Kapitel 3 - Schifffahrt und Wasserkraft beim oberen Rhein von Th. Rümelin.

*) Dr.-Ing. Th. Rümelin ist Direktor der Mittleren Isar in München und Herausgeber der in München erscheinenden Zeitschrift „Die Wasserkraft und Energiewirtschaft“. Der obige Aufsatz erschien auf Anregung des Herausgebers zuerst in der „Westdeutschen Wochenschrift“ in Köln.




Der Streit um den Rhein ist uralt. Ging der Kampf früher um seinen Besitz, so wird heute, nachdem der Strom im Bewusstsein der Völker europäisch geworden ist, um die Art seiner Ausnutzung gestritten. Ich möchte mit diesen Zeilen mein Wort als Techniker in die Wagschale werfen, um zu zeigen, wie ich die Lösung der Oberrheinfrage für möglich und dauerhaft halte. Möglich ist vieles, auch das Gezwungene, aber dauerhaft ist allein das Naturgemäße.

Der Gebrauch des Rheines als Schifffahrtsstraße besteht schon Jahrtausende. Kaum ein Menschenalter dagegen zählt der Wasserkraftgebrauch. Beide Interessen sind am Rhein sehr bedeutend.

Als Schifffahrtsstraße ist nun zwar der Rhein noch ein Torso. Die regelmäßige Schifffahrt hört heute am Beginn der oberen Rheinstrecke, bei Straßburg, in der Hauptsache auf. Nur bei hohem Wasser gelangen jetzt Kähne auf dem natürlichen Flusse bis Basel hinauf. Das Mittelwasser Mai bis September beträgt bei Straßburg noch 2,1 m; es ist um einen Dezimeter besser als das mittlere Niederwasser (April bis November) im Binger Loch, und als das untere Niederwasser (November bis April) bei der holländischen Stadt Tiel am Waal. Aber diese beiden letzteren Wasserstände betragen bei Straßburg nur 1,6 und 1,3 m und das niederste Wasser, das alle 15 bis 20 Jahre wenige Tage einmal eintritt und bei Tiel 1,4 m, bei Bingen immer noch 1,8 m beträgt, sinkt auf 0,9 m herunter.

Oberhalb Straßburg sieht es mit den natürlichen Wasserständen betrüblich aus. Sie sind bei Basel durchschnittlich 4 bis 5 Dezimeter, oberhalb Breisach sogar 5 bis 7 Dezimeter schlechter als bei Straßburg, und aufwärts Basel hört die Schifffahrt bis zum Bodensee ganz auf, um erst in der Verbindungsstraße zwischen dem Unteren See und dem eigentlichen Bodensee, bei Konstanz, wieder die Höhe von 2,2 m zu erreichen.

Aber die Wünsche ganz Europas verlangen gebieterisch nach der Vollendung des Torsos. Das süddeutsche und vorarlbergische Hinterland warten auf die Erschließung durch die Binnenwasserstraße. Die Schweiz braucht die Schifffahrt auf dem Rhein so gut oder fast mehr als die auf der Rhone. Der Herausgeber der „Rheinquellen“, Jean Frey, berechnet, schon ohne daß etwas an dem oberen Rhein geschieht, dessen Verkehrsmenge in absehbarer Zeit auf 1,3 Millionen Jahrestonnen. Frankreich und Belgien können, wie in den Landtagsverhandlungen der Zweiten Elsaß-Lothringischen Kammer 1912 zu lesen ist, die 300.000 t Bau- und Nutzholz, die sie aus Vorarlberg und Tirol beziehen, mit der Zeit bedeutend billiger auf dem Rhein befördern als auf der Bahn. Amerika zielt nach einer starken Ausbeutung der ungeheuren Kalilager bei Mülhausen, welche nach Zander (Konstanzer Rheinschifffahrtstagung, Sommer 1918) 50 bis 60 Milliarden wert sind. Dem englischen Außenhandel wird von Hoek van Holland bis Basel eine Verkehrsader von 861 km Länge zur Verfügung stehen; die 218 km lange offene Seestrecke bis London hinüber ist bei der modernen Schiffsbautechnik und Navigation auch für Flussdampfer und Flusskähne passierbar, so daß London ein rheinischer Umschlagsplatz von der Bedeutung Antwerpens werden kann. Die Handelsinteressen Englands und der Schweiz am Rhein decken und ergänzen sich. Die Schweiz braucht auf dieser Rheinzufuhrstraße die Einführung von 1,2 Millionen t Kohle, Erzen, 240.000 t Roheisen, 30.000 t Petroleum, 90.000 t Phosphate und Dünger, dann vor allem Getreide, Hülsenfrüchte, Mehl, Maschinen, Maschinenteile, Holzwaren, Bauholz, Leder, Felle, Baumwolle, Wolle, während es Karbid, Ferrosilicium, Asphalterde, Bausteine, Zement, landwirtschaftliche Produkte, Holz, Häute, verarbeitetes Eisen ausführen würde.

Zwei französische Schifffahrts-Gesellschaften mit dem Sitz in Straßburg, eine schweizerische mit dem Sitz in Basel, eine belgische mit dem Sitz in Antwerpen und Niederlassungen in Ludwigshafen und Straßburg, werden außer den deutschen Gesellschaften künftig den Rhein befahren. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht auch englische, amerikanische und italienische Gesellschaften Niederlassungen am Rhein gründen sollen.

Auch ohne daß die Wasserkraftfrage gekommen wäre, ist über die Vollendung des Schlussstückes der Rheinwasserstraße ein Streit entbrannt, der Jahrzehnte schon dauert. Man stritt sich, ob man den Rhein regulieren oder kanalisieren sollte. Die Ingenieure verstehen unter Regulierung oder Regelung eines Flusses den Ausbau des Flussschlauches für den Abfluss von niedrigen und mittleren Wassermengen, wozu meistens noch der Abhub der Vorländer für den Abfluss des Hochwassers kommt. Unter Kanalisierung oder Staffelregelung versteht man dagegen die Aufteilung des Flusses in einzelne Haltungen durch quer hineingebaute Wehre. Die Staffelregelung gewährt der Schifffahrt gegenüber der einfachen Regelung den bedeutenden Vorteil einer ausreichend großen und gleich bleibenden Fahrwassertiefe, wogegen die Schiffer allerdings den Nachteil der Schleusen in Kauf nehmen müssen, die bei der Regelung überhaupt fehlen.

Man stritt sich ferner um die Höhe und den Träger der Kosten, ganz besonders aber darüber, ob man Schifffahrtsabgaben einführen sollte oder nicht. Das Schlagwort vom ,,freien Rhein“ wurde viel gebraucht; bald bezog man es auf die Regulierung, bald auf die Abgaben oder auf beides. Die Zeit hat von selber die Einsicht gebracht, die von Natur notwendig war. Heute gibt es wohl keinen Ernsthaften mehr, der trotz der Kohlennot noch an der „Wasserkraftlosen Regulierung“ festhält oder angesichts der hohen Baukosten überhaupt an die Möglichkeit von abgabefreier Schifffahrt im oberen Rheintal glaubt.

Da brachte neuerdings die Wasserkraftnutzung noch eine dritte Möglichkeit zu den beiden ersten, nämlich die Führung des Rheins in Seitenkanälen. Bei der verhältnismäßig viel kleineren Isar ist — wenigstens im Projekt und durch Annahme dieses Projektes durch den bayerischen Landtag zum Ausbau — bewiesen, daß die Vereinigung von Kraft- und Fahrtnutzung nur so geschehen kann, daß man den Fluss in Seitenkanälen führt. Anders bei der bayerischen oberen Donau. Dort werden Kraftausnutzungswerke in den Fluss hineingebaut, genau so wie z. B. in die Weser bei Bremen oder in den Rhein bei Basel, 1/2 km oberhalb der Mündung der Birs. Ich habe hierüber in der Zeitschrift „Die Wasserkraft“ 1919, Seite 71, berichtet und die Bemerkung beigefügt: „Dasselbe ist möglich an dem zu kanalisierenden Rhein oberhalb Straßburg, was meines Wissens zum erstenmal Ingenieur Jakob Leuzinger vorgeschlagen hat. Die Franzosen wollen dagegen bekanntlich Seitenkanäle, während die Schweiz ein lebhaftes Interesse vorgibt, daß der Rhein frei bleibt. Wenn Frankreich die Sache genauer untersuchen lässt, wird es finden, daß die Wasserkraftstufen im kanalisierten Rhein billiger werden als die Stufen in Seitenkanälen, welche erst für die Großschifffahrt, die ja der Schweiz garantiert worden ist, ausgerüstet werden müßten. Auch der Schweiz wäre, wenn jetzt, wie Frankreich will, die Wasserkraft ausgebaut werden muss, es sicher lieber, die Kombinierung von Kraft- und Schifffahrtnutzung im kanalisierten, sonst aber freien Flussbett zu erhalten als in Werkkanälen. Dieses Beispiel vom Rhein zeigt, daß es auch in dieser wasserwirtschaftlichen Frage der Schifffahrts- und Wasserkraft-Kombinierung kein starres System, keine Patentlösung geben kann.“ — Diese Worte haben auch heute noch volle Geltung.

Wenn man die Frage genau untersucht: Wie soll das fehlende Stück der Rheinwasserstraße vollendet werden? so erzwingen sich zunächst folgende beiden allgemeinen Gründe Beachtung:

1. Wenn man den Rhein nicht staffelregelt, so muss man zwei Kanäle bauen; denn die Elsässer können nicht dulden, daß alle Schifffahrt durchs Badische, und die Badener nicht, daß alle Schifffahrt durchs Elsaß geht. Das wäre im alten Reich nicht gegangen, und um so weniger geht das heute. Zwei Kanäle würden aber natürlich ganz bedeutend teurer als der kanalisierte Rhein.

2. Die Schweiz hat das größte Interesse an der möglichst freien Rheinschifffahrt, und sie hat auch die besten Finanzen. Während ich dieses schreibe, steht die Valuta so: Deutsche Mark 10, Österreichische Krone 2 1/4, Französischer Frank 48, Schweizer Frank 100. Es wäre lächerlich, wollte man bei der Rheinfrage den kräftigsten Kapitalgeber außer acht lassen.

Noch einige weitere Gesichtspunkte sind wichtig.

Basel wartet ungeduldig auf die Schifffahrt. Ingenieur Zander hat ausgerechnet, daß auf dem oberen Rhein zwischen Basel und Straßburg 3 1/4 Millionen Mark (Preisbasis Anfang 1917) Frachten jedes Jahres gegenüber der Bahn erspart werden. Ein Teil wird schon jetzt erspart, da seit bald einem Jahrzehnt bei hohem Wasser die Schiffe auf dem unregulierten Rhein bis Basel verkehren. Der Schiffsgüterumschlag im Baseler Hafen hatte von 1913 auf 1914 um 60% zugenommen; da kam der Krieg. Der von mancher Seite geäußerten Ansicht, durch die Erhöhung der Bedeutung Basels als Hafen werde der Straßburger Hafen beeinträchtigt, kann ich keine allzu große Bedeutung beilegen; ich glaube nicht daran. Beide Häfen werden gewinnen. Wenn die Kehler Rheinbrücke dagegen durch einen rechtsseitigen Kanal umgangen werden würde, so müsste das allerdings, wie schon in der elsaß -lothringischen Ersten Kammer am 30. April 1918 ausgesprochen wurde, den Ruin des Straßburger Hafens bedeuten. Die Eisenbahnbrücke zwischen Straßburg und Kehl war bis zum Ende des Weltkrieges das Haupthindernis für jede Kanalisierung des Rheines. Nun hat der Versailler Frieden das Machtwort gesprochen, die Befestigungen fallen weg und daher können die Brückenrampen zwischen Straßburg und Kehl jetzt höher gelegt werden. F. Geigel hat die Kosten für die Höherlegung der Bahn- und Straßenbrücken sowie der Rampen auf 41 Millionen Mark (Sommer 1919) berechnet. Er bemerkt sehr richtig, daß gegenüber der Vergrößerung der Kehler Häfen sich Straßburg den Rheinverkehr durch einen Hafenbau zwischen Schloss Pourtalès, dem Illfluss und deren Zweigarm „Steingießen“ sichern soll.

