Das Pferdefleisch-Essen in Deutschland

Die „Karlsruher Zeitung“ enthält in Bezug aus obigen Gegenstand folgendes berücksichtigungswerte Schreiben von der Spree unterm 6. Januar:

„Es ist eine herrliche Sache um die Aufklärung. Neben dem Wust von altem Aberglauben, dem sie schon den Garaus gemacht, hat sie sich nun auch auf die Reformation der Lebensmittel geworfen, um auch auf diesem Gebiete alte, verjährte „Vorurteile“ endlich einmal zu beseitigen. Da ist man nämlich seit vielen Jahrhunderten her in Deutschland und auch in den übrigen Ländern Europas gewohnt gewesen, alte oder verunglückte Gäule an ein gewisses Gewerbe abzuliefern, das man nicht gern nennt; endlich aber ist uns ein Licht aufgegangen, dass man hierbei denn doch höchst unklug zu Werke gegangen ist, indem man diesen armen Tieren ja eben so gut, wie manchen andern, die Ehre antun könnte, sie zu verzehren. Gesagt, getan; überall entstehen Pferdeschlächtereien; hier isst man „Pferdefleisch“ dort „Rossfleisch“, und findet sich wohl dabei.


Und welchen national-ökonomischen Vorteil haben wir nicht erst dadurch errungen! Indem wir unsere Rosse essen, sparen wir die Rinder; die können wir an die Herren Engländer, die in der Kultur noch nicht so weit vorgeschritten sind, verkaufen, erhalten dafür hübsche Summen Geldes, und bereichern dadurch unser Pferdefleisch essendes Vaterland! Einst, als unser Vaterland mächtig und hochgeachtet dastand vor allen Völkern der Welt, da zeichnete ein deutscher Mann stolz alle die wichtigen Erfindungen auf, welche unsere Vorfahren gemacht, und freute sich, diesem edlen Volke anzugehören. Heutzutage, ja da preist man es hoch, dass wir wieder aufgefunden haben, dass man die Pferde essen kann.

Bei dieser hochwichtigen Wiederentdeckung muss man auch noch den Nutzen in Anschlag bringen, den sie für die ganze Menschheit hat, der wieder ein „selbstständiges“ Nahrungsmittel mehr gegeben ist, und das ist in Deutschland wohl zu berücksichtigen. Früher, ja da waren die Söhne des heiligen römischen Reiches deutscher Ration „selbstsüchtig“ genug, an ihren eigenen Vorteil zu denken; heute aber sind wir es bekanntlich, die der „Menschheit“ die Kastanien aus dem Feuer holen. Sehen wir aber die Sache ernster an, so kommen wir immer wieder auf das Gleiche hinaus. Junge Pferde, deren Fleisch allenfalls noch schmackhaft und genießbar wäre, sind enorm teuer, können also nicht leicht zum Schlachten benützt werden; und alte, ja da gehört vermutlich ein guter Magen dazu, solches Fleisch zu verdauen. Im günstigsten Falle hat man vermutlich so viel gewonnen, dass man verunglückte, nicht alte Pferde wird schlachten können. Immer aber wäre es besser, die Rinder blieben bei uns, und wir verkauften unsere Klepper den Engländern, statt dass es umgekehrt der Fall ist. Will man denn mit Gewalt den Leuten Sand in die Augen streuen?
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sammler - Band 17