Altdorf

Die hiesige Universität ist sehr unbedeutend. Es sind nicht hundert Studenten hier, höchstens 90, *) durch feines und gesittetes Betragen zeichnen sie sich nicht eben aus.

Die Besoldungen sind sehr gering. Viel Professoren haben nur 200 Gulden Besoldung. Indessen ist hier alles sehr wohlfeil, 2) und man kennt in diesem kleinen offnen Städtchen nicht den Luxus, der auf großem Universitäten herrscht. Durch Kollegia ist wenig zu verdienen. Die Honoraria sind sehr gering. Ein Professor, der sich nur etwas auszeichnet, bleibt selten lange hier, außer etwa bei der juristischen Fakultät, wo die Aktenarbeit eine sehr gute Nebeneinnahme veranlasst, indem sehr viele Sachen an die hiesige Juristenfakultät geschickt werden. Überhaupt haben die Juristenfakultäten auf den Universitäten im Reich sehr viele Responsa zu machen und haben dadurch zum Teil beträchtliche Revenüen.


Die theologische Fakultät hat keinen einzigen vorzüglichen Dozenten, wie sie noch vor einigen Jahren an dem jetzt in Jena angestellten Prof. Döderlein 3) hatte. Der Prof. Sixt 4) ist ein schwacher Mann. Den Prof. Junge 5) hörte ich in der Dogmatik. Sein Vortrag ist sehr eintönig. Der Prof. Gabler 6) ist noch nicht lange hier; er besitzt gute Kenntnisse. Ich hospitierte bei ihm in einem exegetischen Kollegium. Aber seine Methode, zu exegisiren, schien mir nicht zweckmäßig, mehr deklamierend als unterrichtend. Auch sein Ton war zu rednerisch.

*) Nicolai (Beschreibung einer Reise II, 329) gibt für 1781 noch 120 an. Vgl. Mitteilungen des Vereins für Gesch. der Stadt Nürnberg VI (1886), 34. O. A. Wills Geschichte der Nürnberg. Universität Altdorf (1795) gleitet S. 141 über die Frequenz geschickt hinweg. Gedike wird Altdorf vor Nürnberg (s. unten S. 70 A. 1) besucht haben, also am 15. Juli, was mit dem Aufbruch von Tübingen am 13. oder am 12. Abends stimmen würde.

2) Der Historiker Joh. Gottfried Bernhold erschoss sich jedoch 1766 aus Nahrungssorgen. Über die Gehälter Mitteil. a. a. O. VI, 6, 7. Will bezog 525 fl.

3) In Altdorf 1772-82. Vgl. unten S. 79 u. 81.

4) Andreas Sixt 1742-1810, in A. seit 1771.

5) Christian Gottfried Junge, geb. 1748, 1782 Döderleins Nachfolger, ging 1793 als Pfarrer von S. Lorenz nach Nürnberg.

6) Johann Philipp Gabler, 1753-1826, in A. seit 1785, 1804 Nachfolger von Paulus in Jena.


Die Juristische Fakultät besteht aus vier Professoren. Die beiden ersten: Stiglitz 1) und Hoffer 2) sind schon alt. Die beiden letzten: Malblanc 3) und Siebenkees 4) sind ein Paar junge geschickte Männer. Sie sind zwar sehr schlecht besoldet, haben aber doch durch die Fakultätsarbeiten eine gute Nebeneinnahme. Den Prof. Malblanc hörte ich in den Pandekten. Sein Vortrag ist bestimmt und deutlich, nur spricht er gar zu sehr im schwäbischen Dialekt. Den Prof. Siebenkees hörte ich im Naturrecht. Sein Vortrag ist zwar nicht fließend, indem er sich öfters unterbricht, aber doch deutlich und gründlich und nicht ohne Leben.

Die medizinische Fakultät bedeutet hier am wenigsten. Auch studierten jetzt gerade nur 2 Studenten Medizin. 5) Die Professoren haben daher häufig gar kein Kollegium zu lesen. Ich wollte den Prof. Akkermann 6) lesen hören, aber er konnte nicht lesen, weil die beiden medizinischen studiosi nach Nürnberg geritten waren. Nach seiner Lebhaftigkeit im Umgange muss ich indessen schließen, dass er ein guter Dozent sein müsse, wie er denn auch von dieser Seite wie auch als praktischer Arzt von den andern Professoren sehr gerühmt ward. Von der philosophischen Fakultät, die nur 6 Professoren hat, hörte ich den Prof. Will 7) in der Reichsgeschichte, der aber, obgleich schon ziemlich bejahrt, doch mit großer Lebhaftigkeit doziert. Sein Vortrag ist sehr natürlich und angenehm. Der Prof. Jäger 8) ist ein gelehrter, aber sehr hypochondrischer Mann. Doch rühmte man seinen Vortrag.

