Von der seligen Schwester Beli von Lütisbach

Wir hatten auch eine gar selige, starke Schwester, sie hieß Schwester Beli von Lütisbach. Sie zeigte die Minne, die sie zu Gott hatte, durch viel strenge und heilige Übungen. Und sonderlich hatte sie große Andacht zu der milden Mutter unseres Herrn Jesu Christi und las ihr gewöhnlich alle Tage dreimal fünfzig Ave Maria. Nun wollte unsere liebe Frau bezeigen, wie genehm ihr dieser Dienst war, und als sie einmal in dem Krankenhaus in ihrem Bette lag, da erschien ihr die allerschönste Frau, die je ein Menschenauge sah, in einem schneeweißen Kleid und teilte sich recht traulich zu ihr nieder ans Bett. Da wunderte sich die selige Schwester Beli über die unermessliche Schöne dieser Frau und wer sie wohl sei. Da gab sich die milde Magd zu erkennen und sprach: „Ich bin deine Mutter vom Himmelreich, die du oft geehret hast; und dies weiße Kleid hast du mir gemacht mit dem englischen Gruß, den du mir so oft mit Andacht sprichst.“ Hievon ward sie recht mit Freuden durchgossen und sagte der milden Mutter Gnad und Dank, dass sie ihren kleinen Dienst so wohlgefällig empfangen hatte.

Nun wollte sie die milde Mutter noch mehr zu ihrem Dienst reizen auf die Weise, dass es ihr in diesem Gesicht dünkte, unsere Frau hatte nur einen Ärmel an dem Kleid; und hierob wunderte sie sich und begehrte von unterer Frau zu wissen, was das meine. Da sprach sie gar minniglich zu ihr: „Du sprichst mir alle Tage dreimal fünfzig Ave Maria; nun sollst du mir noch einmal fünfzig sprechen; so hab' ich ein vollkommen Kleid von dir.“ Und diese Lehr empfing sie dankbarlich von unterer lieben Frau und befleißigte sich fürbaß noch mehr in ihrem Dienst und in dem Lob ihres eingeborenen Kindes, unseres lieben Herrn Jesu Christi.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben