Schwester Alheit von Herspruk

Es war eine Frau, die hieß Alheit von Herspruk und kam mit ihrem Ehewirt her zu unserer Gesellschaft. Er hieß Heinrich und gab dem Konvent groß Gut zum Bau. Sie diente den Schwestern so minniglich: wenn man ihr ein Amt gab, so freute sich immer die Vereinigung.

Da sie nun an den Tod kam, sagte sie öffentlich zum Konvent und sprach: „Lieben Frauen, ich tu' euch kund: als ich zu Nürnberg war, bat mich mein Ehewirt, dass ich hieher käme; das wollt' ich nicht tun. Danach kam Sankt Dominikus zu mir im Sankt Sebaldsmünster; dem versagt' ich es auch. Danach kam Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, zu mir und bat mich, dass ich herkäme, dann wollte sie mir geloben, dass sie mit ihrem Sohne an meinem Tode mir erscheinen werde. Lieben Frauen, ihr sollt bei mir sein, damit ihr nicht etwa seine Gegenwart versäumet.“ Und das geschah; sie kamen zu ihr und zeigten ihr ihre minniglichen Gesichter und sprachen zu ihr, sie wäre der erwählten Menschen einer, und sie wollten ihr viel gütlich tun und bevor sie sterbe, wollten sie ihr noch einmal erscheinen. Das sagte sie den Schwestern und zeigte ihnen, wo die gestanden waren, und sagte, was sie angehabt hatten. Da sprach sie zu den Frauen: „Lieben Frauen, ihr sollt ihre Gegenwart nicht versäumen.“ Das geschah also: an dem Palmabend beging man unserer Frauen Verkündigungstag, und da ging unser Herr durch den Chor während des „Te deum laudamus“ und während des Verses: „Et laudamus nomen tuum in seculum“; und blieb, bis man zu Ende sang. Da neigte sich ihm der ganze Konvent und sahen ihn doch nicht, außer der Schenkin, der Priorin, die allein ihn sah, wie er war um dreißig Jahre. Nach dem „Te deum laudamus“ ging er aus dem Chor zur siechen Schwester, wie er ihr verheißen hatte. Da sprach sie mit lauter Stimme: „Unser Herr ist kommen und seine liebe Mutter Maria.“ Da fielen die Frauen alle auf die Knie vor ihm und baten sie, dass sie für den Konvent bete. Alsbald kam sie von sich selber und begann gar zärtlich mit unserm Herrn zu reden. Die Worte, die sie mit unserm Herrn redete, hörten die Frauen wohl, aber seine Worte hörten die nicht. Da sie nun wieder zu sich selber kam, da fragten sie sie, ob sie auch für den Konvent gebeten hatte. Da sprach sie: „Er hat ein Kreuz über euch alle gemacht.“ Damit starb sie eines heiligen Endes.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsches Nonnenleben