Abschnitt 2

,,Ach lieber Gott, ich habe noch wenig Freuden gehabt, seit daß ich wieder im Lande bin, denn wir haben ein verdorben Landt funden, ledige Häuser und viel Klage darinnen der armen Unterthanen, welche noch täglich mehrt und ihnen von Freunden und Feinden( von Schweden und Kaiserlichen ) verursacht wird. Der liebe Gott weist uns wohl, daß in dieser Welt nichts beständig ist und wir unsere Herzen an nichts hängen sollen, sondern unsere einzige Lust und Beliebung an ihm allein haben sollen."

Sie unterschreibt diesen Brief:


„E. G. demüthige gehorsame hochbetrübte Dochter Eleonore Marie H. z. M."

Die Beunruhigungen durch die Kriegsnöte sollten noch lange nicht aufhören. Die Herzogin hat Güstrow wohl noch einmal wieder verlassen müssen, sie berichtet nach Lübz, „dass mein lieber Herr mich wieder nach hero geholt, weil aber die Wege noch nit wieder frei, als habe ich die Kinder groß und klein da lassen müssen, habe niemandt bei mir. Der liebe Gott gebe doch bald gut Zeitung, damit ich Sie möge her holen lassen, denn nur das Haus izundt so wirr hie ist, daß es nit zu sagen. Gott helfe uns bald wieder zusammen und laß uns in Frieden hier bleiben, denn die Flucht im Winter sehr beschwerlich ist."

Und ein andermal unter dem 14. Dezember 1633: „Gestern haben wir Zeitung gehabt, dass der OberSt Gallas soll todt sein, man schrieb sonst davon die vorigen Tage von Stettin, dass er wieder dieser örther zu kommen im wegzuge were, mit 12 000 Mann, were allbereits bei Pauzen ankommen, wo er aber todt ist, so wird er wohl, ob Gott will, nit hindringen. - - - -"

Am 25. Februar 1633 wurde wieder ein Erbprinz geboren; aber sie hat stets viel Sorge um die Kinder. „Mein arm Printzgen ist die Tage etliche nit wohl auf gewesen", heißt es, und zu anderer Zeit klagt sie, dass „die Flüß" nicht weichen wollen und dass das „arm Printzgen" ganz geschwollene Augen davon habe. Sie ahnte damals noch nicht, wie viel ernstere Nöte sie um dieses Kindes willen noch ausstehen sollte.

Aber man darf doch nicht denken, dass sie nun ganz in den Kinderstubensorgen aufging. Auch die politischen Schwierigkeiten, mit denen der Gatte zu kämpfen hatte, teilte sie treulich, wie ein Brief an die Herzogin in Lübz zeigt. Gelegentlich eines Landtages in Sternberg waren wegen Einführung eines neuen Besteuerungsmodus wieder einmal Missverständnisse zwischen den beiden regierenden Herren entstanden. Eleonore Marie begnügte sich nicht, blindlings die Partei ihres Gemahls zu ergreifen und gegen den Schwager bei der Mutter zu Felde zu ziehen, Sie versucht vielmehr, durch eingehende Erkundigungen und Gespräche mit sachverständigen Leuten einen Einblick in die Geschäftslage und die Meinungsverschiedenheiten zu gewinnen, und setzt in sehr verständiger und ruhiger Weise der Herzogin die Sache auseinander, auch hier wieder versöhnend und vermittelnd wirkend. Bittet auch die Schwiegermutter, sich auf dieselbe Weise ein unparteiisches Urteil zu verschaffen.

Wenige Jahre nachher kam der große Sturm über sie, der ihr häusliches Glück zerstörte und sie auf Jahre in einen erbitterten Kampf und in das wirre Getriebe damaliger Politik hinaustrieb. Um die Sachlage zu verstehen, muss man sich die Verhältnisse klar machen, die das Unwetter heraufbeschworen. Mecklenburg war und ist ein durchaus lutherisches Land, und es liegt in der zähen, stetigen Art des Volkes, dass es mit großer Treue an dem Glauben der Väter festhält. Damals waren die konfessionellen Gegensätze weit schärfer zugespitzt als heute, und es erregte großen Anstoß, als Herzog Hans Albrecht reformiert wurde. Dem Lutheraner galt der Calvinist fast weniger als der Katholik. Der Herzog hatte zwar einen Revers unterschrieben, wonach er nichts gegen die Augsburgische Konfession wollte „vernehmen" lassen, er widersetzte sich aber der geplanten hundertjährigen Lutherfeier in Mecklenburg, ließ in der Domkirche zu Güstrow reformierte Geistliche predigen und förderte auch sonst den Calvinismus.

