Erste Fortsetzung

Als ich in jenes Land kam, es sind jetzt mehr als zwanzig Jahre, sah ich bald ein, dass, wollte ich mein Amt nicht auf die bisher dem Evangelium fast unzugänglichen mohammedanischen Länder beschränken, ich ins Innere eindringen müsste, zu den heidnischen Völkern: ich sah aber auch ein, dass ich allein bei einer solchen Unternehmung bald unterliegen würde. Ich sammelte also um mich einige vom reinsten Jener des Apostolats durchglühte junge Leute. Anfangs waren es ihrer nur drei, heute zähle ich dreihundert, Patres, Brüder, Novizen oder Gehilfen, dreihundert Lebende. Hundert, die ruhmreichsten, sind tot. Elf unter ihnen haben ihr Blut als Märtyrer vergossen, die Übrigen sind dem Klima, den Krankheiten, Entbehrungen und Mühsalen erlegen. Und es sind die Berichte dieser Zeugen, welche Sie heute hören sollen nach Allem, was Sie bereits wissen.

Um nichts zu verwechseln und genau die Teile Afrikas zu bezeichnen, auf welche sich diese Zeugnisse beziehen, muss ich Ihnen zunächst sagen, in welchen Regionen meine Missionare etabliert sind. Sie bewohnen seit länger als zehn Jahren die Wüste Sahara und die Gebiete der großen Seen, von den Quellen des Nils bis zum Süden von Tanganika, ebenso den belgischen Oberen Congo. Von dort schreiben sie mir, und von jenen ungeheuren Regionen will ich Ihnen berichten: mögen Reisende und Missionare, die auf anderen Punkten wohnen, Europa auch ihrerseits unterrichten von dem, was sie dort sehen.


Um zunächst von den ersteren, den Missionaren der Sahara, zu reden, so bezeugen sie, das; die Sklaverei noch immer dort herrscht, im selben Umfange wie ehemals, in allen Gegenden Nordafrikas, welche südlich von den europäischen Kolonien liegen. Die Sklavenjagd wird bis zur Höhe des Nigers in allen Gegenden betrieben, wo die [Schwarzen] noch nicht tatsächlich zur mohammedanischen Religion bekehrt sind. Alle Städte im Innern von Marokko haben Sklavenmärkte, wohin die Sklavenhändler ihre Karawanen führen. Noch vor Kurzem, vor kaum fünf Jahren, existierten diese Märkte in den Küstenstädten, sogar in Tanger gegenüber von Gibraltar. Wenn sie seitdem vor unseren Blicken in die Städte des Innern geflohen sind, so wissen Sie, wem man das verdankt: Es ist der ehrenwerte Sekretär der Gesellschaft,*) welche uns heute hier versammelte, der durch seine beredten und entrüsteten Klagen jene infamen Händler gezwungen hat, ihr Wert besser zu verbergen. Aber im Innern werden die Märkte noch abgehalten, man sieht dort die Muselmänner mehrmals im Jahre offen ihren Bedarf an elendem menschlichem „Vieh“ decken. Das Gleiche gilt von den Oasen der Sahara, d. h. von allen jenen, die sich an den Grenzen der Algerie, von Tunis, von Tripolis und bis nach Ägypten hin befinden.

*) Mr. Allen, Sekretär der Anti slavery Society.

Um die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit, so trägt die häusliche Sklaverei jener Gegend nicht jenen Charakter einer fortdauernden Schlächterei, den sie, wie ich Ihnen beweisen werde, auf den Hochebenen im Herzen von Afrika angenommen hat. Sind die Sklaven einmal gekauft und in die Häuser der Mohammedaner aufgenommen, so werden sie mit ziemlicher Milde behandelt. Es liegt im Interesse der Herren, die Sklaven nicht umkommen zu lassen, welche sie des weiten Transports wegen teuer bezahlen müssen. Möglich auch, dass die Nachbarschaft der Europäer die Sklavenhalter schreckt; sie fürchten vielleicht, dass die Seufzer und Schreie der Opfer bis zu unseren Ohren dringen . . . .

