Colmarer Annalen und Chronik*)

Im Jahre 1278 finden wir als stellvertretenden Provinzial der Dominikaner im obern Deutschland den Bruder Hermann von Minden, bekannt als theologischer Schriftsteller und eifriger Beförderer des Ordens; im Jahre 1286 wurde er zu Paris, wo eben das General-Capitel gehalten wurde, zum wirklichen Provinzial ernannt und verwaltete dieses Amt durch sieben Jahre**). Seiner Tätigkeit wird es wol hauptsächlich zuzuschreiben sein, dass die Dominikaner in Colmar ein Ordenshaus gründeten, welches von Basel aus bevölkert wurde, trotzdem dass man von geistlicher und weltlicher Seite den Ankömmlingen allerlei Schwierigkeiten in den Weg legte***). Mit diesen Baseler Mönchen kam auch ein sehr fleißiger, für geschichtliche, geographische und Naturereignisse aufmerksamer Beobachter nach Colmar, der eine Fülle von Aufzeichnungen schon in Basel in annalistischer Form begonnen und in Colmar in noch größerem Maßstabe fortgesetzt hat. Jaffé, dessen Bearbeitung dieser Annalen unter allen Ausgaben allein als brauchbar sich erweist, hat die Lebensumstände des Verfassers auf das sorgfältigste festgestellt****).

*) Ausgaben (Urstisius nicht mehr brauchbar) unzureichend von Böhmer, Fontes II, 1 — 96, besser von M. M. Ch. Gérard et J. Liblin, Les Annales et la Chronique des Dominicains de Colmar, 1854, mit französischer Übersetzung. M. G. SS. XVII, 183 — 270 von Jaffé. Nach dessen Untersuchungen stellt sich die Sache folgendermaßen: 1. Annales Colmarienses minores 1211 — 1298; Annales Basilienses 1266 — 1278, Annal. Colm. maj. 1278 —1305. Chronicon. Descriptiones. Übersetzung von Dr. Pabst in den Gesch. d. deutsch. Vorz., 48. Lief. Vgl. jedoch die eingehende und inhaltreiche Besprechung im Jahrbuch für die Literatur der Schweizergeschichte von Gerold Meyer von Knonau, 1867, S. 167 ff. W. G. 478, V, 15.


**) Quétif et Echard SS. I, 434. Hermannus de Minda, er urkundet für die Dominikaner in Colmar gegenüber dem Rat, welcher nicht will dass das Kloster bis an die Stadtmauer reiche 1278, Schoepflin, Alsat. dipl. II, 17.

***) Vgl. Trouillat, Mon. de Bâle II, 290 und daraus Jaffé a. a. O.

****) Als erwiesen wird durch die Jaffésche Praefatio zu betrachten sein, dass der Verfasser der Annal. Colm. min. und majores ein und derselbe ist, dagegen lässt sich die Möglichkeit nicht ganz von der Hand weisen, dass die Annal. Basil. von jemand anderm in Basel verfasst, nach Colmar mitgebracht und da weitergeführt wurden. Denn manches, was offenbar spätere Randbemerkung war, ist allmählich mit dem Text verbunden worden, wie denn die Stelle, wo von der Geburt des N. de Rhin die Rede ist, p. 201, 44: Hic vixit annis nonaginta nicht im Jahre 1277 geschrieben sein kann. Sollte ähnlicher Glosse nicht auch das fui in urania (p. 193) und manches andere entsprungen sein, wozu auch die Notae de sororibus Colmariensibus, Mone, Anzeiger 1834, p. 225 und die Angabe der italienischen und deutschen Meilen (p. 200) zu rechnen sein werden. lässt sich die Möglichkeit nicht ganz von der Hand weisen, dass die Annal. Basil. von jemand anderm in Basel verfasst, nach Colmar mitgebracht und da weitergeführt wurden. Denn manches, was offenbar spätere Randbemerkung war, ist allmählich mit dem Text verbunden worden, wie denn die Stelle, wo von der Geburt des N. de Rhin die Rede ist, p. 201, 44: Hic vixit annis nonaginta nicht im Jahre 1277 geschrieben sein kann. Sollte ähnlicher Glosse nicht auch das fui in urania (p. 193) und manches andere entsprungen sein, wozu auch die Notae de sororibus Colmariensibus, Mone, Anzeiger 1834, p. 225 und die Angabe der italienischen und deutschen Meilen (p. 200) zu rechnen sein werden.


