Vom Ursprung der Sachsen

Grimm, deutsche Sagen I. 408, Dresser, Sachsenchronik S. 7 u. 8.

Von der Entstehung des Volksstammes, welcher seinen Namen den Bewohnern des heutigen Königreichs Sachsen freilich erst aus zweiter Hand gegeben hat, nämlich als er 1142 an den Welsen Heinrich den Löwen und 1211 an den Askanier Albrecht I., und hierauf an dessen Sohn Albrecht II. (1260), der seinen Wohnsitz zu Wittenberg nahm und dann dem nachherigen Churkreis den Gesamtnamen hinterließ, kam, existieren verschiedene Sagen.
Im Annoliede (12tes Jhdt,) wird gesagt (2l, 320), die Sachsen wären Vasallen des Mazedonierkönigs Alexanders des Großen gewesen, der die Welt in zwölf Jahren bis an die Enden durchfahren; als der zu Babylon gestorben, da hätten sich vier seiner Feldherren in sein Reich geteilt und alle Könige sein wollen, die Sachsen aber wären mit vielen Schiffen an die Elbe gekommen, wo die Thüringer gewohnt, diese hätten sich gegen sie erhoben, zuletzt aber hätten beide Teile eine Unterredung angesetzt und bei dieser Zusammenkunft hätten die Sachsen von ihren großen Messern, welche sie an der Seite trugen und bei den Thüringern Sahs genannt wurden, Gebrauch gemacht und die Thüringer unterworfen, und seitdem habe man ihnen den Namen Sachsen beigelegt. Gleichwohl wurden sie den Römern nachher dienstbar, allein nie auf lange, denn wenn sie Cäsar besiegt zu haben glaubte, standen sie gleich wieder im Felde und taten ihm viel Leides an. Nach Andern sollen sie aber von den Saken herkommen, die zuerst in Preußen mit den Germanen und Daciern zusammengewohnt, und kurz nach den Cimbern und Teutonen aus dem Scythenland in die Gegend, die heute noch Deutschland heißt, gekommen sein und ihre Sprache allen den Völkern, welche zwischen Mitternacht und Abend wohnen, gegeben haben sollen. Die alte Sachsenchronik erzählt auch, sie hätten lange, nachdem sich das Heer Alexanders in alle Welt zerteilt, von einem Lande zum andern herumgeschweift und zu Wasser viele Jahre mit dem Kaiser Valentinus gekriegt, endlich aber sei ein Teil nach Preußen, ein anderer aber in das Land, welches man nun Sachsenland heiße, gekommen, und hätten sich also hier bewurzelt und vermehrt. Weiter aber lesen wir daselbst: die Sachsen wären die Elbe mit 24 Schiffen hinaufgefahren und hätten sich zu Hasselungen an der Elbe, da wo jetzt Stade liegt, gelagert, die Thüringer aber sich gegen sie erhoben und sie nicht ins Land lassen wollen. Als aber die Sachsen sich mannhaft gewehrt, so sei ein Friede unter ihnen aufgerichtet und von den Thüringern ihnen zugelassen worden, dass man ihnen verkaufen und wieder abkaufen dürfe, doch sollten sie sich des Gebrauchs der Äcker und Wasser enthalten, daraus sie ihnen zu wohnen einräumen wollten. So lagerten nun die Sachsen in einem Holze an der Elbe und wurden geheißen die Holz-Sachsen, welches man davon das Land zu Holstein heißt, darin jetzt Stade liegt, das begannen sie zuerst zu bauen und hießen es Stade, daher, dass die Thüringer ihnen allda zuerst zu wohnen gestattet hatten. Die Sachsen hielten diesen Frieden eine geraume Zeit, die Thüringer aber ließen sie auf einen Tag hierher ab und zu ohne Rüstung entbieten, in der Meinung, wenn sie ungerüstet kämen, ihre Fürsten zu erschlagen. Die Sachsen besannen sich aber auch und merkten solche Bosheit und steckten Messer in ihre Hosen, die sie in ihrer Sprache Saken heißen. Da sie nun zu Tage erschienen, warteten die Thüringer schon ganz begierig auf sie, ihrem Beschluss nach sie zu erschlagen. Die Sachsen nun griffen nach ihren Saken oder Messern und zu Steinen, die zu Latein Saxa heißen, wehrten sich und behielten abermals das Feld und schlugen sie von dannen. Die Thüringer aber ruften ihr gewöhnlich Geschrei und flohen, und das Gerücht, dass sich die Sachsen dermaßen mit den Messern und Steinen gewehrt hätten, brach aus in die umliegenden Länder, und weil die Steine Saxa und ihre Messer Saken hießen, wurden sie daher Sachsengenannt, so zuvor den Namen Macedones trugen.


Eine andere Sage endlich von ihrem Ursprunge kennt noch Rollenhagen, denn er singt im Froschmäuseler (C. 2):

„Da Aschanes mit seinen Sachsen
Auß den Hartzfelsen ist gewachsen.
War mitten in dem grünen Wald
Ein springendes Brünlein süß vnd kalt.
Das an dem Flackenstein herfloß.
Sich in einen großen See ergoß,
Vnd da am warmen Sonnenschein
Wässert viel Bäum’ vnd Blümelein,
Viel Frösch. vnd Fisch., viel Krebß’ und Schnecken,
Das Rohr wuchs wie die Haselstecken etc.“


Darauf beziehen sich die bekannten Verse im Handwerksburschenlied:

Darauf bin ich gegangen nach Sachsen,
Wo die schönen Mägdlein auf den Bäumen wachsen.
Hätt’ ich daran gedacht.
So hätt’ ich mir eins davon mitgebracht.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen