Abschnitt 1

Es hat einen besonderen Reiz, das Bild eines Menschenlebens, das längst im Staube der Jahrhunderte begraben und vergessen ist, wieder erstehen zu sehen. Indem man seinen halb verwehten Spuren nachgeht, ist es, als reinige man ein altes, wertvolles Ölgemälde und alle verborgenen Schönheiten des Meisterwerkes würden wieder sichtbar. Herzogin Eleonore Marie gehört keineswegs zu den großen ihrer Zeit, aber das Goethe-Wort: „Greift nur hinein ins volle Menschenleben, und wo du's packst, da ist es interessant", gilt ja von jedem Dasein.

Die erste Spur von der Fürstin, die 1600, am 17. August, als Tochter des Fürsten Christian von Anhalt-Bernburg geboren ist, findet sich im Stammbuch der Herzogin Anna von Mecklenburg-Güstrow, die in ihrem Witwensitze zu Grabow wohnte. Die Einzeichnung aus dem Jahre 1625 lautet:


„Dieu ne de`laisse jamais les siens.“

Eleonore Marie Fz. Anhalt E. G. demütigste, gehorsame Dochter und Dienerin allzeit.

Am 7. Mai 1626 vermählte sich die Prinzessin mit Herzog Hans Albrecht von Mecklenburg- Güstrow, dem Großneffen der Herzogin Anna. Die Hochzelt wurde in Güstrow gefeiert, wahrscheinlich weil die Heere Wallensteins bereits die Heimat der Braut überschwemmten und am 25. April die Schlacht an der Dessauer Brücke schlugen.

Die umständlichen Einladungen zu der Vermählung, die zwei und eine halbe Quartseite füllen, sind noch vor- handen.

Als dritte Gemahlin Herzog Hans Albrechts überkam Eleonore Marie zwei Stieftöchter, Sophie Elisabeth, zwölf Jahre alt, und Christine Margarethe, elf Jahre alt.

Herzog Hans Albrecht, nach einem im Schweriner Schlosse erhaltenen Bilde ein stattlicher Herr mit blondem Vollbart und energischem Gesicht, war zehn Jahre älter als seine Gemahlin. Er trat zur reformierten Kirche über, weil er bei der Taufe seiner Kinder erster Ehe Anstoß an dem damals bei den Lutheranern vorgeschriebenen Exorzismus nahm; Eleonore Marie war ebenfalls calvinistisch. Übrigens bezeugen die Bauten in Dargun, dass der Herzog ein kunstsinniger Herr gewesen ist.

Zunächst war das Einvernehmen der jungen Frau mit den Verwandten ihres Gatten ein durchaus freundschaftliches. So erkundigt sie sich bei der Schwägerin Anna Marie, ob diese bei dem Begräbnis der Großtante Anna schwarz gekleidet sein würde, da sie sich mit ihren Fräuleins (Stieftöchtern) danach richten wolle. Es scheint also nicht immer Sitte gewesen zu sein, bei solcher Gelegenheit schwarz zu erscheinen.

Seit dem Religionswechsel Hans Albrechts war das Verhältnis zu seinem Bruder Adolf Friedrich von Schwerin getrübt. Eleonore Marie war stets bestrebt, versöhnend einzuwirken. So schreibt sie bei einem Streite über Festsetzung ihres Wittums: „Wollte ich lieber, dass es noch geringer wäre, als dass meinetwillen die brüderliche Einigkeit soll offendiret werden. Ja ich wollte lieber nie das Leben gehabt haben, als ein solches zuvor erfahren." –

Nicht lange durften sich die Neuvermählten eines friedlichen Beisammenseins in ihrem schönen Schlosse zu Güstrow, noch der heiteren, herzoglichen Jagdausflüge nach Dargun erfreuen. Die Kriegsgewitter zogen über Mecklenburg herauf. Nach der für die evangelischen Fürsten so verhängnisvollen Schlacht bei Lutter am Barenberge vertrieb der Kaiser Ferdinand II. durch einen Akt willkürlichster Ungerechtigkeit die mecklenburgischen Fürsten mit ihren Familien 1628 aus ihren Landen, die er seinem Feldherrn Wallenstein erb- und eigentümlich übergab. Schon im zweiten Jahre ihrer Ehe musste die verbannte junge Herzogin Obdach in ihrer Heimat suchen. In Harz- gerode ward ihr erstes Kind, Anna Sophie, 1628 am 29. September geboren. Aber schon im folgenden Jahre begaben sich die Herzöge, heimlich und nicht ohne Gefahr ihr Land durchreisend, nach Lübeck, als Wallenstein, wie er meinte zeitweise, Mecklenburg verlassen hatte. Hier wohnte die Herzogin mit ihren Kindern, zu denen noch ein Prinz und eine Prinzessin kamen, mehr als zwei Jahre. In dieser Zeit schrieb sie unter anderem einmal wegen einer „Kindt Frau" an ihre Schwiegermutter, die Herzogin Sophie, die einzige von der Familie, die man im Lande auf ihrem Witwensitze Lübz belassen hatte. Sie bittet, da die Frau, die sie jetzt hat, „mit waschen und trockenen besser umbgehen kann, als mit Kindern", die Herzogin möge sich eine „als still und sorgfältig" empfohlene Frau kommen lassen, und deren Kind unterbringen. „Sie sagen mir sie sei von so schlechtem (schlichtem) Ansehen und Kleidung, welches ich denn ganz gut achte, denn, wenn sie so was schlecht (schlicht) sind, so lassen sie sich desto besser einreden, die so was sein wollen, dünken sich oft gar zu klug und wollen es alles nach ihrem Sinn machen, holt sie sich Rat bei mir, soll es ihr Schad` nicht sein." Man sieht die sorgliche und praktische Mutter.

Wie knapp es oft im herzoglichen Hofhalt herging, zeigen die Dankbriefe an die Schwiegermutter, die einmal Karpfen und Butter nach Lübeck, später, 1632, schwarzwollenen Damast zum Kleide nach Güstrow schickte, in letzterem Falle bedauerte die dankende Schreiberin, dass sie Beschwer mache, „aber der Mangel an Geld ist izundt so groß bei mir, dass ich dazu gedrungen werde."

Die endliche Heimkehr nach Güstrow brachte auch keine große Freude ( Der im Theatrum europaeum dargestellte prunkhafte Einzug in Güstrow beruht auf Erfindung) . Herzog Hans Albrecht schreibt darüber an seinen Bruder:

„Ew. Liebden können wir mit betrübtem Gemüt nicht verhalten, nachdem die Hochgeborene Fürstin Eleonore Marie, unsere freundliche viel geliebte Gemahlin, nebenst unseren fürstlichen Kindern am verschienenen Sonnabend allhie in unseren Hofstatt wiederumb angelanget und wir nebenst Ew. Liebden wohl gehofft, dass auf die nunmehr Viertehalbjährige in der Frembde ausgestandene tranksahle sich etliche fröhliche ergötzlichkeit soll ereugnet haben, dass dennoch dem lieben Gott anders gefallen, indem unser jüngstes hertzliebes Töchterlein Fräulein Eleonore, welches zuvor an einem Fieber etwas Unpeßlich gewesen, heute nach Mittag um 11 Uhren durch den zeitlichen thot, aus dieser welde ohne zweifel für vielem Unglück hinweg geraffet, welches abermal zugestandene Kreutz der Barmherzige Gott geduld genediglich verleihen wolle." Er fügt noch hinzu, dass, „weil allhie auf unserem Hause es dermaßen ruinieret", und weil er selbst fort müsse, um an der Belagerung Rostocks teilzunehmen, So wolle er „das herzliebe Töchterlein ohne sonderlichen Pompen, doch mit christlichen Zeremonien beisetzen lassen."

Schon am 30. Dezember folgte der zweijährige Erbprinz dem Schwesterlein im Tode. Fünf Tage darauf schreibt die schwer geprüfte Herzogin an die Schwieger- mutter:

„Der allerhöchste hat mir Freude in groß herzleidt verwandelt, indem ich in so kurzer Zeit zwei meiner lieben Kinder beraubt wurde. Das dritte, so noch übrig, krankt so viel, dass ich immer fürchte, ich behalte es auch nit lange. Der liebe Gott schlägt mich wol, da er mir am wehsten tut, denn ich habe meine irdische Freude an meinen lieben Kindern gehabt. Es hat dem allwissenden also gefallen, der weiß wie es mir gut ist, in diesen gnedigen willen muss ich mich ergeben, er verleihe mir nur geduldt. Ich habe das liebe Seelgen vor mir her gesandt an ein orth, da Ihm sehr wol ist. Und da wir sämbtlich mit Verlangen hin begehren.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Erde - Wanderungen durch Mecklenburg