Brief des englischen Afrika-Forschers Cameron.

An Se. Eminenz Kardinal Lavigerie. Monseigneur!

Ich sehe mit großer Freude, dass Ew. Eminenz nach London gekommen sind, um uns Engländern die Frage des Sklavenhandels ans Herz zu legen. Während der drei Jahre meiner Reisen durch Afrika bin ich oft Zeuge der Leiden gewesen, die der Sklavenhandel mit sich führt, und vorher habe ich vier Jahre hindurch Jagd auf die arabischen Dahous (Fahrzeuge) gemacht, welche Sklaven nach Asien überführten. Die Mehrzahl von Jenen, die heute noch an die Schrecklichkeiten des Sklavenhandels denken, glauben, dass diese Frage nur den Sklaventransport zur See angehe, und dass die Armseligen auf dem Lande weder so sehr misshandelt, noch so unglücklich seien.


Monseigneur! Ich habe die Sklaven auf den arabischen Dahous gesehen, zusammengeknebelt, die Knie am Kinn, bedeckt mit Wunden und Geschwüren, sterbend aus Mangel an Speise und Trank, die Toten mit den Lebenden zusammengebunden, und dazwischen hausten die Blattern und vergrößerten mit ihrer verderblichen Ansteckung noch das Elend!

Aber das ist noch nichts im Vergleiche mit den Scheußlichkeiten, die man auf dem Lande sieht: niedergebrannte Dörfer, ermordete Menschen, die ihren Herd verteidigten, ganze Provinzen verwüstet, vergewaltigte Frauen, vor Hunger sterbende Kinder! Hat eine Mutter die Erlaubnis erhalten, ihr Kind mit sich zu nehmen, und der brutale [Sklaven]treiber findet, dass die arme schwache Frau nicht gleichzeitig ihr Kind und die ihr auferlegte Last tragen kann, so schleudert er das Kind zur Erde und zerschmettert ihm den Kopf vor den Augen der Mutter! Tausende der armen Menschenkinder müssen in schweren Lasten selbst die Beute tragen, welche die grausamen Räuber ihnen gestohlen, sie werden gezwungen, zu marschieren, sterbend und bedeckt mit Wunden, und außer ihrer Bürde tragen sie noch ein Joch (ähnlich wie bei uns die Zugtiere) am Halse.

Die Marschunterbrechungen gewähren ihnen keinerlei Erleichterung. Sie sind gezwungen, Unterkommen für ihre Herren herzurichten und sich dann, oft ohne etwas gegessen zu haben, in Kälte und Regen schlafen zu legen. Wenn es verkommt, das; ein armer Sklave nicht mehr einen Fuß vor den anderen setzen kann, so nimmt man ihm doch nicht einmal das Joch vom Halse, im Gegenteile, man lässt es ihm, um es ihm so unmöglich zu machen, dem Tode zu entrinnen. Manchmal wurden Männer und Frauen, die in diesem Zustande am Wege liegen blieben, noch lebend von den wilden Tieren zerrissen, und doch sind Bestien weniger blutgierig, als Jene, welche die Armen ohne Hilfe zu Grunde gehen lassen.

Einige von denen, welche den Sklavenhandel zu Lande verteidigen wollen, sagen, er sei eine Notwendigkeit für den Elfenbeinhandel. Ich weiß wohl, dass mehrere arabische Kaufleute, welche Elfenbein aus Afrika holen, gleichzeitig Sklavenhandel treiben, weil ihnen die Arme freier Leute zum Transport des Elfenbeins fehlen. Aber die hierfür verwandten Sklaven machen nicht ein Zehntel jener Schwarzen aus, die man heute in die Sklaverei schleppt. Die [Sklaven]jäger, welche den schottischen Missionen und den europäischen Handelsniederlassungen von Nvassa so viel Schaden tun, sind weder Araber noch Elfenbeinhändler. Es sind vertierte Mestizen, welche Sklaven rauben, um ein Faulenzerleben führen und sich ihren viehischen Belustigungen hingeben zu können. Sie finden heute Gelegenheit, ihre Beute an Leute abzusetzen, welche sich verpflichtet haben, „freie Einwanderer“ zu finden. Alle mohammedanischen Länder und selbst einige heidnische schwarze Völker kaufen heute Sklaven und denken wenig an Elfenbein.

Die Sklaven, welche früher einen fast freien Markt in Ägypten fanden, werden jetzt nach dem Tripolitanischen und in den Süden der Berberstaaten transportiert, mitten durch die Sahara, deren Sand mit ihren Gerippen besäet ist. Die bedeutendsten einheimischen Häuptlinge, wie Karugo und Muanga, veranstalten, ohne dass sie dazu von auswärtigen Sklavenhändlern angeregt werden, oftmals Sklavenjagden aus bloßer Laune. So will bald jeder [Schwarze] einen anderen [Schwarzen] als Eigentum haben und die Idee der Sklaverei geht den Afrikanern ins Blut über. Ich muss hinzufügen, dass alle Systeme, mit denen man die Sklaverei bemänteln will, unnütz sind: ob man die ihr unterworfenen Leute nun „freie Eingewanderte“ oder „Lehrlinge“ oder noch anders nennt, es ist Alles dasselbe unter einem anderen Namen und befördert im Innern Afrikas die Sklavenjagd. Wenn diese Systeme nicht radikal geändert oder abgeschafft werden, so wird es uns nie gelingen, das Unwesen überall zu unterdrücken. Wenn jetzt die Regierungen den Sklavenhandel zu Lande nicht mit Gewalt verhindern können, wie die englische Regierung es früher an den westlichen Küsten Afrikas getan hat und es noch im Rothen Meere und im Indischen Ozean tut, so bleibt nichts übrig, als das; Leute aller Religionen und aller Länder sich zusammentun, um Expeditionen nach Afrika zu entsenden, deren einziger Zweck die Unterdrückung der Sklaverei ist. Einige (z. B. die Missionare) können für diesen Zweck mit moralischen Mitteln arbeiten, die Übrigen aber müssen sich anderer Waffen bedienen. Wenn wir an den großen Seen und anderen Punkten des Innern kleine gut bewaffnete und wohl disziplinierte Truppen stehen hätten, so würde es uns bald gelingen, den Transport der Sklaven in die entfernteren Länder zu verhindern. Bisher hat Niemand etwas getan zu diesem Zwecke, aber ein Hundert Europäer würden den Nyassa-See beherrschen können, und dasselbe gilt von den anderen großen Seen und einigen Hauptplätzen an den Hauptstraßen. Deutschland ist seit Kurzem die Herrin weiter Gebiete Afrikas geworden, aber bis jetzt beweist noch nichts seinen Willen, die Leiden Derjenigen zu lindern, deren Souverän es geworden.

Ich hoffe, Monseigneur, dass es Ihnen gelingen wird, ein lebhaftes Interesse für diese Frage zu erwecken und Mittel zu finden, den Sklavenhandel zu unterdrücken. Der Mensch, welcher es fertig bringt, der [Schwarzen]rasse ihre Freiheit zu sichern, wird der würdigste Diener Gottes sein, den die Welt jemals gesehen hat!
Genehmigen Sie usw. Lovett-Cameron, C. B. D. L. Commander Rle.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sklavenhandel in Afrika und seine Gräuel