Ich will nun die Kosten der beiden Hauptvorschläge, des kanalisierten Rheins und der Rhein-Seitenkanäle zwischen Basel und Straßburg, nebeneinanderstellen und dann mitteilen, was zu beiden zu bemerken ist. Grundsätzlich darf aber das oben Gesagte nicht aus den Augen gelassen werden.

Ich rechne in Mark. Das ist keineswegs so unsicher, als es auf den ersten Anblick scheint. Man braucht nur nach dem oben angegebenen Valutaschlüssel in Franks zurückzurechnen und dann sich an Vorkriegspreise zu erinnern, so wird man finden, daß die Preise durchaus nicht so haltlos schwanken und über alles Maß steigen, als man allgemein annimmt. Man muss allerdings, wenn man in deutschen Preisen rechnet, stets die Zeitangabe dazusetzen.

Nun ist die Leistung bei den Turbinen des Kanalisationsprojektes noch größer, als nachfolgend angegeben, weil der Wirkungsgrad erheblich besser ist als bei den Turbinen des Seitenkanal-Entwurfes.

Außerdem sind noch folgende Bemerkungen zu machen: Dr. Dröse sagt in seiner Schrift , „Ausnützung der Wasserkräfte des Oberrheins“, Karlsruhe 1919, daß es eine Hauptaufgabe sei, die Zahl der Wehre auf ein Mindestmaß herabzusetzen, und gibt an einer anderen Stelle 15 dafür an. Ingenieur Leuzinger sprach mit mir im Herbst 1917 über diese Frage; dabei schwebten ihm Wehre von etwa 10 m Stauhöhe vor. Nun sind ja zweifellos in der Tuniberggegend westlich des badischen Freiburg Bewässerungen notwendig für die Wiesen, welche der längs des Markgräfler Landes sich immer mehr eingrabende Rhein zu trocken macht. Da wäre eine gewisse Stauerhöhung ganz gut. Es wird darauf hinauslaufen, daß man die richtige Mitte findet zwischen diesen Maßnahmen und den Eindeichungen oberhalb der Wehre, wo bei zu großer Höhe Entwässerungsgräben oder Drainagen größten Stiles gebaut werden müßten. Diese Meinungen sind, wie man sieht, nicht mehr weit auseinander; es wird ein Kleines sein, zwischen den Zahlen von 18 und 10 Wehren vollends das richtige herauszufinden.

Die Rheinkanalisierung erfordert nach F. Geigel: (Juli 1919)

Für die Fahrrinnen-Einengung und die Erhöhung
der Uferdämme abzüglich der regulierten 7 nur
122 km, je 0,4 Millionen Mark einschließlich
Bauleitung und Zinsen..........................................M. 49 Mill
Auf Alluvialboden der Rheinebene mindestens
15 Kraftwerke mit Schleppzugsschleuse, Fahrpaß,
Seitenkanälen usw., je l8Millionen Mark................M. 270 Mill
Auf festem Boden (Ober-Sarbach) mindestens
3 Kraftwerke mit Schleppzugsschleuse, Fahrpaß,
Seitenkanälen usw., je 10 Millionen Mark..............M. 30 Mill
Höherlegung der Bahn- und Straßenbrücken,
auch Rampen Straßburg-Kehl (Befestigungen
fallen weg) usw...................................................M. 41 Mill
Ausgleich (Reservefonds)....................................M. 10 Mill
Bau insgesamt..................................................M. 400 Mill.
Zuschlag (zum Vergleich mit „Rheinseitenkanal“)
für die Erhöhung der Kraftwerkskosten durch
Ausbau auf 600 statt 400 cbm/sek......................M 150 Mill.
M. 550 Mill.

