Abschnitt 1

Friedericke Krüger - Teil 3


Ihre Ahndungen wurden im nächsten Frühjahr erfüllt und ihr Thatendurst gelöscht, als der gewaltige Corse seine Riesenfaust abermals nach der Krone Frankreichs ausstreckte. Das Regiment unserer Heldin, bei der neuen Heereseintheilung der zweiten Brigade des zweiten Armeeeorps (General von Borstell) zugetheilt, rückte über Lüttich nach Huy, stillte die in ersterer Stadt gegen den Feldmarschall ausgebrochene Empörung der sächsischen Garde und wurde in dieser Zeit durch 600 Jünglinge vermehrt, die aus ganz Preußen als freiwillige Jäger in seine Bataillone eintraten. Friederike Krüger nahm an dem bald hernach wieder ausgebrochenen Kampfe, in welchem ihr Regiment aufs Neue hohen Ruhm erwarb, einen wunderbar glücklichen Antheil. Es ist bekannt, daß die Schlacht am 16. Junius eine der mörderischesten im ganzen Kriege gewesen ist. Die Straßen und Gärten der Dörfer Ligny und St. Amand, in denen der Kampf den ganzen Nachmittag hin- und herwogte, waren recht eigentlich mit Blut getränkt. Dem Colberger Regiment ward die Ehre, in dem entscheidenden Augenblicke, als Napoleon mit seiner Garde und 3000 schweren Reitern bei Ligny die preußische Mitte durchbrach, sich diesem Sturme entgegen zu werfen, und an seinem festen Widerstande brach sich zweimal der wüthende Anlauf der französischen Geharnischten. Als aber dennoch die Schlacht verloren war und der Rückzug angetreten werden mußte, gingen die beiden Musketier-Bataillone, in deren erstem unsere Heldin mitfocht, unerschüttert durch das Geschützfeuer und die wiederhollen Reiterangriste des Feindes in geschlossenen Vierecken, wohlgeordnet wie auf dem Exercierplatze eine kurze Strecke ruhig zurück. Bei Bry retteten sie durch abermaliges Vorgehen eine zwölfpfündige Batterie, welche, in einem Hohlwege fest eingeschlossen, sich in der äußersten Gefahr befand, von der feindlichen Reiterei genommen zu werden. Dann blieben sie als die rechten Triarier bis zum Morgen auf dem Schlachtfelde stehen, ohne von dem ergrimmten Feinde weiter belästigt zu werden. Das Füsilier-Bataillon, welches getrennt von den beiden andern gefochten hatte, ging nach bedeutendem Verluste so geschlossen und geordnet aus der Schlacht, daß der General von Gneisenau, welcher alle seine Adjutanten verschickt hatte, sich ihm persönlich anschloss und ihm während der Nacht die Bewachung des großen Hauptquartiers in Tilly übertrug. Das Regiment halte schwere Verluste: 3 Offiziere todt. 10 verwundet, 60 Unteroffiziere und Gemeine todt. 270 verwundet! – Friederike, den ganzen heißen Kampf hindurch mitten im ärgsten Mordgetümmel, würde wunderbar vor den feindlichen Geschossen bewahrt, eben so, wie am 19. und 20., als ihr Regiment, mit zur Verfolgung Grouchy's abgesandt, vor Namur einen äußerst blutigen Kampf zu bestehen hatte, der ihm außer seinem tapfern, bewährten Obersten von Zastrow, bei dem unsere Heldin in besonderer Hochachtung gestanden, an Todten und Verwundeten 19 Offiziere und 427 Mann kostete.


Wie mag sich ihr Herz gefreut haben, als sie nach Beendigung dieser wilden Kämpfe den Tagesbefehl Blüchers an das Heer vom 17. Junius hat verlesen hören, in welchem es heißt: ....Besonders danke ich derjenigen Infanterie, welche beim letzten Angriffe der feindlichen Cavallerie Massen formirte, die Angriffe des Feindes abschlug und sich durch ihr Betragen bei ihm Achtung und Furcht zu verschaffen gewußt hat.“ Denn zu diesen Tapfern gehörte vorzugsweise ihr Regiment, und sie durfte, wenn späterhin dieser Tage Erwähnung geschah, mit freudigem Stolze sagen: „Ich bin auch dabei gewesen.“

Der durch Borstells Arrest verwaiste zweite Heerhaufen wurde nun zur Belagerung der Festungen im nördlichen Theile Frankreichs verwendet Es ging das Gerücht, daß der König dem genannten Generale, der einer seiner Lieblinge war, beim Wiederausbruche des Krieges versprochen habe, er solle in Frankreich die Vorhut führen. Nun aber saß der tapfere Mann fern von seinen treuen Pommern, die ihn, als der Arrestbefehl in Namur eintraf, gar nicht fortlassen wollten, in der Feste Magdeburg, und sein erst nach den Schlachten eingetroffener Nachfolger, der Prinz August, war Artillerist. Darum blieb das Armeecorps vor den Festüngen, und Friederike Krüger wurde die Freude versagt, Zeugin der zweiten Niederwerfung der stolzen Hauptstadt des Feindes zu sein. Ihr Regiment nahm nun Theil an der Eroberung der Festungen Landrecy und Philippeville und an der Belagerung von Givet und der Felsenfeste Charlemont. Vor diesen vier Orten gab es der Waffentänze genug, doch fehlen mir auch hier wieder die Aufzeichnungen der besondern Erlebnisse unserer Landsmännin.

