Bourkes Leben

John Gregory Bourke wurde am 23. Juni 1843 zu Philadelphia geboren. Sein Vater stammte aus der Grafschaft Galway im westlichen Teile Irlands und war einer der wenigen Kenner des irischen Zweiges der gaelischen Sprache, die in Irland heute noch die Umgangssprache von etwa einer Million Menschen ist.

Mit neunzehn Jahren trat Bourke als Freiwilliger bei dem 15. pennsylvanischen Reiterregiment ein und wurde 1865 mit ehrenvoller Entlassung ausgemustert, unter gleichzeitiger Verleihung der Tapferkeitsmedaille für sein Verhallen in den Kämpfen am Stone River gegen die Indianer. Auf Empfehlung seines Vorgesetzten, des Generals Georg H. Thomas, wurde er zum Kadetten an der United States Military Academy ernannt, nach bestandener Prüfung 1869 zum Unterleutnant befördert und dem 3. Reiterregiment zugewiesen, bei dem er von da an blieb und alle Kämpfe gegen die Indianer in Neu-Mexiko und Arizona mitmachte. Von 1871 bis 1883 war er Adjutant des Generals Crook und zeichnete sich während dieser ganzen Zeit durch seine Umsicht und eine so außergewöhnliche Tapferkeit aus, dass sein Name als Ausdruck für Mut und Tapferkeit im Heere der Vereinigten Staaten sprichwörtlich galt. Mit General Crook, dem berühmten Indianerbekämpfer, verband ihn eine aufrichtige Freundschaft und Crook halte ein unbegrenztes Vertrauen zur Tüchtigkeit seines Adjutanten. Verschiedene Auszeichnungen, die das Kriegsdepartement an Bourke verleihen wollte, lehnte er ab, so den Rang eines Hauptmanns, als er noch Unterleutnant war, und später den eines Majors, nachdem man ihn 1876 zum Oberleutnant befördert hatte.


Bourke hatte einen offenen Blick für alles, was um ihn vorging. Er führte genaue Tagebücher, auf die selbst General Crook oft zurückgriff, wenn es sich um Feststellung vergangener Ereignisse aus den wechselvollen Indianerkämpfen handelte. In diesen Tagebüchern legte Bourke auch seine Erfahrungen mit den Indianern nieder, die er sich in der langen Zeit des Kampfes und des Verkehrs mit ihnen erworben halte. Er wurde einer der besten Kenner der Sitten und Gebrauche und der Denkweise der Rothäute und sein Mitgefühl für diese sogenannten Wilden zeigte sich oftmals, wenn es sich darum handelte, einzelne Überreste von Stämmen, die man schließlich nur noch als Räuberbanden ansah, vor der gänzlichen Vernichtung zu bewahren. Im Kriegsdepartement zu Washington halte man seine eingehende Kenntnis des geistigen Lebens des Indianers schon früher schätzen gelernt. Er wurde Mitglied von Kommissionen, die über das Schicksal der Überreste verschiedener Stämme entscheiden sollten und erhielt später den besonderen Auftrag, über Sitten und Gebräuche der Pueblo-, Apache- und Navaho

*) Die in den uns vorliegenden Nachrufen gebotenen Angaben sind ziemlich dürftig. Bourkes Freund, Herr James Mooney, der berühmte Indianerforscher, ermöglichte uns mit genaueren Mitteilungen die Abfassung dieses Abrisses, wofür ihm jeder Schätzer weiland Bourkes Dank wissen wird.

Indianer Forschungen anzustellen. Als ein Teil der Ergebnisse dieser Untersuchungen erschien sein Werk über den Schlangentanz der Moquis in Arizona, die erste wissenschaftliche Abhandlung über diese später so berühmt gewordenen Zeremonien.

Im Jahre 1886 berief man den inzwischen zum Hauptmann beförderten Bourke nach Washington, um seine umfangreichen Aufzeichnungen, die Frucht seiner langjährigen Berührung mit den Indianern, auszuarbeiten. Diese Arbeit nahm ihn bis zum Jahre 1891 in Anspruch, denn er begnügte sich nicht mit einer einfachen Zusammenstellung des Stoffes über die Stämme, die ihm am besten bekannt waren, sondern er brachte noch viele Monate in den großen Bibliotheken der Bundeshauptstadt damit zu, gleiche und ähnliche Sitten bei allen primitiven Völkern der Erde zur Vergleichung mit den Indianergebräuchen aufzusuchen Mit welcher Gewissenhaftigkeit Bourke hierbei zu Werke ging, kann man an seiner Abhandlung über die Medizinmänner der Apachen ersehen, die im neunten Jahrbericht des Bureau of Ethnology erschienen ist.