Vorstehendes ist, um auf Preisbasis Dezember
1919 bezogen werden zu können und mit
Rücksicht auf den weiter unten genannten
höheren Ausbau von 1100 statt 600 cbm sek.,
mit 2 zu multiplizieren.
Die Rheinkanalisation kostet also....................M. 1100 Mill.
..........................................................(oder Fcs. 110 Mill.)

Der Rheinseitenkanal für 600 cbm/sek. erfordert nach Hallinger: *)

Erdaushub der Kanäle 32 Millionen cbm............M. 320 Mill.
Grunderwerb 1400 ha 4,3’................................M......6 Mill
Kanalbetonpflaster 0,6 Millionen cbm ...............M....60 Mill
Besondere Bauten an den Kanälen (Brücken,
Bachkreuzungen usw......................................M...10 Mill
.....................................................................M. 396 Mill.

Tief- und Hochbau der Krafthäuser....................M. 79 Mill.
Mechanischer, motorischer und elektrischer Teil
25,8' t............................................................M. 320 Mill
Allgemeines, Zinsen und Reserven, Projekt und
Bauleitung......................................................M...75 Mill
.....................................................................M. 900 Mill.

Hallinger gab 128 Millionen Mark an; auf
Preisbasis Dezember 1919 bezogen, muss dies
mit 7 multipliziert werden, gibt 900 Millionen M.
Hierzu Schifffahrtseinrichtungen für 1200t-
Schiffe 30x7...................................................M. 210 Mill.
....................................................................M. 1110 Mill.
...........................................................oder Fcs. 111 Mill.)

*) Hallinger, Zwei deutsche Großkraftquellen. l. Der Rhein. Bei Huber, Dießen vor München 1918. Hier ist vorausgesetzt, daß die Wassermengen des Rheins durch die Regulierung des Bodensees, die kommen muss, Jahresausgleich erhalten.

Anmerkung: Ingenieur Sommer in Wintherthur hat die Kostendes ersten Ausbaues der Rheinstrecke von Basel bis Bodensee im Jahre 1916 zu 52,7 Millionen Franks berechnet. Seit damals haben sich die Kosten verdoppelt. Wie man sieht, stimmen die Kostenzahlen dann gut miteinander überein.

Bis jetzt scheint noch keine Verbilligung für die linke Seite dieser Gegenüberstellung vorhanden zu sein. Diese tritt aber sofort zutage, wenn man überlegt, welche Kraft man gewinnen kann, nämlich:

In vorstehend genannten Kraftwerkhäusern können Maschinen
für die 210 tägige Wassermenge (1100 cbm/sek.*) aufgestellt
werden. Die Stauhaltungen sind erwünschte Speicherbecken,
also Ausbauleistung 10x1100x75..............................................823.000 PS
oder 1 PS zu 5800 kWh theoretisch gerechnet,
0,823 Millionen x 5,8' jedes Jahr ...........................................................4,8 Milliard. kWh

Der badische Minister Dietrich hat am 15. 5. 19.
in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung ebenfalls
bestätigt, daß 4 Milliarden kWh gewonnen werden
können. Bei 8% für Verzinsung, Tilgung, Betrieb,
Unterhaltung, Versicherung und Verwaltung kostet
die theoretische Jahres-PS, aus der Wasserkraft des
kanalisierten Rheins erzeugt, 88 Millionen : 4.800 Millionen = .1,8 Pf.

Die Schifffahrt kann sich im kanalisierten Rhein ungestörter entfalten und wird mehr einbringen. Bei einem Ausbau der Werkkanäle auf
600 ccm/sek. können an den Kraftstufen nutzbar
verwertet werden nach Hallinger nur 572 cbm/sek. *)
mit einer Nutzfallhöhe von 100,4 m. Das gibt
10x572x100,4 =...............................576000 PS
oder, 1 PS zu 5800 kWh gerechnet,
0,576 Millionen x 5,8' jedes Jahr.....3,3Milliard.kWh

Bei Seitenkanälen können 4,8 — 3.3 = 1,5 Milliarden kWh
elektrischer Strom jährlich weniger gewonnen werden, als
beim kanalisierten Projekt.
72 Millionen : 3300 Millionen =............... 2,2 Pf

Bei niederem Wasser will Hallinger nur mehr 25 m 3/3 im Rhein lassen. Dabei ist natürlich jede Schifffahrt im Mutterbett ausgeschlossen.

*) Nach der Bodenseeregulierung 600 cbm Sekunde, wodurch 3,5 Milliarden kWh gewonnen würden zu rund 2,1 Pf. Kanäle für mehr als 600 cbm zu bauen, erscheint gewagt.

Oberbaurat Kupferschmidt, der im März 1918 in der Zweiten Badischen Kammer auf die fortschreitende Ausnagung und Eintiefung der oberen Rheinstrecke zwischen Breisach und Basel hinwies, hält 15 Wehre bei der Kanalisierung für erforderlich. Er rechnet mit einer Bauzeit von 12 Jahren. Die Kraftwerke brauchen nicht gleich ausgeführt, sondern können allmählich, wie eben die Nachfrage ist, angeschlossen werden. Die Kosten hierfür hat K. im März 1918 zu 230 Millionen angegeben, was auf der Preisbasis vom Dezember 1919 etwa das Viereinhalbfache, also 1040 Millionen Mark ausmacht; ein neuer Beweis für die Zuverlässigkeit der oben angegebenen Kostensummen.

Rudolf Gelpke schrieb in der Wasserwirtschaftlichen Rundschau, 1916, S. 16: ,,In gestauten Stromhaltungen ist die starke Strömung gebrochen, und es kann an jeder beliebigen Stelle gelandet oder auch mit ganzen Schiffszügen gewendet werden.“

Zwischen Breisach und Basel herrscht nach Dröse jetzt eine Wassergeschwindigkeit bis zu 3,5, ja 4,5 m/s; die Kanalisierung wird dies abmindern auf 0,8 bis 1,5 m/s. Das entspricht einer Ausbeute der Schleppleistung von 4 bis 5 Tonnen pro PS gegenüber vorher 0,8 bis 1 t/PS.

Ein und der gleiche Lastkahn erfordert auf den Kanälen eine größere Schleppleistung als im freien Rhein. Das kommt her von der sogenannten Rückströmung, welche zu beiden Seiten des Schiffes stattfindet, wenn es in Fließkanälen fährt.

Die Fahrzeit zwischen Straßburg und Basel auf dem gestaffelten Rhein wird 72 Stunden betragen, 27 Stunden mehr als auf dem geregelten Rhein. Dafür sinkt aber auch die Dampferleistung von 600 PS beim geregelten Strom auf nur 200 PS beim gestaffelten: Schraubenschlepper werden möglich, während auf dem bloß geregelten Rhein die allmählich veraltenden Radschlepper dauernd weiter gebraucht werden würden.

Man hört oft gegen die Staffelregelung ins Feld führen, daß sie die Eisgefahren vergrößere. Das ist nach den Feststellungen bei den Kraftwerken Laufenburg und Rheinfelden, 20 bis 50 km oberhalb Basel, eine unnötige Sorge, denn in den Wehrräumen dieser Werke hat sich in den letzten Jahren trotz 16 bis 17 Grad Kälte kein Eis halten können.

