen Gemütsbewegungen, die auf ihn eingewirkt hatten, die Dankbarkeit, die er mindestens zeigen mußte, selbst wenn er sie nicht empfand. Alles das nahm seinen Kopf so ein, daß er kein Wort hervorbringen konnte. Wie – werden einige Leser fragen – dieser Mann konnte an etwas anderes denken, als daran, sich vor seiner Woltäterin niederzuknieen? Nun so wollen wir im Vertrauen gleich jetzt eingestehen: Saint-Florent, der weit eher dafür geschaffen war, in dieser niederträchtigen Truppe zu bleiben, als von den Händen der Tugend gerettet zu werden, war durchaus nicht der Hilfe seiner eifervollen, tugendhaften Nichte würdig. Und wir fürchten, es wird sich in der Folge zeigen, daß Justine nur vom Regen in die Traufe gekommen sei. Aber gehen wir nicht den Ereignissen voraus. Es genügt, wenn man weiß, daß Saint-Florent nicht ohne heftigen Kitzel sowohl den Angriff auf Justine auch deren zahlreiche Reize gesehen hatte.
Die zwei Flüchtlinge hasteten fort, ohne ein Wort zu sprechen und die Morgenröte traf sie bereits außer jeder Gefahr, obwohl sie noch immer sich im Walde befanden.
In diesem Augenblick, als sich die Strahlen des aufgehenden Gestirns über die bezaubernden Reize Justines ergossen, in diesem Augenblick entzündete sich die blutschänderische Glut in dem Schuften am heftigsten. Eine Weile hielt er sie für die Göttin der Blumen, die mit der ersten Morgenröte über die Erde eilt, um die Kelche der Rosen zu öffnen, dann schien sie ihm wieder ein Sonnenstrahl zu sein, der die Welt leuchtend verschönert. Sie ging mit großer Schnelligkeit. Ihre Wangen leuchteten und ihre schönen blonden Haare wehten ihr verwirrt in das Gesicht. Von Zeit zu Zeit drehte sie anmutig ihren Kopf nach dem Genossen ihrer Flucht und dann strahlte in ihren Zügen das Bewußtsein einer guten Tat.
Wenn es richtig ist, daß die Gesichtszüge das getreue Spiegelbild der Seele sind, dann waren die Gefühle Saint-Florents anderer Art. Schreckliche Begierden wühlten in seinem Inneren, furchtbare Pläne kreisten in seinem Gehirn. Trotzdem lächelte er und heuchelte Dankbarkeit und Freude eine unglückliche Nichte gefunden zu haben, die er, dank seinem Vermögen, aus aller Not befreien könne. Währenddessen trachtete sein durchdringendes Auge ihre Reize zu entschleiern, von denen er eine kleine Kostprobe erhalten hatte.
In diesem Zustand langten die Beiden in Luzarches an, wo sie in einem Gasthof Ruhe fanden.
6 Man wird sie später in der Geschichte Juliettes lesen.
Eines Abends, vielleicht zwei Tage bevor beide ihr Leben verlieren sollten, sagte die Dubois zu Justine, sie moge sich nicht schlafen legen, sondern sich unauffällig so nahe als möglich dem Gitter aufhalten. „Zwischen 7 und 8 Uhr,“ fuhr sie fort, „wird in der Conciergerie Feuer ausbrechen. Dafür habe ich gesorgt. Zweifellos werden viele Menschen umkommen, aber was liegt daran, wenn es sich um unser Wohl handelt. Ich kenne nicht dieses Band einer lächerlichen Brüderlichkeit, das die Menschendank ihrer Schwäche und dem Aberglauben, bindet. Handeln wir jeder für uns, meine Tochter, so wie uns die Natur geschaffen hat und wenn manchmal unsere Bedürfnisse uns anderen näher führen, trennen wir uns, wenn es unser Interesse erfordert; denn der Egoismus ist das oberste, gerechteste und heiligste Naturgesetz. Mit einem Wort, inmitten des Todes und der Flammen wollen wir – vier meiner Kameraden, du und ich – uns retten. Ja, ich verspreche es dir, wir werden uns retten. Was kümmert uns-, was aus den Uebrigen wird!“
Durch eine jener unbegreiflichen Launen des Geschicks war es, nachdem es eben die Unschuld an unserer Heldin bestraft hatte, jetzt dem Verbrechen dienstbar. Das Feuer brach tatsächlich in furchtbarem Maßstabe aus und sechzig Personen verbrannten. Aber Justine, die Dubois und ihre Mitverschworenen retteten sich und erreichten noch in derselben Nacht die Hütte eines Holzhauers im Walde von Bondy, der ein guter Freund der Verbrecherbande war.
„Du bist nun frei, Justine,“ sagte jetzt die Dubois, „du kannst dir jetzt dein Leben einrichten, wie du willst. Aber wenn du meinem Rat folgst, mein Kind, so verzichtest du auf diese Tugendäußerungen, die, wie du siehst, dir noch niemals geholfen haben. Ein lächerliches Feingefühl, da es sich doch nur darum handelte, gefickt zu werden, brachte dich bis an die Stufen des Schaffots. Ein schreckliches Verbrechen rettet dich vor ihm. Sieh' also, wozu gute Handlungen in der Welt dienen und ob es der Mühe wert ist, sich dafür aufzuopfern. Du bist jung und hübsch, Justine. In zwei Jahren will ich dein Glück gemacht haben. Wenn man diesen Weg machen, will, muß man mehr als ein Handwerk kennen. Der Diebstahl, Mord, Raub, Brandstiftung, Hurerei, Ausschweifung, das sind die Tugenden unseres Standes. Ueberlege es dir, teures Mädchen, und gab uns bald Antwort. Denn es ist in dieser Hütte wenig sicher und wir müssen noch vor Tagesanbruch fort.“ – „O, Madame,“ erwiderte Justine, „ich bin Ihnen sehr zu Danke verpflichtet und weit davon entfernt mich dem entziehen zu wollen. Sie haben mir das Leben gerettet. Es ist schrecklich für mich, das dies durch ein Verbrechen geschah. Glauben Sie mir, daß, wenn ich es hätte begehen müssen, ich hundert Tode vorgezogen hätte. Ich merke wohl, welchen Gefahren ich durch meine Tugend ausgesetzt war. Aber wie groß immer sie gewesen sein mögen, ich werde sie auch weiterhin dem Glück vorziehen, das man durch ein Verbrechen erreichen muß. Es gibt in mir moralische und religiöse Grundsätze, die – dem Himmel sei Dank! – mich niemals verlassen werden. Wenn Gott mir Prüfungen schickt, so geschieht es, um mich in einer besseren Welt zu entschädigen. Diese Hoffnung tröstet mich, sie stärkt mich und läßt mich allen Leiden trotzen.“
„Tod und Teufel!“ rief die Dubois mit gerunzelten Augenbrauen aus, „das sind unsinnige Gedanken, die Dich bald ins Gefängnis bringen werden. Laß Deinen niederträchtigen Gott laufen, meine Tochter; seine himmlische Gerechtigkeit, seine Belohnung und Bestrafung, alles das sind Plattheiten, die nur für Dummköpfe etwas taugen. Du bist zu klug, um dran zu glauben. O, Justine! Die Hartherzigkeit der Reichen berechtigt die Armen zu ihrer Schlechtigkeit. Ihre Schatzkammern mögen sich öffnen, die Menschlichkeit soll in ihre Herzen einziehen und wir werden nur für die Tugend leben. Die Natur hat uns Alle gleich geschaffen, Justine. Wenn das Schicksal mit seiner ungerechten Härte sich darin gefällt, dieses allgemeine Gesetz umzutoßen, so ist es unsere Sache, seine Launen zu korrigieren. Ich höre Ihnen gerne zu den reichen Leuten, den Beamten, den Priestern, wenn sie uns die Tugend predigen. Man kann leicht keine Lust zum Diebstahl haben, wenn man dreimal so viel hat, wie man zum Leben braucht, leicht keine Lust zum Morde haben, wenn man stets von Schmeichler umgeben ist. Glaube mir, mein Kind, wenn uns die Natur in eine Lage versetzt, in der uns die schlechte Tat zur Notwendigkeit wird und sie uns gleichzeitig die Möglichkeit gibt, schlecht zu handeln, so dient das Böse ihren Gesetzen sicher ebenso wie das Gute. Der Zustand, in dem sie uns geschaffen hat, ist der der Gleichheit. Derjenige, der diesen Zustand zerstört, ist nicht schuldiger, wie der, der ihn wiederherzustellen trachtet. Beide handeln so, wie sie es müssen.“
Die Beredsamkeit der Dubois wirkte viel rascher wie die der Delmouse. Die Sache des Verbrechens wird einem Unparteiischen gegenüber viel besser von dem verteidigt, der aus Not handelt, wie von dem, der sich ihm nur um der Wollust willen hingibt. Justine war wie betäubt und glaubte schon, der Verführung dieser geschickten Frau nachgeben zu müssen. Aber eine stärkere Stimme in ihrem Herzen bekämpfte diese Schwäche, und sie erklärte der Verführerin, daß ihr das Verbrechen ein Greuel sei, und daß sie lieber sterben wolle als jemals eines zu begehen. „Nun gut,“ erwiderte die Dubois, „mache was Du willst. Ich überlasse Dich Deinem schlimmen Stern. Aber wenn Du wieder ergriffen werden solltest, was ja bei Deinem Ungeschick nicht ausbleiben wird, sprich niemals von uns anderen.“
Während dieses Zwiegespräches tranken die vier Genossen der Dubois mit dem Holzhauer; und da der Wein gewöhnlich die Seele des Missetäters zu größeren Exzessen aufstachelt, beschlossen die Bösewichte, nachdem sie den Bescheid Justines erfahren hatten, aus ihr ein Opfer zu machen. Ihre Grundsätze, ihre Beschäftigung (es waren Straßenräuber), ihre Sitten, ihr gegenwärtiger Körperzustand (man ist nach drei Monaten Gefängnis sehr geil), die Finsternis, die Sicherheit, in der sie sich befanden, ihre Trunkenheit, die Unschuld Justines, ihr Alter und ihre göttlichen Reize: alles das feuerte sie an und ermunterte sie. Sie hörten auf zu trinken und beratschlagten. Dann befahlen sie Justine, sie möge sich auf der Stelle den Wünschen eines jeden von den Vieren hingeben. Wenn es gutwillig geschähe, würden sie ihr jeder einen Taler geben. Sollten sie aber Gewalt gebrauchen müssen, so würde es auch so gehen. Dann aber würden sie sie nach Gebrauch erdolchen und verscharren, damit das Geheimnis bewahrt bleibe.