Die Besorgnis, inmitten des lutherischen Landes eine reformierte Partei erwachsen zu sehen, und damit religiöse und politische Wirren ohne Ende herauf zu beschwören, veranlasste den Herzog Adolf Friedrich schon drei Tage nach dem am 23. April 1636 erfolgten Tode seines Bruders, in Güstrow zu erscheinen und trotz der Einsprache seiner Schwägerin die Vormundschaft über den unmündigen Erbprinzen Gustav Adolf sowie die Regentschaft zu be- anspruchen. Die schnell berufenen Landstände leisteten ihm, ebenso wie die Güstrowschen Beamten, den Treueid. Auch die Eröffnung des Testamentes, in dem Hans Albrecht seine Gemahlin zur Vormünderin und Regentin einsetzte, änderte daran nichts, denn Adolf Friedrich berief sich auf Gebrauch und Herkommen seines Hauses und fand um so mehr Zustimmung, als im Testamente drei reformierte Fürsten zu Mitvormündern ernannt waren. Er unter- schätzte seine Schwägerin, wenn er anfangs glaubte, dass es ihm leicht werden würde, sie, wie er es ansah, zu ihrer Pflicht zurückzubringen. Vergeblich versuchte er, sie durch Vertrauenspersonen zu überreden. Sie legt ihren Standpunkt in folgendem Briefe an die Schwester ihres Gemahls, die Herzogin Anna Sophie, dar, die unvermählt in dem säkularisierten Kloster zu Rehna lebte:

„Weil göttliche und weltliche Rechte, auch die Natur, eine jede treue Mutter dahin verpflichten tut, über dies alles auch meines hochseligen hertzliebsten Herrn letzter Wille hier zu kommen, dass meiner lieben Kinder Erziehung billig in Acht nehme, auch das Ihrige bester Maatzen ihnen zum Besten verwalten solle. Ob nun dies ein unbillig Begehren von mir, können Ew. Liebden leicht erachten und ob nicht mein Gewissen mich zwingt, in diesem Falle meine schuldige Pflicht in Obacht zu haben, welche gegen meinen herzliebsten seligen Herrn noch nicht bei mir gestorben, auch nimmermehr ersterben wird, und gegen meiner lieben Kinder ebenmäßig wehren bis in mein Grab. Ew. L. melden auch in dero Schreiben, dass S. Liebden Herzog Adolph vor diesem mir und meinen Kindern wohl zugetan gewesen sei, aber in dieser hohen Betrübnüß, so mir der höchste Gott zugeschickt, leider ein anderes erfahren müssen, denn S. L. mir vorlängst haben andeuten lassen, dass S. L. die Erziehung meines Kindes einig und allein vor sich behalten, und ich sollte mich von diesem Hause auf mein Leibgedinge ( Strelitz ) (da es izund wohl sehr unsicher ist) begeben, mein Kindt aber hinter mir lassen, welches noch in so zarter Kindheit ist, dass es der Mutter Aufsicht hoch benötigt und nur solches von einer hochbetrübten Mutter könne eine Tyrannei genannt werden, gab ich E. L. zu erkennen. Zu dem bilde ich mir auch ein, es könne es niemand hertzlicher und treulicher mit meinen Kindern meinen, als ich selbsten. Ich stelle das aber alles dem höchsten Gott anheim, der wird es so schicken, wie es mir und meinen Kindern zum Besten gereichen möge, welcher ohne Zweifel mein herzliches Sehnen und Seufzen mit Gnaden anblicken wird." –

Da, wie sich leicht denken lässt, alle Bemühungen des Herzogs, das Kind in seine Gewalt zu bekommen, an dem Widerstande der Mutter scheiterten, so ließ der energische und leidenschaftliche Fürst sich zu einem Gewaltschritte verleiten. Er begab sich im Januar 1637 persönlich nach Güstrow und berichtet selbst in seinem Tagebuch über den Vorgang unter dem 17. Januar:

„Habe ich zu meines Bruders Wittib Johann Plessen, Karl Behr und Geo. Flotow gesandt und sie nochmal ermahnen lassen, meinen jungen Vetter heraus zu geben, welches sie sich geweigert. Nach Mittag habe ich ihn ihr vom Schooß genommen, und weil sie mir die Thür verschlossen, hab ich sie öffnen lassen und ihr das Kind aus den Armen genommen( Der kleine Gustav Adolph zählte drei Jahre )." –

Er brachte den Prinzen nach Bützow, wo auch seine eigenen Söhne erzogen wurden. –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Erde - Wanderungen durch Mecklenburg