Aber ein Umstand verleiht diesem Menschenhandel durch die Sahara einen grauenhaften Charakter: es ist die Reise durch die Wüste, welche mit der Herde von Frauen und Kindern, die verschleppt werden, ganze Monate in Anspruch nimmt. Eine schreckliche Reise das, wo man marschieren muss, auf glühendem Sand, unter einer brennenden Sonne, in einem Lande, wo die Nahrungsmittel oft fehlen und noch öfter das Wasser. Für die Sklavenhändler findet sich schon, aber die Gefangenen erhalten genau so viel, dass sie nicht sterben und durch ihren Tod die Händler um den Gewinn bringen, welchen sie aus ihnen ziehen wollen. Meistens sind es die Araber vom Stamme der Tuaregs, welche diese Menschenherden begleiten. Ihre Herzen sind ebenso hart als das Eisen ihrer Lanzenspitzen, und eine Handvoll ungekochter Hirse am Abend mit einem Schluck Wasser ist Alles, was sie den Sklaven geben, die wie Zugochsen mit ihren schrecklichen Jochen beladen den ganzen Tag marschierten. Niedersinken ist gleichbedeutend mit Tod: das geübte Auge des Sklavenhändlers erkennt sofort, ob er das Opfer glücklich bis zum Markte bringt oder nicht. Sieht er, dass es das Ziel nicht erreichen wird, so verschwendet er seine Lebensmittel nicht an den Unglücklichen, ein Schlag mit einem Knüppel und das Opfer bleibt liegen, oft noch lebend. Die Hyänen und Schakale verschlingen das Fleisch und lassen die bleichenden Skelette als Wegweiser nach den Märkten dienen.

Indes hält der Sklavenhandel in der Sahara und den Provinzen des Nordens, von denen Timbuktu der Mittelpunkt ist, keinen Vergleich aus mit jenem auf den Hochebenen des Innern. Von diesem besonders muss ich zu Ihnen reden. Dort sind unsere Missionare in diesem Augenblicke Zeugen von Schandtaten, welche ein ganzes Festland dem Untergang nahebringen.

Vor etwa zwanzig Jahren wusste man noch nicht recht, wie das Herz Afrikas beschaffen sei. Man sprach davon wie von einer unbewohnbaren, unfruchtbaren Wüste. Nun hat man aber im Gegenteile gefunden, und meine Missionare bestätigen es mir jeden Tag, dass jenes gerade der schönste Teil Afrikas ist. Man hatte es beurteilt nach den Ländern in den Küstenstrichen. Dort freilich ist das Klima ungesund, oft tödlich, die Arbeit schwierig, fast unmöglich für den Europäer. Nachdem man aber weiter vordrang, stellte man fest, dass der Mittelpunkt Afrikas sich auf zwei Hochebenen erbebt, die eine 2000 bis 3000 Fuß über dem Meeresspiegel des Ozeans liegend, die zweite, ungeheuer groß, tausende von Meilen lang, erbebt sich über dem ersten um durchschnittlich 2000 bis 3000 Fuß, liegt also 4000 bis 5000 Fuß über dem Meeresspiegel. Diese beiden Hochebenen, die jedes Jahr zu bestimmten Zeiten von strömendem Regen befruchtet werden, besitzen große Seen, reiche Wasserbehälter, welche die gütige Natur vorsorglich geschaffen hat. Aus diesen großen Seen ergießen sich die vier großen Flüsse Afrikas mit ihren unzähligen Nebenflüssen, sie sind es, die diese Gegenden so schön und fruchtbar machen. Die hohe Lage mäßigt die Glut der Sonne. An den Ufern des Nyanza. und des Tanganika-Sees übersteigt die Hitze am Tage nicht 32 Grad (Celsius) und während der Nacht sinkt die Temperatur auf 17—18 Grad. Der Boden birgt seltenen Reichtum. Ich rede nicht von den zahlreichen Mineralminen, deren Spuren man findet und welche der Industrie reiche Ausbeute versprechen, ich rede nur vom Ackerbau. Unterstützt durch Wasser und Sonne, bringt der Boden ohne Mühe hervor, was zum Leben notwendig ist. Überall, wo Wasser fließt, sind vier Ernten im Jahre möglich. Diese Erfahrung haben unsere Missionare selbst gemacht mit dem Weizen, den sie anbauen, um sich das Material für die heiligen Hostien zu verschaffen. Die Waldungen sind von einer Schönheit und Macht, dass sie die Bewunderung der Reisenden erregen. Diese vereinten Reichtümer mussten natürlich eine zahlreiche Bevölkerung anziehen und festhalten, und das ist auch im Laufe der Zeit geschehen. Nirgends in Afrika sah man zahlreichere und stärker bevölkerte Dörfer. Dort regierte der Friede, die Familien lebten nach patriarchalischer Weise, Feuerwaffen waren unbekannt, man fand sie nur in den Küstengegenden oder an den Ufern des Zambese, wohin die Portugiesen sie eingeführt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sklavenhandel in Afrika und seine Gräuel