Man kann unmöglich die Wirkung schildern, die diese neue Grausamkeit in Justine hervorrief. Sie warf sich der Dubois zu Füßen und beschwor sie, noch einmal ihre Beschützerin zu sein. Aber die lachte blos über ihre Tränen. „Heiliger Himmel!“ sagte sie zu ihr. „Du bist aber sehr unglücklich zu nennen! Du schauderst darüber, daß du von diesen vier schönen jungen Männern hintereinander gefickt werden sollst! Sieh,“ sagte sie, indem sie ihr die Vier einzeln vorführte, „sieh diesen hier, er heißt Kettenbrecher, ist fünfundzwanzig Jahre alt und hat ein Glied ... das man bewundern müßte, wenn nicht das meines Bruders hier wäre. Er heißt Eisenherz und ist dreißig Jahre alt. Sieh Dir diesen Wuchs an und erst dies Glied! Ich wette, daß Du es mit beiden Händen nicht umfassen kannst. Dieser Dritte heißt Obdachlos. Sieh diesen Schnurrbart an. Er ist sechsundzwanzig Jahre alt und (leise zu Justine) am Abend, bevor wir eingesperrt wurden, hat er mit mir elf Nummern hintereinander gemacht. Aber bei dem Vierten mußt Du mir zugestehen, daß er ein Engel ist. Er ist für seinen Beruf zu schön, zählt einundzwanzig Jahre und wir nennen ihn den Lebemann. Bei seinen Veranlagungen wird er es auch werden; aber sein Glied, Justine, sein Glied mußt du sehen. Sieh, wie lang, wie dick und wie hart es ist, wie wundervoll diese Spitze ist. Ich versichere dich, wenn ich dieses Ding in meinen Eingeweiden habe, glube ich besser gefickt zu weiden als Messaline es jemals wurde. Aber weißt Du auch, mein Kind, daß es 10.000 Frauen in Paris gibt, die die Hälfte ihres Vermögens oder ihres Schmuckes darum gäben, wenn sie an Deiner Stelle sein könnten.“ Nach einigem Nachdenken fuhr sie fort: „Höre, ich habe genug Macht über diese Schelme, damit Dir von ihnen Gnade gewährt werde, aber Du mußt ihrer würdig sein.“ – „Ach, Madame, was muß ich tun? Befehlen Sie mir!“ – „Du mußt uns nachfolgen, töten, stehlen, vergiften, mißhandeln, Brandstiften, Rauben, Verwüsten wie wir. Um diesen Preis will ich Dich retten.“ Jetzt schien es Justine, als ob sie nicht zögern dürfe. Denn die neuen Gefahren, die ihr durch ihre Einwilligung drohten, waren nicht so nahe. „Nun gut, Madame, ich will überallhin mitgehen,“ rief sie aus, „überallhin, ich verspreche es Ihnen! Retten Sie mich vor der Wut dieser Männer und ich will Sie in Ihrem Leben nicht wieder verlassen!“
„Kinder,“ sagte die Dubois, „dieses Mädchen gehört jetzt zu unserer Truppe. Ich nehme sie auf. Ich bitte, ihr keine Gewalt anzutun. Durch ihre Jugend und ihre Gestalt kann sie uns nützlich sein, also verleiden wir ihr nicht ihren neuen Beruf.“
Aber es gibt Grade der Leidenschaft, bei denen nichts mehr verfängt; und je mehr man dann versucht, die Stimme der Vernunft zu Gehör zu bringen, desto weniger wird sie gehört. Die Kameraden der Dubois befanden sich in diesem unglückseligen Zustand und alle Vier warteten mit dem Glied in der Hand auf die Entscheidung der Würfel, wer die Erstlinge erhalten solle. „Nein,“ sagte Kettenbrecher, „die Hure muß dran glauben. Es gibt nichts, das sie retten kann. Würde man nicht sagen, daß man eine Jungfernprobe ablegen müsse, bevor man in eine Diebsgesellschaft aufgenommen wird!“ – „Teufel noch einmal! Ich will ficken!“ rief Obdachlos aus, indem er sich Justine mit dem Glied in der Hand näherte, „ja, bei Gott, der mich im Arsche lecken kann, ich will ficken – oder sie erwürgen; sie möge wählen!“
Unser unglückliches Kind schauderte. Kaum konnte sie atmen. Sie warf sich vor den vier Banditen nieder und ihre schwachen Arme streckten sich flehend aus: „Einen Augenblick,“ sagte jetzt Eisenherz, der in seiner Eigenschaft als Bruder der Dubois die Ehre hatte, der Truppe zu kommandieren, „einen Augenblick, meine Freunde. Mir steht er so wie Euch,“ fuhr er fort, indem er mit seinem Glied auf den Tisch klopfte und damit eine Nuß entzweischlug. „Wie Ihr, will ich entladen. Aber ich glaube, daß es trotzdem möglich ist, daß jedermann zufrieden gestellt wird. Da diese kleine Hure so viel auf ihre Tugend hält und uns diese Eigenschaft an ihr nützlich werden kann – wie meine Schwester sehr richtig bemerkte – so wollen wir ihr ihre Jungfernschaft lassen. Aber wir müssen befriedigt werden, und in dem Zustand, in dem wir uns befinden, wurden wir, wie du bemerken kannst, meine liebe Schwester, vielleicht euch beide erwürgen, wenn Ihr euch unseren Wünschen widersetztet. Die entfesselten Leidenschaften eines Mannes sind fürchterlich und du wirst dich erinnern schon oft unseren Samen in Blut hineinrinnen gesehen zu haben. Also füge dich, ich rate es dir. Folgendes ist mein Vorschlag:
Justine muß sich völlig nackt ausziehen und dann der Reihe nach sich den wollüstigen Launen eines jeden hingeben, während die Dubois das Opfer empfangen wird, dem diese Närrin den Eingang verweigert.“
„Nackt ausziehen?!“ rief Justine, „ich soll mich vor Männern entkleiden? O, gerechter Gott, was verlangen Sie von mir? Und wer beschützt mich dann vor Ihren Angriffen, wenn ich mich Ihren Blicken ausgeliefert haben werde?“ – „Wer schützt Dich denn jetzt, Hure?“ sagte der „Lebemann“, indem er eine Hand unter Justines Röcke steckte und seine Lippen auf ihren Mund preßte. „Ja, wer Teufel, schützt Dich?“ sagte Obdachlos, indem er die Kehrseite bearbeitete. „Du siehst wohl, daß Du uns ausgeliefert bist. Du siehst wohl, daß Dir nichts anderes übrig bleibt, als Dich zu unterwerfen.“ – „Vorwärts, laßt sie los,“ sagte Eisenherz, indem er Justine seinen Kameraden entriß, „laßt sie ruhig unseren Anordnungen nachgehen.“ – „Nein,“ sagte Justine, sobald sie sich frei sah, „nein, Sie können mit mir machen, was Sie wollen; Sie sind die Stärkeren; aber Sie werden nichts gutwillig von mir erreichen.“ – „Nun denn, Hure,“ sagte Eisenherz, indem er ihr eine Ohrfeige versetzte, die sie aufs Bett warf, „so werden wir Dich entkleiden.“ Damit zog er ihr die Röcke über den Kopf und löste sie mit seinem Messer auf so schreckliche Art los, daß man einen Augenblick glaubte, daß der Schuft den Bauch der Unglücklichen entzweigeschnitten habe. Sofort war der schönste Körper der Welt den Blicken der Wollust preisgegeben. „Verteilen wir uns,“ sagte Eisenherz. „Du, Schwester, lege Dich auf dieses Bett und Kettenbrecher soll ihn Dir hineinstecken. Justine soll mit gespreizten Beinen ober der Dubais hockend, ihre Scheide Kettenbrecher nähern und ihm in den Mund pissen. Ich kenne seine Wünsche.“ – „Teufel, ja,“ sagte der geile Bock, indem er sich rasch an das Loch der Dubois heranmachte, „es gibt für mich keinen größeren Genuß, und ich danke Dir, daß Du daran gedacht hast.“ Er steckte sein Glied hinein, es wurde gepisst, er entlud und Obdachlos ging an die Arbeit. „Während ich Deine Schwester ficke,“ sagte er zum Befehlshaber, „halte mir dieses Lumpenweib vor Augen.“ Man tat es, und er schlug mit der flachen Hand bald auf die Wangen, bald auf die Brust Justines. Manchmal küsste er sie auf den Mund und biß ihr in die Zungenspitze, dann wieder rieb er ihr die Brustrosen derart, daß sie fast ohnmächtig wurde. Sie litt furchtbar und bat um Gnade. Tränen rannen ihr aus den Augen, aber das entflammte den Verbrecher umsomehr. Als er es kommen fühlte, nahm er während des Fickens Justine und schleuderte sie zehn Schritte weit von sich weg.
Nun kam die Reihe an den „Lebemann“. Er steckte ihn der Dubois hinein, aber Eisenherz sagte: „Warte, mein Sohn, ich will Dich von hinten bearbeiten und dieses Lumpenweib wollen wir zwischen uns nehmen. Du wirst Dich mit ihrem vorderen Loch und ich mit ihrem hinteren befassen.“ Und die unglückliche Justine wurde hin und her gestossen, bis die beiden Fickenden Stellung wechselten und so, der eine der Gatte seiner Schwester und der andere der Liebhaber seines Schwagers wurde. Aber Justine gewann dabei nichts, denn Eisenherz, den die Sache aufregte, wurde nur umso grausamer. „Wir wollen sehen, wer stärker schlagen kann,“ sagte er, indem er ihr auf die Wangen schlug. „Du Bruder, schlage sie auf den Popo.“ So schlugen sie, bis Justine Blut aus der Nase kam. „Ah, das wollte ich!“ sagte Eisenherz, indem er seinen Mund darunter hielt. „Kettenbrecher, Du willt Pisse, ich will Blut haben.“ Endlich entlud er und rasch nach ihm sein Reiter. So herrschte wieder Ruhe in der Truppe.
„Es scheint mir,“ sagte die Dubois, indem sie sich erhob, „als ob ich bei der ganzen Sache am meisten gewonnen hätte.“ – „Das weist Du immer so einzurichten,“ entgegnete ihr Bruder, „damit Du selbst gefickt wirst, hast Du nicht wollen, daß wir dieses kleine Mädchen entjungfern. Aber Geduld, sie wird nichts verlieren.“
Man sprach jetzt vom Aufbruch; und noch in derselben Nacht erreichte die Truppe Le Tremblai mit der Absicht, bis in die Wälder von Chantilly vorzudringen.
Nichts glich der Verzweiflung Justines. Wir glauben, daß unsere Leser sie jetzt genügend kennen, um gewiß zu sein, daß sie nur mit dem allergrößten Widerwillen diesen Leuten folgte, und daß, wenn sie es tat, es nur mit dem festen Entschluß geschah, so bald als möglich aus ihrer Nähe zu flüchten.
Unsere Verbrecherbande übernachtete in der Umgebung von Louvres auf Strohbündeln.
Unsere keusche Waise hatte die Absicht, die Nacht an der Seite der Dubois zu verbringen. Aber die Hure hatte Anderes zu tun, als die Tugend Anderer zu beschützen. Drei Banditen waren mit ihr beschäftigt und allen Dreien gab sie sich zu gleicher Zeit hin. Der vierte – Eisenherz – näherte sich! Justine. „Schönes Kind,“ sagte er zu ihr, „ich hoffe, daß Sie mir wenigstens gestatten, die Nacht in Ihrer Nähe zu verbringen. Fürchten Sie nichts,“ fuhr er fort, als er ihren Widerwillen bemerkte, „wir werden plaudern und nichts soll ohne Ihren Willen geschehen.“
„O Justine,“ fuhr er fort, indem er sie in seine Arme preßte, „ist es nicht eine Narrheit von Ihnen, daß Sie sich bei uns keusch erhalten wollen? Ja wird das überhaupt mit dem Interesse der Bande vereinbar sein? Es wäre unnütz, vor Ihnen ein Geheimnis daraus zu machen, daß, wenn wir nach den Städten kommen werden, wir mit Hilfe Ihrer Reize Fallen stellen wollen.“ – „Nun, mein Herr,“ erwiderte Justine, „da ich eher den, Tod vorziehen würde, als dazu behilflich sein, warum widersetzen Sie sich meiner Flucht?“ – „Sicherlich widersetzen wir uns, mein Engel,“ erwiderte Eisenherz. „Sie müssen entweder unserer Lust oder unserem Interesse dienen. Ihr Unglück legte Ihnen dieses Joch auf. Aber, Justine, Alles in dieser Welt läßt sich ins richtige Geleise bringen. Hören Sie mir also zu: Wenn Sie einwilligen, mit mir zu leben, mir allein anzugehören, so erspare Ich Ihnen die traurige Rolle, die Sie erwartet.“ – „Ich soll die Geliebte eines ...“ – „Sprechen Sie es nur aus, eines Gauners, werden, nicht wahr? Sicherlich kann ich Ihnen keinen anderen Titel bieten, aber überlegen Sie ein wenig. Da Sie doch unbedingt das verlieren müssen, was Ihnen so kostbar ist, ist es nicht besser, es einem einzelnen Mann zu opfern, der dann Ihre Stütze und Ihr Beschützer wird, als Allen?“ – „Warum aber soll mir ein anderer Weg nicht möglich sein?“ – „Weil wir Sie festhalten, mein Kind, und der Stärkere immer im Recht ist. In Wahrheit,“ fuhr Eisenherz rasch fort, „wie kann ein Mädchen so einfältig sein und glauben, daß ihre Tugend von der mehr oder minder großen Weite eines ihrer Körperteile abhängt? Diese Keuschheit, die man sie von Kindheit an als Tugend betrachten lehrte, beleidigt sichtbarlich sowohl die Natur wie die menschliche Gesellschaft. Aber schön; ich will Ihnen beweisen, daß ich Ihnen gern gefallen möchte und Ihre Schwäche achten will. Ich werde dieses Phantom, dessen Besitz Sie so erfreut, nicht berühren. Ein so hübsches Mädchen hat mehr als eine Gunst zu vergeben und Venus wird bei ihr in mehr als einem Tempel verehrt. Ich will mich mit dem schmalsten begnügen. Sie wissen, meine Teure, in der Nähe des Labyrinths von Cypris gibt es einen dunklen Gang, in dem sich die Liebesgötter verstecken, um uns mit noch mehr Kraft zu locken. Dort ist der Altar, auf dem ich opfern will; daran ist nicht das Mindeste auszusetzen. Wenn Sie eine Schwangerschaft befürchten, so ist Ihre Furcht in diesem Falle unbegründet. Ihre schöne Gestalt wird nicht verloren gehen. Ihre Erstlinge bleiben Ihnen bewahrt und Sie werden Sie einst keusch darbieten können. Nichts verrät ein Mädchen, das auf dieser Seite liebt. Wie heftig die Angriffe sein mögen, sobald die Biene den Honig aufgesaugt hat, schließt sich der Kelch der Rose derart fest, daß man glaubt, er könne sich nicht wieder öffnen. Wie viele Mädchen gibt es nicht, die zehn Jahre auf diese Art Lust genossen haben und sich später als Jungfrauen verheiratet haben. Wie viele Väter, wie viele Brüder gibt es nicht, die ihre Töchter, ihre Schwestern so gebraucht haben, ohne daß sie deshalb weniger würdig geworden seien, den Ehebund zu schließen. Mit einem Wort: dieser Gang ist das Obdach des Geheimnisses. Dort verbindet sich die Liebe mit der Keuschheit. Soll ich Ihnen noch mehr sagen, Justine? Wenn dieser Tempel der geheimnisvollste ist, so ist er auch gleichzeitig der wonnevollste. Die weite Annehmlichkeit des Nachbars taugt lange nicht so viel wie der aufregende Zauber eines Lokals, in das man nur mit Anstrengung eindringt, und in dem man nur mit Mühen wohnt. Selbst die Frauen gewinnen dabei nur und diejenigen, die einmal aus Vernunftsgründen gezwungen waren, nur diesen Weg beschreiten zu lassen, bleiben immer dabei. Versuchen Sie es, Justine. Leihen Sie mir Ihren göttlichen kleinen Popo und wir werden beide zufrieden sein.“
