Vierte Fortsetzung

Und welches ist nun das praktische Ziel, zu welchem in diesem Augenblicke die Staaten Europas sich vereinigen sollen? Ich wiederhole es kurz und klar: Gewalt muss angewendet werden zur Abschaffung der afrikanischen Sklaverei. Das Übel steckt zu tief und ist zu weit verbreitet, als dass man es noch auf andere Weise besiegen könnte, bevor es sein Werk der Vernichtung vollbracht.

Durch Überzeugung können die Missionare wohl einzelne Völkerschaften bekehren, aber sie sind noch zu wenig zahlreich, als dass ihre Tätigkeit sich auf die ganze weite Ausdehnung des inneren Afrika fühlbar machen könnte. Ehe das geschehen kann, wird die rasch fortschreitende Zerstörung Alles verschlungen haben.


Dasselbe sage ich von der Wohltätigkeit zum Loskauf der Sklaven. Mehrere haben im Gefühle großmütigen Mitleids diesen Weg vorgeschlagen. Gott bewahre mich davor, dass ich die Christen von diesem Gefühl, das so sehr ihrem Glauben entspricht, ablenke. Aber wo soll man einerseits die Summen finden, um so viele Sklaven loszukaufen, und wird anderseits nicht gerade durch den Ankauf der Habgier der Sklavenjäger neue Nahrung gegeben? Wenn der Verkauf sicher und lohnend gemacht wird, so wird die Jagd auf Menschen darin neue Gründe nach größerer Ausdehnung finden.

Was notwendig ist, ich sage es noch einmal, ist Anwendung von Gewalt, einer bewaffneten Armee, natürlich nur zur Verteidigung bestimmt. Man hat ja die Erfahrung bei dem überseeischen Sklavenhandel gemacht: Alles war unnütz bis zu dem Tage, wo die französischen, englischen und amerikanischen Schiffe eine unübersteigbare Schranke aufrichteten. Aber für den Sklavenhandel zu Lande sind diese Kreuzer ungenügend. Man muss, nach der Idee des Generals Gordon, Barrieren im Lande aufführen, welche den Karawanen den Weg nach den Ländern, aus welchen die Sklaven geholt werden, verlegen, ferner einige leichte Truppen schaffen, welche überall hinfliegen können, wo diese infame Jagd sich bemerkbar macht. Das ist die Ansicht Aller, welche unsere afrikanischen Verhältnisse kennen, es ist auch jene, welche mir der Herr Kommandant Cameron noch heute Morgen in seinem Briefe aussprach.

Ich will nun einmal den Fall annehmen, dass die Mächte, welche oft verschiedenartige Ansichten und Interessen haben, sich nicht verständigen können oder wollen: dann — ich sage es mit gleicher Bestimmtheit und gleicher Freimütigkeit — geht dieselbe Pflicht von den Regierenden auf die christlichen Völker über. Und sie können diese Pflicht erfüllen: man sieht es an den christlichen Missionen, für welche die Regierungen sich nicht interessieren und welche die Völker auf sich genommen haben. Warum sollten sie dasselbe nicht auch für ein Werk tun, welches sich seiner Natur nach so ganz dem Werte der Glaubensverbreitung anschließt? Warum sollte persönliche Hingebung nicht im Stande sein, zu vollbringen, was die Regierungen nicht unternehmen könnten? Diese haben bisher noch keinen Mann nach den Hochebenen von Central-Afrika gesandt. Weshalb sollten Privatgesellschaften, ähnlich jenen, wie sie das Mittelalter gesehen hat, nicht Leute hinsenden können, welche den Schwarzen lehren, wie man sich gegen Mörder und Räuber verteidigt?

Hat uns Stanley nicht bewiesen, was ein Mann, ein einziger Mann, unterstützt von einigen hundert Schwarzen, mit Mut und Ausdauer fertig bringen kann? Hat nicht Emin Pascha es verstanden, sich eine bewaffnete Macht zu bilden und zu führen, um in seinem Bereiche Ordnung zu halten? Ich könnte Euch noch einen bescheideneren Helden nennen, einen früheren Hauptmann der päpstlichen Zuaven, der seit fast neun Jahren allen Entbehrungen, allen Anstrengungen und Gefahren unter dem Äquator trotzt, um eine kleine Armee von Schwarzen zu erziehen, und der durch seinen Mut und seine Hingebung die ihn umgebenden Stämme schützt. Er heißt Joubert. Andere könnten ihn nachahmen, sie könnten einzeln ihre Unternehmungen beginnen oder sich, wie früher, zu einem gemeinsamen Feldzuge vereinigen. Solche Leute fehlen nicht bei Ihnen, schon seit meiner Ankunft in London habe ich entsprechende Anerbietungen erhalten. Möchten diese Angebote sich vervielfältigen, möchten wir auf den verschiedenen Punkten Inner-Afrikas Leute wie Stanley, Emin Pascha und Joubert haben, und das Problem würde gelöst sein. Denn das, was uns fehlt, sind nicht, wie Manche glauben, zahlreiche Armeen: es sind Männer, selbst allein stehend, aber mächtig durch Tapferkeit und Unternehmungsgeist, fähig, die Schwarzen so auszubilden, dass sie ihren Feinden Widerstand leisten können, und fähig, sie zu führen.

Etwas Unentbehrliches indes wird ihnen und uns selbst noch fehlen, und dieses zu liefern, muss die Aufgabe Aller von jetzt ab sein. Der kriegerische Mut, die Kraft, um Gefahren und Anstrengungen Trotz zu bieten, sind nicht eines Jeden Erbteil, die Wohltätigkeit dagegen ist eine Pflicht Jedermanns, und hier ist sie geboten, um die notwendigen Hilfsmittel für jene Männer zu liefern, die sich bereitfinden, Blut und Leben zu opfern.

Sie können nicht besser zu diesem Werte beitragen, als wenn Sie sich dem Verein anschließen, der uns heute versammelt hat. Nichts steht der Bildung gleicher Gesellschaften in den übrigen Ländern im Wege. Erinnern Sie sich nur daran, dass in diesem Augenblicke, wo ich zu Ihnen rede, das Blut in Strömen auf dem afrikanischen Festlande fließt. Erinnern Sie sich, dass es nur von Europa abhängt, diesen Gräueln Einhalt zu tun, und dass, wenn es das nicht tut, vor Gott und der Geschichte die Verantwortlichkeit dafür trägt. Neunzehnhundert Jahre sind es, da hat die Welt von den Lippen eines Volkes, in dessen Macht es stand, mit einem Worte das Vergießen unschuldigen Blutes zu hindern, die Worte der Gleichgültigkeit, der Selbstsucht und Furcht gehört: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ Ja, das Blut floss, aber das Volk, welches es vergießen ließ, verlor Alles, was ein Volk verlieren kann, seine Ehre und sein Vaterland, und heute sehen wir es zerstreut nach allen vier Winden des Weltalls. Geben wir Acht, damit das in Afrika vergossene Blut nicht einen gleichen Fluch über Europa herabzieht. Möge Gott jenen Erdteil retten von der Geißel, die ihn zu verderben droht. Möge er ihn retten, indem er den Machten hochherzige Entschlüsse eingibt und aus dem Schoße des christlichen Volkes Opferwilligkeit und christlichen Mut erstehen lässt!“

Soweit der Apostel Afrikas. Es ist kaum nötig, noch ein Wort hinzuzufügen. Um unsere Leser indes einen noch tieferen und schaurigeren Blick in die von dem Kardinal geschilderten Zustände tun zu lassen, geben wir nachstehend einige Zeugnisse von Missionaren und Forschern, teils im Auszüge, teils ihrem ganzen Umfange nach. Zunächst lassen wir die beiden Briefe folgen, auf welche der Kardinal in vorstehender Rede Bezug genommen hat.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sklavenhandel in Afrika und seine Gräuel