1) Johann Konrad Stieglitz 1724—1795, seit 1757 in A.

2) Johann Bernhard Hoffer 1728-1792, 1759 nach A. berufen.

3) Julius Friedrich Malblanc 1752-1828, seit 1779 in A., 1792 nach Erlangen, 1793 nach Tübingen berufen.

4) Johann Christian Siebenkees 1753-1841; in A. seit 1776, wurde nach Aufhebung Altdorfs Professor der Literaturgeschichte in Landshut.

5) Schon 1785 sah die Universität auf Semester ohne Mediziner zurück. Mitteilungen o. a. O. VI, 35

6) Christian Gottlieb Ackermann 1756-1801; seit 1786 in A.

7) Georg Andreas Will 1727-1798, seit 1755 in A., der Geschichtsschreiber der Universität (s. o. S. 67 A. 1), wie der Erlanger Meusel namentlich um die Gelehrtengeschichte als Lexikograph mannigfach verdient.

8) Wolfgang Jäger 1734-1795, 1773 Extraordinarius für abendländische Sprachen, 1786 o. Professor der Poesie.


Der Prof. Schwarz, 1) ein schon alter Mann, beschäftigt sich mehr mit Privatunterricht als mit Vorlesungen.

Der Prof. König 2) ist ein sehr hypochondrischer Mann.

Den Prof. Spät 3) hörte ich in der Physik. Er schien mir nicht die Gabe der Deutlichkeit zu besitzen, überdies spricht er zu schnell. Er ist übrigens ein geschickter Mechanikus.

Den Prof. der orientalischen Sprachen Bauer 4) hörte ich über die Psalmen lesen. Sein Vortrag hat viel empfehlendes und angenehmes, und seine Methode zu exegisiren zeugt von gründlichen Einsichten und zugleich von Geschmack.

Die Kollegia werden hier meistens in öffentlichen Auditorien gelesen, deren jede Fakultät ein besonderes hat Die Universitätsgebäude sind besser, als auf vielen andern Universitäten. Die Universitätsbibliothek ist unbedeutend, und hat einen geringen Fonds von höchstens 100 Gulden. Desto wichtiger ist die Trewische Bibliothek, 5) die ein praktischer Arzt in Nürnberg Namens Trew 6) der Universität nebst seinem Naturalienkabinett vermacht hat. Sie ist besonders aufgestellt und vornehmlich im medizinischen und physikalischen Fach sehr gut besetzt. Sie enthält an 27.000 Bände. Der Erblasser hat zwar auch ein Kapital von 6.000 Gulden zur Vermehrung der Bibliothek ausgesetzt. Es kann aber nur die Hälfte der Zinsen dazu verwandt werden, weil die Herrn von Nürnberg so stiefväterlich gegen ihre Universität gesinnt sind, dass sie sich die andre Hälfte als Losung (so heißt dort die gewöhnliche Abgabe, die jeder Partikulier und jedes Corpus nach einer gewissen Proportion entrichten muss) bezahlen lassen.

1) Georg Christof Schwarz 1732-1792, seit 1766 in A., 1789 o. Professor der Ethik. Über seine Bibliothek Nicolai II, 321 f.

2) Johann Christof Koenig 1754-1812; seit 1786 in A., 1789 Ordinarius der Metaphysik.

3) Joh. Leonhard Spaeth 1759-1842, in A. seit 1788, wurde 1809 Mathematikprofessor am Lyceum München, 1826 Ordinarius an der Universität München.

4) Georg Lorenz Bauer 1755-1806, seit 1778 Professor der Beredsamkeit, der morgenländischen Sprachen und Moral, 1805 nach Heidelberg berufen.

5) Beide jetzt Teile der Erlanger Universitätsbibliothek. Vgl. Will a. a. O. 159 ff. 174 ff.

6) Christof Jacob Treu 1695-1769. Vgl. Will a. a. O. 175 über die Schenkung von 1768.


In der Beilage sind der Lektionskatalog, die akademischen Gesetze und eine Nachricht von der Trewischen Stiftung befindlich.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Universitäts-Bereiser