Erlangen

Diese Universität hat bei allen Fakultäten einige vortreffliche Lehrer. Die Frequenz ist indessen im Abnehmen, Noch vor einigen Jahren waren an 300 Studenten da; jetzt nicht 200, darunter etwa 60 Theologen, 100 Juristen, und — was bei dieser kleinen Frequenz wirklich auffallend ist 40 Mediziner. Ausländer sind nicht viele hier. Doch studieren selbst einige Preußische Edelleute hier, unter andern ein Herr von Schlader, der kürzlich den Charakter eines Legationsrats bekommen, jedoch vornehmlich, seitdem er diesen Titel bekommen, mehr dem Vergnügen nachgeht als wirklich studiert.

Die Verringerung der Frequenz will man den mancherlei Einschränkungen beimessen, denen die Studenten seit einigen Jahren unterworfen werden. Dahin gehört z. B., dass kein Student nach 10 Uhr sich in einem öffentlichen Hause oder auch nur auf der Straße darf sehen lassen; selbst auf ihren Stuben dürfen sie nicht nach 10 Uhr zusammen bleiben u. s. w. Die Gesetze werden indessen auf mancherlei Art eludirt. So gehen z. B. die Studenten nunmehr des Abends auf die Dörfer und bleiben da über Nacht. Sie reiten und fahren nun desto öfter nach Nürnberg u. s. w.


Vor 7 Jahren ward eine Einrichtung zur Aufsicht über die Ökonomie der Studierenden gemacht Der gedruckte Plan davon ist unter den Beilagen befindlich. Allein die Anstalt hat auch hier kein Gedeihen gehabt, indem nur wenige Eltern ihre Söhne unter die öffentliche Administration des Oeconomi publici geben.

Der regierende Markgraf 2) hat für die Universität sehr viel getan und ihren anfänglich geringen Fonds nach und nach beträchtlich erhöht; und man erwartete eben neue Zuschüsse, zu denen bereits gewisse Hoffnung war. Die Tätigkeit und die Einsichten des jetzigen Kurators, des Ministers von Seckendorf, 3) werden sehr gerühmt. Er dirigiert gemeinschaftlich mit einigen Räten von den Ansbachischen Kollegien das Universitätswesen.

1) In Nürnberg hielt G. sich am 16. Juli auf. Tagebuch 180. Der Aufenthalt in E. fällt zwischen den 17. und 21. Juli.

2) Der letzte Markgraf von Ansbach-Bayreuth Karl Alexander 1769-1791; als zweiter Gründer durch Umtaufe der Friedrichsuniversität in Friderico-Alexandrina gefeiert.

3) Friedrich Karl Freiherr von Seckendorf.


Die Besoldungen sind hier sehr verschieden und ungleich. Die gewöhnliche eigentliche Besoldung jedes Professoris ordinarii sind 500 Gulden. Jedoch haben die meisten eine bald größere, bald kleinere Zulage. Die stärkste Besoldung hat der Geheime Kirchenrat Seiler, nämlich 1.700 Gulden. Er ist überdies noch Superintendent. Der Prof. Hufnagel hat 1.200 Gulden. Verschiedene Professoren haben 900 Gulden, einige 800, z. B. Hartes. Mit Titeln ist man ziemlich freigebig.

Jedes Landeskind wird vor Beziehung der Universität beim Bareuter Konsistorium oder beim Scholarchat in Ansbach examiniert. Wird er unreif befunden, und bezieht dennoch die Universität, so versperrt er sich selbst dadurch den Weg zu allen Beneficien und zu seiner künftigen Versorgung im Lande. Allein nur gegen die Bürger- und Bauern-Söhne ist man so streng. Die Söhne der markgräflichen Bedienten werden zwar auch examiniert, jedoch selten abgewiesen.

Alle Vierteljahr muss jeder Professor eine genaue Beurteilung aller seiner Zuhörer an das Kuratorium einsenden. Das tabellarische Schema ist unter den Beilagen befindlich.

Unter den hiesigen öffentlichen Instituten zeichnet sich das klinische Institut sehr vorzüglich unter der Direktion des Hofrath Wendt 1) aus. Ich war selbst im Collegio clinico gegenwärtig. Die Kranken fanden sich sehr zahlreich ein. Die Auditores mußten selbst zuerst ihre Meinung sagen, die nachher von dem Professor berichtigt ward. Jeder erhält einige Kranken zur Besorgung, führt darüber ein Tagebuch, und stattet in den Zusammenkünften genauen Bericht von dem Gange der Krankheit der ihm anvertrauten Patienten ab. Die Methode des Hofrath Wendt, in diesem collegio clinico das Nachdenken und den Beobachtungsgeist seiner Lehrlinge zu erwecken und zu schärfen, ist vortrefflich. Auch zieht bloß der Ruf dieses klinischen Instituts und seines eben so tätigen als geschickten Vorstehers mehrere medizinische Studenten hierher, als man nach der übrigen Frequenz verhältnismäßig hier erwarten sollte.

