Zweite Fortsetzung

Schmerzliches Zusammentreffen! Zur selben Zeit, wo — vor 25 Jahren — die großen Forscher und die ersten Missionare jene Gegenden betraten, um den Glauben und die Zivilisation dorthin zu tragen, brachen auch die Sklavenhändler dort ein, wahrscheinlich instruiert durch jene Leute, welche den Reisenden als Führer gedient hatten. Sie kamen von Ägypten und Zanzibar.

Ihre Hauptanführer sind die Mestizen, eine schreckliche [Volksgruppe], entsprungen aus der Verbindung von Mohammedanern und [Schwarzen] der Küste. Dem Namen nach Muselmänner, hegen sie tiefen Hass und Verachtung gegen die [Volksgruppe der Schwarzen], welche sie den Tieren nachsetzen und der sie nur Sklaverei oder Tod als Erbteil zuerkennen. Schreckliche Menschen, ohne Gewissen und Gefühl, gleich niederträchtig wegen ihrer viehischen Laster und ihrer Grausamkeit, rechtfertigen sie das afrikanische Sprichwort: „Gott hat die Weißen geschaffen, Gott hat die Schwarzen geschaffen, aber der Teufel selbst ist es, der die Mestizen erschafft.“


Unsere Patres kamen also vor 12 Jahren auf die Höhenzüge des Innern, nach Tabora, an den Tanganika, den Nyanza, den Oberen Congo; das Werk der Vernichtung war bereits im Gange, sie sahen es sich ausdehnen und Strich für Strich Alles zerstören. Jene schönen Gegenden bildeten für die Mestizen anfangs Speicher von doppeltem Reichtum. Das Leben dort war billig, Elfenbein, Hauptgegenstand ihres Handels, fand sich in Masse: man war es niemals soweit holen gekommen. In gewissen Provinzen, wie im Manyema fand man solche Mengen, dass man sich der Elefantenzähne bediente, um damit die Gärten einzufriedigen. Das Elfenbein wurde die Veranlassung zu dem Ruin dieses unglücklichen Landes. Man war nicht zufrieden, es um billigen Preis zu kaufen oder es mit Gewalt wegzunehmen, es musste auch an die Küste transportiert werden. In jenem Teile Afrikas gibt es aber kein anderes Transportmittel, als den Menschen. Die Wege sind nichts als enge Pfade, die Haustiere erliegen dem Bisse der Tsetse. Um Menschen zu bekommen, machten die Händler Sklaven. Der geringfügigste Vorwand genügte, um Streit, d. h. vorüberlegte Blutbade anzufangen. Ohne Mitleid und Schonung fielen die Briganten über eine friedliche Bevölkerung her, massakrierten, was sich wehrte, ketteten die Übrigen an und zwangen die Menschen durch Drohungen und Gewalt, bis zur Küste als Lasttiere zu dienen, wo sie dann gleichzeitig mit dem Elfenbein, das sie getragen, verkauft wurden.

Das war der Anfang des Elends, aber Habsucht und Blutdurst versetzen den Menschen in einen Rausch, der nur durch Gewalt vertrieben werden kann. Die Geschichte der heidnischen Tyrannen hat es uns zur Genüge gezeigt. Derselbe Blutdurst, dieselbe Verachtung des menschlichen Lebens ist es, welche heute das Herz Afrikas entehren. Ohne Unterlass wird dort die Bevölkerung gleichsam weggemäht, ein Dorf nach dem anderen, eine Provinz nach der anderen, bald ist Alles mit Ruinen und Blut bedeckt. Unsere Missionare vom Tanganika schreiben uns, dass kein Tag vorübergeht, an dem nicht Karawanen jener Unglücklichen an ihnen vorübergetrieben werden wie Viehherden. Allmählich sind allenthalben Sklavenmärkte eröffnet, und heute sind es besonders die Frauen und Kinder, welche man dort verkauft. Seitdem das Elfenbein selten geworden ist, braucht man keine Männer mehr für seinen Transport, diese, sobald sie können, widersetzen sich überdies ihren neuen Herren und man schlägt sie dann nieder wie Schlachtvieh. Die so begangenen Scheußlichkeiten spotten jeder Beschreibung, die Geißel einer solchen Jagd übertreffen weit Alles, was menschliche Einbildung sich auszumalen vermag. Keine Seite der Geschichte kann über gleiche Metzeleien, über gleiche Verachtung menschlichen Blutes berichten. Also die Männer fortschleppen, mit Mühe weiterbringen, sie ernähren bis zur Ankunft auf dem Sklavenmarkte, ist wenig einträglich. Das Weib und das Kind ist es, dass auf den Märkten im Innern statt des Mannes feilgeboten wird. Schwach, furchtsam scheuen sie zurück vor den Gefahren und Wechselfällen einer Flucht. Man kauft sie deshalb ohne Furcht, die Weiber für grenzenlose Ausschweifungen, die Kinder, um sie heranzuziehen. Seitdem dieser Handel in den Händen der der Vielweiberei ergebenen Muselmänner ist, sind selbst die Häuptlinge zügellos in ihrer bestialischen Unzucht. Man hat mächtige Häuptlinge gesehen, wie Mteßa, und jetzt Mnanga, König von Uganda, welche gleichzeitig bis zu 1200 Weiber hatten. Die ärmsten Muselmänner halten immer mehrere Weiber. Der Preis der Sklaven im Innern Afrikas ist so niedrig, dass er diese schmachvollen Leidenschaften Jedem gestattet. Man erhält heutigen Tages an gewissen Orten eine Frau für eine Ziege, ein Kind für ein Packet Salz. Das darf uns nicht in Erstaunen setzen. Die Ziege muss man aufziehen, das Salz muss man aus der Saline holen; Frauen und Kinder braucht man nur zu fesseln. Es ist dahin gekommen, was nie gehört wurde; im Innern Afrikas ist der Mensch der Kaufpreis, das Geld für die geringsten Einkäufe.

Bereits sind viele Millionen menschlicher Kreaturen im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts zu Grunde gegangen. Aber die Vernichtung nimmt immer größere Verhältnisse an, und die Ziffern, welche heute unsere Missionare angeben, übersteigen noch jene von Cameron für den Zambese und Nyanza angegebenen. Cameron aber, der wegen seiner langjährigen Erfahrungen alles Vertrauens würdig ist, schätzte schon zu seiner Zeit die alljährlich lediglich auf den Märkten des Inneren verkauften Sklaven auf mindestens 500.000 Köpfe! Und die dreifache Zahl geht elend zu Grunde, ehe sie die Märkte erreicht!

Er ist übrigens hier, um sein Zeugnis und die vollkommene Übereinstimmung unserer Ansichten zu bestätigen. Eben, gerade als ich mich hierher begeben wollte, habe ich noch einen Brief von ihm erhalten: ich bitte ihn um die Erlaubnis, ihn veröffentlichen zu dürfen.*)

*) Dieser Brief findet sich weiter hinten.

Aber nicht allein die Zahl der gemachten Sklaven wächst, auch die Grausamkeit wird fortwährend gräulicher. Wenn ehemals die Räuber eine Bevölkerung heimsuchten, die nichts Übels von ihnen erwartete, so begnügten sie sich damit, zu nehmen, was in ihre Hände fiel. Heute berichten mir Augenzeugen Szenen, die nur schwer wiederzugeben sind. Die schwarzen Bewohner der Dörfer, welche wissen, was ihre Angreifer beabsichtigen, fliehen in Feld und Wald, um sich zu verstecken. Hören Sie nun, wie die Sklavenjäger verfahren, um sie in ihre Gewalt zu bringen. Die teuflische Schar umringt die großen Kräuter, in welches sich die Schwarzen geflüchtet haben, und steckt sie in Brand. Im Lande der Sonne ist eine Feuersbrunst rasch ins Werk gesetzt. Bald ertönen von allen Seiten Schreie des Schreckens und der Verzweiflung, und Alles, was nicht von der Flamme erreicht, vom Rauche erstickt wird, flieht nach außen und fällt in die Hände der Henker, von denen dann die Einen getötet, die Anderen gefesselt werden. Sie werden gleiche Erzählungen in den Berichten Ihrer Reisenden finden und sich nicht mehr wundern, wenn volkreiche und fruchtbare Provinzen im Herzen Afrikas in trostlose Einöden verwandelt sind, in denen nur mehr die Knochen der Einwohner Zeugnis ablegen von der menschlichen Tätigkeit, dem Frieden und der Arbeit, welche ehemals dort herrschten.

Wir sehen also in kurzer Zeit der vollständigen Entvölkerung Zentral-Afrikas entgegen. Wenn Erwägungen menschlichen Mitgefühls Europa nicht rühren, so möge es wenigstens bedeuten, vor welchen Schwierigkeiten es stehen wird, wenn es einmal jenen von der Natur so begünstigten Gegenden ihre Reichtümer abgewinnen will. Ist die einheimische Bevölkerung einmal vernichtet, so wird dem Weißen jede Arbeit, Ackerbau wie Industrie, unmöglich werden, da er der Hände der Schwarzen entbehrt. Ohne einheimische Bewohner wird selbst der Reisende weder Nahrung noch Unterkommen mehr finden, die üppige Vegetation wird die engen Pfade verschwinden lassen, denen er heute folgt. So steht es heute und das haben wir von der Zukunft zu er. warten. Ich wiederhole es noch einmal mit der ganzen Kraft meiner Überzeugung: wenn Europa nicht rasch und mit Gewalt jenen gräulichen Zuständen ein Ende macht, so wird das Zentrum Afrikas in wenigen Jahren nur mehr eine Wildnis sein.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sklavenhandel in Afrika und seine Gräuel