„Mein Herr,“ sagte Justine, indem sie sich, so gut es ging, den Angriffen des Wüstlings widersetzte, „o, mein Herr, ich habe keinerlei Erfahrung in den greulichen Dingen, von denen Sie sprechen. Aber ich habe trotzdem sagen hören, daß dieses Vergehen sowohl die Frauen wie die Natur selbst beleidigt. Gottes Hand bestraft es in dieser Welt und die fünf Städte Sodom, Gomorrha u.s.w., die Gott in Flammen untergehen ließ, sind ein überzeugendes Beispiel wie empört der Ewige über diese Handlung ist. Die menschliche Gerechtigkeit hat, so gut sie konnte, die Strafe des höchsten Wesens übernommen und die Unglücklichen, die sich diesem Laster hingeben, lassen ihr Leben auf Scheiterhaufen.“
„Welche Unschuld! Welche Kindlichkeit!“ fuhr Eisenherz fort. „O, Justine, wer konnte Ihnen so dumme Vorurteile einpflanzen? Hören Sie noch ein wenig zu und ich will Ihre Befürchtungen richtigstellen.“
„Das einzige Verbrechen, das in diesem Falle überhaupt liegen kann, ist der Verlust des zur Fortpflanzung bestimmten Samens. Wenn dieser Samen einzig zu Fortpflanzungszwecken in uns hineingelegt ist, so gestehe ich, daß es ein Vergehen wäre, ihn zu mißbrauchen. Aber, so wie bewiesen ist, daß viel mehr Samen da ist als die Natur zu besagtem Zwecke gebraucht, was liegt dann daran, Justine, ob er in die Scheide oder in den Popo, in den Mund oder in die Hand fließt? Der Mensch, der ihn ander weitig verbraucht, handelt nicht schlechter als die Natur, die ihn überhaupt nicht verwendet. Schon die Möglichkeit der Ausführung sind ein Beweis dafür, daß diese Zerstreuungen sie nicht beleidigen. Ferner werden solche Samenverschleuderungen hundert und hundertmillionenmal täglich von ihr selbst ausgeführt. Die nächtlichen Pollutionen, die Nutzlosigkeit des Samens, wenn die Frau schwanger ist, seine Gefährlichkeit, wenn sie in den Regeln ist, beweisen zur Genüge, daß die Natur diese Verluste für gut befindet. Ah! Glaube mir, meine teure Justine, die Natur kümmert sich wenig um diese Kleinigkeiten, sie eilt mit raschem Schritt ihrem Ziele zu und beweist täglich dem, der sie zu ergründen sucht, daß sie nur schafft, um zu zerstören. Die Zerstörung, das oberste aller Gesetze, weil nichts ohne Zerstörung geschaffen werden kann, gefällt ihr weit mehr als die Fortpflanzung, die von einer griechischen Philosophenschule mit Recht das Ergebnis von Morden genannt wird. Aber Du sprachest auch von Gott, der einst diese Verirrungen an elenden arabischen Nestern bestraft haben soll, die kein Geograph jemals gekannt hat. Da müßte man vorerst die Existenz eines Gottes annehmen und davon bin ich weit entfernt. Dann müßte man sich vorstellen, daß dieser Herr und Schöpfer des Weltalls sich erniedrigt hat, nachzusehen, ob die Menschen ihr Glied in eine Scheide oder in einen Popo einführen! Welche Kleinlichkeit! Welch Unsinn! Nein, Justine, es gibt keinen Gott. Nur in der Werkstatt des Schreckens und des Kummers schuf der unglückliche Mensch das Phantom, das er Gott nannte. Und wozu benötigen wir diesen Weltbeweger, wenn vernünftiges Naturstudium uns zeigt, daß die ständige Bewegung das oberste Gesetz ist? Wenn Alles sich aus sich selbst in Ewigkeit fortbewegt, so hat doch der Ordner, an den Sie glauben, höchstens einen Tag lang gearbeitet. Nun, wie können Sie einen Gott verehren, der sich heutzutage als unnütz erweist? – Aber kehren wir wieder zurück, Justine Glauben Sie nicht länger, daß die Hand dieses unnützen Phantoms die arabischen Dörfer vernichtet hat, von denen wir sprachen. Da sie auf einem Vulkan aufgebaut waren, wurden sie, wie später die Städte in der Nähe des Vesuvs und des Aetna, durch ein Naturphänomen eingeäschert, das rein physikalischen Ursachen entspringt und nichts mit den Sitten der Stadtbewohner zu tun hat. Sie sagten, die menschliche Gerechtigkeit habe die Gottes nachahmen wollen. Aber ich beweise Ihnen eben, daß es nicht die Gerechtigkeit Gottes, sondern ein Naturphänomen war, was diese Städte zerstörte. Und jetzt, nachdem ich Philosoph war, will ich Ihnen als Rechtsgelehrter sagen, Justine, daß dieses Gesetz eine alte Verordnung des heiligen Ludwig ist. Heutzutage begnügt man sich aber mit einer vorübergehenden Bestrafung. Und sobald der Mensch einmal auf einer höheren philosophischen Stufe stehen wird, wird er selbst diese unnütze Einschränkung fallen lassen, und man wird erkennen, daß, da wir nicht Herr unserer Neigungen sind, wir für sie ebenso wenig zu büßen haben, als dafür, daß wir krumm oder schief gewachsen sind!“
Eisenherz geriet in Flammen, während er diese klugen Gedanken entwickelte. Er lag ausgestreckt neben Justine gerade in der Stellung, in der er sich an ihr zu befriedigen wünschte Unmerkbar hob er die Röcke unserer Heldin auf, die halb aus Furcht, halb weil sie den Verlockungen nachgab, nicht sich zu widersetzen wagte. Kaum sah sich der Schuft als Herr der Situation, als er sofort das erhitzte Glied befreite, das bloß auf die Bresche wartete, um sich hineinzustürzen. Mit seiner rechten Hand lenkte er seine Rute, während er mit der linken Justine an sich heranzog, die sich darauf beschränkte, sich ein wenig zu sträuben und das zu retten, was ihr als das Wertvollste erschien. „O Himmel!“ rief er jetzt aus, „ich habe sie,“ und mit einem kräftigen Stoß verletzte er das kleine, zarte Loch, das er durchbohren wollte, derart, daß die erschreckte Justine einen Schrei ausstieß, aufsprang und zur Gruppe der Dubois stürzte. „Was ist das?“ rief die Hure aus, die eben einschlief, nachdem die drei Männer sie müde gemacht hatten. „Ach, Madame, ich bin es,“ erwiderte die zitternde Justine, „Ihr Bruder ... er will ...!“ – „Ja, ich will ficken!“ rief Eisenherz aus, indem er sein Opfer verfolgte und sie rauh ergriff, „ich will dieses kleine Mädchen von hinten bearbeiten, was immer es koste!“ – Justine war jetzt der größten Gefahr ausgesetzt, wenn nicht Wagengerassel von der Landstraße her hörbar geworden wäre.
