Zweite Fortsetzung

Nun werden wir versucht zu glauben, dass der Juden Hartherzigkeit, Lieblosigkeit und Unmäßigkeit, sowie ihr unordentliches Familienleben sie zum Gegenstand des Hasses und der Verachtung gemacht?
Die Grundlosigkeit dieser Beschuldigung darzulegen bedarf keines besonderen Scharfsinnes; denn der Juden Mildtätigkeit, Mäßigkeit und geheiligtes Familienleben, dieses Dreiglanzgestirn am Himmel des jüdischen Lebens erhellte und erleuchtete ihnen die schwärzeste Nacht des Mittelalters und diese Tugenden haben sich bis heute bei uns erhalten, so leicht man sich auch in unserer Zeit über manche Zeremonie, über manchen ehrwürdigen Brauch hinwegsetzt und werden hoffentlich in allen Zeiten bei den Juden einheimisch bleiben. Also auch von dieser Seite ließe sich nicht der Judenhass rechtfertigen.

Vielleicht waren aber die Juden der Erfinder der Scheiterhaufen und der Hexenprozesse, der Inquisition und der Folterkammern, der Kreuzzüge und der Bartholomäusnächte! Nein und tausendmal Nein! Nicht die Juden waren die Erfinder, sondern die Opfer jener fluchwürdigen Erfindungen, worüber der Menschheit Genius schmachvoll das Haupt verhüllt; nicht die Juden haben Scheiterhaufen angezündet und mit kannibalischer Grausamkeit Tausende und abermals Tausende der edelsten Menschen, die ihre Glaubenstreue mit dem Tode besiegelten, dem Moloch im Namen des Gottes der Liebe geopfert, sondern die Vorfahren derjenigen waren es, die uns noch jetzt mit Hass und Verachtung begegnen und vornehm die Nasen rümpfen, wenn von Juden und Judentum die Rede ist; woher kommt dieses ? Nun, durch ein Wort wird dieses Dunkel erhellt, werden alle diese Fragen gelöst sein; dieses verhängnisvolle Wort heißt Klerus!


Wir verwahren uns dagegen, als läge es in unserer Absicht dem Christentum die Schuld in die Schuhe zu schieben und es für die den Juden zugefügte Ungerechtigkeiten verantwortlich machen zu wollen. Bewahre! wir wissen ganz wohl, dass dem wahren, echten und rechten Christentum nichts ferner lag, als die Verfolgung des Judentumes; das Urchristentum wir doch nichts mehr und nichts weniger als ein reformiertes Judentum; das evangelische Christentum war ebenso von der reinen Menschenliebe durchdrungen, als der Mosaismus, der ihm zum Vorbild gedient; es würde mit sich selbst in Widerspruch geraten sein, hätte es Lehren des Hasses zu verbreiten gesucht; Aber die späteren Ausleger des Christentums verleugneten ihren Herrn und Meister, anstatt Frieden suchten sie Streit und Hader zu stiften und wilde Leidenschaften anzufachen; anstatt in Demut und Bescheidenheit zu wandeln gewann Hoffahrt, Geld-, Ehr- und Prachtsucht die Oberhand, entfernten sich immer mehr von der reinen Lehre des Evangeliums; der Katholizismus artete im Mittelalter in eine Religion des Blutdurstes und der Scheiterhaufen aus. Das Kreuz galt nicht mehr als das Zeichen des Friedens und des Duldens, sondern der Raub- und Mordsucht; 17.000 deutsche Juden, besonders aus der Rheingegend wurden im Jahre 1096 von den ersten Kreuzfahrern erschlagen; bei dem Albigenser Kreuzzuge unter Anführung des blutdürstigen Mönches Arnold v. Citeaux und des ländersüchtigen Grafen Simon v. Montfort wurde am 22. Juli 1209 das schöne Beziers erstürmt und ein Blutbad unter den Bewohnern im Namen Gottes angerichtet. „Wir schonten“, so berichtete der Blutmensch Arnold an den Papst Inoncenz III., ,,keinen Stand, kein Geschlecht, kein Alter, fast 20.000 Menschen sind durch die Schärfe des Schwertes umgekommen. Nach dem großen Gemetzel wurde die Stadt geplündert und verbrannt und die göttliche Rache wütete darin auf eine wunderbare Weise“. Selbst rechtgläubige Katholiken wurden nicht verschont und auf die Frage der Kreuzfahrer, wie sie die Rechtgläubigen von den Ketzern unterscheiden sollten, antwortete der Mönch: „Schlaget nur zu, Gott wird die Seinigen schon herauskennen! Die blühende gebildete Gemeinde von Beziers durfte unter diesen Umständen noch weniger auf Schonung hoffen; 200 Juden kamen in Folge dessen um und viele von ihnen gerieten in Gefangenschaft. (Grätz's Geschichte der Juden B. VII, Seite 14.) „Solange“, – sagt Dr. Zunz in seiner synagogalen Poesie „Druck und Ausschließung die Juden noch nicht zu Gegenständen von Kindheit an gewohnter Geringschätzung gemacht hatten, der Fanatismus noch nicht in die Masse gedrungen war, lebten die Juden mit ihren Mitbürgern in Frieden, denn es gab in der Bevölkerung keinen eigentlichen Judenhass; aber die Geistlichkeit hatte Alles aufgeboten die Juden sittlich zu vernichten, jede Sympathie zu entziehen, indem sie jüdisch und teuflisch für gleich erklärten. In Syrien, wie in Frankreich haben viele Christen die Synagogen besucht, oft jüdische Prediger und Richter den christlichen vorgezogen; Juden und Christen haben einander besucht, zusammengespeist, sogar sich unter einander verheiratet. Die Kirchenväter sind darüber außer sich; Edikte und Konzilien müssen dreinschlagen. Mit dem steigenden Ansehen des Mönchtums, und als endlich mit Hildebrand die Priester die Herrschaft in Europa errangen, sanken die Juden immer tiefer und nachdem Gesetz und Gewohnheit sie der äußersten Verachtung preisgegeben, war es dem Pöbel leicht, die Hilflosen zu verfolgen. Pfaffentum und Raubgier haben den Flor der Provence zertreten, Spanien arm gemacht, Asien und Amerika entvölkert; Despoten und Priester haben auf ihrer Spur mehr Brandstätten und Elend zurückgelassen, als Scyten, Hunnen und Wandalen zusammengenommen."

Kanzel und Schule waren die zweischneidigen Waffen, womit der Klerus Andersgläubige zu verfolgen suchte, besonders letztere diente ihm, sich der jungen Kinderseelen zu bemächtigen und in die zarten Kinderherzen den Samen des Hasses zu streuen, der auch größtenteils zur giftigen Saat aufschoss, was ihm umsomehr gelang, da die Schule als Magd der Kirche im Dienste der Geistlichkeit gewirkt und der Lehrer von ihr beeinflusst wurde. Der christlichen Jugend ward der Jude als eine Karikatur, als Inbegriff aller Laster geschildert, was Wunder also, dass der Name Jude als Schimpf galt und noch gilt und die Christen mit Hass und Verachtung gegen unsere Glaubensgenossen erfüllt waren und zum großen Teil es noch sind.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Judenhass