In den Rhein-Seitenkanälen würden vor allem die Schiffsschleusen eine teuere Sache werden. Mit so einfachen Schleusen, wie z. B. Ing. Kretz 1906 sie für seinen Kraftkanal Hüningen-Straßburg vorgeschlagen hat, geht es selbstverständlich nicht.

Die Regulierung wird neuerdings selbst von den Unentwegten um Rudolf Gelpke nicht mehr starr verteidigt. Ein warnendes Beispiel für Regulierung ist die Rhone. Girardon musste die Summe von 40 Millionen aufwenden, gewann dabei 139 Schifffahrtstage und konnte trotzdem die jährliche Beförderung um nicht mehr als 200.000 t steigern.

In der Kölnischen Zeitung stand neulich zu lesen: „Der elsässische Ingenieur Rene Köchlin hat mit seinem Plan eines Rhein-Seitenkanals im Elsaß die Zustimmung des Obersten Rates im Elsaß und der maßgebenden französischen Regierungsstellen gefunden.“ Was gedenken nun die Völker, vor allem die Schweiz zu tun? In den „Rhein-Quellen“ 1919 schreibt Rudolf Gelpke: „Es gibt keinen Staat im europäischen Völkerkonzerte, die jüngsten bis anher nur dem Namen nach bekannten Gebilde nicht ausgenommen, denen nicht ein freier Zugang nach dem Meere geöffnet wird. Bloß die Schweiz, die Nährmutter der großen Festlandsströme, geht nicht nur, was uns wenigstens nicht wenig ehrt, mit leeren Händen aus, nein, das wenige noch, auf was sie ein unbedingtes Lebensrecht besitzt, das einzige schmale Silberband, genährt von ihren Firnen, Gletschern und Seen, das unser Land seit Jahrtausenden verbunden hält, soll entzweigeschnitten werden. Soweit darf es nicht kommen.“

In den Zeitungen las man im August 1919:

„Die französische Regierung beabsichtigt, die Rhone durch Errichtung mächtiger elektrischer Kraftwerke in einen fahrbaren Fluss umzuwandeln. Die Arbeiten werden 12 Jahre dauern und 2 1/2 Milliarden Franks kosten. Die Konzession für diese Arbeiten wird einer Gesellschaft übertragen, deren Aktienkapital 200 Millionen Franks betragen wird. Für die restlichen 2300 Millionen sollen Schuldverschreibungen ausgegeben werden. Nach dem Plane sollen Schiffe von 1200 Tonnen ohne umzuladen direkt von Genf nach Marseille fahren können.“ Über das Verbindungsstück zum Rhein brachte die Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure unterm 13. September folgende Mitteilung: „Die französische Regierung hat den Ausbau des bisher mit Schiffen von nur 150 t Ladefähigkeit befahrenen Rhein-Rhone-Kanals beschlossen, allerdings nur in dem bescheidenen Umfange, daß die Wasserstraße für 300 t-Schiffe benutzbar wird. Zu diesem Zwecke müssen die Schleusenkammern auf 38,5 m verlängert, die Fahrrinne auf 2,2 m vertieft und einzelne Brücken für 3,7 m lichte Höhe über dem Wasserspiegel umgebaut werden. Die Kosten sind zu Vorkriegspreisen auf 7 Millionen Franks veranschlagt. Der Ausbau soll möglichst noch in diesem Jahre vollendet werden.“

Der oben genannte Ausbau auf das 1200 t-Schiff begreift also die Verbindungsstrecke Genf-Mühlhausen zwischen Rhone und Rhein nicht in sich. Was ist von den Seitenkanalplänen zu halten? R. Gelpke hat in einem Vortrag in Basel gesagt: „Der Rhein oberhalb Straßburg soll kein Schiffsträger sein, sondern ein Wasserzuleitungsgraben zur Speisung der großen Kraft und Bewässerungskanäle. Dafür öffnet man dem schweizerischen Verkehr das elsässische Kleinwasserstraßennetz, mit dem Rhein-Marne-Kanal und dem Rhein-Rhone-Kanal für Kähne von 280—300 Tonnen Tragvermögen. An die Stelle der mächtigen Rheinwasserfläche, die das schweizerische Quellgebiet aus Tausenden von Wasseradern gebildet hat, tritt zunächst der Zweigkanal Straßburg-Napoleonsinsel-Hüningen-Basel auf. Was es für eine Bewandtnis mit der Leistungsfähigkeit des Rhein-Rhone-Kanals auf der Strecke Straßburg-Napoleonsinsel-Hüningen-Basel hat, erhellt aus folgendem: Ein von Pferden gezogener Kanalkahn von 250 — 280 Tonnen Tragfähigkeit beansprucht ohne Berücksichtigung des Güterumschlages im Straßburger Hafen zur Zurücklegung der Strecke Straßburg Basel 7 Tage. Ein Schleppzug dagegen legt auf dem Rhein mit dem fünffachen Ladegewicht die Stromstrecke-Straßburg-Basel in 25 — 30 Stunden zurück. Talwärts durchfährt ein Schleppzug die Strecke in ebenso vielen Stunden (5 1/2 bis 6 Stunden), als ein Treidelzug auf dem Kanal Tage beansprucht. Es ist ungefähr so, wie wenn man die Berninabahn an Stelle der Gotthardbahn zur großen schweizerischen Transitstraße erheben wollte.“

In der Gründungsversammlung des „Nordostschweizerischen Verbandes für die Schiffbarmachung des Rheins von Basel bis zum Bodensee“ wurde darauf hingewiesen, daß man in Schweizer Handels-, Industrie- und Beamtenkreisen vielfach den Standpunkt vertrete: erst wenn sich gezeigt habe, daß die Schifffahrt nach Basel technisch und wirtschaftlich durchführbar sei, könne die Fortsetzung der Schifffahrt bis an den Bodensee ins Auge gefaßt werden. Der schon vor dem Krieg ausgeschriebene, aber ins Stocken geratene Wettbewerb zur Erlangung von Projekten für die Schiffbarmachung des Rheins von Basel bis zum Bodensee ist wieder von neuem öffentlich ausgeschrieben worden. Als Endtermin für die Wettbewerbungsarbeiten ist von der badischen Regierung im Einverständnis mit dem schweizerischen Bundesrat der l. März 1920 bestimmt worden.

Die Entscheidung drängt auf einen Entschluss hin. Preußen hat zu Zeiten, als die Mark noch mehr galt wie heute, in den Ausbau des mittleren und unteren Rheines rund 300 Millionen Mark hineingesteckt und damit eine Pionierarbeit geleistet, die ganz Europa zugute kommt. Heute weiß niemand mehr, wie ärmlich es früher mit den Schifffahrtsverhältnissen auf dem Rhein bestellt war. Was ist seit 75 Jahren alles erreicht worden!

Und die Rheinschifffahrt wird weiter zunehmen. Wenn der grandiose Plan Frankreichs mit seiner Rhone-Erschließung vollendet sein wird, so existiert eine direkte Schifffahrtsstraße von der Nordsee zum Mittelmeer. Es muss einmal ausgesprochen werden: Von den vielen Plänen, Flüsse für die Schifffahrt auszubilden, haben heute nur die gute Aussicht auf Verwirklichung, welche Kraft- und Fahrtnutzung vereinigen. Das tut jetzt Frankreich auf seiner Rhone. Das ist auch der Grundgedanke der beiden Rhein-Main-Donauverbindungen: der westlichen über den Neckar durch Württemberg und der östlichen nach Hallingers Plan durch Bayern*). Darum werden diese Schifffahrtswege, welche den Rhein mit der Donau und dem Schwarzen Meer verbinden, beide kommen. Die Ära der Kraftwasserstraßen ist angebrochen.




*) Hallinger, Der Main -Donau -Kanal als Kraftquelle. Huber, Dießen vor München 1920.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Rhein als Schicksal oder Das Problem der Völker