Despotismus

Indessen wie vorteilhaft sich auch Herrscher wie Kaiser Joseph, Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große von ihren Zeitgenossen unterschieden, in einem Punkt blieben sie doch ihresgleichen, in der Willkür ihrer Entschlüsse und Maßnahmen. Sie wollten wohl nichts für sich, sondern alles für das Volk, aber nichts durch das Volk, die Untertanen sollten zu ihrem Glück gezwungen werden, und zwar grade zu dem Glücke, wie die Fürsten es sahen und verstanden.

Ihre Regierungen wurden deswegen nicht weniger tyrannisch und despotisch empfunden als die selbstsüchtiger Despoten, ja möglicherweise noch härter und unerfreulicher, denn es fehlte ihnen der verführerische Schimmer einer glänzenden Aufmachung der Äußerlichkeiten. Alle drei sind für sich und für ihren Hof im ganzen Jahr mit Summen ausgekommen, die ein August der Starke für ein einziges Hoffest verschwendet hätte, an diesem Fest aber ergötzten sich tausend Augen und hatten auf ihre Weise auch an den Herrlichkeiten Teil, deren Kosten die Bürger aufbringen mussten.


Man betrachtete Hoffeste wie weltgeschichtliche Ereignisse und war stolz darauf, ihnen wenigstens als Zuschauer beiwohnen zu dürfen. Als Goethe in Berlin ,,über den großen Menschen seine eigenen Lumpenhunde räsonnieren hört“, da schwärmten die Dresdener dem Reisenden Riesbeck noch von den großartigen Zeiten vor, welche die beiden Auguste für Sachsen heraufgeführt hatten. Einsichtige wussten wohl, was das Volk an ihnen besaß, aber ihre Bewunderung entbehrte doch nicht der starken Vorbehalte. „Ich gedenke mit Schaudern an dieses Land,“ schrieb Winckelmann. ,,auf ihm drückt der größte Despotismus, der je gedacht ist. Besser ein Türke werden als ein Preuße,“ und ganz ähnlich schrieb Wieland einmal einem Freunde: „König Friedrich ist zwar ein großer Mann, aber vor dem Glück, unter seinem Szepter zu stehen, bewahre uns der liebe Herrgott.“

Über den Despotismus Friedrich Wilhelms I. gab es in ganz Deutschland nur eine Stimme; trotz des Scheines der Ordnung, sagte J. J. Moser, habe er in seinen Landen doch alles nur auf einen willkürlichen und von ihm allein abhängenden Fuß gesetzt. Der große innere Wert dieser anscheinenden Willkür aber machte sich doch geltend und machte Schule, man lernte die Staatsidee als selbständige sittliche Macht schätzen. Der hartnäckige Kampf, den der König gegen alle Missbräuche der Verwaltung führte, seine rücksichtslose Art, die, wenn sie auch eigenwillig und gewalttätig vorging, doch wirklich nur auf das allgemeine Beste abzielte, imponierte doch gewaltig, und als dann sein Sohn, auf dem von dem Vater vorgezeichneten Wege fortschreitend, zum Ruhme des genialen Verwalters auch den des Soldaten und des Staatsmannes gesellte, da gewannen die Preußen zwar nicht an Sympathie, aber doch an Respekt, und es entstand jener rege Wetteifer der deutschen Fürsten, mit dem sie dem Geist der Reform in Siebenmeilenstiefeln nachsetzten. Die fürstlichen Ideale verschieben sich, und wenn sie bis dahin auf Vergnügen und Zerstreuung gerichtet gewesen waren, das Regieren als etwas Lästiges und Unbequemes gegolten hatte, so wird nun das Regieren an und für sich der Inhalt des fürstlichen Lebens.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutschland im 18. Jahrhundert. Band 1
016 König Friedrich I. von Preußen Kupferstich von J. Böcklin nach dem Bilde von J. F. Wentzel

016 König Friedrich I. von Preußen Kupferstich von J. Böcklin nach dem Bilde von J. F. Wentzel

021 König Friedrich Wilhelm II. Büste modelliert von dem Chevalier de Werder. Berlin, Kgl. Schloss

021 König Friedrich Wilhelm II. Büste modelliert von dem Chevalier de Werder. Berlin, Kgl. Schloss

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