Chloroform

Die Anwendung von Chloroform bei schweren Operationen hat noch schneller Anerkennung gefunden als der Schwefeläther, und ist gewiss eine der wohltätigsten Entdeckungen der neuesten Zeit. An vielen Orten sind sehr gelungene Versuche gemacht worden, der gelungenste in Berlin und wir erzählen ihn der „Zeitungshalle“ nach, hauptsächlich für die, die immer noch schmerzlose Operationen für einen Eingriff in die göttliche Ordnung ausgeben möchten. Mögen sie Gott auf den Knien danken, der in die Kräfte der Natur das Heilmittel für das schrecklichste Physische Übel gelegt hat. In Berlin war ein Kranker, dem der ganze Oberkiefer und ein Teil des Unterkiefers von dem Krebs auf das Schrecklichste zerstört war.

Vergebens waren wiederholte Versuche gemacht worden durch Auftragung von Chlorzinkpaste der immer weiter um sich greifenden Zerstörung Einhalt zu tun; es blieb als letztes Mittel nur das Glüheisen übrig. Nachdem man ungefähr 12 Minuten nach begonnener Einatmung der Empfindungslosigkeit des Kranken sicher war, wurde zur Operation geschritten.


Schnell wird das Glüheisen angesetzt, zischend dringt es in die Tiefe, ein dicker Qualm steigt luftverpestend in die Höhe, rasch ein andres Eisen, und so fort bis zum achten. Da fängt der bis dahin wie eine Leiche gelegene Patient an zu zucken; — wenige Tropfen des Zauberbalsams auf das Tuch gegossen sind hinreichend, seine frühere Totenstarre zurückzuführen. Von Neuem wütet das mörderische Instrument in dem Fleische des Unglücklichen, bis mit dem vierzehnten Glüheisen alle krebshaft-entarteten Stellen mit einer schwarzen Brandschorfe bedeckt sind. Nun wird der schützende Verband aufgetragen; noch liegt der Kranke da, mit ruhigem Atem, langsamen Blutstrom, von ruhigem Schlafe umfangen, bis er durch wiederholtes Rufen erweckt, mit Staunen und Dank die Kunde von der vollbrachten Operation erhält.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sammler - Band 17