Der furchtlose Eisenherz verließ alsbald sein Vergnügen, um seiner Pflicht nachzugehen. Er weckte seine Leute auf und eilte anderem Verbrechen nach.
„Ah! Alles geht gut!“ rief die Dubois aus, die erwacht war und jetzt mit Aufmerksamkeit lauschte. „Das sind die Schreie. Nichts macht mich vergnügter als diese sicheren Zeichen des Sieges. Sie beweisen mir, daß unsere Leute Erfolg hatten und ich ruhig sein kann.“ – „Aber die armen Opfer, Madame,“ sagte unsere schöne Abenteuerin. – „Was liegt an ihnen! Es muß immer welche auf Erden geben ... Und die, die im Heere sterben?“ – „Ah, dafür gibt es Gründe.“ – „Unendlich weniger wichtige wie hiefür. Nicht um leben zu können, geben Tyrannen ihren Heerführern Befehl, ganze Nationen zu erdrücken. Aus Stolz geschieht das. Wir wollen bloß leben können und das rechtfertigt unsere Handlungen.“ – „Aber Madame, man arbeitet, man hat einen Beruf.“ – „Ach was, mein Kind, dies hier ist der unsere, ihn üben wir seit unserer Kindheit aus, in ihm sind wir erzogen worden. Und dieser Beruf war ein ursprünglicher bei allen Völkern der Erde. In ganz Griechenland war der Diebstahl geachtet, und noch heute belohnen ihn viele Völker, weil er gleichzeitig von Mut und Geschicklichkeit Zeugnis ablegt.“ Und die Dubois hätte zweifellos eine größere Rede über diesen Gegenstand gehalten,6 wäre nicht die Truppe mit einem Gefangenen in der Mitte zurückgekehrt.
„Der wird mich für die Härte Justines entschädigen,“ sagte Eisenherz, der ihn führte; und man erkannte jetzt im Mondenschein einen wunderschönen fünfzehnjährigen Knaben. „Ich habe seine Eltern getötet,“ sagte der Verbrecher, „seine kaum zehnjährige Schwester vergewaltigt und so glaube ich, daß es nur gerecht ist, wenn ich ihn in den Hintern ficke.“ Während dieser Rede drehte er den Strohhaufen um, der unserer Truppe als Obdach diente und bald hörte man dumpfe Schreie sich mit geilem Stöhnen mischen. Nach und nach wandelten sich die ersteren in Röcheln, das bewies, daß der kluge Schuft, der von seinem Verbrechen keine Spur hinterlassen wollte, gleichzeitig das doppelte Vergnügen genoss, den Gegenstand der Wollust zu ficken und zu ermorden. Als er zurückkam, war er mit Blut bedeckt. „Beruhige dich jetzt, Justine,“ sagte er. „Ich bin jetzt ruhig und du kannst es auch sein, bis neue Wünsche in mir nach neuen Greueln verlangen.“ – „Brechen wir auf, Freunde,“ sagte er zur Truppe, „wir haben 6 Personen getötet, die Leichname liegen auf der Straße; es wäre möglich, daß es für uns schon in einigen Stunden hier nicht mehr sicher genug wäre.“ Nun wurde die Beute geteilt. Eisenherz wollte, daß Justine seinen Anteil bekomme, der sich auf 20 Louis belief. Man mußte sie zwingen das Geld anzunehmen, da sie davor zurückschauderte solches Geld anzunehmen. Nun brach man auf.
Am nächsten Tag, als sich die Diebe im Wald von Chantilly in Sicherheit glaubten, begannen sie ihr Geld zu zählen. Als sie fanden, daß sich die ganze Beute nur auf 200 Louis belief, sagte einer: „Wahrhaftig, wegen dieser kleinen Summe war es nicht der Mühe wert sechs Morde zu begehen.“
„Sachte, Freunde,“ erwiderte die Dubois. „Nicht wegen der Summe habe ich euch ermahnt, als Ihr aufbrachet, nichts zu schonen. Das geschah nur wegen unserer Sicherheit. Diese Verbrechen muß man den Gesetzen in die Schuhe schieben und nicht uns; denn so lange man Diebe bestraft, werden sie morden, um nicht entdeckt zu werden. Wieso können Sie übrigens behaupten, daß 6 Mordtaten nicht durch 200 Louis genug bezahlt sind? Man darf niemals die Dinge nach den Beziehungen schätzen, die sie zu unseren Interessen haben. Sicherlich gäben wir keinen Obulus dafür her, daß diese Personen statt im Grabe zu liegen auf der Welt wären. Auch gibt es keinen wahren Genuß als den materiellen. So sind nicht nur 200 Louis genug für sechs Mordtaten, sondern selbst 30 Sou würden zur Rechtfertigung genügen. Denn diese 30 Sau hätten uns eine Befriedigung verschafft, die, obwohl nicht eben groß zu nennen, uns doch viel lebhafter erfreut hätte, als die 6 Mordtaten allein. Denn selbst in uns erregen diese nur einen ziemlich angenehmen Kitzel, da ja der Mensch immer eine Art Befriedigung über das Mißgeschick und das Unglück der Anderen empfindet.
Körperschwäche, Denkfehler und die verfluchten anerzogenen Vorurteile: das hält die Dummköpfe von einer verbrecherischen Laufbahn ab, das verhindert sie, sich unsterblich machen. Aber jedes vollkräftige, energische Wesen, das sich selbst mehr liebt als Andere, wird sich über Gott und Menschen lustig machen, dem Tod trotzen und die Gesetze verachten. Der Genuß ist ihm angenehm, so wird er sich ihn verschaffen. Die Wirkung des Verbrechens berührt ihn nicht, also kann er es begehen. Nun frage ich Sie, welcher vernünftige Mensch wird nicht gerne solch' leichte Dinge begehen, die ihn nicht näher berühren, um sich solche Genüsse zu verschaffen, die ihm angenehm sind?“
„O, Madame!“ sagte Justine zur Dubois und erbat von ihr die Erlaubnis zu antworten, „merken Sie nicht, daß ihr Urteil in dem geschrieben steht, was Ihnen eben entschlüpft ist, Höchstens dem Wesen, das genug mächtig ist, um nichts von anderen befürchten zu müssen, kämen solche Grundsätze zu. Aber wir von allen ehrlichen Leuten Geächteten, von allen Gesetzen Verdammten, sollen wir nach Regeln leben, die höchstens das Schwert verschärfen können, das über unseren Häuptern hängt? Aber selbst wenn wir uns nicht in dieser traurigen Lage, wenn wir uns im Mittelpunkt der Gesellschaft befänden, können Sie glauben, Madame, daß solche Grundsätze uns zum Vorteil gereichen würden? Wie soll der nicht untergehen, der in seinem blinden Egoismus allein gegen den Interessenverband der anderen kämpfen will? Kann denn das alleinstehende Wesen sich gegen alle anderen stellen? Die Gesellschaft kann nur bestehen, wenn in ihr ununterbrochen Woltaten ausgetauscht werden. Darauf beruht sie, das sind ihre Stützen. Derjenige, der statt dieser guten Taten Verbrechen darbietet, wird unbedingt bekämpft werden, wenn er der Schwächere ist, er wird aber von dem ersten Besten erdrückt werden, wenn er der Schwächere ist. Auf jeden Fall aber wird er schließlich ausgetilgt werden. Das ist der Grund, weshalb verbrecherische Gesellschaften unmöglich lange bestehen können. Selbst unter uns, Madame, könnte niemals Eintracht herrschen, wenn Sie jedem anraten würden, nur seinem eigenen Interesse zu gehorchen. Könnten Sie von diesem Augenblicke an gerechtere weise dem etwas vorwerfen, der uns andere erdolchen wollte? Welch' schönes Lob für die Tugend, daß sie selbst in einer verbrecherischen Gesellschaft vonnöten ist und daß sich diese Gesellschaft nicht einen Augenblick ohne diese Tugend erhalten könnte.“
„Welch' schreckliche Sophismen,“ erwiderte Eisenherz. „Nicht die Tugend erhält verbrecherische Vereinigungen, sondern das Interesse und der Egoismus. Sie sind auf dem Holzweg mit Ihrem Lob der Tugend, Justine. Nicht weil ich tugendhaft bin, erdolche ich nicht meine Kameraden, sondern weil ich dann als Einzelner der Mittel beraubt wäre mir die Vorteile zu verschaffen, die mir durch ihre Hilfe möglich sind. Nur dieser Grund hält uns zurück; und dieser Grund, Justine, ist ein rein egoistischer, er hat mit der Tugend nichts zu tun. Sie sagen, daß derjenige, der allein gegen die Gesellschaft ankämpfen will, sich gefasst machen muß erdrückt zu werden. Wird er es nicht eher werden, wenn er sich seinem Elend und der Vernachlässigung der Menschen überläßt? Aber, werden Sie sagen, daraus würde ein ständiger Kriegszustand entstehen. Nun denn, gut. Ist dies nicht das einzig Wahre? Hat uns nicht die Natur blos dazu geschaffen?“ Die Menschen waren ursprünglich neidisch, grausam und despotisch, jeder wollte alles für sich haben und nichts abtreten. So stritten sie ununterbrochen um ihr Recht; da kam der Gesetzgeber und sagte: „Höret auf, euch so zu zerfleischen. Wenn Ihr jeder dem Anderen einen Teil abgebet, wird Friede herrschen.“ Ich will nichts gegen den Vorschlag an und für sich sagen. Aber es gibt zweierlei Arten von Menschen, die immer gegen seine Ausführung sein werden. Das sind die Stärkeren, die es nicht nötig hatten, etwas abzugeben, um glücklich zu sein, und die Schwächeren, die vielmehr abtreten mußten, als sie wiedererhielten. Jedoch die Gesellschaft besteht nur aus stärkeren und schwächeren Wesen und der Kriegszustand, der vorher herrschte, mußte sich als viel vorteilhafter erweisen, da er jedem freie Ausübung seiner Kräfte und seiner Tätigkeit ließ. Das wahrhaft gute Wesen lehnt sich gegen den Vertrag auf und verletzt ihn, so oft es kann, da es gewiß ist, daß es dadurch mehr Vorteile erhält als es als schwächeres verlieren könnte. Denn sowie ein Mensch den Vertrag einhält, ist er der Schwächere, sowie er ihn bricht – der Stärkere; und wenn die Gesetze ihn wieder in die schwächere Klasse zurückführen wollen, so ist das Schlimmste, was ihm zustoßen kann, der Tod und der ist unendlich weniger zu beklagen als ein Dasein in Elend und Unglück. Es gibt also für uns zwei Chancen: „Das Verbrechen, das beglückt oder das Schaffot, das uns hindert, unglücklich zu sein. Kann man da noch schwanken? Und kannst du, Justine, mir etwas Wirksameres darauf entgegnen?“
„Tausenderlei, mein Herr, tausenderlei,“ erwiderte lebhaft Justine. „Darf denn der Mensch nur auf dieses Leben sein Augenmerk richten? Ist es denn etwas anderes als ein Uebergang, der, wenn der Mensch vernünftig ist, ihn zu Jener ewigen Glückseligkeit führt, die der Lohn der Tugend ist? Ich will einen Augenblick mit Ihnen annehmen, daß das Verbrechen den Verbrecher hier auf Erden glücklich machen kann. Glauben Sie denn, daß die Gerechtigkeit Gottes, die trotz Ihrer Verleugnung existiert, daß diese ewige Gerechtigkeit nicht in der anderen Welt Rache ausübt an dem Bösewicht? Ah, behaupten Sie nicht das Gegenteil, mein Herr, ich beschwöre Sie; der einzige Trost im Unglück ist der Gedanke, daß das, was die Men schen an uns sündigen, von Gott vergolten werden wird! Denn wer sollte uns sonst rächen?“ – „Wer? Niemand, Justine, durchaus niemand. Es ist durchaus nicht notwendig, daß der Unglückliche gerächt werde. Er hofft es, weil er es wünscht. Dieser Gedanke ist für ihn ein Trost, aber er ist deshalb nicht weniger falsch. Ja, mehr noch: Der Unglückliche muß leiden. Seine Demütigung, seine Schmerzen werden von Naturgesetzen bestimmt und sind in dem Getriebe der Welt ebenso nötig, wie Bevorzugte, der ihn erdrückt. Diese Wahrheit ist es, die die Gewissensbisse in der Verbrecherseele ertöten muß. Wenn die Natur uns Neigungen zum Bösen eingeflößt hat, gehorchen wir: Denn das Böse ist ihr notwendig. Begehen wir es ohne Furcht; denn nur wenn wir uns widersetzen würden, würden wir die Natur beleidigen. Aber da Sie noch einmal auf Gottesphantome zurückgekommen sind, Justine, so erfahren Sie denn, unschuldige Jugend, daß diese Religion, auf die Sie sich närrischerweise stützen, und die nur die Huldigung ist, die der Mensch seinem Schöpfer schuldig zu sein glaubt, zusammenfällt, sobald erwiesen ist, daß dieser Schöpfer nicht existiert. Hören Sie denn noch einmal, was ich über diesen Gegenstand zu erwidern habe.
Die ersten Menschen erschraken über die Naturereignisse und glaubten notwendigerweise, daß sie von einem erhabenen und unbekannten Etwas ausgingen. Oone nachzudenken nahm er blindlings ein höchstes Wesen an und errichtete ihm Altäre, von diesem Augenblick an bildete sich jede Nation eines – je nach ihren Sitten, ihrer Bildung und dem Klima. Es gab bald auf der Welt ebensoviele Religionen wie Völker, aber unter allen diesen ekelhaften Götzenbildern konnte man das unsinnige Phantom erkennen, das Zeugnis gab für die Verblendung der ersten Menschen. Wenn eingehende Naturstudien, wenn ein reifer und richtig denkender Verstand mich nun aber lehrt, wie ich schon vorhin sagte, daß Bewegung in ihr ist und daß daher ein Bewegen unnötig ist, soll ich dann noch länger unter dem Joch dieses ekelhaften Wahngebildes seufzen, soll ich dann noch länger auf alle süßen Genüsse des Lebens verzichten? Nein, Justine, nein. Ich wäre ein Narr, unwürdig des Verstandes, mit dem mich die Natur beschenkt um diese Betrügereien durchschauen zu können. Höre endlich auf, an diesen eingebildeten Gott zu glauben, Justine, er existierte niemals und die Natur bedarf seiner auch gar nicht. Ein Gott setzt eine Schöpfung voraus, das heißt einen Augenblick, wo es nichts gab oder wo Alles im Chaos war. Wenn einer dieser Zustände von Uebel war, weshalb ließ Euer blödsinniger Gott ihn solange bestehen? Und war er gut, warum änderte er ihn? Wenn jetzt Alles gut geordnet ist, hat Euer Gott ja nichts mehr zu tun? Aber wenn er überflüssig ist, kann er da mächtig sein? Und wenn er nicht mächtig ist, kann er da ein Gott sein? Kann er unserer Huldigung würdig sein? Wenn die Natur in ständiger Bewegung ist, wozu dient der Beweger? Und wenn der Beweger auf die Materie bewegend einwirkt, wieso ist er nicht diese Materie selbst? Können Sie sich eine Einwirkung des Geistes auf die Materie vorstellen? Vorstellen, daß eine Materie, die selbst nicht in Bewegung ist, vom Geist bewegt wird? Sie sagen, daß Ihr Gott gut ist; und trotz seines Bundes mit den Menschen, trotz des Blutes seines teuren Sohnes, der herabkam, um sich in Judäa hängen zu lassen, um diesen Bund zu festigen, trotz Allem wird zweieinhalb Drittel des Menschengeschlechtes verdammt, in den ewigen Flammen zu braten? Sie sagen, daß dieser Gott gerecht ist! Läßt es sich damit vereinbaren, daß er die ihm genehme Art der Verehrung nur einem Dreißigstel der Menschen mitteilt, während der Rest für die Unkenntnis mit ewigen Qualen bestraft wird? Was würden Sie zu einem Menschen sagen, der so gerecht wäre? Er ist allmächtig, fahren Sie fort. Aber dann gefällt ihm doch das Böse. Denn auf Erden herrscht es vielmehr als das Gute, und trotzdem läßt er Alles so weiter bestehen. Hier gibt es keinen Mittelweg. Entweder er liebt das Böse oder er hat nicht die Macht, sich zu widersetzen. Auf keinen Fall darf ich eine böse Tat bereuen. Denn, kann er sie nicht verhindern, so kann ich doch sicherlich nicht stärker sein wie er, und wenn sie ihm gefällt, so darf ich mich doch nicht widersetzen. Er ist unveränderlich, sagen Sie ferner; und trotzdem sehe ich ihn fünf- oder sechsmal Völker, Gesetze, Wünsche und Gefühle wechseln. Uebrigens bedingt Unveränderlichkeit Unverletzlichkeit und ein unverletzliches Wesen rächt sich nicht. Aber Sie behaupten ja, daß Ihr Gott sich rächt. Vermehrten Sie diese Chimäre in sich. Sie ist fürchterlich. Sie kann nur in dem schmalen Gehirn von Dummköpfen Platz finden.
Die Hoffnung auf eine zukünftige Welt oder die Furcht vor ihr darf Sie nicht beruhigen, Justine. Schaffen Sie sich nicht selbst Fesseln. Als schwacher Teil einer großen Masse kehren wir nach unserem Tode auf einen Augenblick in den Schoß der Natur zurück, um ihm in anderer Form wieder zu entsteigen. Und Alles das geschieht ohne Bezug auf Tugend oder begangene Verbrechen, weil nichts imstande ist, die Natur zu beleidigen und alle Menschen auf Erden so gehandelt haben, wie diese gemeinsame Mutter es wollte.“
„O, mein Herr,“ erwiderte Justine, verwirrt über diese Meinungen, „Sie glauben also, daß, wenn während Sie gestern ein unglückliches Kind vergewaltigten und mordeten, ein anderes Wesen in Ihrer Nähe die anderen Unglücklichen gelabt hätte, dieses letztere Wesen nicht den Himmel und Sie die Hölle verdient hätten?“ – „Sicherlich nein, er hätte kein besseres Los zu erwarten, wie ich, Justine. Erstens weil es weder eine Belohnung oder Bestrafung im Jenseits gibt; und zweitens, weil besagter wohltätige Mensch nur denselben Befehlen der Natur gehorcht, wie ich, daher weder schuldiger noch verdienstvoller erscheinen kann. Verschiedene Umstände bestimmten ihn nach dieser Richtung und mich nach der anderen. Aber wir hätten beide gehandelt wie es die Natur von uns verlangte. Er, indem er ein gutes Werk tat und ich, indem ich ein Verbrechen beging.“ – „O, mein Herr,“ sagte Justine, „diese Gedankengänge sind fürchterlich.“ – „Ja, für Sie, weil Sie fürchten ihr Opfer zu werden, aber nicht für mich, der der Opfernde ist.“ – „Aber wenn das Glück sich wendet?“ – „Dann werde ich mich unterwerfen, ohne meine Meinung zu ändern; und die Philosophie wird mich trösten, weil sie nur ein ewiges Nichts verspricht, was mir lieber ist, als die Ungewißheit von Qualen oder Belohnungen die Ihre Religion verspricht. Es ist außerdem gar kein Verhältnis zwischen dem Lohn und der Strafe; daher sind beide lächerlich und wenn sie das sind, können sie nicht das Werk eines Gottes sein. Oder wollen Sie mir vielleicht nach dem Beispiel einiger Gelehrten, die die Folterqualen der Hölle nicht mit Güte Gottes vereinbaren konnten, sagen, daß meine Qual darin bestehen wird, seines Anblickes beraubt zu sein? Was liegt mir daran. Kann ich das jemals als Strafe empfinden, daß ich eines Anblickes beraubt bin, von dem ich keinerlei Vorstellung habe? Oder aber er wird sich einen Augenblick lang meinen Augen darbieten, um mich die ganze Größe des Verlustes fühlen zu lassen. In diesem Fall wird es mir leicht fallen. Denn es ist nicht natürlich, daß ich den Verlust eines Wesens beklage, das mich für endliche Vergehen zu unendlichen Qualen verdammt. Diese einzige Ungerechtigkeit allein würde in mir einen solchen Hass erwecken, daß ich sicherlich nach der Urteilsvollstreckung keinerlei Bedauern empfinden werde.“ – „Ah, ich sehe, mein Herr, es ist nicht möglich, Sie zu bekehren,“ sagte Justine. – „Du hast Recht, mein Engel, versuche es gar nicht, es wäre unnütz. Lasse mich vielmehr an deiner Bekehrung arbeiten und glaube mir, daß du davon hundertmal mehr haben wirst.“ – „Du mußt sie ficken, Bruder,“ sagte die Dubois, „und gute Arbeit machen. Ich sehe nur darin ein Mittel sie zu bekehren. Eine Frau nimmt unerhört rasch die Grundsätze desjenigen an, von dem sie gefickt wird. Alle moralischen und religiösen Anschauungen verschwinden bald vor den Leidenschaften. Erwecke also die ihren, wenn du sie mit Erfolg erziehen willst.“ So sagte die Dubois und Eisenherz war eben daran, ihre Ratschläge in die Tat umzusetzen, als man ein Geräusch vernahm, das von einem Reiter herrührte. „Zu den Waffen,“ rief Eisenherz aus, indem er so gut es ging sein ungeheures Glied wieder in die Hose steckte, mit dem er zum zweitenmal den Popo der unglücklichen Justine bedroht hatte. „Zu den Waffen!“ Freunde, nachher „können wir wieder an unser Vergnügen denken.“ Sie eilten davon und nach einigen Augenblicken brachten sie einen unglücklichen Reisenden nach dem Gebüsch, in dem unsere Banditen hausten.
Als man ihn fragte, weshalb er allein und so frühzeitig auf einer verlassenen Landstraße reise, wie alt er sei und was sein Beruf sei, antwortete der Gefangene, daß er Saint-Florent heiße, einer der vornehmsten Kaufleute Lyons und fünfunddreißig Jahre alt sei, daß er in Handelsgeschäften von Flandern zurückkäme und daß er wenig Geld aber viel Papiere bei sich habe. Ferner erzählte er, daß sein Diener ihn am vergangenen Tage verlassen habe und daß er, um nicht unter der Hitze zu leiden, so frühzeitig reise, daß er jetzt nach Paris wolle um dort in zwei Tagen noch einen Teil seiner Geschäfte abzuwickeln. Er versicherte überdies, daß, wann er einen einsamen Weg eingeschlagen habe, er sich offenbar dadurch verirrt haben mußte, daß er am Pferde eingeschlafen sei. Danach bat er um sein Leben und bot von selbst alles an, was er bei sich hatte. Man prüfte seine Brieftasche und zählte sein Geld. Sie hätten keinen besseren Fang tun können. Saint-Florent besaß fast 400.000 Franks in Anweisungen von Pariser Banken, etwas Schmuck und ungefähr 100 Louis bares Geld. „Freundchen,“ sagte jetzt Eisenherz, indem er ihm einen Pistolenlauf unter die Nase hielt, „Sie werden begreifen, daß wir Sie bei so viel Geld nicht am Leben lassen können. Wir wären bald verkauft und verraten.“ – „O, mein Herr,“ rief Justine aus, indem sie sich dem Räuber zu Füßen warf, „ich beschwöre Sie, mich nicht gleich bei meinem Eintritt in Ihre Truppe das Schauspiel einer Ermordung dieses Unglücklichen sehen zu lassen. Lassen Sie ihm das Leben. Schlagen Sie mir nicht die erste Bitte, die ich von Ihnen verlange, ab.“ Dann fuhr sie fort, indem sie zu einer seltsamen List griff. „Der Name, den dieser Herr eben genannt hat zeigt mir, daß ich ihm ziemlich nahe stehe. Staunen Sie nicht,“ sprach sie zu dem Gefangenen gewandt, „eine Verwandte in dieser Lage anzutreffen. Ich werde Ihnen alles erklären. Aber wegen dieser Beziehung,“ fuhr sie eifrig wieder zu Eisenherz gewandt fort, „wegen dieser Beziehung schenken Sie mir das Leben dieses Unglücklichen. Ich werde diese Gnade durch die vollkommenste Unterwerfung belohnen.“ – „Sie wissen, Justine, unter welcher Bedingung ich Ihnen die Gnade gewähren kann, die Sie von mir verlangen,“ erwiderte Eisenherz, „Sie wissen doch, was ich von Ihnen will.“ – „Gut, mein Herr, ich werde alles tun,“ rief sie, indem sie sich zwischen den Unglücklichen und den mordbereiten Dieb stürzte. „Ja, ja, ich willige in alles ein. Lassen Sie ihn leben, ich flehe Sie an.“ – „Dann komm also,“ sagte Eisenherz zu Justine, „ich will, daß du dem Wort auf der Stelle hältst.“ Bei diesen Worten zog er den Gefangenen in benachbartes Gesträuch. Dort band er ihn an einen Baum, Justine mußte sich auf alle viere daneben legen und nun schürzte er ihre Röcke auf, während der Pistolenlauf noch immer nach der Gurgel des armen Reisenden gerichtet blieb, dessen Leben von der Unterwürfigkeit Justines abhing. Aber noch einmal sollte Justine vor dem ihr drohenden Unglück gerettet werden. Die Natur hinterging unseren Räuber grausam und sein Glied wurde schon in dem Peristyl des Tempels schlapp, Trotz aller Versuche ihm den nötigen Grad von Straffheit zu geben, die zu dem geplanten Verbrechen nötig war. „O, Teufel!“ rief er wütend aus, „ich bin zu sehr erhitzt; es kommt nichts ... oder vielleicht ist meine Nachsicht Schuld an dem Unglück, denn ich bin sicher, daß er mir stehen würde, wenn ich diesen Schuft da tötete“ „Nein, bitte nicht,“ sagte Justine, indem sie sich nach dem Räuber umkehrte. „Rühr dich nicht, Hure,“ sagte dieser, indem er ihr zwei oder drei Faustschläge auf die Schultern versetzte. „Dein verfluchtes Gesicht stört mich immer, ich brauche jetzt einen Hintern.“ Nun begann er wieder zu arbeiten, aber dieselben Hindernisse stellten sich ein und er mußte wieder verzichten. „Ich sehe wohl, daß es heute Abend nicht gehen wird,“ sagte er schließlich, „gehen wir zurück.“ Und sobald er wieder im Kreis der Uebrigen war, fuhr er fort: „Denken Sie an Ihr Versprechen, Justine, und bedenken Sie, daß ich diesen Kerl da morgen ebenso gut töten kann wie heute. Kinder,“ fuhr er, an seine Kameraden gewandt, fort, „Ihr haftet mir für beide. Sie, Justine, werden neben meiner Schwester schlafen. Ich werde Sie rufen, wenn es an der Zeit sein wird.“
„Schlafen Sie ruhig, mein Herr,“ erwiderte Justine, „und glauben Sie, daß diejenige, die sie mit Dankbarkeit erfüllt haben, nur darauf wartet, sich gefällig erweisen zu können.“
Währenddessen aßen und tranken unsere Spitzbuben und schliefen schließlich ganz vertrauensselig ein, indem sie den Gefangenen in ihre Mitte nahmen und Justine sich vollkommen frei neben die Dubois legte, die, berauscht wie alle anderen, bald die Augen schloß.
Kaum waren die Verbrecher eingeschlafen, als Justine rasch die Gelegenheit ergriff, um dem Reisenden folgendes zuzurufen: „Ach, mein Herr, eine schreckliche Katastrophe hat mich unter diese Leute getrieben. Ich hasse sie ebenso wie den unglücklichen Zufall, der die Ursache davon ist, daß ich hier bin. Ich habe wahrscheinlich nicht die Ehre, mit Ihnen verwandt zu sein, denn ich heiße ....“ fuhr Justine fort, indem sie den Namen ihres Vaters nannte. „Wie, Fräulein?“ unterbrach sie „Saint-Florent, so heißen Sie?“ – „Ja.“ – „Ah, dann hat Ihnen der Himmel Ihre List in den Mund gelegt. Sie haben sich nicht getäuscht, Justine: Sie sind meine Nichte. Meine erste Frau, die ich vor fünf Iahren verlor, war die Schwester Ihres Vaters. O! Wie freue ich mich über den glücklichen Zufall, der uns vereint! Wenn ich Ihr Unglück gekannt hätte, so hätte ich sicher geholfen.“ – „O, mein Herr, wie bin ich glücklich, Sie einstweilen befreit zu haben,“ erwiderte Justine lebhaft. „Aber benützen wir den Augenblick, in dem diese Ungeheuer ausruhen und flüchten wir.“ Bei diesen Worten bemerkte sie, daß die Brieftasche ihres Onkels nachlässig in der Tasche eines der Banditen steckte. Sie schlich hin, zog sie heraus und sagte dann leise zu Saint-Florent: „Eilen wir jetzt, mein Herr, verzichten wir auf das Uebrige. Wir würden es nicht ohne Gefahr erhalten können. O! Teurer Onkel, ich begebe mich jetzt in Ihren Schutz. Haben Sie Mitleid mit meinem Schicksal! Werden Sie der Beschützer meiner Unschuld. Flüchten wir!“
Man kann den Zustand schwer schildern, in dem sich Saint-Florent befand. Die verschiedenen Gemütsbewegungen, die auf ihn eingewirkt hatten, die Dankbarkeit, die er mindestens zeigen mußte, selbst wenn er sie nicht empfand. Alles das nahm seinen Kopf so ein, daß er kein Wort hervorbringen konnte. Wie – werden einige Leser fragen – dieser Mann konnte an etwas anderes denken, als daran, sich vor seiner Woltäterin niederzuknieen? Nun so wollen wir im Vertrauen gleich jetzt eingestehen: Saint-Florent, der weit eher dafür geschaffen war, in dieser niederträchtigen Truppe zu bleiben, als von den Händen der Tugend gerettet zu werden, war durchaus nicht der Hilfe seiner eifervollen, tugendhaften Nichte würdig. Und wir fürchten, es wird sich in der Folge zeigen, daß Justine nur vom Regen in die Traufe gekommen sei. Aber gehen wir nicht den Ereignissen voraus. Es genügt, wenn man weiß, daß Saint-Florent nicht ohne heftigen Kitzel sowohl den Angriff auf Justine auch deren zahlreiche Reize gesehen hatte.
Die zwei Flüchtlinge hasteten fort, ohne ein Wort zu sprechen und die Morgenröte traf sie bereits außer jeder Gefahr, obwohl sie noch immer sich im Walde befanden.
In diesem Augenblick, als sich die Strahlen des aufgehenden Gestirns über die bezaubernden Reize Justines ergossen, in diesem Augenblick entzündete sich die blutschänderische Glut in dem Schuften am heftigsten. Eine Weile hielt er sie für die Göttin der Blumen, die mit der ersten Morgenröte über die Erde eilt, um die Kelche der Rosen zu öffnen, dann schien sie ihm wieder ein Sonnenstrahl zu sein, der die Welt leuchtend verschönert. Sie ging mit großer Schnelligkeit. Ihre Wangen leuchteten und ihre schönen blonden Haare wehten ihr verwirrt in das Gesicht. Von Zeit zu Zeit drehte sie anmutig ihren Kopf nach dem Genossen ihrer Flucht und dann strahlte in ihren Zügen das Bewußtsein einer guten Tat.
Wenn es richtig ist, daß die Gesichtszüge das getreue Spiegelbild der Seele sind, dann waren die Gefühle Saint-Florents anderer Art. Schreckliche Begierden wühlten in seinem Inneren, furchtbare Pläne kreisten in seinem Gehirn. Trotzdem lächelte er und heuchelte Dankbarkeit und Freude eine unglückliche Nichte gefunden zu haben, die er, dank seinem Vermögen, aus aller Not befreien könne. Währenddessen trachtete sein durchdringendes Auge ihre Reize zu entschleiern, von denen er eine kleine Kostprobe erhalten hatte.
In diesem Zustand langten die Beiden in Luzarches an, wo sie in einem Gasthof Ruhe fanden.
6 Man wird sie später in der Geschichte Juliettes lesen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Geschichte der Justine oder die Nachteile der Tugend