Er war schon im Jahre 1221 geboren, trat als 17jähriger Jüngling 1238 in den Orden der Prediger und war seit 1265 oder 1266 in Basel, von wo er nur noch kleinere Reisen unternommen zu haben scheint, während er bis dahin das Wanderleben seiner Ordensbrüder geteilt haben mag, wie er denn auch selbst berichtet, dass er 1261 in Paris gewesen wäre. Dass er seit 1266 eine beständigere Stellung inne hatte, beweisen seine Annalen, welche eben mit diesem Jahre in gleichmäßiger Ausführlichkeit beginnen. Da mag er sich mit mannigfaltigen Studien beschäftigt haben; unter anderm teilt er uns mit, dass er die Weltkarte auf 12 Tafeln kopiert und später wohl noch verbessert habe. Dass er selbst viel gereist war, zeigen nicht bloß seine sorgfältigen Aufzeichnungen über alles, was sich auf die verschiedenen Maße in verschiedenen Ländern bezieht, sondern auch seine Beschreibungen von Deutschland und vom Elsass. Am Ende des Jahres 1287 erinnert sich der Verfasser sehr begreiflich noch einmal seines Eintritts in den Prediger-Orden, denn es war eben das fünfzigste Jahr seiner Ordenslaufbahn. Gegen Ende des Jahrhunderts mag er gestorben sein, denn die Annalen, welche noch bis zum Jahre 1305 fortgehen, lassen im Jahre 1304 einen anderen jüngeren Mann als Verfasser durchblicken.

In den letzten Jahren seines Lebens hat der tätige Mann noch einen kurzen Abriss aller der Ereignisse zusammengestellt, welche sich während der Zeit seines Lebens zugetragen haben. Er wählte jedoch als passenden Anfangspunkt die Zeit der Ankunft des Kaisers Friedrich II. in Deutschland, unter dessen Regierung er ja geboren war. Doch ist dieses kurze übersichtliche, für den Unterricht des Wissenswertesten gewissermaßen zusammengestellte Schema, welches Jafe mit Recht als kleine Colmarer Annalen herausgehoben hat, ebenso bestrebt, den Lokal-Nachrichten, unter denen sich auch viel Straßburgisches findet, Rechnung zu tragen, wie die großen Annalen. Dass auch diese kleinen Annalen mit dem Jahre 1298 schließen und das Jahr 1300, welches noch beigeschrieben ist, unausgefüllt blieb, gibt einen weiteren Anhaltspunkt für die Zeit des Todes unseres gelehrten Verfassers*).

An die größeren Colmarer Annalen schließen sich genealogische Notizen über die habsburgische Familie, welche gewissermaßen zur Ergänzung des in den Baseler Annalen zum Jahre 1274 mitgeteilten Stammbaums Rudolfs von Habsburg dienen. Diese Notizen können aber nicht mehr von demselben Verfasser herstammen, wenn die Vermutung richtig ist, dass schon die letzten Jahre der großen Colmarer Annalen einem jüngeren Manne zuzuschreiben sind. Dagegen möchte man um so sicherer, was darauf folgt, ebenso wie die interessanten Kapitel über Elsass und Deutschland, dem ersten Verfasser der Annalen zuweisen können, da diese Dinge in der Form und in der Sache so sehr dem Geiste verwandt sind, der sich durchaus in den Annalen kundgibt. Hier wie dort zeigt sich ein aufmerksamer Beobachter kleiner und kleinster Umstände, ein Freund der Naturbetrachtung, ein Mann, der in der kritischen Auswahl von bedeutendem und unbedeutendem eben nicht sehr genau verfährt, aber alles das in ausgezeichnetstem Maße besaß, was die Dominikaner Erudition nannten, und worin sie ihren Zeitgenossen Albert den Großen als ihr Musterbild verehrten**). Dahin gehört auch die encyklopädische Zusammenstellung aller zeitgenössischen Berühmtheiten des Dominikaner-Ordens in dem Teile, welcher überschrieben ist de rebus Alsaticis ineuntis sec. XIII, obgleich es schwer einzusehen ist, was diese verschiedenen Männer wie Thomas von Aquino, Vincenz von Beauvais, Jacob von Genua und viele andere mit dem Elsass zu tun haben sollen. Dagegen ist um so lehrreicher für die Zeitgeschichte, wie sich bereits damals mancher Gegensatz zwischen dem Regularclerus und den immer mehr dem Adel verfallenden Kapiteln der bischöflichen Kirchen geltend macht. In den geographischen Beschreibungen, welche namentlich in dem was über den Lauf der Flüsse gesagt ist, sich sehr unterrichtet zeigen, wird man unwillkürlich daran erinnert sein, dass sich ja der Verfasser der Annalen selbst als Geograph und Kartenzeichner zu erkennen gegeben habe.

