Das Manifest Karl Eugens, Herzog von Württemberg

Dieser Gesinnungswechsel ging grade zu plötzlich vor sich. Graf Wilhelm zur Lippe folgte mit 24 Jahren seinem Vater in der Regierung. ,,Alle vorhandene Pracht“, erzählt Karoline Herder, „wurde nicht abgestellt, sondern mit einer Art von Wut vertilgt. Gebäude wurden ohne allen Grund und ohne alle Schonung niedergerissen und die Ruinen zu des Beobachters Bemitleidung des Zerstörers liegen gelassen, Gärten wurden verwüstet, die kostbaren Meubles und Geräte verschenkt, verkauft, verworfen, vernichtet, das Personal verändert.“

Über Karl Eugen, den Tyrann Württembergs, kam diese Sinnesänderung so unvorhergesehen, wie einst die Bekehrung über den Apostel Paulus. Er hatte bis dahin so unbekümmert geschaltet, als gäbe es für einen Herzog über einige Dutzend Quadratmeilen weder göttliche noch menschliche Gesetze; an Schamlosigkeit hatte sein Hof es mit dem Ludwigs XV. aufgenommen, an Verschwendung selbst die Größten übertroffen, da überraschte er 1778 an seinem 50. Geburtstage sein Volk mit nachstehendem Manifest:


„Gott, von dem alles Gute kommt und ohne welchen nichts Gutes kommen kann, haben Wir es zu verdanken, dass durch seine Güte Unsere Lebensjahre mit dem heutigen Tage sich auf 50, mithin ein halbes Hundert Jahre erstrecken, wobei er Uns besonders seine Gnade verliehen, Unserm so vorzüglichen Beruf gemäß, dasjenige mit guten Kräften und Gesundheit bishero ausführen zu können, was nicht allein Unsere Regenten-Pflichten mit sich gebracht, sondern auch was Wir zum wahren Besten Unserer lieben und getreuen Untertanen nach Unserer landesväterlichen Obliegenheit von Zeit zu Zeit vor dienlich befanden. Da Wir aber ein Mensch sind, und unter diesem Wort von dem so vorzüglichen Grad der Vollkommenheit beständig weit entfernt geblieben und auch inskünftige bleiben werden, so hat es nicht änderst sein können, als dass teils aus angeborener menschlicher Schwachheit, teils aus unzulänglicher Kenntnis und anderen Umständen sich viele Ereignisse ergaben, die, wenn sie nicht geschehen, sowohl jetzt als für das künftige eine andere Wendung genommen hätten. Wir bekennen es freimütig, denn dies ist die Schuldigkeit eines Rechtschaffenen und entladen Uns damit einer Pflicht, die jedem Rechtdenkenden, besonders aber den Gesalbten der Erde immer heilig sein und bleiben muss. Wir sehen den heutigen Tag als eine zweite Periode unseres Lebens an. Wir geben Unseren lieben Untertanen die Versicherung, dass alle Jahre, die Gott Uns noch zu leben fristen wird, zu ihrem Wohle angewendet werden sollen. Württembergs Glückseligkeit soll also von nun an und auf immer auf der Beobachtung der echtesten Pflichten des getreuen Landesvaters gegen seine Untertanen und auf dem zärtlichen Zutrauen und Gehorsam der Diener und Untertanen gegen ihren Gesalbten beruhen. Ein getreuer, rechtschaffener Untertan bedenke, dass das Wohl eines ganzen Staates oft dem Wohl eines einzelnen vorausgehen müsse, und murre nicht über Umstände, die nicht allemal nach seinem Sinn sein können. Wir hoffen, jeder Untertan wird nun getrost leben, dass er in seinem Landesherrn einen sorgenden, getreuen Vater verehren kann. Ja, Württemberg muss es wohl gehen. Dies sei in Zukunft und auf immer die Losung zwischen Herr, Diener und Untertan.“

Es mag dem Herzog mit seinen guten Vorsätzen wohl Ernst gewesen sein, aber seine Natur war stärker, Willkür und Despotismus wechselten nur ihre Objekte und warfen sich statt wie bisher auf Soldaten und Theaterspielerei auf die Pädagogik. Die ärgsten Akte seiner Tyrannei wie die Gefangenhaltung Schubarts, Hubers u. a. fallen sogar erst nach diesem Zeitpunkt. An gutem Willen mag es auch den anderen deutschen Kleinfürsten nicht gefehlt haben, aber schon der geringe Umfang ihrer Territorien machte es ihnen schwer, wenn nicht unmöglich, jene gründlichen Reformen durchzuführen, die zum Wohl der Untertanen nötig gewesen wären. So läuft es schließlich nur auf einen Wechsel des Spielzeugs hinaus. An die Stelle von Jagd Paraden und Mätressen treten Jura und Kameralia, und die Beschäftigung mit ihnen führt zu einer Bevormundung des Untertans, zu einem Topfgucken und Einmischen in all und jedes, die den damit Beglückten nicht weniger unerträglich gewesen sein muss, als es auf der andern Seite die Mätressenwirtschaft, der Jagdunfug, die Soldatenspielerei und der Menschenhandel waren.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutschland im 18. Jahrhundert. Band 1