Nach Beendigung der Feindseligkeiten bat Friederike Krüger, da nun fürs Erste kein Krieg in Aussicht stand, um ihre Entlassung aus dem Dienste und erhielt diese auf die ehrenvollste Art, wie ihr vorläufiger, von dem Nachfolger Zastrows, dem Obersten von Schmidt, zu Rocroy am 23. Oktober ausgefertigter Regimentsabschied darthut. Ihr vom General von Krafft zu Rocroy ausgestellter Reisepaß lautet also:

„Reiseroute

für die Jungfrau Auguste Krüger, welche als Unteroffizier im Königlichen Regimente Colberg die Kriegsjahre 1813-1815 mitgemacht hat und nun verabschiedet von hier über“ (folgen die Etappen-Oerter) „nach Berlin geht.“

„Mit dem Bemerken, daß es der Inhaberin freisteht, jeden dritten oder vierten Tag zu ruhen. ersuche ich die Herren Orts-Commandanten ergebenst, derselben außer der gesetzlichen Verpflegung rücksichtlich ihres Geschlechts und ihrer ausgezeichneten Dienste ein zweispänniges Fuhrwerk verabfolgen zu lassen.“

gez. v. Krafft, Gen.-Maj. u. Chef

der 6. Brigade, 2. Arm.-Corps.

Was für Augen diese meistens im Kamaschendienste ergrauten, zu andern Diensten nicht mehr brauchbaren Herren aus der alten Schule wohl gemacht haben, wenn sie diesen Paß lasen!

Friederike erreichte Magdeburg den l. Dezember und meldete sich sofort bei dem dort seine Festungshaft absitzenden General v. Borstell, der ihr noch an demselben Tage ein glänzendes Zengniß ausstellte. Hier ist es:

,,Ich fühle mich verbunden, der Friederike Auguste Krüger in Anerkennung der seltenen Vereinigung des höchsten Heldensinnes und der zartesten Weibertugend dieses kühnen Mädchens, welches bei Dennewitz, obgleich an Schulter und Fuß verwundet, das Schlachtfeld nicht verlassen wollte, das Zeugniß zu ertheilen, daß sie durch den kräftigsten Muth und die sittsamste Bescheidenheit, durch den beharrlichsten Diensteifer und die klarste Besonnenheit das Vertrauen ihrer Vorgesetzten und Untergebenen eben so bald zu gewinnen als stets zu erhalten gewußt hat.“

„Auguste Krüger hat ihr Wort gegen mich bei der ihr früher pflichtmäßig verweigerten und nur ungern zugebilligten Annahme als Soldat gelöset, daß sie sich „„untadelhaft und brav schlagen und sittsam betragen werde““. „Möge dieses außerordentlich verdienstliche Heldenmädchen bald aus dem Geräusch der Waffen in den stillen Genuß einer ihr gebührenden dauernd glücklichen Häuslichkeit versetzt werden.“

Magdeburg, den 1. Dezember 1815.

gez. v. Borstell,

Königl. General-Lieutenant.

Dem Zeugnisse des Generals von Borstell aber dürfen wir vollen Glauben schenken, denn er war ein Ehrenmann wie wenige, wahr, gerecht, freimüthig und furchtlos. Davon hier nur zwei Züge, die allein schon zu dem Vertrauen berechtigen, daß, was er über unsere Heldin sagt, der reinste Ausdruck seiner Ueberzeugung, fern von aller Uebertreibung. war.

Als Bülow seine Schaaren zur Schlacht bei Dennewitz ordnete, hielt er, ein Meister in der Kriegskunst, seinen rechten Flügel, welchem die meiste Gefahr drohte, am längsten zurück. Als aber auch diesen die Uebermacht der Franzosen – es fochten in dieser Schlacht ihrer 70,000 unter zwei der bewährtesten Marschälle, Ney und Oudinot, gegen Bülows 40,000 Preußen, Borstells Brigade mitgerechnet – bei Göhlsdorf hart bedrängte, rief Bülow seinen Rückhalt, den zwei Meilen hinter dem Schlachtfelde bei dem Dorfe Kroppstädt mit etwa 8000 Mann, meistens Pommern, aufgestellten General von Borstell herbei; er solle eilen, die Noth sei groß. Grade als dieser aufbrechen wollte – es war ll Uhr Vormittags – kam Bernadotte daher gesprengt und sagte zu Borstest; „Es ist gut, daß ich Sie hier noch treffe; bleiben Sie hier stehen, ich will mit meiner Armee (er meinte seine 18.000 Schweden und die 9000 Russen unter Winzingerode, welche noch eine Meile hinter Borstell standen) vorwärts gehen, und Sie sollen mir die rechte Flanke decken“. Da erwiderte Borstell freimüthig: „Dort, bei Dennewitz, stehen meine Kameraden in der äußersten Gefahr. Meine Pflicht erfordert, ihnen beizustehen. Ihre Flanke Sich zu decken, Königliche Hoheit, sind Sie selbst stark genug“. Damit empfahl er sich und winkte den Adjutanten; diese sprengten hin, die Bataillone nahmen die Gewehre auf und vorwärts gings. Durch seinen rechtzeitigen Ungehorsam, den ihm sein König nicht übel genommen hat, ward die Schlacht gewonnen. 1)




1) Wörtlich so hat es mir ein lieber Lützowscher Kamerad, der Lieutenant Friedrich Wilhelm Schmidt aus Weimar, der später im Generalstabe arbeitete, einst in Berlin erzählt. Er hatte es aus dem Munde von Augenzeugen. Er soll später, um für Menschenrecht und Menschenfreiheit zu kämpfen, nach Griechenland gegangen und bei Missolunghi gefallen sein. – Der Sache nach hiermit übereinstimmend erzählt den Hergang der Major Wagner in den „Erläuterungen zu den Plänen der Schlachten“ etc. Berlin. 1821. Heft I. S.82.