*) Scharfsinnig hat Jaffé auf den Satz zum Jahre 1304 hingewiesen: Tantus calor in Alsatia erat, quod senes communiter dixerunt nullum annum tante caliditatis suis temporibus evenisse, was ein alter Mann nicht geschrieben haben kann.

**) Vgl. die Stelle des Sixt. Sienn., vir est eruditionis admirandae bei Quétif et Echard, Scriptt. I, 170.


Nach alledem ist es sehr erklärlich, dass man immer bedauert hat, den Namen dieses Schriftstellers, der uns in so bestimmter Individualität entgegentritt, nicht überliefert zu finden, doch möchte, wenn auch hierüber Gewissheit nicht in Anspruch genommen werden kann, gestattet sein, auf eine Spur hinzuweisen, welche uns mit dem Namen des Verfassers bekannt zu machen geeignet ist. Es besteht eine Überlieferung, dass ein gewisser Johann von Colmar eine Chronik geschrieben habe, und dass er darin des großen Meisters Alberts des Bischofs von Regensburg gedenkt*). Man hat die Überlieferung verworfen, weil sie für die Colmarer Chronik, von der gleich nachher zu sprechen sein wird, nicht zutreffend sich erweist. Aber bei dem Umstande, dass die alten Unterscheidungen zwischen Chronik und Annalen niemals sehr zwingend waren, und bei der weiteren Erwägung, dass gerade diese Schriften der Colmarer Prediger durchgehends in so zusammenhängender Form überliefert sind, wird die Deutung als zulässig erscheinen, dass, was uns von dem Verfasser der Chronik überliefert ist, vielmehr von dem der Annalen zu gelten habe**). Man kann leicht denken, dass Bruder Johann, bevor er in Basel im Jahre 1266 seinen bleibenden Aufenthalt nahm und die Annalen zu schreiben begann, Albert den Großen kennen gelernt und von der als Beispiel seiner Strenge angeführten Handlung Zeuge gewesen ist***). Diese Verbindung besagt aber mehr, als die bloße Nachweisung eines für sich wenig bedeutenden Namens für den Verfasser der Annalen, sie erklärt uns vor allen Dingen die eigentümliche Richtung dieser Colmarer Jahrbücher, welche doch in ihrer großartigen Fülle von Einzelnheiten mit anderen früheren und späteren Annalen kaum vergleichbar sind. Denn gerade die Naturforschung, wenn man das so nennen darf, oder doch die Aufmerksamkeit und Beschäftigung mit den Gegenständen der Natur neben der Rücksicht auf das philosophische und theologische ist es, was Albert des Großen Schriften bemerkenswert macht. Wäre in jenem Johannes ein Schüler Alberts zu erkennen, so wäre damit ein nicht unbedeutender literarischer Zusammenhang aufgedeckt. Unter den Schülern Alberts wird ein anderer Elsasser, ein Straßburger Namens Ulrich, als Theolog um diese Zeit besonders gerühmt; es wäre lehrreich, wenn wir in Johannes die historische Seite der Schule vertreten fänden.

*) Die Nachricht wird auf Petrus de Prussia in der vita Alberti Magni cap. 32 zurückgeführt.

