Abschnitt 3

Friedericke Krüger - Teil 2


Nach der Eroberung Hollands und Belgiens durchbrach Bülow den dreifachen Gürtel der französischen Festungen, welche, nur schwach besetzt, von eben so schwachen Abtheilungen der Unsrigen im Schach gehalten wurden, und vereinigte sich in den ersten Tagen des Märzmonates mit Blücher bei Soissons. Hier war es, wo Brunn seine Landsmännin traf und begrüßte. „Es kam“, erzählt er, „einer unsrer Husaren von einem Ordonnanzritte zurück und theilte mir mit, daß er an dem Lager eines nicht weit von uns stehenden pommerschen Regiments vorbeireitend von einem Unteroffizier desselben gefragt sei, zu welchem Regimente er gehöre; das C auf der Säbeltasche falle ihm auf. Er habe geantwortet: zum Meklenburg-Strelitzschen. „„Ei““, habe der Pommer ausgerufen, „„da sind wir ja Landsleute! Ich bin aus Friedland““. „Auf diese Mittheilung des Husaren“, erzählt Brunn weiter, „bestieg ich sogleich mein Roß und ritt hin. Einen Offizier, den ich vor dem Bivouac der Pommern antraf, fragte ich, ob er mir nicht Auskunft geben könne, in welchem Bataillon sich ein Meklenburger als Unteroffizier befinde, oder wohin ich mich zu dessen Auffindung zu wenden habe. „„Ein solcher steht““, war die Antwort, „„beim ersten Bataillon und ist noch dazu ein weiblicher““. Er befahl nun einem Soldaten, den Unteroffizier Krüger herbeizurufen, der auch sofort erschien. „„Hier ist““, sagte der Offizier, „„ein Landsmann von Ihnen, der nach Ihnen frag““. – Obgleich wir uns seit einer Reihe von Jahren nicht gesehen hatten, so erkannte Friederike mich doch sogleich, wie auch ich mich nach längerer Verwunderung darin fand, die ganz veränderte Jungfrau mit kurzem Haar unter dem Czako, im Kriegsgewande, mit dem eisernen Kreuze auf der Brust und mit den Unteroffiziertressen am weißen pommerschen Kragen vor mir zu sehen. Sie erzählte mir in der Kürze ihre bisherigen Erlebnisse, wie ich ihr die meinigen und die der übrigen Friedländer, welche mit mir in das Husarenregiment eingetreten und zum Theil schon als Opfer des Krieges gefallen waren. – Es hatte sich während dieses Gespräches ein Kreis von ihren Kameraden um uns gebildet, welcher mit großer Aufmerksamkeit und sichtbarem Wohlgefallen unsern Mittheilungen zuhörte und die höchste Achtung vor dem kleinen unbärtigen Korporal durch Geberden und Worte zu erkennen gab. Ein Offizier sagte mir: „„Ihre Landsmännin ist““ (was denn doch in der That in dieser Heldenschaar kein geringes Lob war) ,,,,einer der bravsten Unteroffiziere des Regiments und hat das eiserne Kreuz verdient wie nur einer. Wo zu irgend einer verwegnen That Freiwillige vorgerufen wurden, ist sie immer die erste gewesen, die vortrat, und hat durch kühnen Muth und Geistesgegenwart oft die Bewunderung der ältesten Krieger erregt, wie sie die jüngeren zur Nacheiferung erweckte. Aber eben so große Achtung hat sie auch beim ganzen Regimente wegen ihrer untadelhaften, sittlich reinen Ausführung. Wahrlich, sie macht ihrer Vaterstadt alle Ehre; Friedland kann stolz darauf sein, eine solche Tochter zu haben.““ – Da wirbelten die Trommeln; wir mußten uns trennen, und nicht sie allein, auch ihre umstehenden Kameraden drückten mir zum Abschiede die Hand. Wenige Tage darauf wurde die Schlacht bei Laon geschlagen, wir zogen auf verschiedenen Wegen nach Paris, und ich hatte nicht das Glück, sie in Frankreich wieder zu sehen.“


Das Regiment Colberg rückte bei diesem Siegeszuge auf Compiegne, welches, durch Natur und Kunst stark befestigt, ihm einen heftigen Widerstand leistete. Ein am l. April unternommener Versuch Stadt und Schloß gewaltsam zu nehmen, scheiterte, weil es an Sturmgeräthen gebrach; jedoch gab das Regiment den ungleichen Kampf erst auf, nachdem es 169 Mann, worunter 5 Offiziere, verloren hatte. Friederike Krüger blieb auch in diesem wilden Kriegestanze, wie in der unzähligen Menge aller, welche sie von Arnheim her mitgetanzt hatte, unversehrt.

Unterdeß war Paris am 31. März von den Verbündeten eingenommen, und Bülows Heerhaufe erreichte am 5. April die Höhen des Montmartre, an welchen das Colberger Regiment ein Lager bezog. Mit welchen Gefühlen das Friedländische Ackerbürgerkind auf das stolze Paris zu seinen Füßen mag hinabgesehen haben, möge der Leser sich selbst ausmalen. Vielen einzelnen Kriegern wurde nach Bagensky gestattet, die Straßen der überwundenen Hauptstadt zu durchwandern und ihre Merkwürdigkeiten zu besehen. Ob unsere Friederike davon Gebrauch gemacht, darüber liegt mir nichts vor; bei der Regsamkeit ihres Geistes aber ist das mehr als wahrscheinlich.

Schon am 10. April trat Bülow den Rückmarsch an und rastete längere Zeit in Flandern; den Colbergern wurde Gent als Erholungsquartier angewiesen, wo sie den Mai und Junius hindurch blieben. Bei der Durchreise des Kaisers Alexander durch diese Stadt wurde der Unteroffizier Friederike Krüger zum Ordonnanzdienst bei demselben kommandirt. Die Majestät, über Sie unterrichtet, unterhielt sich sehr gnädig mit ihr und versprach, für sie sorgen zu wollen (Bagensky S. 203). Daß der Kaiser ihr aber sein Wort gehalten habe, ist mir nicht bekannt geworden, es sei denn, daß die nachträgliche Verleihung des Georgen -Ordens dafür gälte.

Darnach bezog das Regiment Ouartiere in Crefeld und Umgegend. Zwar war der Friede geschlossen, jedoch glaubte Niemand an seine Dauer; man hielt ihn nur für eine Art Waffenruhe. Wem aber ein neuer Kampf gelten würde, darüber waren die Meinungen verschieden: das linke Rheinufer war nur zum Theil befreit, der schöne Elsaß blieb in den Krallen seiner Räuber; von der Befreiung der edlen deutschen Stämme zwischen Nord- und Ostsee aus dem Rachen des dänischen Raubthiers, welches sammt seinem Standbilde auf dem Flensburger Kirchhofe erst fünfzig Jahre später ein so klägliches Ende nehmen sollte, war im Pariser Frieden so wenig, wie hernach auf dem Wiener Seelenmarkte die Rede, ja, es wurde im Sommer 1814 allgemein gesagt, die sammt den Franzosen überwundenen Dänen seien frech genug, die Einverleibung Holsteins in Dänemark, also die gänzliche Losreißung dieses hellstrahlenden Diamanten in der Krone der deutschen Gaue vom gemeinsamen Vaterlande zu verlangen! Noch andere glaubten an die bittere Nothwendigkeit eines Krieges um Deutschlands Einheit durch dasselbe Schwert, welches doch, bei Lichte besehen, durch seine wuchtigen Hiebe vor allen den gallischen Drachen zerhauen hatte und dem man jetzt den Preis des Sieges aus Neid und Selbstsucht mißgönnte. Genug, die kriegerische Aufregung im preußischen Heere war bei Jungen und Alten gleich mächtig, und darin sehen wir denn auch den Grund, warum Friederike Krüger das Heer nicht verlassen hat. Auch mochte ihr der Wastenklang lieb geworden sein.