Auszug aus einem Briefe des P. Pincke von der Station Kibanga am Tanganika-See.

Da ich mich vor Kurzem in Udschidschi befand, so muss ich hier ein Wort darüber sagen. Aber ich fühle mich unfähig, eine Beschreibung von dieser Stadt zu geben, wie ich sie gesehen, und meine Feder weigert sich, all die Scheußlichkeiten zu erzählen, die dort begangen werden. Udschidschi ist die bevölkertste Araberstadt des Tanganika-Districts. Hier langen auf dem Wege nach Zanzibar alle Sklaven-Karawanen aus dem Innern an: hier versammeln sich alle Mestizen, um unter sich zu beraten, nach welcher Seite hin und in welchem Lande sie ihre Razzias machen wollen, von hier aus gehen alle Banden, welche jetzt Manyema überschwemmen und dies ehemals so bevölkerte Land vollständig ruinieren. Es ist ein wahrhaftes Sodoma, der Schauplatz aller Verbrechen, aller Laster, aller Schrecken. Welcher Unglückstag für Afrika, jener Tag, an welchem die Muselmänner ihren Fuß ins Innere gesetzt haben! Denn mit ihnen sind gleichzeitig sowohl ihre unsittliche Religion, als ihre Verachtung der [Schwarzen] eingedrungen, ihre Laster und ihre schmachvollen Krankheiten, die bis dahin bei den Schwarzen unbekannt waren.

Ich hatte schon früher wiederholt den Markt von Udschidschi besucht, aber damals waren die Sklaven wenig zahlreich, und ich konnte diesen abscheulichen Handel nicht in seiner ganzen Schrecklichkeit sehen. Bei meiner letzten Anwesenheit aber war die Stadt eben überschwemmt — in der ganzen Bedeutung des Wortes — durch Sklaven-Karawanen aus dem Manyema, dem Marungu, dem Duvira und Dubuari. Bei der großen Zufuhr waren die Sklaven sehr billig, man kam sie mir zu Schleuderpreisen anzubieten, aber fast alle erschienen vollständig erschöpft von Anstrengung und Elend, sterbend vor Hunger, viele würden absolut unfähig gewesen sein, über den See nach der Mission zu gelangen. Ich war so arm, dass ich leider fast alle zurückweisen musste, ich hatte kaum Geld genug, um jene Gefangenen zu kaufen, wegen welcher ich gekommen war, und denen ich den Vorzug geben musste, weil sie schon Unterricht von uns erhalten hatten.


Der Platz war ganz bedeckt mit Sklaven, in langen Reihen standen sie gefesselt, Männer, Frauen, Kinder in schrecklichem Durcheinander, die einen mit Stricken, die anderen mit Ketten an einander gebunden. Verschiedenen, die vom Manyema kamen, hatte man die Ohren durchlöchert und dünne Stricke hindurch gezogen, an denen sie zusammengehalten wurden. In den Straßen begegnete man auf jeden Schritt lebenden Skeletten, die sich mühsam an einem Stocke weiterschleppten. Sie waren nicht mehr gefesselt, weil sie ohnehin nicht mehr fliehen konnten. Qualen und Entbehrungen standen in diesen fleischlosen Zügen geschrieben, und Alles deutete an, dass sie mehr aus Hunger wie durch Krankheit dem Tode nahe waren. An breiten Narben und frischen Wunden auf ihren Rücken sah man sofort, was sie an schlechter Behandlung von Seiten ihrer Herren gelitten, denn um sie zum Marschieren zu zwingen, geizt der Sklaventreiber nicht mit Prügeln. Andere, hingestreckt in den Straßen oder neben dem Hause ihres Herrn, der ihnen keine Nahrung mehr zukommen ließ, weil er ihren Tod voraussah, erwarteten das Ende ihrer elenden Existenz. O, wie blutet das Herz des Missionars beim Anblicke dieser Unglücklichen, die nicht einmal den Trost der Hoffnung auf ein Jenseits haben, wenn er bedenkt, wie viel Seelen verloren gehen, weil es an Arbeitern am Werke der Bekehrung und an Geld zu ihrer Befreiung fehlt!

Aber besser noch als auf dem Markte und in den Straßen sollten wir die schrecklichen Folgen dieses abscheulichen Handels auf einem unbebauten Platze sehen, welcher zwischen dem Markte und dem Ufer des Sees liegt. Dieser Raum ist der Kirchhof von Udschidschi oder, um es richtiger zu sagen, der Platz, wohin man die toten und sterbenden Sklaven wirft. Die Hyänen, sehr zahlreich im Lande, spielen den Totengräber. Ein junger Christ, der die Stadt noch nicht kannte, wollte bis an das Ufer des Sees vorgehen, aber beim Anblick der zahlreichen, längs des Weges wie gesät liegenden Leichname, halb gefressen von Hyänen oder Raubvögeln, wich er erschrocken zurück, er konnte ein solches Bild nicht ansehen.

Auf meine Frage, die ich an einen Araber richtete, weshalb die Leichname in der Umgebung von Udschidschi so zahlreich seien, und weshalb man sie so ganz in der Nähe liegen lasse, antwortete er mir in einem so gleichgültigen Tone, als ob es sich um die einfachste Sache von der Welt gehandelt habe: „Früher waren wir gewohnt, die Leichname unserer toten Sklaven an jenen Ort zu werfen, und jede Nacht schleppten die Hyänen sie fort; aber dieses Jahr ist die Zahl der Toten so groß, dass diese Tiere nicht mehr genügen, um sie zu verspeisen: sie haben sich das Menschenfleisch zuwider gefressen!!!“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sklavenhandel in Afrika und seine Gräuel