**) Die Stelle lautet: Tantae autem contra vitiosos cum necessitas requirebat austeritatis in injungendis poenitentiis Albertus extitit, sicut de ipso Frater Joannes Columbariensis, qui eonversationem ejus noverat refert in sua Chronica ut septennem poenitentiam imponeret poenitenti duram satis. Schon Quétif I, 494 bemerkt, dass diese Stelle in der Chronik nicht zu finden sei, und scheint daher mehr geneigt ein verloren gegangenes Werk eines Colmarer Dominikaners Namens Johann anzunehmen, weshalb Jaffé gleichfalls den Namen verwirft. Allein dem gegenüber möchte doch zu bemerken sein, dass Petrus de Prussia, so viel ich sehe, doch kein ungenauer Schriftsteller war, wohl aber, dass er das Wort Chronik im weitesten Sinne gebraucht haben kann von dem ganzen Complex der Colmarer Aufzeichnungen. In diesem Falle ist allerdings an mehreren Stellen von Albertus Magnus die Rede, und unter diesen findet man in den uns vorliegenden Handschriften zum Jahre 1277 gerade eine Lücke. Dass überhaupt die Annalen bei ihrer losen Form in verschiedenen Abschriften große Entstellungen und Auslassungen erfahren haben ist sicher: So würde uns die ganze wichtige Stelle zum Jahre 1278 aus allen früher benutzten Codices, vgl. Gerard S. 66, entgangen sein, wenn sie nicht Jaffé bemerkt hätte, vgl. p. 202, 16 — 29. Also ist nichts natürlicher, dass auch die Stelle von der Strenge des sel. Albert, welche Petrus de Prussia noch gekannt hat, aus allerlei Gründen von einigen Schreibern gestrichen worden ist. Aber der Beginn der Stelle ist uns wie es scheint noch zum Jahre 1277 erhalten. Die Annalen heben da an von Albert zu erzählen, um sofort zu verstummen. Der Tod Alberts ist später besonders gemeldet (Jaffé p. 207). Sollte daher die so unzweideutig überlieferte Stelle des Petrus de Prussia nicht zum Jahre 1277 gehören? Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass in der vita Alberti von Rudolf von Nymwegen erzählt wird, dass Albert die Colmarer Kirche geweiht habe, dies aber könnte nicht vor Ende 1277 geschehen sein und es erklärte sich dann, dass gerade an dieser Stelle die Annalen manches zu erzählen hatten, was uns jetzt fehlt, aber Petrus de Prussia noch bekannt war. Dass die Annalen zum Jahre 1286 den Frater Johannes de Columbaria in der dritten Person selbst erwähnen vgl. auch Gérard in der Vorrede, mag indessen nicht unerwähnt bleiben.

***) Über die strenge Zucht Alberts vgl. bestätigend Sighard, Albertus Magnus S. 83 und 86.


Befindet man sich indessen, indem man einer dürftigen Überlieferung folgt, was den Verfasser der Annalen betrifft nur auf einem zweifelhaften Boden, so kann dagegen die ältere Anschauung, wonach Annalen und Chronik von Colmar denselben Schriftstellern zugeschrieben wurden, gegenwärtig als sicher beseitigt bezeichnet werden. Die geschichtliche Darstellung, welche die Taten König Rudolfs und seines Sohnes Albrecht bis zum Jahre 1304 mit Hinzuziehung und breiter Ausführung der wichtigsten Ereignisse der Stadt Colmar in diesem Zeitraum vorführt, ist in ihrer Art grundverschieden von dem geschilderten Werke des Annalisten und lässt fast in jeder Zeile einen anderen Verfasser erkennen. Es ist ein ziemlich einheitlich konzipiertes, ich möchte lieber sagen redigiertes Buch, mit einer Reihe von Excursen, welches sehr lebendig, ja mit einem Anflug epischer Erzählungsweise geschrieben ist, so zwar, dass es eben dadurch zuweilen seine Nachrichten verdächtig macht. Es sind einige Persönlichkeiten, die mit besonderer Vorliebe geschildert werden:

Rudolf von Habsburg, der Bischof von Basel, Heinrich von Isny, der Schultheiß Roesselmann von Colmar, Anselm von Rapoltstein.