1) Friedrich Wendt 1738-1808.

Auch ist ein philologisches Seminarium hier, das mit dei Göttingischen und Hallischen einerlei Zweck und Einrichtung hat. Der Seminaristen sind 8. Jeder bekömmt ein Beneficium von 40 Gulden jährlich und einen Freitisch, Der Hofrath Harles 1) ist Direktor. Viermal in der Woche übt er die Seminaristen im Interpretieren, und alle 6 Wochen disputiert ein Seminarist öffentlich. Über den Fleiß der Seminaristen berichtet der Direktor halbjährig. Keiner von ihnen darf ohne Erlaubnis eine auswärtige Versorgung annehmen. Es ist durch dies Institut schon mancher gute Schulmann gebildet worden.

Die theologische Fakultät besteht aus drei ordentlichen Professoren. Der berühmteste unter ihnen ist der Geheime Kirchenrat Seiler 2). Ich hörte ihn in der Dogmatik. Sein Vortrag ist zwar frei und fließend, aber zu gedehnt, zu wortreich und eben daher nicht deutlich, noch weniger bestimmt. Sein Beifall hat überhaupt abgenommen, sowie sein Gewicht bei Hofe. Der Prof. Hufnagel, 3) mit dem er in größter Uneinigkeit lebt, hat ihm vielen Abbruch getan.

Dieser Prof. Hufnagel ist noch ein junger und sehr lebhafter Mann. Sein Vortrag ist sehr freimütig, fließend und lebhaft, und man hört ihm mit Vergnügen zu, weil nicht nur alles, was er sagt, sehr gut gedacht, sondern auch sehr gut ausgedrückt ist. Eben so vielen Beifall hat er als Universitätsprediger. Da ich gerade einen Sonntag in Erlangen war, so hörte ich ihn auch predigen. Auch hier war sein Kanzelvortrag vortrefflich und seine Deklamation und Aktion sehr natürlich und gefallend. Er hat nicht viel Freunde in Erlangen, welches vielleicht von seinem großen Einfluss bei dem Kurator der Universität herrührt.

Der Prof. Rau, 4) der zugleich Prediger ist, soll ein sehr gelehrter Mann sein. Aber im Umgang ist er trocken und steif und so soll auch sein Vortrag sein. Bei der Juristenfakultät hat der Prof. Glück 5) den größten Beifall. Es ist in der Tat ein großer Verlust für Halle, wo er ehemals war, gewesen, dass man ihn nicht dort zu fesseln gesucht. Er wird von Professoren und Studenten außerordentlich geschätzt. Ich hörte ihn in der Rechtsgeschichte. Er stand gerade bei einer trockenen Materie, bei der Rezension der verschiedenen Ausgaben des Corpus juris. Er schien mir hier zu sehr ins Detail zu gehen; auch sprach er zu schnell. Sein Vortrag ist übrigens deutlich und lebhaft. Ihn wieder nach Halle zurückzuziehen, würde für diese Universität bei der jetzigen Lage der dortigen juristischen Fakultät gewiss sehr vorteilhaft sein.

1) Gottlieb Christof Harleß 1738-1815. Über das 1777 eröffnete philologische Seminar, Engelhardt, Die Universität Erlangen von 1743-1843, S. 150 ff.

2) Georg Friedrich Seiler 1733-1807. Engelhardt S. 59.

3) Wilhelm Friedrich Hufnagel 1754-1830, ging er 1791 als Senior und Konsistorialrat nach Frankfurt a. M. Vgl, über ihn als Redner. Fester, Beiträge zur Geschichte der Universität Erlangen S. 21 ff. In Goethes Tagebüchern begegnet er 1797 mehrfach, vgl. Weimarer Ausgabe II, 82 f.

4) Johann Wilhelm Rau 1745-1807.

5) Christian Friedrich Glück 1755-1831, war 1784 von Halle nach E. berufen worden.


Ich hörte ferner den Prof. Klüber, 1) einen jungen, aber gelehrten und geschmackvollen Juristen. Sein Vortrag ist noch etwas ängstlich, übrigens aber deutlich und bestimmt. Er wird in Erlangen sehr geschätzt.

Der jüngste juristische Professor Tafinger 2) ist noch zu sehr angehender Dozent. Sein Vortrag ist nicht bestimmt genug, dabei monotonisch, und die Stimme unangenehm.

Die Professoren der medizinischen Fakultät sind größtenteils schon ziemlich alt. Der jüngste ist der Hofrath Wendt, der auch den meisten Beifall hat. Ich hörte ihn mit vielem Vergnügen in dem bereits oben erwähnten Klinikum.

Die philosophische Fakultät besteht nur aus 6 ordentlichen Professoren. Der älteste darunter ist der Hofrath Harles. Er ist allerdings ein gelehrter Humanist, aber sein Vortrag wird nicht gelobt Besonders meint man, dass es ihm an Geschmack fehle. Der Hofrath Schreber, 3) der sowohl zur philosophischen als medizinischen Fakultät gehört, ist ein großer Naturforscher, aber zu ängstlich und hypochondrisch. Der Hofrath Breyer 4) wird als philosophischer Dozent gerühmt Der Hofrath Pfeifer, 5) Prof. ling. orient, ist äußerst harthörig, welches auf seinen Vortrag keinen vorteilhaften Einfluss hat. Der Hofrath Meusel 6) war gerade krank, so dass ich ihn nicht hören konnte. Indessen liest er, wie man mir sagte, manche historische Kollegia mit großem Beifall. Den Hofrath Mayer 7) hörte ich in der reinen Mathematik. Sein Vortrag ist sehr deutlich und fließend, daher dis Kollegium auch stärker besetzt war, als ich erwartet hatte. Noch mehr Beifall soll er in der Physik haben.

1) Johann Ludwig Klüber 1762-1837, bekannter Staatsrechtslehrer, trat 1804 in badische Dienste.

2) Wilhelm Gottlieb Tafinger 1760-1815, wurde 1790 nach Tübingen berufen.

3) Johann Christian Daniel Schreber 1739-1810; las auch über Botanik, Ökonomie und Kameralwissenschaften.

4) Johann Friedrich Breyer, gest. 1826.

5) August Friedrich Pfeiffer 1748-1817.

6) Johann Georg Meusel 1743-1820. Über Meusels Lehrerfolge in Erfurt und Elangen Steinmeyer in der Allg. deutschen Biogr. XXI, 543,

7) Johann Tobias Mayer 1752-1830, wurde 1799 nach Göttingen berufen.


Außerordentliche Professoren und Privat-Dozenten gibt es hier ziemlich viele. Aber bei der geringen Frequenz der Universität kommen viele von ihnen angekündigte Kollegia nicht zu Stande. Jedoch hat unter ihnen der Prof. Pabst 1) ziemlichen Beifall, obwohl sein übrigens gut ausgearbeiteter Vortrag nicht freimütig genug ist, indem er zuviel vom Papier abliest.

In den Beilagen sind außer den Lektionskatalogen mehrere die Verfassung dieser Universität betreffende Schriften und Verordnungen befindlich.

Anhangsweise merke ich hier noch an, dass ich in Nürnberg einen jungen Gelehrten kennen lernte, der gewiss jeder Universität Ehre machen würde. Ich meine den Magister Mannert, 2) der sich besonders durch seine alte Geographie sehr rühmlich bekannt gemacht hat. Er steht in Nürnberg als einer der untern Lehrer des dortigen Gymnasiums nicht recht an seinem Platze, wird aber übrigens als Dozent sehr gerühmt.

Auf dem Wege von Erlangen nach Erfurt lernte ich das unweit Gotha zu Schnepfenthal errichtete Salzmannische Erziehungsinstitut kennen. Nach den vielen Beschreibungen, die Herr Salzmann 3) selbst davon in mehreren Schriften bekannt gemacht, und nach den zum Theil enthusiastischen Lobeserhebungen dieser Anstalt in manchen öffentlichen Blättern war meine Erwartung sehr hoch gespannt, aber sie ward wenig befriedigt. Es herrscht in dem Institut zu viel Sonderbarkeit, zu viel Spielendes. So ein vortrefflicher Mann von Charakter Herr Salzmann ist, so scheint er mir doch die Welt zu wenig zu kennen, oder sie doch zu einseitig zu betrachten. Der Unterricht schien mir in mancher Rücksicht mangelhaft. Auch ist jetzt die Zahl der Zöglinge nur sehr gering. 4) Noch wenigem Fortgang hat das eben daselbst von Salzmanns Schwager, Herrn Andrä, angelegte weibliche Erziehungsinstitut.

1) Johann Georg Friedrich Papst 1754-1821, wurde 1790 Ordinarius und ging 1796 als Pfarrer nach Zirndorf. Über seine Vorlesungen Engelhardt 68 f.

2) Konrad Mannert 1756-1834, wurde 1796 nach Altdorf, 1805 nach Würzburg, 1807 nach Landshut (seit 1826 München) berufen. Seine „Geographie der Griechen und Römer erschien Nürnberg 1788-1812 in 7 Teilen.

3) Christian Gotthelf Salzmann 1744-1811, Ausführlicher über den Besuch in Schnepfenthal am 23. Juli Gedikes Tagebuch bei Horn 182 ff.

4) Mit Salzmanns eigenen Kindern 16. Tagebuch a. a. O.





Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Universitäts-Bereiser