Der Universitäts-Bereiser

Friedrich Gedike und sein Bericht an Friedrich Wilhelm II.
Autor: Fester, Richard Dr. (1860–1945), deutscher Historiker, Universitäts-Professor in Erlangen., Erscheinungsjahr: 1905
Themenbereiche
Einleitung

„Gedicke, der Universitäts-Bereiser, denkt meiner auch“, schreibt Schiller im Anfang seines zweiten Jenaer Semesters am 4. November 1789 an Karoline von Beulwitz. 1) Das Epitheton ist seit dem Bekanntwerden jenes Briefes in Umlauf. Die Erklärung ist uns die Schillerforschung schuldig geblieben. Der Hinweis Bornhaks 2) auf Gedikes Bericht über vierzehn außerpreußische Universitäten und auf sein Urteil über Schiller als Dozent wurde in den letzten fünf Jahren ebenso übersehen wie Gedikes schon seit 1808 veröffentlichter Tagebucheintrag vom 29. Juli 1789: 3) „Schiller hatte an 400 Zuhörer in seiner Einleitung in die Universalgeschichte. Im Umgange ist Schiller recht sehr angenehm, obgleich sein Äußeres zurückschreckend scheinen kann.“

Wie ich selbst durch das Säkularjahr auf die Spur des unten mitgeteilten Aktenstückes geführt wurde, 4) wird auch der Leser sich zunächst daran erinnern, dass Gedikes akademische Momentaufnahmen aus dem Sommer 1789, dem ersten Vorlesungs-Semester Schillers, stammen. Noch zweimal begegnet uns Gedike in Äußerungen Schillers. An Humboldt nennt er ihn am 7. Dezember 1795 zusammen mit Voß, Stolberg, Klopstock, Ramler, Schlosser und andern, deren Werke dem Freunde „vielleicht Veranlassungen zur Prüfung und zur Widerlegung geben 5) und im „Xenienmanuscript“ witzelt er über den Namen des Berliner Schulmannes: 6)

„Wunderlich finden zuweilen sich menschliche Namen zusammen,
Von Herrn Gedikes Hand liest man hier Pindarn verdeutscht.“


1) Briefe. Jonas II, 359.

2) Gesch. der preußischen Universitätsverwaltung bis 1810. Berlin 1900. S. 102.

3) Bei Horn, Friedrich Gedike. Berlin 1808. S. 185. Horn hat leider nur ein Bruchstück des Tagebuchs 171-186 veröffentlicht Es ist mir bis jetzt nicht gelungen, zu ermitteln, ob die Urschrift noch existiert. Sie wurde, wie schon die Fragmente erkennen lassen, den Bericht in erwünschtester Weise ergänzen.

4) Den Hinweis auf Bornhak und sein Zitat verdankte ich meinem Kollegen Steinmeyer, als ich mich über die Universitätsverhältnisse im Jahre 1789 orientieren wollte. Bornhak hatte dann die Freundlichkeit, mir aus seinen Exzerpten die Provenienz seiner Notiz mitzuteilen. Der Bericht ruht im Berliner Staatsarchiv. Rep. 76, II. Abteil. Nr. 1.

5) Bd Jonas IV, 343. Briefwechsel Schiller-Humboldt. 3. A. von Leitzmann S. 234.

6) E. Schmidt-B. Suphan. Xenien 1796. S. 86 Nr. 756.


Im Rahmen einer kritischen Würdigung älterer Übersetzungen wäre eine Besprechung der Pindarübertragungen von 1777-79 auch 1795 noch nicht zu spät gekommen, während der Xenienwitz allerdings beträchtlich nachhinken würde, wenn er nicht sowohl dem Pindarübersetzer als dem „Universitätsbereiser“ gilt, der des Dozenten Schiller so ganz anders gedacht hat, als es sich dieser in seinen hoffnungsvollen akademischen Flitterwochen träumen ließ.

Ober Friedrich Gedike (1754-1803) darf ich mich hier kurz fassen, da er schon früh Biographen 1) gefunden hat, und seine pädagogische Wirksamkeit von Paulsen 2) und andern eingehend geschildert worden ist. Seit 1779 Direktor des Friedrichwerderischen Gymnasiums in Berlin, seit 1784 Oberkonsistorialrat, 1787 zum Mitglied des neuerrichteten Oberschulkollegiums ernannt, hat er als Vertrauensmann des Ministers von Zedlitz seinen Einfluss durch die seit 1786 mit Biester herausgegebene Berliner Monatsschrift noch verstärkt. Es kann an sich nicht auffallen, dass gerade er von der preußischen Regierung dazu ausersehen wurde, w teils überhaupt die Verfassung der fremden Universitäten kennen zu lernen, teils von dem Vortrag solcher Professoren, auf die einmal bei irgend einer preußischen Universität reflektiert werden könnte, zuverlässig Nachricht und Kenntnis einzuziehen.“3) Ähnliche Aufträge, wenn auch anscheinend nicht in so umfassen der Weise, waren schon öfter erteilt worden. 4) Auffallend ist seine Entsendung lediglich in Anbetracht des Umstandes, dass die Adresse 1789 lautet: an Exzellenz von Wöllner, dass eine so wichtige Mission für die preußischen Universitäten auch unter dem neuen Kultusregime ein Jahr nach dem Religionsedikt einem ausgesprochenen Aufklärer 5) übertragen wurde.

1) Horn s. o. Weitere Nachweise von H. Döring in Ersch u. Grubers Enzyklopädie 1. Sektion 55 (1852), 427-436. Kaemmel in der Allg. deutschen Biographie VIII, 487-90.

3) Gesch. des gelehrten Unterrichts II2, 82-90 u. ö. Rethwisch, Zedlitz u. Preußens höheres Schulwesen 2 A. 1886, S. 186, 195 u. ö. Koser, Friedrich II. II, 594.

3) Vom 17. Dezember 1789. Beilage des Berichts. Berlin. St. A.

4) Bornhak a. a. O.

5) Im Tagebuch 182 nimmt Gedike bei Bamberg geradezu Bezug auf Nicolais Beschreibung einer Reise durch Deutschland 1 (1783), 130 ff.: „Hier fand ich N .... s Bemerkung von gewissen Physiognomien sehr wahr“. Wäre das ganze Tagebuch zugänglich, so würde die verwandte Anschauungsweise Gedikes und Nicolais noch mehr auffallen.

Johann Christoph Friedrich von Schiller 1759-1805

Johann Christoph Friedrich von Schiller 1759-1805