Die historische Erzählung umfasst in großen Rahmen die Geschichte Rudolfs von Habsburg, seine Streitigkeiten mit dem Bistum Basel, nachher seine Wahl zum Könige, den böhmischen Krieg, die Geschichte Adolfs von Nassau und seine Beziehungen zu Colmar, Adolfs Krieg gegen den Bischof von Straßburg, die französisch-englischen Verwickelungen und die ausführliche Schilderung des Kampfes zwischen Adolf von Nassau und Albrecht von Österreich, dann noch die Streitigkeiten Albrechts mit seinen, besonders geistlichen, Wählern. Man ist erstaunt über die große Sachkenntnis, mit welcher der Chronist Feldzüge zu schildern weiß, und noch mehr fällt auf, dass man im Predigerkloster zu Colmar von manchen diplomatischen Unterhandlungen unterrichtet gewesen ist, welche sonst nirgends berichtet werden. So sehr erhebt sich der Chronist manchmal zu detailierten Mitteilungen, dass er selbst Worte und Reden anführt, welche von den Parteien gewechselt wurden, und für welche die Kritik allerdings nicht immer einzutreten sich veranlasst sehen wird. Aber bei genauerer Betrachtung kann man es erklärlich finden, dass gerade diesen Dominikanern mancherlei gute Quellen zu Gebote standen. Mit den Habsburgern waren sie sicherlich schon von Basel her in Verbindung. Sie stellten sich bei den Streitigkeiten derselben mit den Bischöfen, sowohl dem von Basel wie von Straßburg, nicht unbedingt auf die Seite der letzteren, wie sie selbst manche Beschwerden gegen diese Kirchenfürsten hatten. Der einflussreiche Bischof Heinrich von Isny, den die Chronik so sehr lobt und der durch Rudolf, als er König ward, erst zum Baseler Bischof, dann zum Mainzer Erzbischof erhoben wurde, machte unzweifelhaft unserm Chronisten manche Mitteilungen. Ferner war in der Zeit Adolfs Colmar ein Ort, wo man allerlei gute Nachrichten sammeln konnte, da die Parteien der beiden Gegner, Adolfs und Albrechts, hier sehr mächtig waren und um die Vorherrschaft rangen. So ist durch mehr als ein Moment der große Ruf, den die Colmarer Chronik als Geschichtsquelle ersten Ranges seit jeher genossen hat, im ganzen sehr gerechtfertigt, und wenn man den Annalen in neuerer Zeit in Hinsicht der Glaubwürdigkeit den unbedingten Vorzug vor der Chronik zu geben versucht hat, so scheint dies doch nur in beschränktem Maße richtig*). Was man zur Charakteristik des Verfassers sonst anzuführen vermag, spricht sehr zu seinen Gunsten. Er war ein literarisch feinfühlender Mann, wie ihn denn die entschiedene Parteinahme für König Rudolf gegen Ottokar von Böhmen nicht abhielt, die volkstümlichen deutschen Verse, die auf dessen Tod gemacht wurden, samt Angabe des musikalischen Satzes zu überliefern**).

Über die persönlichen und biographischen Verhältnisse des Verfassers der Chronik vermag man nichts bestimmtes anzugeben, nur darf man behaupten, dass er das, was er erzählt, unmöglich alles selbst gesehen und gehört haben konnte, obwohl die Genauigkeit der Angaben es vermuten ließe. Der Umstand, dass er über das, was in zwei feindlichen Lagern vorgefallen ist, gleich umständlich berichtet, beweist doch, dass er seine Nachrichten ganz oder teilweise von dritten Personen empfangen hat***). Der vorherrschende Charakter der Aufzeichnungen ist der, dass eine Reihe von Parteiberichten, wie sie von verschiedenen Seiten her gemacht worden sein mögen, in einer geschickten Hand vereinigt worden sind. Die überall verbreiteten Predigerbrüder müssen unseren Colmarer Chronisten aufs eifrigste unterstützt haben, wenn man nicht bis zu der Annahme vorschreiten will, dass etwa amtliche Relationen der Dominikaner an ihre Oberen zu Grunde liegen. Jedenfalls bricht die Erzählung ziemlich unerwartet im Jahre 1304 ab. Dass unter den Predigern in Colmar damit alle Geschichtschreibung überhaupt aufgehört haben sollte, ist auffallend. Erhalten haben sich gleichwohl keinerlei andere Denkmäler, welche an diesem Orte eine Fortsetzung zu dem sehr glänzenden Anfang von Geschichtschreibung darböten.

*) Droysen, Albrechts Bemühungen um das Reich, besonders S. 19 ff. Vgl. auch meine deutsche Gesch. im 13. und 14. Jahrh. II, 629. Zu den allgemeinen Beziehungen der Baseler und Colmarer Dominikaner zu der habsburgischen Familie erwähne ich hier noch zweier besonderer Umstände. Es ist bezeichnend, dass zu der Taufe des 1276 gebornen Sohnes Rudolfs von Habsburg die Dominikaner von Basel und Constanz gerufen werden und außerdem erfahren wir bei dieser Gelegenheit, dass der Bruder Heinrich, von dem auch Verse überliefert sind, Arzt der Königin Anna gewesen sei. Chron. Colm. cap. III de quibusdam Rudolfi regis liberis.

**) Zum ersten Mal gedruckt in Haupts Zeitschr. IV, 573.

***) Während man z. B. bei dem Feldzug Rudolfs nach Österreich meinen sollte, dass der Berichterstatter in der Nähe Rudolfs weilte, weiß die Chronik doch gleichzeitig ein Gespräch des Predigerbruders Rüdiger mit dem König von Böhmen mitzuteilen, u. dgl. m.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter