Von dem Streit zwischen den Sachsen und Thüringern

Ciriosa Sax. 1768, p. 210, 233, 342. Witechindus Corb. c. 3. sp. Hondorf, Promt. exempl. S. 277.

So kamen die Sachsen ins Thüringerland und nahmen einige Plätze zu Wohnsitzen in Besitz. Der erste Ort aber, wo sie landeten, hieß Hadolaga, und zwar geschah dies zu derselben Zeit, als Theodorich, der Frankenkönig, wider Hermanfried, den Thüringerfürsten, stritt, und ihr Land mit Schwert und Brand grausam beschädigte. Zwar haben sich ihnen die Thüringer anfangs mit Kraft entgegengestellt, allein die Sachsen haben ihnen männiglich widerstanden und den Hafenplatz fest behalten. Nachdem sie nun aber lange Zeit hin- und hergestritten, hat es ihnen zuletzt gefallen, zu beider Teile Heil von dem Frieden zu handeln, und ist die Vereinigung und Bündnis dahin gemacht worden, dass den Sachsen sollte zugelassen sein, zu kaufen und zu verkaufen, aber der Felder, des Todschlagens und des Raubens sollten sie sich enthalten, und ist also diese Vereinigung geblieben viele Tage unverletzt. Als aber die Sachsen Mangel an Geld und Proviant hatten und nichts mehr hatten zu kaufen oder zu verkaufen, gedachten sie, der Friede wäre ihnen unnütz. Zu derselben Zeit trug sich's nun zu, dass der Jünglinge einer von den Schiffen gegangen war, der viel Goldes an sich trug, wie ein gülden Halsband und güldenen Armschmuck. Dem begegnet der Thüringer einer und sagt zu ihm: Lieber, was bedeutet so viel Goldes um Deinen hungrigen Hals. Dem antwortet dieser Sachse: ich suche Einen, der mir es abkaufe, denn sonst nirgend zu trage ich dies Gold an mir, denn dieweil ich Hungersnot leide, was soll ich denn Lust an dem Golde haben? Da aber der Thüringer fragt, auf welche Weise und wie hoch das feil wäre? antwortet der Sachse: ich habe gar keinen Unterschied an dem Wert; was Du mir geben wirst, das will ich mit Dank annehmen. Allda lächelt der Thüringer und sagt: wie aber, wenn ich Dir Deinen Schooß mit dieser Erde fülle? An demselben Orte war viel Erdreich aufgeführt, der Sachse, hob seinen Schooß eilends auf und empfingt den Boden und gibt dem Thüringer schnell das Gold, und geht also ein Jeder mit Freuden zu den Seinen. Die Thüringer aber lobten den ihren auf das Äußerste, der den Sachsen so zierlich betrogen hatte, und nannten ihn einen glückseligen Menschen, der um ein geringes Ding viel Goldes überkommen hatte, und gleichsam als wären sie schon gewiss des Sieges gegen den Sachsen, haben sie weidlich gefrohlockt. Mittlerweile hatte aber der Sachse all' seinen Schmuck eingebüßt und war mit vielem Erdreich und Grund beladen wiederum zu den Schiffen gegangen. Seine Gesellen liefen ihm entgegen und wunderten sich ob seiner Handlung, etliche seiner Freunde fingen an ihn zu verlachen, die andern schalten ihn, der größte Teil aber hielt ihn für unsinnig. Er aber hieß sie still schweigen und sagte: Ihr geliebten Sachsen, kommt her mit mir, so werdet Ihr sehen, dass meine Unsinnigkeit Euch nütze ist. Diese folgten ihm zwar nach, wussten aber nicht, was daraus werden sollte. Da hat der Sachse das Erdreich von dem Grund genommen und in die nächst gelegenen Äcker, so subtil er vermochte, ausgestreut und gesät und einen gewaltigen Platz gemacht, sich zu lagern und Zelte aufzurichten. Da nun die Thüringer die Zelte der Sachsen sahen, hat sie das schwer verdrossen, und so schickten sie Botschafter zu ihnen und beklagten sich, dass die Sachsen den Frieden gebrochen hätten. Die Sachsen antworteten ihnen jedoch, wie dass sie bisher das Bündnis streng gehalten, aber das Erdreich durch ihr eigen Gold gekauft hätten, und das wollten sie auch in Frieden besitzen oder eben mit dem Schwerte beschirmen. Da aber die Thüringer die Rede der Sachsenvernommen hatten, da verfluchten sie das sächsische Gold, und den sie vorhin glückselig geheißen hatten, den nannten sie jetzt die Ursache von ihres Landes Verderbnis, ja sie ließen sich so vom Zorne fortreißen, dass sie ohne Ordnung und Rat mit einem blinden Lärmen die Sachsenüberfallen wollten. Diese haben aber ihre Feinde gerüstet empfangen und erschlagen, und als die Sachen glücklich abgingen, haben sie die nächstgelegenen Orte soviel als recht war, zu Händen genommen. Nachdem aber auf beiden Seiten tapfer gefochten war und die Thüringer sahen, dass die Sachsen ihnen überlegen waren, haben sie darauf gedacht, durch Mittelspersonen mit ihnen zu unterhandeln und ihnen bewilligt, sich auf dem Erdreiche, das sie erkauft, niederzulassen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen