Von der seligen Schwester Mechtild von Wädenswil

Wir hatten auch eine tugendsame Schwester, sie hieß Mechtild von Wädenswil. Über sie verhängte unser Herr aus sonderlicher Liebe großes Siechtum vor ihrem Tode; und sonderlich im Haupt hatte sie so unsägliche Leiden, dass es ihr die Schwestern wegen ihres Schmerzes emsiglich halten mussten. Und besonders einmal hatte sie so großes Leiden, dass sie es unserm Herrn klagte. Da wollte sie der Herr alles Trostes nicht ungetröstet lassen und erschien ihr in seiner Marter, wie er mit einer dornenen Krone gekrönt war, und legte sein verwundetes Haupt vor sie auf das Bett und sprach gar minniglich zu ihr: ,,Nun schau, wie mein Haupt verwundet war, dir zuliebe, und betrachte, ob mir schlimmer gewesen ist oder dir!“ Und hievon empfing sie so unermesslich viel Trost und Geduldigkeit, dass sie hernach nicht einmal so viel Trost haben wollte, dass ihr die Schwestern das Haupt hielten wie zuvor, sondern dass man es ihr nur hinten mit einem Tuch binden musste.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben