Dritte Fortsetzung

Ohne Frage sind es die Regierungen Europas an erster Stelle, welche die Verpflichtung haben, Afrika zu retten. Der ehrenwerte Präsident dieser Versammlung hat, ehe er mir das Wort erteilte, Sie daran erinnert, wie die Mächte 1815 in Wien und später in Verona (1822) sich feierlich verpflichtet haben, keine Sklaverei auf der Welt mehr zu dulden. Aber sie müssen auch den Willen dazu haben. Und warum sollten sie ihn nicht haben? Gibt es ein edleres, größeres, erhabeneres Werk? In welcher Frage könnten sie wohl ehrenvoller und leichter sich verständigen, als in der, welche bezweckt, ein so schreckliches Übel auszutilgen, den größten Schandflecken des 19. Jahrhunderts abzuwaschen?

Es ist wahr, dass die europäischen Regierungen an Afrika denken, aber anscheinend bisher nur so weit, als sie Vorhaben, sich seiner zu bemächtigen. Sich zu einem Kongress vereinigen, um durch einen Federstrich auf der Karte sich neue Reiche zuzusprechen, ist leichtgetan. Aber die christlichen Staaten können nicht vergessen, dass neben dem Recht auch die Pflicht übernommen wird. Die ersten Nationen der Welt: Deutschland, Frankreich, England, Belgien, Portugal und Italien, haben im gemeinsamen Einverständnisse ihre gegenwärtigen und zukünftigen Rechte auf Afrika festgestellt und proklamiert. Damit haben sie Pflichten gegen jenes Land übernommen, und die erste davon ist, dass sie die Eingeborenen nicht hilflos umkommen lassen, dass sie nicht von Neuem jene Gegenden verschließen lassen, welche durch die Forscher der Zivilisation eröffnet sind. Das liegt in ihrem eigenen Interesse. Aber wenn die Stimme des Interesses nicht mächtig genug zu den Ohren der Mächte spricht, weil sie mit anderen Sorgen beschäftigt sind, so muss man sie zwingen, den Schrei des Mitleids und des Erbarmens zu hören. Und dazu ist es notwendig, dass dieser Schrei sich aus der Brust Aller und eines Jeden Luft macht, mit einer solchen Gewalt, dass man ihn nicht mehr überhören kann.


Dieses Werk gebührt ohne Zweifel vor Allem der „Anti-Sklaverei-Gesellschaft“, welche uns heute unter den Auspizien des Thronfolgers versammelt hat. Aber eine Vereinigung von Männern, so mächtig sie auch sei, kann nicht alles tun, und, meine Damen ein Werk der Barmherzigkeit und des Mitleids ist vor Allem das Ihrige. Sie wissen besser als der Mann den Weg zum Herzen zu finden, weil Sie lebhafter empfinden als er. Doch dieser Grund ist nicht der einzige, weshalb ich an Ihre Mitwirkung appelliere. Die Opfer der afrikanischen Sklaverei bestehen heute vorzugsweise in Frauen und Kindern. Das wiederholen alle Berichte meiner Missionare. Noch vor kaum zwei Tagen empfing ich hier in London einen Brief unserer Mission am Tanganika, in welchem der Superior wörtlich sagt: „Hier verkauft man nur noch Frauen und Kinder; die Männer tötet man.“ Ich zögere nicht, es auszusprechen, bei dieser Verteilung des Looses sind die Frauen weit mehr zu beklagen, als die Männer. Die Männer erlöst der Tod auf einen Schlag, den Frauen und Kindern bereitet die Sklaverei tausend Tode; sie liefert sie wehrlos in die Hände ihrer Henker als Werkzeuge zur Befriedigung der niedrigsten Leidenschaften und grausamsten Brutalität. Hören Sie, was ein Pater mir vor zwei Jahren schrieb: „Während der Regenzeit der Masika waren die Felder der benachbarten Ebene (von Tabora) in einen schlammigen Sumpf verwandelt. Unmöglich, vorwärts zu gehen, ohne einzusinken. Trotzdem befahl ein [Schwarzer] aus dem benachbarten Dorfe seiner Frau (Sklavin), dort Holz suchen zu gehen für das Nachtessen. Sie ging, aber kaum betrat sie das Feld, als sie einzusinken begann, und bald steckte sie bis unter die Arme im Schlamme, ohne sich losmachen zu können, gezwungen, sich unbeweglich zu halten, um nicht noch tiefer zu sinken und von dem Schlamme verschlungen zu werden. Ihre klagende Stimme rief um Hilfe, aber die Vorbeigehenden lachten nur dazu. Der Mann, als er seine Frau nicht zurückkommen sah, machte sich auf die Suche, in der Hand einen Prügel, ohne Zweifel zur Züchtigung. Er fand sie in dieser bedauernswerten Lage, tat aber nicht das Geringste, um ihr zu helfen. Von Weitem warf er ihr seinen Stock zu, mit den höhnischen Worten: wenn sie wolle, möge sie sich damit gegen die Hyänen verteidigen, die während der Nacht kämen. Damit ging er ruhig zu Hause. Am anderen Morgen war jede Spur von der unglücklichen Frau verschwunden.“

Aber steigen wir noch etwas höher die Stufen der Gräuel hinan. Einer unserer Patres berichtet mit Abscheu, wie ein Königlein von Bukumbi ihm eines Morgens im ruhigsten Tone von der Welt erzählte: „Ich habe in dieser Nacht fünf von meinen Frauen getötet“, als ob das gar nichts Außerordentliches wäre!

Der Pater Levesque, früher Missionar in Uganda, hat mir selbst Folgendes erzählt: Eines Tages befand er sich am Hofe des Königs Mteßa und wartete im Vorhofe auf eine Audienz bei dem Fürsten. Plötzlich sah er, wie die Türe des Brazah (königlichen Saales) mit Geräusch aufgerissen wurde und zwei bewaffnete Soldaten durchließ, welche eine arme Sklavin, Frau des Königs, an den Füßen herausschleppten. Der König hatte befohlen, ihr die Ohren, die Nase und endlich den Kopf abzuschneiden, weil sie vor der Audienz zu laut gesprochen hatte. Das Urteil wurde sofort im Hofe vor den Augen der Menge vollstreckt. Auf die markerschütternden Schreie der Unglücklichen antworteten die Umstehenden mit lautem Gelächter.

Diese Scheußlichkeiten am Hofe des Königs von Uganda, der sich 1000—1200 Frauen hält, werden auch von dem Forscher Speke bestätigt. In seinem Werk: „Die Quellen des Nils“ sagt er Seite 327:

„Seit einiger Zeit wohne ich innerhalb der Einfriedigung der königlichen Residenz, und die (Gebräuche des Hofes sind deshalb für mich kein Geheimnis mehr. Aber wird man mir glauben, wenn ich versichere, das; seit meinem Wohnungswechsel kein Tag vergangen ist, an dem ich nicht eine, zwei, ja bis zu drei dieser unglücklichen Frauen, welche den Harem des Mteßa bilden, habe zum Tode führen sehen? Ein Strick um das Handgelenk, durch die Leibwache zum Abschlachteplatze gerissen oder geschleift, stoßen diese bedauernswerten Kreaturen, die Augen voll Tränen, herzzerreißende Schreie aus: Hai Minange! (O mein Herr!), Kbakka! (Mein König!), Hai Nyavio! (O meine Mutter!) — und trotz, dieses erschütternden Appells an das öffentliche Mitleid erhebt sich keine Hand, um sie ihrem Henker zu entreißen, obwohl man hier und da leise die Schönheit dieser jungen Opfer rühmen hört!“ Christliche Frauen Europas! Euch geziemt es, überall diese Schrecklichkeiten bekannt zu geben und die Entrüstung der zivilisierten Welt dagegen zu erregen. Lasset Euren (Gatten, Euren Vätern, Euren Brüdern keine Ruhe, verwertet die Autorität, welche sie dank ihrer Beredsamkeit, ihres Vermögens, ihrer Stellung im Staate besitzen, um zu verhindern, dass man noch länger das Blut Eurer Schwestern vergieße. Wenn Gott Euch das Talent gegeben hat zum Schreiben, so stellet es in den Dienst einer solchen Sache, Ihr findet keine, die heiliger wäre. Vergesset nicht, dass es das Werk einer Frau, der Roman: „Onkel Tom“, war, welcher, in alle Sprachen der Welt übersetzt, der Befreiung der Sklaven Amerikas das Siegel aufgedrückt hat.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sklavenhandel in Afrika und seine Gräuel