Auf Kotsitten wurde Bourkes Aufmerksamkeit zuerst im Jahre 1881 bei den Zuñi-Indianern gelenkt, als er in deren Ansiedlung einer Zeremonie der Newekwe-Priester beiwohnte; die Ergebnisse seiner Beobachtungen legte er in einer Abhandlung nieder, die man an eine beschränkte Anzahl von Gelehrten verteilte (The Use ol human ordure and human urine in rites ol a religious or semi-religious character among various nations, Washington 1888). Er setzte dann seine Studien in dieser Richtung fort und sammelte in eifriger Arbeit das ungeheure Material zu dem vorliegenden Buche, das im Jahre 1891 unter dem Titel erschien: „Scatalogic Rites of all Nations. A Dissertation upon the Employment of Excrementitious Remedial Agents in Religion, Therapeutics, Divinalion, Witchcraft, Love-Philters, etc., in all Parts of the Globe. Based upon Original Notes and Personal Observation, and upon Compilation from over one thousand Authorities. Not for general perusal. Washington, D. C. 1891."

Nachdem Bourke beim Pan-Amerikanischen Kongresse wegen seiner ausgezeichneten Kenntnisse der spanischen Sprache wesentliche Hilfe geleistet, trat er zu seinem Regiment zurück und führte wieder einige Jahre lang das unstete Leben des Fortkommandeurs in Texas, mit der Bekämpfung unbotmäßiger Indianer und der an der mexikanischen Grenze sich herumtreibenden Räuberbanden beschäftigt. Auf diesen Streifzügen sammelte er ethnologische Gegenstände, von denen einige besonders wertvolle Stücke, darunter das Halsband aus menschlichen Fingern, den Stolz des National-Museums in Washington bilden.

Während der Kolumbischen Weltausstellung nahm das Ministerium Bourkes Hilfe in Anspruch für die spanische Abteilung, wozu ihn seine Kenntnis der spanischen Sprache und spanischer Einrichtungen besonders befähigte.

Hauptmann Bourke starb am 8. Juni 1906 im Polyclinic Hospital in Philadelphia, nachdem er inzwischen wieder in Fort Ethan Allen in Vermont Dienst getan halte. Er war nach Philadelphia gekommen, um Heilung von einer Verletzung zu suchen, die er sich zwei Jahre vorher beim Reiten zugezogen.

Als Mitarbeiter vieler wissenschaftlicher Zeitschriften war Bourke äußerst fruchtbar, namentlich auf anthropologischem Gebiet. Seine bekanntesten Abhandlungen sind: Folk-Lore concerning Arrows; Vesper Hours of the Stone Age; Primitive Distillation among the Tarascos; Distillation by Rarly American Indians; The Laws of Spain in their Application to (he American Indians; Notes on the Cosmogony and Theogony of the Mojave Indians; The Gentile Organization of the Apaches; The Miracle Play of the Rio Grande; The Folk-Foods of the Rio Grande Valley and of Northern Mexico; Populär Medicine, Customs and Superstitions of the Rio Grande.

Während seines Aufenthaltes in Washington gehörte Bourke zum Vorstand der Anthropological Society und im Dezember 1905 wählte ihn die American Folk-Lore Society zu ihrem Präsidenten. Aber seine Wirksamkeit in dieser Stellung war nur von kurzer Dauer; als kranker Mann kam Bourke nach Philadelphia zurück und seine letzte Arbeit erschien im Druck, als er im Sterben lag. Die Zeitschrift der genannten Gesellschaft, der American Anthropologist, drückte bei dem Nachrufe an Bourke ihr Bedauern darüber aus, dass ihr Präsident nach einem tatenreichen Leben umsonst gehofft hatte, in wohlverdienter Mußezeit in friedlicherer Beschäftigung der Wissenschaft dienen zu können. Die umfangreichen Aufzeichnungen Bourkes hätten ihm noch Stoff zu vielen wertvollen Abhandlungen geliefert und es sei beschämend, dass der Staat nicht beizeiten dafür gesorgt habe, Bourke in die Lage zu versetzen, diese Abhandlungen unbehindert verfassen zu können, besonders wo es sich um ein Gebiet handle, auf dem die Forscher nicht sehr zahlreich sind.
Bourke, John Gregory (1843-1896) US-amerikanischer Offizier und Ethnologe

Bourke, John Gregory (1843-1896) US-amerikanischer Offizier und Ethnologe

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